Herthaner im Fokus: Big Points in Augsburg

Herthaner im Fokus: Big Points in Augsburg

Der Abstiegskampf ist endgültig eröffnet, denn Hertha BSC hat ihn mit dem Sieg beim FC Augsburg angenommen und gibt der Konkurrenz ein klares Lebenszeichen. Im Schwabenland setzte Trainer Felix Magath auf altbewährte Tugenden und baute im Vergleich zur Derby-Schmach nicht nur personell, sondern auch das System um.

Boateng-Comeback und Belfodil-Streichung gegen Augsburg

Das größte Opfer der großen Rotation gegen Augsburg war zweifelsohne Ishak Belfodil. Der algerische Stürmer, der mit drei Toren in dieser Saison zu den torgefährlicheren im Team gehört, war nicht einmal im Kader. Er würde nicht zum Gegner passen, so die Einschätzung Magaths. Außerdem war von einer mangelhaften Trainingsleistung zu lesen.

Vom 4-1-4-1 aus der Vorwoche wechselte Magath auf ein 4-2-3-1. Auf der Position des Linksverteidigers verzichtete er dieses Mal auf ein Experiment, wie noch in der letzten Woche. Der 18-jährige Außenverteidiger Julian Eitschberger wurde für den Spieltagskader nicht noch einmal berücksichtigt. Die Hoffnungen ruhten auf den Stärken von Marvin Plattenhardt. Ebenfalls überraschend war das Festhalten an der Innenverteidigung um Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf. Doch so viel vorweg. Beide bestätigten das Vertrauen mit einer deutlichen Leistungssteigerung. Peter Pekarik war wie üblich auf der rechten Seite der Verteidigung eingeteilt.

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(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Vor dieser fungierten Lucas Tousart und Santiago Ascacibar als Doppelsechs. Mangels Alternativen, aber ebenfalls deutlich stärker als zuletzt, musste Suat Serdar wieder die linke Außenbahn beackern. Kollege Marco Richter tat es ihm gegen seinen Ex-Club auf der rechten Seite gleich. Es hatte sich unter der Woche schon ein wenig angedeutet. Das Trainerteam entschied sich für einen Startelfeinsatz von Kevin Prince Boateng im offensiven Mittelfeld. Im Sturm durfte der nimmermüde Davie Selke ackern. Und eines muss vor jeder Analyse erwähnt werden: Marcel Lotka feierte im Tor der Hertha nicht nur den ersten Sieg, sondern auch das erste Spiel zu null. Herzlichen Glückwunsch dazu!

In der heutigen Analyse geht es um den Lenker und Denker im Team der Hertha, um die “Ausgerechnet-Fraktion” und um Pal-Dardai-Tugenden.

Kevin Prince Boateng: Endlich Leader und Star

Der Lenker und Denker im Spiel der “Alten Dame” und endlich wirkte er mal nicht wie der alte Mann, dessen Zenit schon weit überschritten ist. Bereits unter der Woche sprach Magath extrem offen vom Vakuum auf Führungspositionen in der Mannschaft. Lediglich Boateng könne diese Position einnehmen, was allerdings zu oft an der Verletzungsanfälligkeit des Altstars scheiterte.

Doch diese Aussage schien den noch immer technisch herausragenden Boateng zu beflügeln. Magath ermöglichte ihm sämtliche Freiheiten auf der Zehner-Position. Er riss das Team mit, fightete, machte den Gegnern das Leben schwer und war das Herz dieser Mannschaft. In seinen 69 Minuten Spielzeit – die längste Spielteilnahme Boatengs in dieser Saison – brillierte er mit 36 Aktionen am Ball. Er verteilte ihn, brachte 16 seiner 23 Pässe beim Mitspieler unter und konnte diese immer wieder in Szene setzen. Sein kluger Pass in der 10. Spielminute auf die linke Seite raus zu Marvin Plattenhardt leitete die erste Chance der Berliner ein.

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(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Doch er war nicht nur der Lenker und Denker, er hielt gleichzeitig wo es nur ging seine Knochen hin. Die Leidenschaft gepaart mit seinem kreativen Spielwitz ließ einen Fan von Hertha zum Teil mit feuchten Augen zurück. Er gewann zwölf von 14 Zweikämpfen. 86 Prozent gewonnene Zweikämpfe sind eine prächtige Quote für einen offensiv ausgerichteten Spieler. Zusätzlich half er in diesem emotionalen Spiel für clevere Spielunterbrechungen. Er zog kleinere Fouls, provozierte in Rudelbildungen und ließ sich selbst fünf Mal foulen. Niemand weiteres auf dem Feld musste so viel einstecken. Endlich bekamen wir jenes starke und zählbare Spiel zu sehen, welches wir uns so dringend gewünscht hatten.

Es scheint, als wäre Boateng zur entscheidenden Saisonphase fit und könnte der Mannschaft endlich mit seiner zweifelsohne immer noch riesigen Klasse helfen. Bleibt zu hoffen, dass er in den letzten Wochen vom Verletzungspech verschont bleibt.

Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf: Gute Reaktionen auf die Kritik

Die beiden Innenverteidiger waren in den letzten Wochen extremer Kritik ausgesetzt. Und das auch vollkommen verdient, allerdings wirkte es als wären sie in einem unüberwindbaren tiefen Loch gefangen. Nach der brutalen Klatsche gegen Union Berlin scheinen die beiden aber tief in sich gegangen zu sein und haben sich die Kritik zu Herzen genommen. Insbesondere Kapitän Dedryck Boyata, der von Felix Magath in die Pflicht genommen wurde, wirkte in Augsburg mit einer stark veränderten Einstellung am Spielgeschehen mit.

Er war wesentlich präsenter als in den letzten Wochen, kommunizierte mit seinen Mitspielern, zeigte eine viel mutigere Körpersprache und wirkte bei hitzigen Diskussionen auf seine Kollegen ein. Eigentlich alles Punkte, die zum Pflichtrepertoire eines Kapitäns gehören. Bei Boyata muss man aber nun mal auch diese hervorheben. Doch auch spielerisch wusste er stärker zu agieren. Während des Spiels – er war über die gesamte Distanz dabei – konnte er vor allem seine Passstatistik festigen. 64 Prozent brachte er beim richtigen Adressaten unter. 19 Aktionen hatte er am Ball. Deutlich weniger als zuletzt, was vor allem daran lag, dass die Hertha weniger den Ball verschleppte und es nicht nur mit den ungeliebten “Hintenrum-Bällen” versuchte.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Trotz allem ist sicherlich nicht alles top beim Belgier. Er gewann nur zwei seiner fünf Zweikämpfe und immer wieder wirkt er ein wenig überhastet in seinem Handeln auf dem Platz. Exemplarisch dafür die 11. Spielminute, als er bei einer Hereingabe des Spielgeräts von Robert Gumny vorbeisegelte und Alfred Finnbogason eine Großchance ermöglichte. Doch insgesamt muss man positiv festhalten, dass es eine der besseren Vorstellungen Boyatas war. Auch er muss dringend an diesen Leistungen anknüpfen und sie wieder zur Regelmäßigkeit machen. Die defensive Stabilität ist im Abstiegskampf von entscheidender Bedeutung.

Ähnlich wie Boyata agierte sein Partner Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung. Sein Spiel gegen die Fuggerstädter erinnerte ein wenig an sein Debüt für die Hertha zu Beginn der Rückrunde gegen den VfL Bochum. Auch dort wirkte er als stabiler Defensivmann mit, obwohl seine Statistiken anderes aussagten.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Gegen den FC Augsburg kam er auf 50 Prozent siegreiche Zweikämpfe, brachte wie sein Innenverteidiger-Partner 64 Prozent Pässe beim richtigen Spieler unter und agierte wild und entschlossen. Das Spiel Kempfs ist bekanntlich immer auf der Grenze zwischen robust und brutal. Auch in diesem Spiel stockte einem zwischendurch der Atem, doch insgesamt konnte man auch bei ihm eine Leistungssteigerung erkennen, ließ er doch dieses Mal die tölpelhaften Fouls aus seinem Spiel raus. Er beeindruckte zudem dadurch, dass er immer wieder Bälle ablief, die sonst in extrem gefährlichen Räumen gelandet wären.

Bleibt auch hier zu hoffen, dass es sich nicht um ein Strohfeuer handelt.

Marco Richter und Suat Serdar: Die Fraktion “Ausgerechnet”

Was haben die beiden Kritik einstecken müssen. Die Tatsache, dass sie sowohl unter Tayfun Korkut als auch zunächst unter Felix Magath schwer im Verdruss wegen mangelhaften Engagement standen, ließ zunächst den Schluss zu, dass durchaus etwas an dieser Einschätzung dran zu sein schien. Zusätzlich hatten beide in den letzten Wochen enorm viel mit sich selbst zu kämpfen und fielen hauptsächlich durch Frustaktionen auf. Doch die Forderungen nach Startelfeinsätzen wurden erhört.

Auf die individuelle Klasse, die diese beiden Spieler in sich tragen, kann man in einer Situation wie sie Hertha gerade zu bewältigen hat, eigentlich nicht verzichten.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Marco Richter durfte gegen seinen Ex-Verein 69 Minuten auf der rechten Außenbahn agieren. Und er war motiviert, wollte zeigen, dass er ein Mann für weitere Startelfeinsätze ist. Er war einer der aktivsten Berliner in Augsburg. 36 Ballaktionen sprechen eine deutliche Sprache. 80 Prozent seiner Pässe fanden den Mitspieler, was für einen Offensivmann keine schlechte Zahl ist. Zwar gewann er nur zwei seiner acht Zweikämpfe, doch trotz seiner fehlenden Durchschlagskraft kam er immerhin dreimal zum Abschluss. Der goldene Moment sollte in der 49. Minuten eintreffen. Es war eine tolle Kombination mit dem Ackergaul Davie Selke, der den ehemaligen Juniorennationalspieler per Doppelpass fein in Szene setzte.

Sein Pass in den Rückraum konnte Suat Serdar sehenswert per Hacke vollenden. Es war eines der schönsten Hertha-Tore in dieser Saison. Auch Suat Serdar, der wie üblich in dieser Spielzeit positionsfremd agieren musste, war bis in die Haarspitzen motiviert. 13 seiner 17 Pässe kamen an, er kam zu vier Abschlüssen, war enorm torgefährlich und gewann zusätzlich drei Tacklings. Auch defensiv wusste er seine Akzente zu setzen.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Ausgerechnet die viel gescholtenen Akteure konnten gegen die Augsburger zu überzeugen und für einen ersten großen Schritt im Kampf um den Klassenerhalt sorgen. Damit dieser gelingt, müssen nicht zuletzt genau die beiden weiterhin ihre Leistungen sowohl im Spiel als auch im Training zeigen. Ein Wehrmutstropfen ist allerdings, dass Richter gegen Augsburg seine fünfte Gelbe Karte gesehen hat und somit gegen Stuttgart fehlen wird.

Spielweise in Augsburg: Viel Dardai in Magath

Einen Felix Magath mit Pal Dardai zu vergleichen mag auf den ersten Blick despektierlich wirken, doch wenn man einmal genauer hinsieht, gibt es einige Gemeinsamkeiten und diese kann man auch positiv hervorheben. Die beiden sind Jugendförderer, sie sind bereit unpopuläre Entscheidungen zu treffen und für den Erfolg haben sie es nicht nötig auf hochgradig spielerische Qualität zu setzen.

Auch in diesem Spiel wechselten sich Magath und Fotheringham fleißig beim coachen ab und brachten ihre Stärken im Team mit ein. Auch ein Vedad Ibisevic instruierte wieder einmal vor der Einwechslung stehende Spieler und diskutierte mit dem 4. Offiziellen. Die Mannschaft agierte aus einer sicheren Defensive heraus. Die einheitliche Stabilität sorgte für Selbstvertrauen und die individuelle Qualität einzelner Spieler für den nötigen Spielwitz, um offensiv was reißen zu können.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Die drei Punkte in Augsburg sind ein extrem wichtiger Moment, der zu einem entscheidenden Wendepunkt in dieser Saison führen kann. Die Niederlage gegen Union Berlin ist damit keineswegs vergessen, entschuldigt oder wiedergutgemacht. Das ginge wenn überhaupt auch nur in zukünftigen Derbys im direkten Duell. Doch dieser Sieg kann Kräfte freisetzen um im Saisonendspurt zu bestehen. Boateng wird zum Leader, Tousart und Ascacibar sind große Kämpfer, Selke ein Arbeitstier, Serdar und Richter individuelle Kreativspieler und Plattenhardt kann mit ruhenden Bällen für enorme Gefahr sorgen.

Doch diese Qualitäten müssen in den letzten vier Saisonspielen durchgehend abgerufen werden, um irgendwie dem Abstiegsgespenst noch von der Klinge springen zu können. Die Tournee hat begonnen. Ob Rettung oder Abschied wird sich zeigen. Der nächste Schritt muss nächste Woche gegen Stuttgart gegangen werden.

[Titelbild: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images]

Felix Magath – Altmeister trifft auf „Alte Dame“

Felix Magath – Altmeister trifft auf „Alte Dame“

Es sind wilde Zeiten bei Hertha BSC. Trainer Tayfun Korkut wurde nach nur nach nur 14 Spielen entlassen. Mit Felix Magath kehrt ein alter Hase zurück auf die Trainerbank in der Bundesliga. Eine Lösung, mit der wohl niemand gerechnet hat. Fredi Bobic muss derweil endlich zeigen, dass er die richtigen Entscheidungen trifft, sonst wird man im Sommer vor der Mission „Direkter Wiederaufstieg“ stehen.

Unsere erste Einschätzung nach Magaths Antritts-Pressekonferenz

Ein kleines mediales Beben

Es war DIE Meldung in Fußballdeutschland am späten Sonntagabend: Trainerlegende Felix Magath kehrt in die Bundesliga zurück. Er soll die abstiegsbedrohte „Alte Dame“ vor dem Gang in die zweite Liga bewahren und damit Stand jetzt ein kleines Fußballwunder bewirken. Dies ist Magath natürlich auch bewusst: „Es geht darum, dass der Klub in einer Situation ist, wo er breite Unterstützung braucht.“ Dabei nimmt er einerseits die Mannschaft, andererseits aber auch das gesamte Umfeld inklusive Fans in die Pflicht: „Jeder muss da mitmachen. Jeder sollte in den letzten acht Spielen mithelfen, dass dieser Verein in der Bundesliga bleibt.

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(Photo credit should read PATRIK STOLLARZ/AFP via Getty Images)

Der erste Eindruck von Magath selbst ist durchaus ein positiver: Entspannt und schmunzelnd sitzt er da, vielleicht genießt er auch ein klein wenig den Rummel um seine Person nach Jahren der Abstinenz in Deutschlands höchster Spielklasse. Dass die Rückkehr nicht unbedingt geplant war, gibt Magath unumwunden zu. Gleichzeitig stellt er aber klar: „Ich kann nicht anders. Ich bin Fußballer, ich will Fußball, ich liebe Fußball“. Er habe sein gesamtes Leben fast nichts anderes gemacht. Vielleicht braucht die Mannschaft nach dem zwar sympathischen und netten, aber eben nicht gerade emotionalen Korkut genauso so einen Typ.

Mannschaft erfährt von Magath aus den Medien

Wie die erste Reaktion ebenjener Mannschaft auf die Verkündung ihres neuen Cheftrainers war, kann man nur ahnen. Manager Bobic teilte den Spielern am Sonntagvormittag mit, dass ab der kommenden Woche ein neuer Übungsleiter auf dem Schenckendorffplatz das Sagen haben würde, wer genau das sein wird, ließ er dabei jedoch noch offen. „Schaut immer auf eure Handys, weil da guckt ihr oft rauf“ waren die Worte, mit denen er denen er sie anschließend in den trainingsfreien Montag schickte.

Nach der Verkündung dürfte dann vor allem das Handy von Peter Pekarik geglüht haben. Der Routinier arbeitete bereits 2009 mit Felix Magath zusammen, damals wurde man Deutscher Meister. „Ich denke mal, dass sich der ein oder andere Spieler jetzt schon bei ihm erkundigt hat, wie schön das in den nächsten Tagen wird“ vermutet auch Magath, der sich nach diesem Satz süffisant schmunzelnd zurücklehnte. Eine Verhaltensweise, die bei der Mannschaft in der näheren Zukunft sicher nicht auftreten wird.

Diese Trainerentscheidung von Bobic muss sitzen

Nach der dringend benötigten Trennung von Tayfun Korkut muss Bobic sich zunehmend die Frage stellen lassen, ob er die richtigen Entscheidungen trifft. „Man kennt sich natürlich über die Jahre“ ist beim Sportvorstand der „Alten Dame“ ein Muster, dass sich auch in der Verpflichtung von Magath findet.

Dass der neue Trainer jedoch ein ganz anderer ist als der letzte, steht nicht zur Debatte. „Wir brauchen einen Trainer mit einer starken Persönlichkeit, jemand der sich für Disziplin einsetzt und eine klare und harte Hand zeigt“, erläutert Bobic. Charaktereigenschaften die wohl auf keinen so sehr zutreffen, wie auf Felix Magath.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Doch klar ist auch, sollte auch der bereits zweite Trainerwechsel der laufenden Saison scheitern, muss sich der Manager damit auseinandersetzen, dass er der Verein in die zweite Liga geführt und damit auch seinen letzten verbliebenen Kredit bei den Fans vollständig verspielt hat.

Die berüchtigten Trainingsmethoden des Felix M.

Von Medien und Fans zum Teil „Quälix“ genannt, gibt es kaum einen Trainer, der mehr auf körperliche Arbeit und Disziplin setzt als Felix Magath. Er rechtfertigt diesen Ansatz: „Disziplin gehört halt nun mal zum Sport, das habe ich doch nicht erfunden. Und wenn man Mannschaftssport betreibt, dass muss man halt auf den Mitspieler Rücksicht nehmen.“ Und er schiebt nach: „Die Spieler müssen begreifen, dass Disziplin zum Mannschaftssport gehört.“

Mit Blick auf den von außen gesehen gefühlt immer noch fehlenden Mannschaftsgeist bei Hertha könnte Magath eventuell genau der Trainer sein, den es braucht, um dieses Problem zu beheben. Auf die Nachfrage, welchen Wert er auf die Infrastruktur des Trainingsgeländes legt, antwortet der neue Übungsleiter: „Es war mir immer völlig egal, ob nur ein Hang oder eine Treppe da war oder ob dann ein Hügel gebaut wurde. Es ging immer nur darum, die Spieler optimal zu trainieren.“ Eins scheint aber klar zu sein: genau wie die Spieler bei seinen vergangenen Stationen werden sich auch die Herthaner auf kräftezehrende Einheiten einstellen dürfen.

Mark Fotheringham wird Co-Trainer unter Magath

Unterstützt wird Magath dabei von Mark Fotheringham, den er aus seiner Zeit beim FC Fulham noch kennt: „Ich habe bei der Auswahl Wert darauf gelegt, dass ich einen Mann an meiner Seite habe, der ein bisschen jünger als ich ist und näher an den Spielern dran ist.“ Fotheringham könne aufgrund seiner bisherigen Co-Trainer Station in Karlsruhe und Ingolstadt außerdem perfekt deutsch sprechen.

Man darf also auf das erste Spiel unter dem neuen Trainer am kommenden Wochenende gegen die TSG Hoffenheim gespannt sein, auch mit einem Punkt wäre Magath für den Beginn zufrieden. Ob in der anschließend stattfindenden Länderspielpause ein Trainingslager stattfindet, überlässt der Coach, erneut mit einem Schmunzeln, derweil den Akteuren auf dem Feld: „Wenn die Spieler mich darum bitten, dann würde ich das machen.“ Die Fans würden das den Spielern nach den letzten Auftritten sicherlich gönnen.

[Titelbild: Jamie McDonald/Getty Images]

Ein Hauch von 2012

Ein Hauch von 2012

In Berlin wird es niemals langweilig und bei Hertha BSC dieser Tage sowieso nicht. Ein Kracher folgt auf den nächsten, der Verein scheint keine Chance zu haben, zur Ruhe zu kommen. Und selbständig scheint man dazu auch nicht mehr in der Lage zu sein. Nachdem am Sonntagvormittag Tayfun Korkut entlassen wurde und damit nur folgerichtig auf die letzten Entwicklungen reagiert wurde, schepperte es an der Hans-Braun-Straße direkt ein weiteres Mal. Mit Felix Magath wurde ein sehr prominenter Nachfolger verpflichtet. Ein Kommentar.

Parallelen zur Vergangenheit

Einen Trainer ohne sportliche Not entlassen, einen erfolglosen verpflichtet, fünf Niederlagen in Folge, eine Trainerentlassung, ein prominenter Nachfolger und am Ende steigt man ab. Genau so sah die Reihenfolge in der Saison 2011/2012 in Berlin aus. Und zumindest die ersten fünf Punkte haben sich nun bei Hertha BSC zehn Jahre später wiederholt. Es ist erschreckend und gleichzeitig faszinierend, wie sich gewisse Gesetzmäßigkeiten im Fußball und in der Bundesliga niemals zu ändern scheinen.

Erinnern wir uns an die Situation im Winter 2011/2012. Die Hertha war als Aufsteiger zurück in der Bundesliga und befand sich nach der Hinrunde auf einem akzeptablen 11. Platz. Doch die damals handelnden Personen um Michael Preetz und wohl weiteren Hertha-Funktionären überwarfen sich mit dem Aufstiegstrainer Markus Babbel und eine sportlich nicht zu rechtfertigende Entlassung war perfekt. Michael Skibbe sollte folgen und avancierte zum erfolglosesten Hertha-Trainer aller Zeiten. Nach vier Niederlagen in der Bundesliga und einer weiteren im Pokal durfte er nach wenigen Wochen wieder die Koffer packen. Otto Rehhagel folgte, brachte einen gewissen Glamour in die Hauptstadt und unterhielt insbesondere die Journalist*Innen auf den Pressekonferenzen mit seinem Humor.

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(Photo credit should read CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Der sportliche Erfolg war überschaubar, am Ende stieg die Mannschaft nach einem legendären Relegationsdrama gegen Fortuna Düsseldorf ab. Zehn Jahre später lassen sich die Namen Babbel, Skibbe, Rehhagel und Preetz hervorragend durch Dardai, Korkut, Magath und Bobic ersetzen. Natürlich ist die Mannschaft noch nicht abgestiegen und immerhin kann man Korkut noch zusprechen, dass er vor seinen fünf Niederlagen in Folge, auf die seine Entlassung folgte, noch ein paar Punkte sammelte. Im Pokal schied allerdings auch er aus.

Das Hertha-Drama der letzten Wochen und Monate

Die Nachrichten, die sich nahezu im Stundentakt bei der Hertha überschlagen, sorgen für eine gewisse Schnelllebigkeit und lassen kaum zu, sich mit gewissen Themen noch einmal eingehend zu beschäftigen. Tayfun Korkut wird sehr wahrscheinlich keine Gemeinsamkeiten mehr mit Hertha BSC haben in der Zukunft und trotzdem ist er allgegenwertig. Auch wenn er nicht mehr in der Verantwortung steht.

Als ich Ende November 2021 ein Kommentar zum Einstieg von Tayfun Korkut verfasst habe, erwähnte ich, dass die Spieler eine Mannschaft seien und lediglich Orientierung benötigen. Außerdem, dass Tayfun Korkut die Chance hat, aus der Schublade des chronisch erfolglosen Trainers zu steigen. Einige Wochen später muss man konstatieren, dass die Mannschaft, die damals möglicherweise tatsächlich noch ein Team war, mittlerweile keins mehr ist. Und das liegt auch oder vielleicht sogar vor allem an Korkut. Aber nacheinander, es gibt einige Stellen, die Korkut brennend hinterlassen hat.

Personal und Teamhierarchie

Korkut hatte mit seinen Personalentscheidungen im großen Stil Leistungsträger, wie Marco Richter und Suat Serdar und zuletzt sogar den durchaus zu Recht in der Kritik stehenden Torhüter Alexander Schwolow abgesägt, nachhaltig frustriert und verunsichert. Ob Niklas Stark oder Dedryck Boyata Kapitän waren, war eigentlich vollkommen uninteressant, nach außen hin wurde nie einer der beiden von Korkut dahingehend unterstützt oder gar gestärkt.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Spieler, die Leistungen gezeigt haben, wie Maximilian Mittelstädt, mussten wie gegen Gladbach plötzlich um Einsätze bangen. Selbiges bei Ishak Belfodil eine Woche zuvor gegen Frankfurt. Die einzige Konstante war mangels Alternativen Peter Pekarik, der nahezu konkurrenzlos die rechte Seite beackerte, aber mittlerweile Bundesliganiveau stark vermissen lässt. Wer weiß, ob er als einziger Deutscher Meister im Kader unter seinem ehemaligen Förderer und Meistertrainer aus Wolfsburger Tagen einen zweiten (oder eher zehnten) Frühling feiern kann.

Die Taktik

Korkut begann die ersten Spiele mit dem wohl einfachsten System, einem 4-4-2, respektive 4-2-2-2. Bis Weihnachten lohnte sich dieses System, bis auf einer deutlichen 0:4-Klatsche in Mainz sogar. Das fehlende Offensivspiel wurde endlich angekurbelt und die Qualitäten, die ja durchaus in der Mannschaft schlummern, konnten entfacht werden. In dieser Zeit spielte Hertha den attraktivsten und erfolgreichsten Fußball, mit dem krönenden Höhepunkt am 17. Spieltag gegen Dortmund.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch die Taktik und das System sind sicherlich ein netter Einstieg, aber keine Variante zur taktischen Weiterentwicklung. In keinem der Spiele 2022 war die Hertha in der Lage über mehr als eine Halbzeit zu überzeugen. Und das vor allem weil Korkut mit persönlichen Machtkämpfen gegen die Mannschaft beschäftigt war und taktisch zu limitiert, um der Mannschaft eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Im Endeffekt stehen 2022 neun Spiele in der Bundesliga zu Buche, in denen ganze zwei Punkte gesammelt werden konnten. Das Aus im Pokal kommt erschwerend hinzu.  

Auch die Außendarstellung hat Hertha geschadet

Ich möchte hier in keiner Weise etwas gegen die Privatperson Tayfun Korkut sagen. Der Mann könnte durchaus ein sehr sympathischer Kerl und witziger Zeitgenosse sein. Seine Außendarstellung seit seinem Amtsantritt in Berlin sorgte allerdings nie auch nur im Geringsten für Aufbruchsstimmung. Er wirkte meistens fahrig, überfordert und so, als wäre er gerne überall, nur nicht in Berlin.

Sicherlich wird das auch auf die Spieler abgestrahlt haben, die nur die Tage zählten, bis es vorbei war. Trauriger Höhepunkt war seine ins Fernsehen übertragende Trainingsrede aus einem wirren Mix aus Englisch und Deutsch. Wie fruchtbar diese Ansage war, sah man am kläglichen Auftritt in Mönchengladbach.

Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende

Ob die Entlassung von Tayfun Korkut zu spät kam, wird sich nach dem 34. Spieltag und möglicherweise sogar erst nach der Relegation zeigen. Die Hypothek durch Korkut ist gewaltig und die einzige Hoffnung ist, dass der Schaden, der hinterlassen wurde, reparabel ist. Die Mannschaft ist hochgradig verunsichert, vermutlich hapert es stark an Disziplin und es herrscht aufgrund vieler Vertragsungereimtheiten eine schwache Moral und kaum eine Hierarchie.

Felix Magath muss vermutlich auch psychisch viel Arbeit leisten. Warum und weshalb die Wahl auf Magath fiel werden auch wir in weiteren Texten ergründen müssen. Doch die aktuelle Situation zeigt auch, dass ein Klassenerhalt wohl kaum die Probleme rund um den Verein lösen wird. Das Gewitter um den Verein wütet seit über zweieinhalb Jahren und wird auf die unseriösesten und respektlosesten Arten nur noch mehr gepushed. Ein Abstieg wäre trotz allem katastrophal.

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(Photo by Martin Willetts/Getty Images)

Tayfun Korkut war insgesamt nur ein Symptom, nicht der Grund für die Talfahrt. Die Lage ist schlecht, sehr schlecht, aber noch ist sie nicht hoffnungslos.

[Titelbild: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images]