Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – 1. FC Union Berlin

Nach einer ereignisreichen Woche konnten Hertha-Fans am Freitagabend einen sportlichen und emotionalen Höhepunkt erleben. Mit 3:1 setzte sich Hertha BSC gegen den Stadtrivalen 1. FC Union Berlin durch und holte sich so den Derbysieg. Vom Fahnenmeer über die „Aktion Herthakneipe“-Trikotaktion bis zum Erfolg im Olympiastadion: es war einfach eine sehr gelungene Woche für die Blau-Weißen! Trotzdem wollen wir die immer noch frische Derbysieg-Euphorie einen kurzen Moment lang runterdrehen, um uns wie gewohnt die Leistungen einzelner Herthaner etwas näher anzuschauen.

Peter Pekarik – zweiter Frühling als Torjäger

Den Anfang wollen wir mit dem Spieler machen, der unter Bruno Labbadia so etwas wie einen zweiten (dritten? vierten?) Frühling erlebt. 19 Pflichtspiele unter Bruno Labbadia: drei Treffer und zwei Torvorlagen. Nicht allzu lang ist es her, da galt Peter Pekarik noch mit 150 Bundesligaeinsätzen ohne Treffer als einer der torungefährlichsten Spieler der Bundesliga. Jetzt ist er so torgefährlich wie noch nie in seiner Karriere.

Noch beeindruckender ist allerdings die Tatsache, dass sich der 34-Jährige wider Erwarten bei Hertha gegen mehrere jüngeren Konkurrenten als rechter Verteidiger durchgesetzt hat. Im Derby zeigte sich der dienstälteste Herthaner (im Verein seit 2012) wieder in sehr guter Verfassung und machte ein sehr gutes Spiel. Knapp zwölf Kilometer lief er, ackerte unermüdlich auf seiner rechten Außenbahn und war dort sehr präsent. Obwohl Herthas Spiel insbesondere in Halbzeit eins eher linkslastig war, war er immer wieder zu sehen und hatte einige Aktionen nach vorne. Dazu kamen 94% seiner Pässe an.

Foto: IMAGO

Bereits in der zweiten Minute konnte Pekarik all seine Erfahrung und Ruhe zeigen, als er sekundenlang einen langen Ball von Union abschirmte und einen Abstoß für sein Team herausholte. Durch die taktische Aufstellung in der ersten Halbzeit schaltete er sich öfters in die Offensive mit ein, ohne seine defensiven Aufgaben zu vernachlässigen. In seinen Vorstößen wurde er dabei von Lucas Tousart abgesichert, der sich auf der rechten Seite fallen ließ. Doch die Taktik funktionierte gegen der gut organisierten und kompakten Abwehr der Unioner nicht wirklich. Kein Wunder also, dass Pekariks Treffer erst in der zweiten Halbzeit fiel, nachdem Bruno Labbadia sein Team zurück in ein 4-2-3-1 umgestellt hatte. Auch im bekannten System überzeugte der Slowake und ließ sich auch bei den wenigen Gegenangriffen der Unioner nicht überspielen. 

Pekarik weiß wohl am Besten im aktuellen Hertha-Kader, wie wichtig ein Derby für Fans und Umfeld ist. Er zeigte sich dabei stets auf der Höhe und macht es somit seiner Konkurrenz auf seiner Position nicht leicht. Für Hertha ist er momentan wichtiger denn je.

Mattéo Guendouzi – Like a Boss

In einer eher schwachen Partie, in der Hertha erneut große Schwierigkeiten hatte, Chancen zu kreieren, konnte Mattéo Guendouzi positiv herausstechen. Der Franzose zeigte sich von der ersten Minute an hochmotiviert und sehr präsent im Spielaufbau. Dass die linke Seite von Hertha in der ersten Halbzeit deutlich mehr bespielt wurde, als die rechte, lag auch an ihm. Links orientiert holte er sich viele Bälle aus der eigenen Hälfte und aus dem Mittelfeld. Er war immer anspielbar und deutlich bemüht, dem Spiel seinen Stempel aufzulegen, was sich auch am Laufwert zeigte (11,75 Kilometer).

Foto: IMAGO

Die bereits angesprochene Taktik von Hertha in Halbzeit eins sorgte dafür, dass sich Guendouzi oft bei Gegenangriffen von Union Berlin auf der linken Verteidigerposition wiederfand. So musste er beim 0:1 unglücklicherweise im Mittelpunkt stehen, als er nach einer Fehlerkette der Defensive Unions Stürmer Taiwo Awoniyi nicht mehr am Schuss hindern konnte. Das Offensivspiel der Blau-Weißen war trotz der Bemühungen von Arsenals Leihgabe so gut wie wirkungslos, da Union Berlin bestens auf Herthas Taktik eingestellt war.

Das änderte sich in der zweiten Halbzeit nach der taktischen Umstellung. In einer Doppelsechs bzw. Doppelacht übernahm Guendouzi den offensiven Part und überließ die Absicherung meistens Niklas Stark. Dadurch bekam er mehr Raum und zeigte immer mehr seine Qualität. Mit Javairo Dilrosun spielte er zum ersten Mal zusammen. Beide harmonierten zeitweise recht ordentlich, insbesondere in der letzten halben Stunde. Der „vorletzte“ Pass kam bei Herthas Angriffen dabei oft vom Franzosen: erst fand er Matheus Cunha beim 1:1, dann Dilrosun zum 3:1. Auch kurz vor Schluss bereitete er die Großchance des Niederländers vor.

Ab und an agierte der junge Franzose auch im Derby allerdings etwas übereifrig und hätte mit dem einen oder anderen misslungenen Risikopass auch einen gegnerischen Konter einleiten können. Es bleibt aber bei einer soliden Partie von Guendouzi, der sich langsam zum Leader im Mittelfeld entwickelt. Im Kopf bleibt auch sein Jubel vor der leeren Ostkurve, bei dem er mit imaginären Fans abklatschte und ihnen sein Trikot zuwarf. Hertha hat sich für diese Saison mit Guendouzi einen sehr guten Fußballer geholt, der darüber hinaus sofort verstanden hat, wie wichtig ein Derbysieg für Hertha-Fans und im Umfeld ist.

Javairo Dilrosun – eine überraschende Rückkehr

Seine Einwechslung kam etwas überraschend: in den letzten drei Bundesligapartien von Hertha BSC bekam Javairo Dilrosun nicht eine Minute Einsatzzeit. Schon nach 45 Minuten kam er jedoch im Derby rein, genauso wie Krzysztof Piatek. Die fehlende Spielpraxis war in den ersten 15 Minuten des Niederländers deutlich zu spüren: oftmals war er einen Schritt zu spät, traf mehrmals die falsche Entscheidung und war kaum im Spiel eingebunden. Von Minute zu Minute steigerte er sich jedoch und zeigte sich immer besser im Zusammenspiel mit Mattéo Guendouzi und Marvin Plattenhardt. Seine Einwechslung sollte darüber hinaus noch entscheidend werden: an beiden Treffern von Piatek war er unmittelbar beteiligt.

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Dilrosun war bisher in dieser Saison so etwas wie ein Rätsel, doch im Derby konnte er insbesondere in den letzten 30 Minuten wieder zeigen, was ihn als Spieler ausmacht und wie wichtig er für Herthas Spiel werden kann. Trotz Überzahl hatten die Spieler der „alten Dame“ nämlich weiterhin Probleme, sich Großchancen zu erarbeiten, und die kompakte Defensive aus Köpenick zu knacken. Sollten sich diese Probleme auch in den nächsten Spielen zeigen, könnte ein fitter und formstarker Dilrosun eine echte Waffe sein.

Kristof Piatek – vom Problemspieler zum Derbyhelden

Last but not least wollen wir uns mit dem Spieler beschäftigen, der wohl für die größte positive Überraschung bei Hertha-Fans sorgte. Der Pole wurde seit Monaten in Medien und sozialen Netzwerken oftmals kritisiert. Trotz seiner eindeutigen Qualitäten wurden Zweifel groß, dass er nicht zum System von Bruno Labbadia passe. In der laufenden Saison konnte er leider auch nur wenig Argumente für sich sammeln, bekam zunächst wenig Einsätze und fand erst nach der Verletzung von Jhon Cordoba zurück in die Startelf. Es folgten zwei schwache Einsätze gegen Borussia Dortmund und Bayer Leverkusen und im Derby musste er zunächst auf der Bank Platz nehmen.

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Doch um die Kritik, zumindest zeitweise, verstummen zu lassen, suchte sich der polnische Nationalspieler doch das richtige Spiel aus. Nach 45 Minuten wurde er eingewechselt, sein erster Schuss sorgte noch in der 69. Minute nicht gerade für Applaus. Doch dann war das Glück beim 2:1 auf seiner Seite, als sein Schuss unhaltbar für Luthe abgefälscht wurde. Beim 3:1 bewies „il pistolero“ seine wohl größte Qualität: sein absoluter Torriecher vor den Kasten. Auch seine gute Schusstechnik war im Derby gut zu erkennen und kurz vor Schluss hätte Piatek auch noch seinen Hattrick perfekt machen können, als er per Weitschuss den Unioner Keeper prüfte.  

Das Offensivspiel der „alten Dame“ war wie bereits angesprochen auch trotz der drei Treffer nicht gerade das gelbe vom Ei. Trotzdem konnte der Pole dabei zwei wichtige Tore im Derby erzielen, die so schnell nicht unter Hertha Fans vergessen werden: er ist schließlich der erste Doppeltorschütze dieser Konfrontation. Sicherlich räumt das nicht alle Zweifel aus dem Weg, es bleibt fraglich, ob sich Piatek langfristig in Labbadias Mannschaft etablieren kann.

Seine Werte sind jedenfalls alles andere als schlecht: in 1.415 Spielminuten für Hertha schoss er immerhin acht Tore und drei Torvorlagen. Sollte er auch in den nächsten Partien seine Tore schießen, wird es auch für die größten Zweifler schwer werden, den Wert des Spielers für Hertha BSC zu verkennen. Nach dem Spiel wurde Krzysztof Piatek noch gefragt, ob er nicht ein Wort auf Deutsch sagen wolle. Seine Antwort, breit grinsend, könnte der perfekte Abschlusssatz unserer Rubrik sein: „Alle zusammen, Hertha!“

Und dann war da noch:

Matheus Cunha: Dass es mit 21 Jahren völlig normal ist, Leistungsschwankungen zu erleben, ist klar. Auch Matheus Cunha ist davon nicht verschont. Im Heimspiel gegen Borussia Dortmund war es noch bester Herthaner auf dem Platz. Wie schon vergangene Woche in Leverkusen jedoch schaffte es der Brasilianer nicht wirklich, dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. Seine Einzelaktion zum 1:1, in der er sich sehenswert durchsetzte und per Weitschuss Union-Keeper Andreas Luthe zum Fehler zwang, war leider seine erste und letzte wirklich starke Aktion dieser Partie. Im nächsten Spiel, gegen Borussia Mönchengladbach, wird Hertha auf seinen besten Torschützen verzichten müssen. Der Brasilianer holte sich seine fünfte gelbe Karte und muss ein Spiel pausieren. Gut möglich, dass er nach dieser Zwangspause mit neuem Elan und Energie zurückkehrt, und wieder ein besseres Gesicht zeigt. Ein Matheus Cunha in Topform ist schließlich nicht zu ersetzen.

Jordan Torunarigha: Zurück von seiner längeren Verletzungs- und Coronabedingten Pause zeigte sich beim 23-Jährigen in der Anfangsphase noch die fehlende Spielpraxis. Etwas ungenau und überhastet agierte der Innenverteidiger, der außerdem beim 0:1 nicht besonders gut aussah. Allerdings wurde er im Verlauf des Spieles immer sicherer, eroberte seine gewohnte Stabilität zurück und profitierte auch von der Überzahl, die ihm etwas mehr Freiheiten nach vorne ermöglichte. Insgesamt eine gelungene Rückkehr für Torunarigha, der beste Chancen hat, seinen Stammplatz zurückzuerobern.

Niklas Stark: Der 25-jährige ist ebenfalls eine Erwähnung wert. Er schaltete sich nur selten im Offensivspiel mit ein und sah beim 0:1 ähnlich wie Torunarigha nicht gut aus. Doch auch er kämpfte sich in die Partie zurück und kam mit dem 4-2-3-1 System in der zweiten Halbzeit deutlich besser zurecht.

Herthaner im Fokus: FC Augsburg – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: FC Augsburg – Hertha BSC

Das Warten hat ein Ende. Nach einer fünf Spiele andauernden Durststrecke sichert sich Hertha drei Punkte und den zweiten Sieg in der noch jungen Saison. Eine starke Teamleistung bringt ein 3:0 gegen den FC Augsburg ein. Mit gestärkten Rücken blickt man jetzt Richtung Länderspielpause. Bevor wir unseren Nerven aber eine wohlverdiente Pause gönnen, schauen wir nochmal genauer auf die Leistung einzelner Herthaner.

Matteó Guendouzi – Das fehlende Puzzlestück

Nach dem vielversprechenden Auftritt gegen Wolfsburg startete der junge Franzose nun das erste Mal von Beginn an. Auch weil Landsmann Lucas Tousart verletzt ausfiel.

Erneut überzeugte der Mittelfeldspieler. Guendouzi brachte nicht nur 90% seiner Pässe an den Mann (Hertha-Bestwert), sondern gewann auch 75% seiner Zweikämpfe. Dazu kommen 68 Ballkontakte. Dass die Arsenal-Leihgabe nicht so sehr herausstach, wie noch letztes Wochenende, könnte daran liegen, dass das gesamte Team allgemein sehr aktiv und der Kontrast daher niedriger war. Zumal für einen zentralen Mittelfeldspieler oftmals der Leitsatz gilt: Macht er alles richtig, fällt er kaum auf.

Foto: IMAGO

Guendouzi könnte ein enorm wichtiger Bestandteil in Herthas System werden. Unter Trainer Bruno Labbadia kippen die zentralen Mittelfeldspieler gerne mal diagonal ab und beteiligen sich am Spielaufbau während die Außenverteidiger hochschieben. Ein starkes Passspiel und Pressingresistenz ist hier von Vorteil – beides bringt Guendouzi trotz seines jungen Alters mit. Im Umschaltspiel und auch kurz vor dem letzten Drittel wirken sich diese beiden Faktoren zusammen mit einem guten Dribbling ebenfalls positiv aus. Herthas Nummer 8 fungiert hier als Verbindung zwischen den Linien und kann den Ball in die wichtigen Räume tragen. Angesichts der Leihe von Arne Maier ist Guendouzi vielleicht das Versprechen, was von Maier (noch) nicht ganz eingelöst werden konnte. Selbst wenn beide nicht exakt derselbe Spielertyp sind, wird doch deutlich, wie gut Hertha ein spielstarkes und in sich ruhendes Mittelfeld tut.

Mattheus Cunha – Entwicklung zum Teamspieler

Wenn es den Fußballgott wirklich gibt, dann ist klar, dass er eher dem Liebesleben der antiken griechischen Götter pflegt, als dem Single-Dad Dasein, seines christlichen Verwandten. Hertha soll es recht sein, denn von den so entstanden Kinder hat sich eines in die Hauptstadt verirrt.

Foto: IMAGO

Technisch stark, um jeden Ball kämpfend und leidenschaftlich: Wer Cunha nicht gerne zusieht, hat den Fußball nie geliebt. Ein Tor und eine Vorlage konnte der Brasilianer gegen Augsburg auf seinen Bierdeckel schreiben. Vier Schüsse, drei Schlüsselpässe und zwei abgefangene Bälle runden das Bild ab. Die langersehnte Konstanz des Hoffnungsträgers, sie scheint in greifbarer Nähe. Cunha spielt zusehends mannschaftsdienlicher. In der 64. Minute bekam er an der rechten Strafraumkante den Ball unter Kontrolle, entschied sich dann aber für den Pass. Den nachfolgenden Schuss setze Krzystof Piatek dann allerdings an den Pfosten.

Dieses Spiel ist ein weiterer Grund sich über die kolportiere frühzeitige Vertragsverlängerung des Offensiv-Mannes zu freuen.

Krzystof Piatek – Das ersehnte Erfolgserlebnis

Apropos Piatek: Der Pole bekam aufgrund der Verletzung von Jhon Córdoba die Chance sich über 45 Minuten zu beweisen. Zuerst auffällig wurde er dabei in der 52. Minute. Von den Augsburgern weitestgehend ignoriert, spielte er eine präzise Flanke aus dem Halbfeld direkt in den Lauf von Dodi Lukebakio. Der Ball wurde zwar noch leicht abgefälscht, der Belgier konnte dennoch verwandeln und  sich so seinen zweiten Treffer und Piatek seine zweite Vorlage der Saison sichern.

In der 64. traf der Pole nach starkem Pass von Cunha nur den Pfosten, in der 73. zögerte er beim Abschluss zu lange und in der 84. brauchte er im Prinzip nur noch quer zu legen. Sein kläglicher Pass landete aber in den Armen von Augsburgs Keeper Rafał Gikiewicz. Wäre es bei dieser Leistung geblieben, Piatek hätte sich wohl nicht als Alternative zum eigentlich gesetzten Córdoba empfehlen können.

(Photo by Stefan Puchner – Pool/Getty Images)

Es sollte jedoch anders kommen. In der 85. Minute spielte Mattheus Cunha einen starken Vertikalpass, Piatek sicherte den Ball und beförderte das Spielgerät aus schwieriger Position und spitzen Winkel am Keeper vorbei und mithilfe des Pfostens ins Tor. Diese Aktion zeigte die ganze Qualität des Polen: Raum erkennen, in diesen unbemerkt hineinstoßen und eiskalt verwandeln. Sollte Córdoba längerfristig Ausfallen, kann Piatek auf dieser Leistung aufbauen. Trotz anfänglicher Unsicherheiten und viel Luft nach oben, machte dieser Auftritt Mut, von dem er hoffentlich eine Portion mitnehmen kann.

Dodi Lukebakio – Scorerpunkte sind nicht alles

Der belgische Flügelspieler ist wie der Klassenkamerad damals, der das ganze Schuljahr nur schlechte Noten schreibt, am Ende mithilfe eines Referats aber doch noch irgendwie auf eine Vier kommt.

(Photo by Stefan Puchner – Pool/Getty Images)

Nach einem katastrophalen ersten Durchgang voller falscher Entscheidungen und vertändelten Bällen, von Bruno Labbadia eigentlich schon angezählt, Verwandelte Lukebakio in der 52. die starke Flanke von Piatek zum 2:0. Danach war der Belgier sichtlich beflügelt, hängte sich mehr rein und arbeite auch verstärkt nach hinten mit. Er kann es, muss es aber nur wollen und im Moment will er es einfach zu wenig. Lukebakio wird so zum Risikofaktor und qualifiziert sich eher für Joker- anstatt Startelfeinsätze. Verhindern scheint das momentan lediglich, dass es im Kader keine wirkliche Alternative mit den gleichen physischen Anlagen wie Lukebakio zu geben scheint. Auch wenn er nach acht Spielen sechs Scorerpunkte sammeln konnte, es reicht einfach nicht nur dann zu liefern, wenn es kritisch wird.

Die Leistung der Berliner Nummer 11 muss sich hier noch auf konstant hohem Niveau einpendeln, wenn er zum Leistungsträger avancieren will. Tore und Vorlagen sind nicht alles und eine geringe Arbeitsrate und Zielstrebigkeit auf dem Platz wirkt sich schlussendlich auch auf die gesamte Mannschaft aus. So kann man nur hoffen, in den kommenden Wochen nur noch selten die “Dodi”-Rufe von Trainer Labbadia hören zu müssen.

Niklas Stark – Endlich wieder wichtig

Der Vize-Kapitän – erneut auf der 6er Position eingesetzt – kommt immer besser in die Saison. Der Auftritt des Nationalspielers war engagiert und durchaus vorzeigbar.

Das Spiel als defensiver Mittelfeldspieler ist meist eher unspektakulär. Räume wollen durch kluges Stellungsspiel geschlossen werden und spektakuläre Pässe darf man von Stark auch nicht erwarten. Dennoch verzeichnete der gelernte Innenverteidiger zwei Kopfbälle aufs Tor. Dadurch, dass mit Matteó Guendouzi gehörig Kreativität ins Berliner Mittelfeld Einzug gefunden hat, fällt die Diskrepanz Starks in diesem Fall nicht besonders auf. Gleichzeitig ist es auch klug von Trainer Bruno Labbadia, den einflussreichen Vize-Kapitän nicht allein für die Verteidigung einzuplanen. Den entsprechenden Konkurrenzkamp würde Stark momentan sicher verlieren, was zwangsläufig zu Bankdrückerei und Unzufriedenheit führen würde.

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Die aktuelle Lösung mag daher nicht besonders spektakulär anzusehen sein, aber doch ein gewisses Potential aufweisen. So ist Stark nach vielen Monaten des Formtiefs endlich wieder auf einem guten Weg, wichtig für das Team zu sein.

Und dann war da noch:

Omar Alderete: 109 Ballkontakte, 87% Passgenauigkeit, drei abgefangene Bälle und drei klärende Aktionen. Die Formkurve des Neuzugangs aus Basel zeigt steil nach oben. Der Mann kann und will kicken und trägt so zur Stabilisierung wackligen Berliner Abwehr bei. Nur logisch, dass das Spiel gegen Augsburg den ersten zu-Null Sieg seit dem 20. Juni bedeutet.

Marton Dardaí: Der zweitälteste Sohn von Pal Dardaí durfte heute sein Bundesligadebüt feiern. Das wird hoffentlich mit Kalbschnitzel und Milchreis gefeiert.

Fazit

Einzelne Herthaner als besonders herausstechend zu identifizieren, fällt in diesem Spiel eher schwer, einfach weil der Auftritt des ganzen Teams durchweg couragiert war. Man erspielte sich geduldig Chancen und auch wenn es meistens am berühmten letzten Pass hapert, dieses Spiel offenbart erneut das Potential, was in dieser jungen Mannschaft schlummert und langsam zu erwachen scheint. Die jetzt folgende Länderspielpause ist vom Timing her nicht ideal, aber Bruno Labbadia ist erfahren genug, um sicherzustellen, dass seine Spieler von diesem überzeugenden Auftritt nicht nur tabellarisch sondern auch mental profitieren können.

[Titelbild: IMAGO]

Podcast #115 Ciao Cacau

Podcast #115 Ciao Cacau

Wir besprechen die bittere Niederlage gegen Stuttgart, die von außen reingegebenen Saisonziele und ob Länderspielpausen wirklich notwendig sind. Zudem sagen wir euch, warum es bei unserer Herzensdame gerade einfach noch nicht rund läuft und geben einen Ausblick auf das Spiel beim aktuellen Tabellenführer RB Leipzig.

Wir wünschen euch ganz viel Spaß mit der Folge und freuen uns über eure Kommentare.

Teilt den Podcast gerne mit euren Freunden, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Mattéo Guendouzi – Viel Talent, wenig Selbstbeherrschung

Mattéo Guendouzi – Viel Talent, wenig Selbstbeherrschung

Lange galt Jeff Reine-Adelaide als potenzieller Neuzugang für Herthas zentrales Mittelfeld, am Deadline-Day präsentierte der Verein dann aber einen anderen Franzosen als Verstärkung für das zentrale Mittelfeld: Mattéo Guendouzi kommt leihweise für ein Jahr von Arsenal zu Hertha, knapp anderhalb Millionen Euro Leihgebühr werden für den französischen U21-Nationalspieler fällig.

Arsenal-Experte Chris McCarty von neunzigplus.de beantwortete unsere Fragen zu Guendouzi.

HERTHA BASE: Was sind Guendouzis größte Stärken? Wie kann er Hertha weiterhelfen?

Chris: „Seine größte Stärke ist sicherlich sein Selbstbewusstsein. Guendouzi traut sich alles zu, egal gegen wen. Er hat ein sehr gutes Auge und einen großen Passradius, kann dabei durch Diagonalbälle und Schnittstellen-Pässe selbst aus der Tiefe kreative Impulse liefern. Darüber hinaus ist er sehr ballsicher, kann das Spielgerät durch seine Physis hervorragend abschirmen und zieht durch eine gewisse Schlitzohrigkeit sehr viele Fouls.“

Mit seiner durchaus etwas offensiveren Ausrichtung passt Guendouzi gut in das Anforderungsprofil, dass man bei Hertha definiert hatte: Neben Lucas Tousart wollte man auch unbedingt noch einen etwas offensiv orientierteren Mittelfeldspieler verpflichten.

Und was sind seine größten Schwächen?

„Seine größte Stärke ist auch seine größte Schwäche: Sein Selbstbewusstsein. Das führt zu herausragenden Momenten, aber vereinzelt auch zu vermeidbaren Ballverlusten. In seinem Spiel ohne den Ball lässt die Spielintelligenz sehr nach. Er agiert oftmals zu ballfixiert, naiv und neigt dazu, gefährliche Situationen zu spät zu erkennen.“

Mit dem Kopf durch die Wand – vereinzelt kennt man diesen Ansatz bei Hertha BSC schon, auch Matheus Cunha agiert an weniger guten Tagen mitunter kopflos. Auch Guendouzi dürfte daher ein Spieler sein, den Bruno Labbadia ab und zu einbremsen muss.

Foto: IMAGO

Kann Guendouzi Hertha sofort weiterhelfen, oder braucht er erst noch eine Eingewöhnungszeit?

„Garantieren kann man das natürlich nicht, aber er scheint aufgrund seines Ehrgeizes ein Typ zu sein, der keinerlei Eingewöhnungszeit benötigt. 2018 wechselte er aus der zweiten französischen Liga zum FC Arsenal und verzichtete auf die U19-EM, um sich in der Vorbereitung in die Stammelf zu spielen. Kaum einer hatte ihn auf dem Zettel, am ersten Spieltag der Premier League stand er gegen Manchester City in der Startelf.“

Nach seiner Vertragsunterschrift ging es für Guendouzi allerdings zur U21-Nationalmannschaft, ein Startelfeinsatz gegen Stuttgart scheint deswegen eher unwahrscheinlich – wenn Niklas Stark, Lucas Tousart und Vladimir Darida fit bleiben.

In welchen Systemen und auf welchen Positionen kommt Guendouzi gut klar? Und wo überzeugt er eher weniger?

„Guendouzis Stärken kommen am besten auf der Acht oder der Doppelsechs zur Geltung. Dort kann er Spielintelligenz, Pressingresistenz, Passspiel und zuweilen auch seinen Drive im Spiel nach vorne sehr gut einsetzen. Als alleiniger Sechser fehlt ihm zu sehr das defensive Bewusstsein.“

In Labbadias 4-3-3 bzw. 4-3-1-2 kommen für Guendouzi also jeweils die beiden Achterpositionen infrage. Bisher spielten dort Lucas Tousart und Vladimir Darida – Tousart könnte nun allerdings auf die Sechs rücken, da Niklas Stark in den kommenden Wochen den ausfallenden Jordan Torunarigha in der Innenverteidigung ersetzen muss. Dann wäre Guendouzi wohl die erste Option, um die freie Achterposition zu übernehmen.

Lucas Tousart, Vladimir Darida und Niklas Stark, dazu Eduard Löwen und Santiago Ascasibar, Herthas Mittelfeld ist nun relativ breit besetzt. Welche Rolle traust Du Guendouzi zu – von Schlüsselspieler bis Rotationsspieler?

„Guendouzis Erwartungshaltung wird sein, auf Anhieb Stammspieler zu werden. Ich würde nicht gegen ihn wetten. Im Gegenteil, ich traue ihm zu, direkt zu begeistern. Um Leistungsträger zu werden, wird er aber an seinen Fehlern arbeiten müssen, die man ihm in der Honeymoonphase noch verzeiht.  Bei Arsenal tat er dahingehend zu wenig.“

Hertha sucht nach Spielern, die auf dem Platz vorangehen und die Mannschaft führen – Guendouzi ist zwar noch jung, aber könnte er mit seiner Erfahrung trotzdem eine solche Rolle einnehmen?

Guendouzi ist kein Spieler, der sich versteckt, dafür ist er zu ehrgeizig. Selbst wenn es bei der Mannschaft oder ihm persönlich schlecht läuft, wird er versuchen, das zu ändern und vorneweg marschieren. Um ein tatsächlicher Leader zu sein, fehlt es ihm allerdings wohl an der Reife und den Führungsqualitäten.“

Nicht nur mit seiner Körpersprache und seinem Wille wird Guendouzi sich demnach gut in das einfügen, was man in dieser Saison bisher von Hertha gesehen hat: Eine junge, teilweise blauäugig agierende Mannschaft – die allerdings immer weiterkämpft und nicht aufgibt.

In der Vergangenheit fiel Guendouzi immer wieder auch durch zu emotionales und unfaires Verhalten auf dem Platz auf. Meinst du, er bekommt das besser unter Kontrolle?

„Das ist schwer, zu sagen. Es ist jedenfalls beunruhigend, dass er mit nur 21 Jahren und trotz seines großen Talents bei zwei Klubs und unter zwei Trainern aus dem Kader flog. Das ist die größte Schattenseite seines Selbstbewusstseins. Stößt er auf Widerstand oder Kritik, ob bei Gegner, Mitspieler oder gar Trainer, kann er die Kontrolle verlieren. Und das leider ohne Einsicht. Die Hoffnung liegt darin, dass er noch jung ist und daher reifen kann. Ob er das wird, steht in den Sternen.“

Michael Preetz und Bruno Labbadia dürften sich allerdings im Voraus bewusst gewesen sein, dass sie sich mit Guendouzi einen Spieler in den Kader holen, der Unruhe in die Mannschaft bringen kann. Die einjährige Leihe minimiert das Risiko – und da sich im Rest des Kaders bisher wenig Konfliktpotenzial andeutet, könnte Guendouzi auch von einer ruhigen Atmosphäre innerhalb der Mannschaft profitieren.

Foto: IMAGO

Wie würdest du Herthas Chancen bewerten, Guendouzi auch über die einjährige Leihe hinaus zu halten?

„Das hängt vor allem davon ab, wie er sich während der Leihe präsentiert und damit sind nicht nur die Leistungen auf dem Platz gemeint. Guendouzis Talent ist bekannt und trotzdem tat sich Arsenal diesen Sommer schwer, ihn los zu werden. Kann er seinen Ruf wiederherstellen, dürften andere Kaliber dazwischenfunken. Im Norden Londons liegt Stand heute wohl zu viel verbrannte Erde für eine Wiedervereinigung.“

Wenn Guendouzi bei Hertha an seine besten Zeiten anknüpfen kann, wird er wohl kaum länger als ein Jahr in Berlin bleiben. In diesem Fall würde aber auch Hertha einen guten Deal machen – ein guter Guendouzi würde dem Verein ein entscheidendes Stück weiterhelfen, die anderthalb Millionen Euro Leihgebühr wären dann wohl eher ein Schnäppchen.

Gibt es ein Spiel von Guendouzi, dass dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

„Es war womöglich nicht seine beste Leistung, aber besonders beeindruckte er mich im März 2019 auswärts bei Manchester City. Arsenal agierte lethargisch, regelrecht ängstlich. Aber da war dieser 19-Jährige, der mit breiter Brust durch das Mittelfeld marschierte und versuchte, Gündogan, David Silva und De Bruyne das Spiel aus den Händen zu reißen. Er forderte permanent den Ball, ging weite Wege und stemmte sich gegen die Niederlage. Die Gunners verloren am Ende zwar das Spiel, aber Guendouzi hinterließ an diesem Tag einen bleibenden Eindruck. Nicht nur bei den Arsenal-Fans.“

Präsenz auf dem Platz war auch bei Hertha jüngst ein Thema nach der Heim-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt. Mit Guendouzi hat Labbadia nun eine Mittelfeld-Option mehr, und an guten Tagen wird Guendouzi Hertha mit Sicherheit weiterhelfen.

[Titelbild: IMAGO]