Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Mittelstürmer

Kaderanalyse 2020/21 – Herthas Mittelstürmer

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Im sechsten und letzten Teil unserer Kaderanalyse widmen wir uns dem Mittelsturm. Wie haben sich Herthas Stürmer geschlagen und wie sieht die Lage für die neue Spielzeit aus?

Piatek und Córdoba – der unmögliche Vergleich

Foto: Matthias Koch / IMAGO

Wenn eine Mannschaft zwei so gute Stürmer wie Krzysztof Piatek und Jhon Córdoba in den eigenen Reihen hat, dann ist das grundsätzlich ein großes Glück. Auch wenn beide Spieler in ihrer Spielart und Rolle im Spielsystem völlig unterschiedlich sind, bringen sie eine große Qualität mit. Beide wurden für hohe Ablösesummen verpflichtet und mussten dementsprechend mit hohen Erwartungen in die Saison starten. Im Nachhinein muss man leider feststellen, dass die abgelaufene Spielzeit weder für den einen noch für den anderen optimal verlief.

Am Ende zählen bei Mittelstürmern die Torausbeute sowie die Anzahl der Torvorlagen: daran werden solche Spieler gemessen. Doch gerade da ist es unmöglich herauszustellen, wer von beiden Torjägern die bessere Saison spielte. Nicht nur wiesen beide jeweils sieben Tore und zwei Torvorlagen auf, sie erreichten diesen Wert auch in ähnlicher Spielzeit (Piatek 1.632 Minuten, Córdoba 1.541).

Zwar bewiesen beide ihre Stärken und ihr Torhunger, leider wurden sie immer wieder im Laufe der Saison zurückgeworfen und litten auch darunter, dass ihre Mannschaft so gut wie nie als Team funktionierte.

Jhon Córdoba – Fitness als Leistungsbarometer

Foto: Matthias Koch / IMAGO

So war es bei Jhon Córdoba die körperliche Fitness, die ihn im Laufe der Saison bremste. Erst verpasste er einen Großteil der Hinrunde aufgrund einer Bänderverletzung. Dann kehrte er erst 2021 zurück und stand in der wohl schwächsten Phase von Hertha (15. Bis 18. Spieltag) wieder in der Startelf. Ausgerechnet die ersten Spiele unter Cheftrainer Pal Dardai verpasste er erneut aufgrund eines Muskelfaserrisses.

Dass Dardai, sobald diese Verletzung auskuriert war, erneut auf den Kolumbianer setzte, kam nicht überraschend. Vom Spielertyp passte er genau zum neuen Trainerteam: „Er ist ein Krieger, tut 90 Minuten lang alles für sein Team.“, hieß es von Pal Dardai. „Vor einigen Jahren haben wir im Olympiastadion gesessen, ich habe versucht, ihn herzulocken. Aber wir hatten nicht genug Geld.“

Im Verlauf der Saison war mehrmals zu spüren, dass der 28-Jährige seiner Mannschaft bei seinen Einsätzen gut tat. Gerade seine Arbeit in der Sicherung von langen Bällen, seine körperliche Präsenz und sein Zug zum Tor waren wertvolle Elemente. Trotzdem kam er auch aufgrund seiner Ausfälle und die Schwierigkeiten seines Teams nicht wirklich dazu, einen Lauf zu starten. Am Ende verletzte er sich in der entscheidenden Phase erneut am Sprunggelenk und fiel für die letzten Saisonspiele aus.

Für die neue Spielzeit wird der Kolumbianer mit großer Sicherheit eine zentrale Rolle spielen. Ein Hauptaugenmerk wird dabei jedoch weiterhin die Fitness sein. Wenn der 28-Jährige über eine längere Zeit in Form bleibt, könnte er die Offensive von Hertha BSC auch in 2021/22 seinen Stempel aufdrücken.

Krzysztof Piatek – Hertha Edeljoker und Derbyheld

Foto: IMAGO

Etwas anders wird das Fazit bei Krzysztof Piatek ausfallen. Der Pole wurde über die gesamte Saison viel kritisiert, teilweise auch ohne sportlichen Grund. Wie beispielsweise ein Tousart wird der Ex-Mailänder stets ein seiner immens hohen Ablösesumme gemessen. Tatsächlich schien er, anders als sein Sturmpartner Córdoba, weniger gut zum Spielsystem seines Teams zu passen. Dass er dabei trotzdem immer wieder Torgefahr ausstrahlte und genauso gefährlich wurde wie der Kolumbianer wurde zu oft außer Acht gelassen.

Die hohe Ablösesumme und die hohen Erwartungen konnte der Pole bisher in der Höhe zwar nicht rechtfertigen. Doch individuelle Leistungen sind (wie wir bereits mehrmals im Verlauf unserer Kaderanalyse feststellen konnten) immer im Zusammenhang zu sehen: auch Piatek musste in einer schlecht zusammengestellten und dysfunktionalen Mannschaft agieren. Keine optimalen Zustände also, um als Torschütze und Vollstrecker zu glänzen. In einigen Partien bekam er so gut wie keine Bälle und kaum Möglichkeiten, seine Qualitäten in Szene zu setzen.

Immerhin erlebte der 25-Jährige einige Höhepunkte. Nach Sasa Kalajdzic war er in der abgelaufenen Saison der zweitbeste Joker der Bundesliga mit vier Treffern und zwei Vorlagen nach einer Einwechslung. Dazu konnte er ausgerechnet im Derby gegen Union Berlin beim 3:1 Erfolg von Hertha BSC seinen ersten Bundesliga-Doppelpack feiern.

Besonders bitter sollte es für Piatek zum Saisonende werden. Aufgrund einer Fraktur im Sprunggelenk im Spiel in Gelsenkirchen war nicht nur die Saison für ihn vorbei. Auch eine EM-Teilnahme wurde damit unmöglich. Nach dieser Verletzung ist trotz angeblichem Interesse von italienischen Vereinen wohl davon auszugehen, dass der Pole auch nächste Saison für Hertha stürmen wird. Wenn er zeitnah wieder gesund wird und voll in die Vorbereitung starten kann, hat der „Pistolero“ dann in der neuen Spielzeit genug Zeit um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen.

Davie Selke – die unerwartete Rückkehr zu Hertha

Foto: nordphoto GmbH / gumzmedia / IMAGO

Lange hatten sich Fans von Werder Bremen darüber geärgert, wie hoch die Ablöse für Davie Selke kosten würde, sollten es die „grün-weißen“ am Ende doch schaffen, die Klasse zu halten. Zu selten konnte sich der 26-Jährige in anderthalb Saisons bei Werder Bremen als Torschütze auszeichnen. Nur drei Bundesligatore erzielte der 1,94 Meter große Stürmer in dieser Zeit.

Dass er ausgerechnet zwei dieser drei Treffer gegen Hertha erzielte, gehörte wohl auch zur traurigen Ironie dazu, die Davie Selke begleitete. Am letzten Spieltag rutschte Werder Bremen auf den vorletzten Tabellenplatz ab und Davie Selkes Rückkehr zu Hertha BSC wurde offiziell. Nun müssen die Hertha-Verantwortlichen auf die hohe Ablöse für Davie Selke verzichten. Doch seine Rückkehr bedeutet auch eine weitere Option für den Berliner Sturm in der neuen Saison.

Unter Pal Dardai konnte sich zwar Selke selten gegen seinen damaligen Konkurrenten im Sturm Vedad Ibisevic durchsetzen. Trotzdem erlebte er auch starke Phasen bei Hertha BSC, insbesondere in der Saison 2017/2018, wo er mit 14 Pflichtspieltoren und vier Vorlagen glänzte. Was also für viele eine Ironie des Schicksals zu sein scheint, könnte für den 26-Jährigen noch zur großen Chance werden.

Die Erwartungen und der Druck in Berlin werden geringer sein, als in Bremen in der vergangenen Saison. Nimmt Davie Selke die neue Situation und den Konkurrenzkampf sofort an, hat er eine gute Chance, seine Situation nochmal umzudrehen. Sein Cheftrainer bei der „alten Dame“ ist bereit ihm diese Chance zu geben: „Er ist ein feiner, fleißiger Junge. Hier hat er funktioniert. Ich würde nie sagen: Davie kann nicht helfen.”

Jessic Ngankam – Klassenerhalt-Held vor Ausleihe

Foto: Christopher Neundorf/Kirchner-Media/pool / IMAGO

Vom Sympathie-Faktor ist wohl Jessic Ngankam ganz oben auf der Liste der Hertha-Fans. Von der Jugend über die U23 dann zu den Profis, um sein erstes Profitor gegen Manuel Neuer zu erzielen. Schließlich die verrückte Schlussphase der Saison und das Spiel in Gelsenkirchen, wo Ngankam beim 2:1 zum Helden wurde und den Klassenerhalt wohl sicherte. Die Jubelbilder des 20-Jährigen werden noch lange in Erinnerung bleiben.

Doch diese Schlussphase kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Saison aus individueller Sicht für Ngankam keineswegs positiv verlief. Nur 284 gespielte Minuten bei den Profis, und das obwohl gerade in der Offensive bei Hertha BSC diese Saison phasenweise kaum etwas lief, können nicht zufriedenstellen. Besonders angesichts des Potenzials des gebürtigen Berliners ist eine solch geringe Spielzeit fast schon zu schade.

In der neuen Spielzeit wird die Konkurrenz sicher nicht kleiner geworden sein. Die bereits angesprochene Rückkehr von Selke sorgt sogar für mehr Konkurrenz in der Sturmspitze. Ähnlich denken wohl die Hertha-Verantwortlichen, die ihrem Schützling mehr Spielpraxis bieten wollen. Ngankam soll laut einigen Gerüchten für die neue Saison verliehen werden.

Was sportlich sicherlich Sinn ergeben, jedoch einen bitteren Beigeschmack hinterlassen würde. Schließlich verzichtet man ungerne auf den Spieler, der einem noch zum Saisonende so starke Glücksmomente bereiten konnte.

Daishawn Redan ohne Zukunft? Konkurrenz im Hertha-Sturm

Fraglich wird auch sein, was aus Daishawn Redan (20) wird, der in der abgelaufenen Saison nur 95 Spielminuten bei den Profis bekam. Zwar wurde er nochmal im letzten Spieltag gegen Hoffenheim eingewechselt. Auch bei ihm ist aber zu bezweifeln, dass er mehr Spielzeit in 2021/22 bekommen könnte.

Mit einem bis 2024 laufenden Vertrag ist eine erneute Leihe grundsätzlich denkbar. Ein Verkauf des jungen Niederländers wäre allerdings auch nicht überraschend. Talentierte junge Stürmer haben die „blau-weißen“ in der eigenen Jugend auch noch, Ruwen Werthmüller (20) und Marten Winkler (18). Letzterer feierte sogar einen sehr kurzen Profidebüt gegen den 1. FC Köln.

Der Mittelsturm bei Hertha BSC ist also für die neue Saison bereits jetzt sehr gut besetzt. Eine Verpflichtung auf dieser Position scheint unwahrscheinlich. Sollte es doch zu einem Abgang eines der genannten Spieler kommen, würde sich die Situation etwas ändern. Man kann jetzt schon gespannt sein, wer ab August für die „alte Dame“ die Tore schießen wird.

Titelbild: Matthias Koch/ IMAGO

Kaderanalyse 2020/2021 – Herthas Torhüter

Kaderanalyse 2020/2021 – Herthas Torhüter

Endlich ist die Alptraum-Saison 2020/2021 vorbei. Nach einer hochemotionalen Schlussphase gab es doch noch ein „Happy End“ für Hertha BSC. Diese verrückte Spielzeit haben wir sehr ausführlich in unserer Saisonrückblick-Podcastfolge besprochen. Doch jetzt wollen wir uns der Kaderanalyse widmen. Dabei gehen wir nicht nur auf die abgelaufene Saison ein, sondern werfen auch einen Blick nach vorne. Welche Kaderstellen müssen Bobic, Dufner, Friedrich und co. noch dringend bearbeiten? Wo hat man Bedarf, welche Spieler werden wohl den Verein verlassen?

Den Anfang machen wir mit der Torhüter-Position. Wie verlief die Saison unserer Keeper und wie gestaltet es sich für die neue Spielzeit? Spoiler-Alert: eine echte Torhüterdiskussion wird es bei Hertha diesen Sommer mit großer Sicherheit nicht geben.

Alexander Schwolow – Feuertaufe in der ersten Herthasaison

Foto: IMAGO

Wie alle Neuzugänge von Hertha BSC im letzten Sommer muss es sicher auch bei Alexander Schwolow Phasen gegeben haben, in denen er sich gefragt hat: „Warum habe ich mir das angetan?“. Seine erste Spielzeit verlief ein wenig wie eine „Feuertaufe“. Nichts lief im Team, eine echte Katastrophen-Saison. Immerhin wird Herthas Nummer „1“ sich seinen Fast-Arbeitgeber aus Gelsenkirchen anschauen und feststellen, dass es ihn auch deutlich schlimmer hätte erwischen können.

Die erfolglose Saison seines Teams hat Schwolow wahrlich nicht zu verantworten. Der 29-Jährige zeigte kaum schlechte Spiele, hielt auch in Herthas schlechten Phasen ordentlich und war nie schuld an einer Niederlage. So gab es vom Neuzugang keine schweren Böcke wie sie noch in der Saison 2019/2020 von Rune Jarstein zu sehen waren.

Zu oft allerdings musste er hinter sich greifen, zu oft musste er seine Mitspieler schütteln, die sich mal wieder nicht an taktische Vorgaben hielten. Dass er charakterstark und mannschaftsdienlich ist, zeigte er auch, als er nach Pal Dardais Rückkehr als Cheftrainer zunächst wieder auf der Bank Platz nehmen musste. Vom ehemaligen Freiburger war nur positives zu hören, er akzeptierte die Entscheidung und lieferte nach Rune Jarsteins Erkrankung wohl seine besten Saisonleistungen ab. Auch der Torwarttrainer-Wechsel beunruhigte den gebürtigen Wiesbadener nicht.

Foto: IMAGO/Ottmar Winter pool via Fotoagentur SVEN SIMON

Am Ende konnte er acht Mal in der Saison seine weiße Weste behalten, hatte mit 63,9% Paradenquote allerdings eine eher unterdurchschnittliche Bilanz. Individuell konnte er zwar nur in wenigen Spielen wirklich glänzen, zeigte jedoch auch, dass er kein Unsicherheitsfaktor ist. In Herthas starken Phase nach dem „Re-Start“ war auch zu spüren, dass der 29-Jährige zum Leistungsträger wurde.

Bereits in der neuen Saison könnte Schwolow also zum Führungsspieler werden. Jedenfalls geht er zweifellos als Stammkeeper in eine Spielzeit, die hoffentlich auch ihm mehr Glücksmomente schenken wird.

Rune Jarstein – Die Krake bleibt Hertha treu

Die Saison wird Rune Jarstein sicher nicht schnell wieder vergessen. Auch für den Norweger gab es einige Höhe- und Tiefpunkte. Dabei sprach nach der Verpflichtung von Alexander Schwolow im Sommer 2020 eigentlich einiges dafür, dass Jarstein die Saison auf der Bank verbringen würde. Auch sollte es wohl die letzte Saison bei Hertha BSC werden: als 36-Jähriger Ersatzkeeper mit auslaufendem Vertrag war mit einem Verbleib nicht wirklich zu rechnen. So begann auch tatsächlich die Bundesligaspielzeit. Schwolow wurde Stammkeeper, Jarstein nur Nummer zwei.

Foto: IMAGO

Im Winter folgten von Boulevard-Zeitungen schon die Gerüchte, er sei unzufrieden mit seiner Rolle als Reservist und wolle Hertha verlassen. Dazu sollte es aber nicht kommen. Wir hatten bereits in unserer Kaderanalyse 2019/2020 letzten Sommer zu Jarstein geschrieben: „Abgeschrieben wurde er bei Hertha BSC schließlich schon einmal, und meldete sich eindrucksvoll zurück.“ Das sollte sich auch im Jahr 2021 wiederholen, als Pal Dardai zurückkehrte und ihn sofort wieder in den Kasten stellte. Dies erklärte Dardai damit, dass Schwolow zuletzt einfach keinen Torwartglück gehabt habe.

Rune Jarstein absolvierte acht Spiele, zeigte dabei sehr gute Paraden und bewies eindrucksvoll, dass er auch mit 36 Jahren ein bundesligatauglicher Torhüter ist. Womöglich hätte er auch die restliche Saison als erste Wahl im Tor absolviert. Leider zwang ihn seine schwere Covid-19 Erkrankung zum Saisonende. Auch die Petry-Affäre wird für den Norweger nicht leicht gewesen sein. Zsolt Petry war wohl Jarsteins größter Verteidiger. „Ich habe Zsolt viel zu verdanken, ohne ihn wäre ich nicht der Torhüter, der ich bin. Ohne ihn wäre ich nicht mehr in Berlin“, hieß es vom Torhüter noch vor nicht allzu langer Zeit.

Trotzdem endete diese schwierige Saison für Herthas „Krake“ versöhnlich. Ein neuer Arbeitsvertrag bis 2023 wurde unterschrieben. „Ich habe immer gesagt, dass ich mich bei Hertha BSC und in Berlin total wohl fühle. Das gilt nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie.“, so Jarstein selbst. Mit dieser Entscheidung will Hertha vor allem auch die Hierarchie, Struktur und Atmosphäre im Team stärken.

Arne Friedrich begründete es wie folgt: „Rune ist ein wichtiger Bestandteil unserer Mannschaft. Nicht nur auf dem Platz, sondern auch abseits. Mit seiner Erfahrung und seinem Stellenwert im Team ist er extrem wichtig für uns“. In der kommenden Spielzeit wird er allerdings auch wieder auf der Bank Platz nehmen müssen. “Alex ist die Nummer 1, ihm gehört die Zukunft“, sagte Herthas Cheftrainer dazu.

Nils Körber – Für eine Nummer drei zu gut?

Foto: IMAGO

Unklar ist, wie es mit Nils Körber weitergeht. Herthas Torhütertalent bekam keinen einzigen Einsatz bei den Profis diese Saison, blieb die klare Nummer drei in der Torhüterhierarchie. Nur als Rune Jarstein aufgrund seiner Erkrankung ausfiel, war er als Ersatz für Schwolow mit im Kader. In der letzten Partie gegen Hoffenheim fiel er aus, weil er sich am Ellbogen operieren lassen musste.

Sportdirektor Arne Friedrich deutete zwar darauf hin, dass der gebürtige Berliner ebenfalls bei Hertha BSC bleiben solle. Auch soll sein Vertrag, wie zunächst angenommen, nicht schon im Sommer sondern erst 2022 auslaufen. Doch ob ein Verbleib sowohl für Hertha als auch für Körber Sinn gibt, ist unklar. Als klare Nummer drei kann er sich wohl in der neuen Spielzeit nach Jarsteins Vertragsverlängerung ebenso wenig Hoffnungen auf Einsätze machen wie in der abgelaufenen.

Dabei ist Körber zweifellos ein guter Torhüter, mit viel Talent und Entwicklungsmöglichkeiten. Nicht umsonst wurde er im Sommer von Trainer Bruno Labbadia gelobt: „Es ist ein harter Dreikampf, weil auch Nils Druck macht“. Es wäre also fast zu schade, eine weitere Saison auf der Tribüne verbringen zu müssen. Eine Vertragsverlängerung mit anschließender Leihe wäre zwar eine Lösung. Doch bei Hertha warten auch schon andere junge Torhütertalente auf ihre Chance.

So wäre Nils Körber eigentlich eher zu wünschen, dass er einen ähnlichen Weg einschlägt wie Marius Gersbeck. Der 25-Jährige ging nach seiner Zeit bei den Hertha-Profis und mehreren Leihen zum befreundeten Verein Karlsruher SC und erkämpfte sich mit der Zeit den Posten als Stammtorhüter. Zuletzt wurde er sogar nach starken Leistungen vom Kicker zum zweitbesten Torhüter der zweiten Bundesliga gekürt.

In der Hinterhand hat Hertha BSC auch Marcel Lotka (20 Jahre) und Florian Palmowski (19), dessen Vertrag langfristig verlängert wurde. Hertha BSC hat also keineswegs ein Torwart-Problem, höchstens ein Luxusproblem bezüglich der Talente: zurzeit gibt es kaum einen Weg, dass sich diese ernsthaft bei den Profis durchsetzen könnten. Immerhin ist das eine Position, die Fredi Bobic und co. diesen Sommer nicht vor allzu viel Arbeit stellen wird. Baustellen gibt es im Kader woanders. Nur ein Torwarttrainer bei den Profis fehlt Hertha noch.

Titelbild: IMAGO

Wie übersteht Hertha BSC das “Monsterprogramm”?

Wie übersteht Hertha BSC das “Monsterprogramm”?

Endlich war es wieder soweit: am Freitag war die Mannschaft von Hertha BSC wieder auf dem Trainingsplatz. Zwei lange Wochen in Quarantäne waren überstanden. Doch auf die Freude und die Erleichterung folgen jetzt harte Wochen: sechs wichtige Spiele in 20 Tagen. In dieser Zeit wird die Mannschaft von Pál Dárdai alles tun müssen, um wieder aus der Abstiegszone herauszukommen.

Wir versuchen, Herthas Ausgangslage vor dem „Re-Start“ am Montag zu analysieren. Dabei gehen wir nicht nur auf die “alte Dame” ein. Wir blicken auch auf andere Teams, die eine ähnliche Situation durchmachen und gehen dabei ganz besonders auf unsere Freunde vom Karlsruher SC ein. Dabei unterstützt uns Boris (@gradinho97 bei Twitter) vom Wildpark-Bruddler-Podcast.

Quarantäne bei Hertha BSC – Muskelkater und Fanrückhalt

Gefaulenzt haben die Hertha-Profis trotz Quarantäne sicherlich nicht. Auch die Isolation schützte sie nicht vor den intensiven Einheiten von Fitnesscoach Henrik Kuchno. Das Trainerteam musste sogar nach wenigen Tagen die Intensität des Trainings anpassen, da manche Spieler über Muskelkater und sogar Muskelschmerzen klagten.

In dieser schwierigen Phase zeigte sich besonders auch der Fanrückhalt. In Form mehrerer kleineren Aktionen wie zum Beispiel die Postkarten für erkrankte Teammitglieder oder die Videobotschaften über “GemeinsamHertha” stellten sich Fans hinter ihre Mannschaft und versprachen ihr volle Unterstützung.

Nun sind fast alle Profis zurück auf dem Platz. Am Freitag leitete Cheftrainer Pal Dardai nach überstandener Covid-19 Infektion die Trainingseinheit. Dieser brachte es auf dem Punkt: „Wir haben zuletzt viel gearbeitet auf Fahrrädern, Laufbändern und mit Thera-Bändern für Stabilisationsübungen. Aber das ist nicht der wahre Fußball. Fußballer wollen auf dem grünen Rasen arbeiten.“

Auch nach der Rückkehr im Mannschaftstraining werden die richtige Trainingsintensität, die richtigen Maßnahmen gesucht. Arne Friedrich machte sich da bei den Methoden anderer Vereine schlau, die mit einem ähnlichen Spielplan umgehen müssen. Schließlich ist Hertha nicht allein im Profifußball mit einer solchen Herausforderung. Der Karlsruher SC, SV Sandhausen oder auch Holstein Kiel mussten ebenfalls in Quarantäne.

Ein blau-weißes Beispiel – Wie ging der KSC mit der Situation um?

Ähnlich wie Arne Friedrich haben wir uns auch auf der Suche nach ähnlichen Eindrücken gemacht, um besser vorausschauen zu können. Dafür haben wir uns bei unseren Freunden aus Karlsruhe Unterstützung geholt, in Person von Boris, co-Host vom absolut hörenswerten Podcast “Die Wildpark-Bruddler“.

Ähnlich wie den Hertha-Profis ging es den Spielern vom KSC in ihrer Quarantäne: “Alle Spieler haben logischerweise ihre Trainingspläne bekommen, hinzu gab’s Spinning Räder für alle! Man versuchte, die Spieler zuhause so gut wie möglich vorzubereiten. Der ein oder andere hat zuhause mehr Platz, einen Garten oder ein eigenes „Gym“ in einem Zimmer. Untereinander gab es auch eine Core-Challenge, welche der Verein gepostet hat falls Fans die Challenge selber machen wollten.”

Foto: IMAGO Images

Eine Komplettrotation gab es auch beim KSC in den Nachholspielen bisher nicht. Nur punktuell wurde rotiert, wie uns unser Experte erzählt: “Auch aufgrund von ein paar Ausfällen musste ja rotiert werden. Wimmer kam zum Beispiel zu mehr Einsätzen, auch Gordon hat wieder gespielt.”

Die wenigen Trainingstagen und vielen Spiele scheinen der Motivation der Spieler jedenfalls nicht geschadet zu haben: “Ansonsten fanden die Spieler es nicht so schlimm, mehr zu Spielen und weniger zu trainieren. Alle waren sehr hungrig wieder auf den Platz zu kommen und zu spielen! Sah nicht so aus, als ob man sich beschwert hat. Vielleicht hat das aber auch damit zu tun, dass der Klassenerhalt Gott sei Dank schon sicher war!”

Was Hertha-Fans Mut machen kann: eine große Schwächung des Teams nach der Quarantäne war für Boris nicht erkennbar: “Ich finde, in den letzten Spielen sahen wir jetzt nicht unbedingt „schwächer“ aus! Die Jungs sind fit!” Angesprochen auf die vielen Unentschieden seines Teams sagt uns Boris noch: “Es scheint manchmal auch so, als wäre die Luft bisschen raus gegangen nachdem die 40ger Marke geknackt wurde. Das ist aber wie gesagt Meckern auf hohem Niveau. Was wir diese Saison auf den Platz gebracht haben, hätte nach der letzten Saison niemand gedacht. Ich bin mega zufrieden mit dieser Saison, und die Mannschaft macht einfach richtig Spaß!”

Muss man Angst vorm Beispiel Dynamo Dresden haben?

Die Zwangspause scheint also keinen großen Schatten auf die Saison des KSC geworfen zu haben. Ganz anders verlief vergangene Saison die Situation für Dynamo Dresden, die am Ende in die dritte Liga absteigen mussten. Doch müssen Hertha-Fans wirklich Angst haben vor einem ähnlichen Szenario?

Die Situation von Dresden damals war deutlich kritischer. Ganze acht Spiele musste man im Dreitagesrhythmus bestreiten. Und das bereits auf dem letzten Tabellenplatz. Dynamo musste also zwei Plätze aufholen, um sich noch in die Relegation zu retten. Anders als Hertha BSC, die erst auf dem direkten Abstiegsplatz runterrutschen mussten, als sie in Quarantäne waren, war Dynamo bereits seit dem 15. Spieltag auf dem letzten Tabellenplatz.

Foto: IMAGO Images

Die Quarantäne erfolgte jedoch zum schlimmsten Zeitpunkt: der Klub aus Dresden hatte gerade zwei Siege in Folge geholt und schien im Aufschwung zu sein. In den angesprochenen acht Spielen unter Extrembedingungen nach der Quarantäne holte Dresden nur sieben Punkte. Im Durchschnitt also etwas weniger als ein Punkt pro Spiel, wobei bei so wenigen Spielen ein solcher Durchschnitt nur bedingt aussagekräftig ist.

Man kann also guter Hoffnung sein, dass es bei Hertha etwas anders läuft. Zumindest sind beide Situationen nicht 1:1 vergleichbar. Trotzdem wird es, wie uns Boris beim KSC darstellte, auch in Berlin Änderungen in der Mannschaft geben müssen, um mit der neuen Herausforderung klarzukommen.

Viele Fragezeichen bei Hertha BSC – Klarheit nur beim Torhüter

Wie diese Änderungen aussehen werden, ist schwer vorauszuschauen. Durch die erhöhte Verletzungsgefahr der Spieler bei einem so knappen Spielplan kann sich die Lage täglich verändern. Definitiv nicht zur Verfügung wird Rune Jarstein stehen, dessen auslaufender Vertrag bei Hertha BSC verlängert werden soll. Der Norweger erholt sich weiterhin von seiner schweren Covid-19-Erkrankung.

Rotation auf der Torhüter-Position sollte es also wohl bis auf Sperren oder Verletzungen nicht geben. Alexander Schwolow wird gesetzt sein, im Notfall steht der junge Nils Körber bereit. Auf allen anderen Positionen jedoch findet man einige Fragezeichen. Unklar ist zum Beispiel, wann die beiden an Covid-19 erkrankten Spieler Marvin Plattenhardt und Dodi Lukebakio wieder trainieren dürfen. Ihre Fitness wird zum Thema werden: seit ihrer Infektion galt für beide Spieler absolutes Sportverbot.

Zusätzlich gab es zuletzt Gerüchte rund um einen Abgang von Mathew Leckie. Die Polyvalenz des Australiers auf der rechten Seite wäre jedoch wertvoll, um ein wenig mehr Frische ins Berliner Spiel bringen zu können. Immerhin fanden sich wichtige Elemente wieder am Freitag im Teamtraining wieder: Kapitän Dedryck Boyata zum Beispiel.

„Monsterprogramm“ – wie ein großes Turnier bestreiten

Auch Sami Khedira wird eine Kernrolle spielen. Durch seine Erfahrung, auch mit großen Turnieren, kann er der jungen Hertha-Mannschaft einiges mitgeben. Schließlich ist dieser Dreitagesrhythmus nichts Unbekanntes für ihn. So etwas ähnliches kennt er bereits von der Europa- und Weltmeisterschaft.

Foto: IMAGO Images

Auch dort spielen Leistungsträger nämlich in kürzester Zeit mehrere wichtige Spiele. Auch dort ist die Rotation nur limitiert und Trainingsmöglichkeiten begrenzt. Katastrophen-Szenarien sind also eher nicht angebracht. So äußerte sich Khedira nach dem Training am Freitag:

“Es wird ein Monsterprogramm werden. Da heißt es, viel und schnell regenerieren, das letzte Spiel schnell abhaken, sich auf den nächsten Gegner fokussieren, gut schlafen, viel trinken, pflegen, professionell leben. Aber wir haben so gearbeitet, dass wir das Level trotzdem halten können.“

Auch beim Weltmeister wird die körperliche Verfassung ausschlaggebend sein. Er wird ganz sicher nicht jede Partie von Beginn an bestreiten können. Doch auch seine Mitspieler auf den zentralen Positionen werden nach wenigen Spielen Schwierigkeiten haben, die nötige Frische aufzubringen.

Zentrale Achse soll bleiben – Komplettrotation utopisch

Denn wie wir bereits beim KSC festgestellt haben: eine „Komplettrotation“ von Spiel zu Spiel ist auch bei der „alten Dame“ völlig utopisch. Trotz Verletzungsrisiko ist eine stabile zentrale Achse besonders wichtig, um gerade Stabilität und Sicherheit auszustrahlen. Gerade dies gestaltet sich bei so vielen Partien in so wenig Zeit schwierig.

Foto: IMAGO Images

Zu dieser Achse gehören nämlich nicht nur zentrale Mittelfeldspieler. Auch die Innenverteidiger und mindestens ein Zielspieler im Sturm sollten so oft wie möglich in der Startelf gleichbleiben. Nur so bilden sich Automatismen, die für Konstanz in der Leistung einer Mannschaft führen. Problematisch: abgesehen von potenziellen Verletzungen und Sperren gehören die Spieler dieser „Achse“ zu den Dauerläufer der Mannschaft. 

Besonders kritisch wird es bei den Spielern, die fast jedes Spiel über elf Kilometer rennen. Insbesondere die zentralen Mittelfeldspieler und die Innenverteidiger laufen eine unheimlich große Distanz. Dieses Laufpensum alle drei Tage zu leisten wird auch für Laufmonster wie Vladimir Darida schwierig werden. Auf dieser Position müsste also grundsätzlich jede Wechselmöglichkeit ausgeschöpft werden.

Doch gerade da sind Wechsel in engen Spielen eher riskant. Spieler wie Lucas Tousart, Niklas Stark, Vladimir Darida, Marton Dardai, Matheus Cunha und Jhon Cordoba könnten die allermeisten Partien von Beginn an bestreiten. Im Laufe der Partie werden je nach Spielstand Wechselmöglichkeiten extrem wertvoll werden. Laufstarke Spieler hat Hertha BSC schließlich genug.

Teilrotation und Wechsel – Frische einbringen, Stabilität erhalten

Wie also könnte Hertha die nötige Frische einbringen, ohne dafür die Stabilität zu opfern? Zusätzlich zu der angesprochenen zentralen Achse wird auf einzelnen Positionen eine Rotation schwierig werden. Durch die Ausfälle von Dodi Lukebakio, Marvin Plattenhardt und Luca Netz ist auf der linken Verteidigerposition sowie auf der rechten Außenbahn nicht mehr allzu viel Kaderbreite.

Einige Spieler könnten dadurch auf einer weniger beliebten Position spielen. Jordan Torunarigha wird man beispielsweise mit großer Wahrscheinlichkeit mal auf der linken Verteidigerseite spielen sehen. Deyovaisio Zeefuik könnte man auch offensiv auf dem rechten Flügel sehen. Zudem wird die Mannschaft im Spielsystem flexibel bleiben müssen.

Schließlich könnten die Blau-Weißen noch einen Vorteil haben. Spieler, die zuletzt wenig zum Zuge kamen, könnten durch die Rotation und den vielen Wechsel deutlich mehr Einsatzminuten erhalten. Spieler wie Matthew Leckie, Dedryck Boyata, Omar Alderete, Jessic Ngankam, Eduard Löwen oder auch Daishawn Redan könnten sich wieder in Form spielen und damit Hertha BSC helfen. Womöglich könnten auch Spieler wie Javairo Dilrosun und Nemanja Radonjic wieder in der Offensive eine größere Rolle spielen.

Durch ein komplettes Ausschöpfen der Wechselmöglichkeiten und ein intelligentes „Teilrotieren“ von Spiel zu Spiel kann das Trainerteam also vermeiden, dass die Leistungsträger körperlich nicht mehr mithalten. Dazu könnten einzelne Spieler die Lage nutzen, um im Team doch noch eine größere Rolle zu übernehmen. Die Möglichkeiten sind also da für Hertha.

Kämpfen und Siegen – Hertha BSC vor einer großen Schlacht

Ein erhöhtes Verletzungsrisiko wird zum Alltag der „alten Dame“ gehören, das scheint unvermeidbar. Doch zwei komplette Teams, wie zuletzt diskutiert, wird Hertha nicht brauchen. Abschließend kann man also sagen: eine gleichbleibende Startelf wird es von Spiel zu Spiel nicht geben. Ein „Kern“ der Mannschaft von etwa 14-15 Spielern wird abwechselnd immer wieder starten. Die restlichen Spieler werden durch ihre Einsätze die dringend notwendige Frische einbringen müssen.

Es kommen auf alle Spieler, Trainer und Fans hochemotionale Wochen zu. Gerade jetzt werden Rückschläge sowie Erfolge schnell wieder abgehakt werden müssen, um jeglichen Fokus auf die nächste Aufgabe setzen zu können. Dabei wird die Mannschaft von Pal Dardai nur bestehen können, wenn sie die Aufgabe als Team annimmt und solidarisch statt eigenwillig agiert.

Hertha BSC steht vor einer großen Schlacht, dessen Ausgang noch völlig offen ist. Passend dazu war die Botschaft der Hertha-Ultras auf dem Trainingsgelände: „Kämpfen und Siegen – für Hertha“. Abgestiegen ist die Mannschaft jedenfalls noch lange nicht. Dafür hat sie noch zu viel selbst in der Hand … oder auf dem Fuß.

Titelbild: IMAGO Images

Kaderanalyse 2019/2020 – Herthas Flügelstürmer

Kaderanalyse 2019/2020 – Herthas Flügelstürmer

Eine turbulente Spielzeit hat am 27. Juni ihr Ende gefunden. Zwar hat COVID-19 alle Bundesliga-Team gleichermaßen getroffen, vor der Pandemie hat Hertha BSC das Rennen als von Krisen gebeutelster Verein aber zweifellos gemacht. Selten ist es in der vergangenen Saison um Sportliches gegangen, doch genau diesem Thema wollen wir uns mit dieser Artikelserie widmen: In unserer Kaderanalyse wollen wir die einzelnen Positionen genauer unter die Lupe nehmen und die Frage beantworten, ob Hertha dort nach Verstärkungen für die kommende Saison suchen sollte. In diesem Teil wird die Position der Außenstürmer näher beleuchtet.

Lukebakio und die Veränderung des Stellenprofils

Er war der Spieler, dessen Transfer im Sommer an der Spree für das größte Erstaunen sorgte. Mit der Verpflichtung von Dodi Lukebakio landete Michael Preetz zum wiederholten Male einen echten Coup. Wie schon bei Mitchell Weiser, Valentino Lazaro und Niklas Stark – um nur einige zu nennen – schaffte es „Der Lange“ erneut, einen jungen Spieler mit hohem Entwicklungspotenzial in die Hauptstadt zu lotsen. Ein typischer Preetz-Transfer also? Nicht ganz. Denn die Ablösesumme von rund 20 Millionen Euro war ein Wert, an den man zu diesem Zeitpunkt im blau-weißen Umfeld noch nicht gewohnt war. Dass der Preis nach Lukebakios erster Bundesligasaison in Düsseldorf, in der er 14 Torbeteiligungen in 31 Spielen verzeichnete, seine Berechtigung hatte, daran gab es kaum Zweifel. Dass Hertha jedoch bereit ist, derartige Summen zu zahlen – das war neu. Doch Hertha war im zurückliegenden Transfersommer zweifelsohne zum Handeln gezwungen. Nachdem Valentino Lazaro den Klub gen Mailand verlassen hatte, war klar, dass es zwingend offensive Qualität für die rechte Seite brauchen würde. Auch, weil Mathew Leckie, der diese Position mehr oder weniger im Wechsel mit Lazaro bekleidete, zum einen in der Vorsaison primär durch Verletzungen auffiel und zum anderen auch bei vollständiger Gesundheit weit von der Form zu Beginn seiner Berlin-Zeit entfernt war. Da man sich entschied, auf der Rechtsverteidiger-Position nicht nachzurüsten und stattdessen auf Klünter und Pekarik zu vertrauen, war klar, dass es von nun an ein klar offensiv denkender Mann für den Flügel richten muss, der die fehlende Kreativität und Torgefahr seiner Hinterleute ausgleicht. Dementsprechend groß waren die Erwartungen an den – zu diesem Zeitpunkt – Rekordtransfer.

Lukebakios Treffer zum 2:0 im Derby gegen Union. (Photo by STUART FRANKLIN/POOL/AFP via Getty Images)

Der Start sollte dann jedoch, analog zu dem des Vereins, etwas holprig verlaufen. War er am ersten Spieltag mit dem Tor in München, das Hertha zum Remis verhalf, noch obenauf, ging es danach ebenso rasant bergab. Die folgenden drei Spiele, die Hertha allesamt verlor, sah auch Lukebakio alles andere als gut aus. Immer wieder schlichen sich Schwächen in der Ballbehandlung sowie der Chancenverwertung ein, sodass Trainer Ante Covic seinen Königstransfer am fünften Spieltag erstmals auf die Bank beorderte. Nachdem Hertha gegen Paderborn den ersten Saisonsieg einfuhr, sollte sich Lukebakio auch bei den kommenden beiden Siegen gegen Köln und Düsseldorf sowie dem Remis in Bremen nicht in der Startelf wiederfinden.

Statt Stunk zu machen, bewies der Belgier jedoch Moral und empfahl sich über vielversprechende Kurzeinsätze, in denen er in allen drei Spielen jeweils an einem Treffer beteiligt war, wieder für die Startelf, aus der er seitdem auch nicht mehr wegzudenken ist. Sieben Treffer und ebenso viele Vorlagen können sich, insbesondere angesichts der durchwachsenen Saison von Hertha, durchaus sehen lassen. Dennoch ist es keineswegs so, als wäre der Offensivmann frei von Kritik. Zum Saisonendspurt hin wurde er von Labbadia nach schwacher Vorstellung in Dortmund öffentlich für seine Leistung kritisiert und trotz Herthas zu dem Zeitpunkt dünner Personaldecke im Spiel darauf auf die Bank gesetzt. Insbesondere die fehlende Bereitschaft zur Defensivarbeit und seine vermehrt lustlose Körpersprache standen in der Kritik. Doch auch aus diesem Zwischentief konnte sich Lukebakio befreien – erzielte zunächst ein Traumtor gegen Freiburg, das jedoch aberkannt wurde und war beim Überraschungssieg gegen Leverkusen – dann auch regulär – an beiden Treffern direkt beteiligt.

Fazit: Bei all der (berechtigten) Kritik, die sich Lukebakio in seinen beiden Schwächephasen anhören musste, sollte nicht vergessen werden, dass es hierbei um einen 22-jährigen geht, der noch weit entfernt von seinem Leistungszenit ist und aller Widerstände zum Trotz 14 Scorerpunkte vorweisen kann. Wenn Labbadia es schafft, Lukebakios klar benennbare Defizite zu beheben, dann kann Hertha in den kommenden Jahren noch viel Freunde an ihm haben.

Das Juwel im Entwicklungsstopp

Zahlen, wie sie Lukebakio vorweisen kann, hätte man sich in der abgelaufenen Saison auch von Javairo Dilrosun erhofft. Der bis zur Verpflichtung von Matheus Cunha wohl talentierteste und technisch versierteste Spieler im Berliner Kader, bringt in seinen Anlagen alles mit, das es braucht, um eine wichtige Rolle in Herthas ambitionierten Zukunftsplänen zu spielen. Zu Beginn der Saison sah es so aus, als könnte er diesen Erwartungen bereits jetzt schon gerecht werden. Nachdem er den Saisonauftakt verletzungsbedingt verpasste, zählte er ab dem fünften Spieltag zum Stammpersonal und war maßgeblich dafür verantwortlich, dass Hertha zwischenzeitlich zehn Zähler aus vier Partien einheimsen konnte. Vier Torbeteiligungen sammelte er in diesen Partien. Die drei Tore, die er dabei selbst schoss, waren allesamt solche für die Galerie. In dieser Phase war allein Dilrosuns Spielfreude das Eintrittsgeld wert.

Ließ sein Können leider viel zu selten aufblitzen: Javairo Dilrosun by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Doch leider waren mit dem abrupten Ende des zwischenzeitlichen Aufschwungs Herthas auch die Jubel-Wochen von Dilrosun vorbei. Zwar gehörte er unter allen drei Trainern bis zu Labbadia zum Stammpersonal, allein seine Leistungen rechtfertigten das Vertrauen nicht mehr. Vom siebten bis zum 28. Spieltag gelang dem Niederländer keine einzige Torbeteiligung mehr. Regelmäßig tauchte er komplette 90 Minuten ab. Zweifelsohne kann man die Schuld nicht allein ihm zuschreiben. Auch der fußballverneinende Stil von Klinsmann/Nouri tat sein Übriges. Dennoch darf und muss man von einem Spieler dieser Güteklasse mehr erwarten. Es passt zur Saison Dilrosuns, dass dieser sich, gerade, als Labbadia begann, auf ihn zu setzen und er sich gegen Augsburg mit einem – natürlich – sehenswerten Treffer für das Vertrauen revanchierte, erneut eine Verletzung zuzog und für den Rest der Saison ausfiel.

Fazit: Die nächste Saison könnte der Wegweiser sein, in welche Richtung sich Dilrosuns Karriere entwickelt. Bleibt er im Status des Talents hängen, das hin und wieder seine außergewöhnliche Klasse aufblitzen lässt, oder gelingt es ihm, Konstanz in seine Leistungen zu bringen? Viel wird auch davon abhängen, inwieweit er dabei von Verletzungen verschont bleibt. Ein anderer Faktor ist, welche Position Labbadia für den Flügelflitzer vorsieht. Denn auf Dilrosuns Stammposition – dem linken Flügel – fühlt sich neuerdings noch ein anderer Spieler recht wohl.

Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist hertha-bsc-v-sv-werder-bremen-bundesliga-1-1024x683.jpg
Matheus Cunha – ein Spieler für die besonderen Momente (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Hacunha Matata

Wo soll man da nur anfangen? All den Ärger, den man mit Hertha in den letzten Jahren, ach, Jahrzehnten hatte; all die verpassten Chancen auf das europäische Geschäft; all die Stresspickel, die hervortreten, wenn man an Jens Lehmann und Jürgen Klinsmann denkt – all das rät für ein paar Minuten in Vergessenheit, wenn man diesen Spieler auf dem Feld bewundern darf. Was Matheus Cunha seit seiner Ankunft aus Leipzig im Winter auf den Rasen zaubert, erinnert phasenweise tatsächlich an den großen Marcelinho.

In gerade einmal elf Partien brillierte sich der Brasilianer ins Herz aller blau-weißen Anhänger. Seine Torgefahr, seine Kreativität, seine Technik, seine Abschlussstärke – eigentlich kann man sich Spiel um Spiel nur verwundert die Augen reiben und fragen, wie sich ein Spieler dieser Qualität nach Berlin verirren konnte. Natürlich kann, wenn die rosa-rote Brille abgesetzt wird, auch hier an der einen oder anderen Stelle noch Luft nach oben erkannt werden. So darf sich Cunha hin und wieder auch gern mal etwas früher vom Ball trennen und sich des eigenen Spielwitzes etwas weniger bewusst sein. Andererseits: Wenn das Resultat dessen solche Tore, wie das gegen Hoffenheim sind, wer möchte ihm dann derartige Aktionen verbieten? In diesem Sinne: Einfach genießen, solange er noch nicht gemerkt hat, dass er eigentlich für Höheres bestimmt ist.

Fazit: Über den Sommer in Watte einpacken und beten, dass er fit bleibt.

Der unwürdige Abgang eines Superstars

Während man bei Cunha aus dem Schwärmen kaum herauskommt, verlief die Saison von Salomon Kalou gänzlich anders. Dabei wurde schon früh deutlich, dass es wohl nicht sein Jahr werden würde. Neu-Coach Ante Covic ließ Kalou lediglich bei der Niederlage gegen Wolfsburg von Beginn an spielen. Unter Klinsmann/Nouri wurde die Bilanz gar noch düsterer. Nur ein Kurzeinsatz über zwölf Minuten am 13. Spieltag gegen den BVB sollte hinzukommen. Dies waren gleichzeitig seine letzten Minuten im blau-weißen Trikot. In das Wintertrainingslager unter Jürgen Klinsmann durfte er nicht mehr mitfahren, ein frühzeitiger Abgang stand im Raum.

Gerade in den großen Spielen trumpfte Kalou immer wieder auf. (Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Wie es dann letzten Endes zum finalen Aus bei Hertha kam, wurde hinlänglich durch jedes Medium getrieben und soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden. Die Umstände des Ganzen werfen aber doch ein paar Fragen auf. Dass Kalou für seine Aktion bestraft gehört, ist wohl unstrittig. Ob es aber angemessen war, ihn allein für die Verfehlungen eines ganzen Vereins, oder besser gesagt einer ganzen Branche, verantwortlich zu machen, darf zumindest in Frage gestellt werden. So muss sich Hertha, mal wieder, den Vorwurf gefallen lassen, einen verdienten Spieler nicht den ihm zustehenden Abschied bereitet zu haben. Immerhin muss man sich an der Stelle nochmal in Erinnerung rufen, dass hier von einem Spieler die Rede ist, der in 151 Spielen 65 Torbeteiligungen für Hertha sammelte und maßgenblich daran beteiligt war, aus der einstigen Fahrstuhlmannschaft einen Europa League-Teilnehmer zu machen. Doch nicht nur sportlich war auf den Ivorer Verlass.

Auch für die Kabine war „Sala“ ein enorm wichtiger Spieler, der stets für gute Laune sorgte und für Späße zu haben war. Der letzte „Spaß“ war nun zu viel des Guten. Es würde seiner Karriere aber nicht gerecht werden, wenn man ihn dadurch in Erinnerung behielte. Stattdessen sollte man sich lieber an seine Tore in den großen Spielen gegen Bayern und Dortmund erinnern, seinen Dreierpack zu Hause gegen Gladbach, seinen Hattrick in Hannover mit eingewickeltem Kopf. Und natürlich an dieses unvergessliche Grinsen, das jeden ansteckt.

Fazit: Danke, Sala!

Zeit für neue Aufgaben

Dass sich Hertha derzeit im Umbruch befindet, das zeigen die Transfers eindeutig. Verpflichtungen wie die von Piatek und Cunha wären noch vor einem Jahr ins Reich der Fabeln verwiesen worden. Mit den neuen Ansprüchen – ganz gleich, wie man diese empfindet – muss es zwangsläufig auch zu Abgängen kommen. Die Trainersöhne Palko Dardai und Maurice Covic werden unter Labbadia wohl keine Rolle spielen. Selbiges gilt für Mathew Leckie. Der Australier, der vor drei Jahren an die Spree wechselte und einen beeindruckenden Start hinlegte, konnte seither, teils wegen Verletzungen, teils aufgrund endlos scheinender Länderspielreisen, nicht mehr an seinen Beginn anknüpfen. Vor einigen Monaten gab er öffentlich zu Protokoll, im Sommer einen neuen Verein suchen zu wollen. Angesichts der Konkurrenz auf seiner Position und seinen sehr überschaubaren Spielminuten ein absolut nachvollziehbarer und konsequenter Schritt.

Empfehlung: Ein weiterer Allrounder muss her

Wenn man die aktuellsten Gerüchte um Cunha mal als solche verbucht und darauf vertraut, dass Herthas neue Liquidität auch dazu führt, größere Summen ablehnen zu können, hat man in dem Brasilianer sowie Lukebakio wohl die feste Flügelzange für die anstehende Saison. Dahinter hat man in Javairo Dirosun allerdings aktuell nur einen Spieler, der ein würdiger Vertreter sein kann und das auch nur, wenn er fit und in Form ist – beides hatte in seinen nun zwei Jahren in der Hauptstadt Seltenheitswert. Ein Spieler mit Offensivdrang, der im Idealfall beide Seiten bespielen kann und speziell Lukebakio unter (Leistungs-)Druck setzt, sollte in diesem Sommer auf Michael Preetz’ Einkaufsliste stehen.

Titelbild: STUART FRANKLIN/POOL/AFP via Getty Images

Kaderanalyse 2019/2020 – Herthas Torhüter

Kaderanalyse 2019/2020 – Herthas Torhüter

Eine turbulente Spielzeit hat am 27. Juni ihr Ende gefunden. Zwar hat COVID-19 alle Bundesliga-Team gleichermaßen getroffen, vor der Pandemie hat Hertha BSC das Rennen als von Krisen gebeutelster Verein aber zweifellos gemacht. Selten ist es in der vergangenen Saison um Sportliches gegangen, doch genau diesem Thema wollen wir uns mit dieser Artikelserie widmen: In unserer Kaderanalyse wollen wir die einzelnen Positionen genauer unter die Lupe nehmen und die Frage beantworten, ob Hertha dort nach Verstärkungen für die kommende Saison suchen sollte.

Auf kaum einer Position gibt es bei Hertha BSC mehr Gerüchte, als um den Torwart. Dabei ist die langjährige Nummer eins noch unter Vertrag. Viel wichtiger also, als die zahlreichen Gerüchte zu kommentieren, wollen wir im ersten Teil unserer Sommer-Kaderanalyse auf die so wichtige und lang unumstrittene Torhüterposition bei der „alten Dame“ blicken.

Das Ende der Jarstein-Zeit?

Seit Ende 2015 gab es bei Hertha keine echte Torwartdiskussion mehr, und das ist vor allem einem Mann zu verdanken: Rune Jarstein. Durch seine Zuverlässigkeit, seine Paraden aber vor allem auch durch seine Strafraumbeherrschung und ruhige Ausstrahlung glänzte er immer wieder. Herthas Turm in der Schlacht, der den Berlinen so manchen Punkte rettete. In Frage gestellt wurde er in dieser Zeit eigentlich kaum, warum auch? Mit Jarstein musste sich kein Hertha-Fan Sorgen machen, dass die Position der Nummer eins nicht perfekt besetzt sei.

Jarstein mit ungewohnten Patzern in der Saison 2019/2020. (Foto: Alexandra Beier/Bongarts/Getty Images)

Im Laufe der wohl chaotischsten Hertha-Saison seit Langem wandelte sich das Bild allerdings etwas. Zum Saisonstart konnte man dem Norweger nur wenig vorwerfen, obwohl er bereits nach wenigen Spieltagen viel zu oft hinter sich greifen musste. Am 12. Spieltag gegen Augsburg jedoch sorgte er mit einem schlimmen Patzer für das 0:2 und kassierte dabei die rote Karte. Scheinbar hatte die Krise nun auch seine Selbstverständlichkeit angegriffen, wirklich verübeln konnte man es ihm aber kaum. Jarstein saß seine Sperre ab und kehrte anschließend zurück ins Hertha-Tor, wo er seine gewohnt stabilen Leistungen zeigte. Die Rückrunde allerdings verlief nicht nur für Hertha chaotisch, sondern auch für den Schlussmann. Am 22. Spieltag in Paderborn kassierte er einen Treffer im kurzen Winkel zum zwischenzeitlichen 1:1. Beim 0:5 Debakel gegen den 1. FC Köln sah er insbesondere beim 0:3 nicht gut aus und ging mit dem Rest der Mannschaft komplett unter. Ihm war die Verunsicherung anzumerken und es hieß im Hertha-Umfeld, der Norweger leide ganz besonders unter dem Stress der vielen T(orwart)rainerwechsel.

Alexander Nouri wechselte daraufhin für seine zwei letzten Spiele als Hertha-Coach auf der Torhüter-Position und ließ Thomas Kraft ran. Erst nach dem „Re-Start“ unter Bruno Labbadia stand Rune Jarstein wieder im Hertha-Tor, patzte allerdings nochmal gegen RB Leipzig und Freiburg, bevor er dem jungen Dennis Smarsch den Platz im letzten Spiel gegen Borussia Mönchengladbach überließ, um bei der Geburt seines Kindes dabei sein zu können.

Dieses Mal gab es also keine sorgenfreie Saison für Rune Jarstein, der mit 35 Jahren auch nicht mehr der Jüngste ist. „Die Krake“ hat bereits jetzt die jüngere Geschichte von Hertha BSC als Torhüter geprägt: 156 Bundesliga-Einsätze, davon 47 ohne Gegentreffer. Er ist nach den Hertha-Torwartlegenden Christian Fiedler (271 Einsätze), Gábor Király (252 Einsätze) und Walter Junghans (180 Einsätze) der Keeper mit den meisten Einsätzen für den Hauptstadtclub (171). Das Ende der Jarstein-Zeit könnte aber bereits im Sommer erreicht sein. Doch noch ist nicht abgepfiffen und der Norweger könnte sich erneut gegen seine Konkurrenz durchsetzen. Abgeschrieben wurde er bei Hertha BSC schließlich schon einmal, und meldete sich eindrucksvoll zurück.

Verfrühtes Karriereende für Thomas Kraft

War mitverantwortlich für die Aufholjagd bei Fortuna Düsseldorf: Thomas Kraft. (Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)

Mit seinen 32 Jahren ist Thomas Kraft zwar deutlich jünger als sein norwegischer Mannschaftskollege, doch im Sommer ist Schluss mit dem Konkurrenzkampf. Der Spieler mit der Nummer “1” im Rücken wechselte im Sommer 2011 zu Hertha BSC, spielte als Stamm- und Ersatzkeeper viele Jahre für die „alte Dame“. Kein einziges Mal beklagte er öffentlich seine Stellung als zweite Wahl hinter Rune Jarstein und war für die Mannschaft auch in der Kabine ein wichtiger Faktor.

Viele Einsätze hatte der Hertha-Veteran in dieser Saison allerdings nicht, trotz der vielen Trainerwechsel und der Verunsicherung Rune Jarsteins. Nur fünf Pflichtspieleinsätze bekam Kraft, nutzte diese jedoch, um sich im Pokal-Krimi gegen Dresden zum Elfmeterhelden zu krönen und in der Halbzeitpause in Düsseldorf (Stand 0:3) die gesamte Mannschaft wachzurütteln. Erinnerungswürdig bleibt auch seine Pointe in Bezug auf Jürgen Klinsmanns Spielerbewertungen im Training.

Bereits Ende Mai war aber für ihn aufgrund von Rückenproblemen die Saison zu Ende. Auffällig war, dass ihn in den letzten Jahren immer wieder kleinere gesundheitliche Probleme bremsten. Seine Entscheidung, seine Karriere zu beenden kam trotzdem etwas überraschend. Kraft verlässt Hertha BSC als dienstältester Herthaner, als ein Spieler, der Berlin lieben und leben lernte. Er hinterlässt den Eindruck eines Musterprofis, eines mannschaftsdienlichen, sympatischen und ehrlichen Mannes, der sowohl im Team als bei den Fans vermisst werden wird. Wir wünschen ihm an dieser Stelle nochmal alles Gute und bedanken uns für die zahlreichen Jahre seines Einsatzes!

Dennis Smarsch und Nils Körber – “Berliner Jungs” nur zweite Wahl?

Der gebürtige Berliner konnte seinen Pflichtspieldebüt im desaströsen Auswärtsspiel in Augsburg feiern. Beim Stand von 0:2 wurde er eingewechselt, konnte aber die Niederlage in Unterzahl und das Aus für Trainer Ante Covic natürlich nicht verhindern. Nach dem „Re-Start“ saß er auf der Bank, da Thomas Kraft nicht zur Verfügung stand. Somit ersetzte er Rune Jarstein in der letzten Partie der Saison und konnte auch zum ersten Mal in der Profi-Startelf stehen.

Smarsch war zuletzt Nummer zwei, soll aber in die dritte Liga wechseln. (Foto: Wolfgang Rattay/POOL/AFP via Getty Images)

Eigentlich also eine vielversprechende Situation für den 21-Jährigen, doch für die Nummer eins im Tor oder sogar nur Nummer zwei sollte es nicht reichen. Auffällig sind insbesondere seine Athletik und Physis (1,95 Meter groß), die ihm jedoch das eine oder andere Mal auch beim Abtauchen bremsten. Für die Hertha-Verantwortlichen scheint es jedenfalls nicht auszureichen. Die Suche nach einem neuen, bundesligatauglichen Keeper läuft bereits, sodass für Smarsch zumindest für die nächste Saison die Hoffnung auf Profieinsätze deutlich gesunken ist. Beim Eigengewächs stehen die Zeichen also auf Abschied, der 1.FC Saarbrücken sowie Türkgücü München sollen interessiert sein.

Die Rückkehr von Nils Körber an die Spree wird die Chancen von Smarsch auch nicht gesteigert haben. Der 23-Jährige kehrt nach seiner Leihe beim VFL Osnabrück zurück, wo er zunächst in der zweiten Liga gesetzt war, aufgrund mehrerer Verletzungen jedoch seinen Stammplatz verlor und nur noch zu vereinzelten Einsätzen kam. Ob die gesammelte Erfahrung der zwei letzten Jahre für den gebürtigen Berliner ausreichen, um sich gegen Rune Jarstein und den noch unbekannten Neuzugang durchzusetzen, erscheint zunächst als eher unwahrscheinlich. Trotzdem hat Körber die Möglichkeit, sich in der Saisonvorbereitung zu empfehlen und sogar für eine Überraschung zu sorgen.

Wer bekommt die Nummer eins im Rücken?

Thomas Kraft hat seine Karriere beendet, Dennis Smarsch soll den Verein verlassen und weder Rune Jarstein noch Nils Körber sind sicher als Nummer eins etabliert. Es ist also tatsächlich wieder Zeit für eine echte Torhüterdiskussion, mit einer brodelnden Gerüchteküche und wild herumfliegenden Namen. Hertha BSC wird mit zahlreichen Kandidaten in Verbindung gebracht, wobei mit großer Wahrscheinlichkeit nur ein sehr geringer Anteil davon tatsächlich stimmen sollte. Wir wollen an dieser Stelle keine lange Diskussion um alle angeblichen Kandidaten führen. Stattdessen empfehlen wir euch unsere regelmäßig aktualisierte Gerüchteküche

Was fest steht: Hertha braucht einen neuen Keeper. Die neue Torhüter-Diskussion sollte möglichst kurz gehalten werden, um so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen und weiteren Chaos zu vermeiden. Ob ein großer oder „kleiner“ Name, ob ablösefrei oder hohe Ablöse, Hertha wird einen neuen Torhüter holen müssen. Die Trikotnummer „1“ ist jedenfalls erstmal wieder frei.