Hertha BSC und Felix Magath – Eine Zweckgemeinschaft

Hertha BSC und Felix Magath – Eine Zweckgemeinschaft

Die Saison ist vorbei, die Mannschaft von Hertha BSC hat mit einem ungeahnten Kraftakt gegen den HSV über die Relegation die Klasse gehalten. Bereits unmittelbar nach Abpfiff des Rückspiels kündigte Trainer Felix Magath an, dass er bei Hertha nicht weiter machen wolle, das Projekt sei mit Ende des Spiels abgeschlossen. Auch der Nachfolger steht schon fest, Sandro Schwarz wird die Blau-Weißen in der nächsten Saison an der Seitenlinie betreuen. Grund genug, einen Rückblick auf Magath und dessen Zeit in der Hauptstadt zu werfen.

Als ich vor einigen Wochen beschlossen hatte, einen Rückblick über Magath schreiben zu wollen, ahnte ich noch nicht, welchen Rattenschwanz das nach sich ziehen würde. Zu diesem Zeitpunkt hatte Hertha gerade mit 2:0 gegen den VfB Stuttgart gewonnen und ich ging ziemlich sicher davon aus, dass wir mit Ende des 34. Spieltags über dem Strich stehen würden. Bekanntermaßen kam alles anders, Hertha musste zwei weitere Spiele im Kampf um den Platz in der Bundesliga absolvieren. Ausgerechnet gegen DEN Herzensklub von Magath, dem HSV. Ein Szenario, mit dem dieser seit Amtsantritt gerechnet hatte, wie er nach dem 1:1 bei Arminia Bielefeld zugab. Es würde ihn nicht überraschen, wenn es zu dieser Konstellation käme, sagte er. Und er sollte Recht behalten, wie so oft.

Eine überraschende Verkündung

Doch fangen wir vorne an. Also gut, ehrlich gesagt müsste man sehr weit vorne anfangen um zu verstehen, wieso Sportgeschäftsführer Fredi Bobic überhaupt in die Situation kam, Felix Magath an die Seitenlinie der Alten Dame holen zu müssen. Um es kurz zu machen: die bereits zweite Trainerlösung der Saison, Tayfun Korkut, scheiterte krachend, ein Verbleib des deutsch-türkischen Übungsleiters war nach der bis dato sieglosen Rückrunde acht Spieltage vor Schluss untragbar. Etliche Namen kursierten und die Fans stellten sich die berechtigte Frage, welcher Trainer sich die Gemengelage von sportlichem Misserfolg, schiefem Kader und ständigen externen Störgeräuschen freiwillig antun würde.

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Und so zauberte Bobic einen Namen aus dem Hut, mit dem niemand ernsthaft gerechnet hätte: Felix Magath. Der Aschaffenburger war zuletzt vor fast zehn Jahren in der Bundesliga tätig. Anschließend folgten eher abenteuerliche Jobs wie die des Global Sports Directors bei den Würzburgers Kickers und Admira Wacker sowie zweifelhafte Auftritte als Cheftrainer in China und bei Fulham. Wie sollte dieser aus der Zeit gefallene Trainer im modernen Fußball bestehen oder gar Hertha BSC vor dem Abstieg retten? Deutschlandweit prasselte Häme, Spott und große Skepsis auf Hertha ein. Und auch die Fans des Charlottenburger Traditionsvereins zeigten sich zu großen Teilen mittelschwer entsetzt, nach Korkut schien dies nun die Krönung der schlechten Leistung von Bobic in dieser Saison zu sein.

Gutes Händchen bei der Staff-Auswahl

Doch schon auf der Antrittspressekonferenz zeigte Magath, dass er keineswegs der senile Rentner ist, den man aus dem Ruhestand zurück ins Rampenlicht der Bundesliga gezerrt hat. Er wirkte sortiert, unaufgeregt und gut vorbereitet. „Ich kann nicht anders. Ich bin Fußballer, ich will Fußball, ich liebe Fußball“, waren eine seiner ersten Worte. Man merkte schnell, dass dieser Mann die Möglichkeit genießt, sich noch einmal beweisen zu können. Auch wenn er das nach seiner spektakulären Meistersaison 2009 und den zahlreichen Rettungsaktionen bei anderen Bundesligisten eigentlich gar nicht mehr nötig hatte. Man spürte, Magath nahm diesen Job aus Überzeugung an und nicht, weil er musste. Die fürstliche Entlohnung von angeblich zwei Millionen Euro bei geglücktem Klassenerhalt spielte sicher auch eine Rolle, war aber wahrscheinlich nicht der Hauptgrund für die Zusage des neuen Übungsleiters.

Der 68-jährige Cheftrainer kam jedoch nicht alleine, sondern brachte Werner Leuthard als Athletiktrainer und Mark Fotheringham als seinen Co mit. Fotheringham und Magath kannten sich aus gemeinsamen Zeiten bei FC Fulham, wo der Schotte damals noch als Spieler tätig war. Und es kam wie es kommen musste: in Berlin angekommen infizierte sich der neue Coach direkt mit Corona, durfte das erste Spiel unter seiner Amtszeit lediglich aus dem Hotel verfolgen. Die Verantwortung im Spiel gegen Hoffenheim kam vor Ort damit dem noch sehr unerfahrenen Mark Fotheringham zu.

Der Mann im Hintergrund

Was anschließend folgte, hätte märchenhafter nicht ablaufen können. Hertha gewann überraschend gegen die TSG mit 3:0, alle drei Tore folgten aus Freistößen von Marvin Plattenhardt. Jenem Plattenhardt, der die letzten Monate und Jahre über immer unsichtbarer wurde. Die vergangenen Glanzzeiten, welche ihm einen Platz bei der WM 2018 beschert hatten, waren längst vergessen. An der Seitenlinie pushte das Duo aus Fotheringham und Offensivtrainer Ibisevic die Mannschaft unermüdlich nach vorne, an Magath dachte während des Spiels niemand. Im Anschluss wurde sein Einfluss jedoch klar, er hatte vor dem Spiel und während der Halbzeit per Video zur Mannschaft gesprochen, war zudem das gesamte Spiel über Funk mit dem Trainerstab von Hertha verbunden.

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Felix Magath hatte damit geschafft, was seinem Vorgänger Korkut in neun Partien davor nicht gelungen war, nämlich einen Sieg in der Rückrunde zu holen. In Berlin war damit zumindest der Glaube an einen möglichen Klassenerhalt wieder da, auch wenn Hertha vor dem Spiel auf dem 17. Tabellenplatz stand. Magath hatte seine erste Duftmarke gesetzt.

Derbydebakel

Ein paar Tage später ging es für die Profis von Hertha in ein Kurztrainingslager. Der Spitzname „Quälix“ kommt schließlich nicht von ungefähr. In Harsewinkel sollten die konditionellen Grundlagen für den Abstiegskampf im Rest der Saison gelegt werden. Das anschließende Spiel in Leverkusen ging knapp, aber verdient verloren. Hertha zeigte sich zwar engagiert, allerdings fehlte schlussendlich die Qualität, um sich gegen einen Champions-League-Aspiranten ernsthaft wehren zu können.

Spätestens nach dem verlorenen Derby gegen Union war von der positiven Stimmung seit Magaths Amtsantritt jeglicher Hauch verflogen. Auch der dritte Trainer der Saison schaffte es nicht, die Mannschaft in Derbystimmung zu versetzen. Die Kulisse im erstmals seit über zwei Jahren wieder ausverkauften Olympiastadion hätte besser nicht sein können, doch die Herthaner enttäuschten auf ganzer Linie. Mit 1:4 ging man regelrecht unter, bei Magath offenbarte sich erstmals eine Schwäche, die bis zum Hinspiel der Relegation immer wieder vortreten sollte: Fragwürdige Personalentscheidungen. Trotz eines fitten Maxi Mittelstädts brachte Felix Magath den 18-jährigen Julian Eitschberger von Anfang an. Der Youngster feiert somit ausgerechnet in einem der mit Abstand wichtigsten Spiele sein Profidebüt. Und wenn das alleine schon nicht reichen würde, geschah dies noch dazu auf einer Position, auf der Eitschberger als nomineller Rechtsverteidiger normalerweise gar nicht spielt.

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Magath hatte sich eindeutig verzockt, war er vielleicht doch nicht der richtige Mann in dieser Situation? Spätestens jetzt war klar, dass der Sieg gegen Hoffenheim nur bedingt mit dem neuen Cheftrainer zu tun hatte. Zu sehr zeigten sich altbekannte Probleme des Teams wie beispielsweise fehlende offensive Kreativität und defensive Instabilität. Ein Wunderheiler war Felix M. definitiv nicht, doch wirklich verübeln konnte man es ihm persönlich auch nicht. Kein Trainer der Welt ist in der Lage, einen komplett schief zusammengestellten Kader mitten in der Saison zum Funktionieren zu bringen, die Probleme lagen dafür viel zu tief. In der allgemeinen Katerstimmung inklusive der kritikwürdigen Trikotaktion einiger Fans verblieb lediglich der Funken Hoffnung, dass jede weitere Woche mehr Zeit bringt, damit Magath wenigstens kleine Stellschrauben verändern kann.

Erkennbare Fortschritte gegen die direkten Konkurrenten

Und er veränderte sie. In den richtungsweisenden Partien gegen die direkten Konkurrenten FC Augsburg, VfB Stuttgart und Arminia Bielefeld präsentierte sich das Team von Hertha BSC wie ausgewechselt. Kampf, Leidenschaft und Wille waren auf einmal erkennbar. Auch wenn die fußballerische Idee weiterhin sehr simpel war. Man verteidigte kompakt, legte den Fokus stark auf die Defensive. Durch gezielte Konter und Flanken auf Davie Selke sollte Nadelstiche nach vorne gesetzt werden. Auch Standardsituationen stellten ein Mittel zum Erzielen von Toren dar. Dabei half natürlich, dass die Qualität der Gegner sich näher an Hertha orientierte, als es in den Spielen gegen Leverkusen und Union der Fall war. Auch die Spielverläufe lagen Hertha teilweise zu Gunsten. In Augsburg half ein einziger genialer Moment von Richter und Serdar direkt nach der Pause, gegen Stuttgart ging Hertha bereits in der vierten Minute durch Selke in Führung. Das sehr späte 2:0 ändert nur noch die Höhe des Siegs. Beim Auswärtsspiel auf der Alm in Bielefeld schoss Hertha das Führungstor nach einem Standard durch den vorhin bereits erwähnten Marvin Plattenhardt.

Doch was hatte Magath damit zu tun? Welche Veränderungen halfen der stark verunsicherten Mannschaft? Auffällig sind vor allem drei Dinge: Die Konstanz der gewählten Startaufstellung, das Hauptaugenmerk auf defensive Stabilität und Kevin-Prince Boateng.

Die beiden ersten Punkte bedingen sich dabei ein Stück gegenseitig. Wenn die Spieler wissen, wer neben ihnen steht, fällt die Abstimmung und damit auch das gemeinsame Verteidigen leichter. Die fehlende Konstanz, vor allem in der Innenverteidigung, führte oft zu großen Unsicherheiten und individuellen Fehlern. Magath setzte durchgängig auf die beiden erfahrenen Spieler Marc-Oliver Kempf und Kapitän Dedryck Boyata. Beide zeigten sich von Spiel zu Spiel sicherer. Hinzu kam die Doppelsechs bestehend aus Santiago Ascacibar und Lucas Tousart. Hertha hielt das Zentrum in der Folge oftmals und stand somit deutlich stabiler als im gesamten bisherigen Saisonverlauf. Man hatte endlich den Eindruck, dass die Spieler wüssten, welche Rolle und Aufgaben sie auf dem Feld einzunehmen hatten. Ein Verdienst, der maßgeblich auf Magath zurückgehen dürfte.

Wie der Phoenix aus der Asche

Mit der Defensive alleine gewinnt man jedoch keine Partien. Und hier kommt Prince Boateng ins Spiel. Jener Prince, der in den 29 Spieltagen vor dem Augsburg-Spiel insgesamt lediglich 422 Minuten auf dem Feld stand. Im Saisonendspurt folgten hingegen 361 weitere Minuten. Boateng brachte viele Eigenschaften mit, die Hertha während der gesamten Saison fehlten: Ballsicherheit, Spielkontrolle, offensive Kreativität und Leidenschaft. Von Magath als einziger wirklicher Führungsspieler im Kader identifiziert, zeigte dieser, warum man ihn vor der Saison geholt hat. Von außen betrachtet muss sich die Frage aufdrängen, ob Dardai und Korkut zu zögerlich waren, um Boateng reinzuwerfen oder ob dieser tatsächlich erst zum Saisonende wirklich fit wurde. Es ist schwer diese Frage ohne Einblicke ins Training und die exakte Belastungssteuerung zu beantworten – auffällig ist dennoch, dass von allen Trainern in dieser Saison erst Felix Magath den Mut besaß, voll auf Boateng zu setzen. Und der Prince zahlte dieses Vertrauen zurück.

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Psychospielchen und vergebene Chancen

Nach dem so späten wie unnötigen Ausgleichstreffer in Bielefeld verblieben Hertha noch zwei Matchbälle um den Klassenerhalt aus eigener Kraft festzumachen. Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gab es vor allem zwei erwähnenswerte Äußerungen von Herthas Cheftrainer. Zum einen offenbarte er, dass er bereits mit Amtsantritt mit einer Relegation gegen den HSV rechnete. Ein Szenario, welches sich zwei Wochen später bewahrheiten sollte. Zum anderen stichelte Magath in Richtung seines ehemaligen Vereins Bayern München. Der feststehende Meister zeigte sich jedoch bis auf verbale Erwiderungen nicht wirklich beeindruckt, die Leistung gegen Stuttgart war weit von einer meisterwürdigen Form entfernt.

Da Hertha auf der anderen Seite bereits vor dem Spiel der Stuttgarter in der Allianz Arena selbst gegen Mainz verlor und auch das entscheidende Duell gegen den BVB am letzten Spieltag nicht für sich entscheiden konnte, musste der Weg in die Relegation gegangen werden. Dass der VfB Stuttgart sich selbst erst in der Nachspielzeit rettete, hinterlässt vor allem für Hertha-Fans einen faden Beigeschmack. Allerdings muss festgehalten werden, dass Hertha es über mehrere Spieltage selbst in der Hand hatte die Klasse zu halten. In den letzten drei Begegnungen am Stück kassierte man jeweils das entscheidende Gegentor in den letzten zehn Minuten. Ein Konzentrationsabfall, der nicht zum ersten Mal in dieser Spielzeit auftauchte, man erinnere sich an die Spiele gegen Wolfsburg, Leverkusen und Augsburg in der Hinrunde. Auch Magath zeigte sich in dieser Hinsicht recht machtlos. Er schaffte es nicht, der Mannschaft klar zu machen, dass ein Spiel 90 Minuten plus Nachspielzeit läuft. Ein Kritikpunkt, den sich der Coach gefallen lassen muss, dafür trat das Problem im Saisonschluss zu häufig auf.

Arbeitsverweigerung gegen den HSV

Und so ging es wie von Magath prophezeit gegen den Hamburger SV in die Relegation. Die Norddeutschen hatten ihre Hoffnung auf den Aufstieg eigentlich schon begraben, ehe sie mit fünf Siegen aus den letzten fünf Spielen überraschend noch auf den dritten Platz schafften. Die Mannschaft von Tim Walter stellt in gewisser Hinsicht das Gegenstück zu Hertha dar. Während die Berliner durch ihre defensive Spielweise auffielen, zeigte sich Hamburg während der Saison äußerst spielfreudig, kombinationsstark und offensiv ausgerichtet. Mit 64 Toren waren sie die drittgefährlichste Mannschaft im deutschen Unterhaus, gleichzeitig waren sie mit gerade einmal 35 Gegentoren das defensivstärkste Team.

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Im Hinspiel präsentierte sich Hertha vor ausverkauftem Olympiastadion äußerst ungefährlich und ambitionslos. Hamburg hatte mehr Aktionen, ohne dabei selbst jedoch wirklich zwingend zu werden. Durch eine missglückte Flanke erzielte Ludovit Reis eher zufällig das Siegtor für die Hanseaten. Magath schien es versäumt zu haben, der Mannschaft von Hertha klar zu machen, WIE wichtig die Relegationsspiele waren. Mit Wollschläger brachte Magath erneut wie schon gegen Union einen Nachwuchsspieler in einer Situation von Beginn an, die für ein solches Startelfdebüt gänzlich ungeeignet ist. Nachdem Wollschläger bereits in Bielefeld den Vorzug vor Belfodil erhalten hatte und maßgeblich am verpassten 2:0 beteiligt war, sollte er im ersten von zwei Endspielen um den Klassenerhalt die Sturmhoffnung darstellen. Man kann Wollschläger dafür keinen Vorwurf machen, genauso wenig wie für seine Einwechslung auf der Alm. Doch Magath steht für diese Entscheidungen zu 100 Prozent in der Verantwortung. Es entstand erneut der Eindruck, dass sich der Übungsleiter verschätzt hatte. In einer Situation in der ein solcher Fehler nicht zu tolerieren ist, noch dazu von jemanden, der die Erfahrung mehrerer Jahrzehnte als Spieler und Trainer vorzuweisen hat.

Am Ende reicht es

Doch im Rückspiel zeigte Magath dann, dass genau diese Erfahrung schlussendlich doch einer der entscheidende Faktoren zum Klassenerhalt war. Direkt nach Schlusspfiff gab er in einem Interview recht unumwunden zu, dass der von ihm so geschätzte Boateng zum Großteil für die Mannschaftsaufstellung verantwortlich war. Es erfordert eine gewisse Art der Größe seinen Spielern dermaßen zu vertrauen und eine der Kernaufgaben des Trainers, die Auswahl der Startelf, aus der Hand zu geben. Außerdem schien er vor dem Spiel die richtigen Worte gefunden zu haben, es war in vielen Belangen der vielleicht beste Auftritt der Hertha in dieser Saison. Plattenhardts Freistoß für die Ewigkeit steht symbolisch für das, was Magath in seinen zehn Wochen bei Hertha geschafft hat. Er hat den Spielern den Glauben an sich selbst zurück gegeben und diese zahlten es ihm mit den besten Leistungen der Spielzeit zurück. Boyata, Boateng, Selke, Tousart und ebenjener Plattenhardt stehen etwas symbolisch dafür, dass in diesem Team durchaus fähige Spieler vorhanden sind, es oftmals aber zusammen einfach nicht funktioniert hat. Diese über die letzten Monate im Großen und Ganzen gegangene Entwicklung, sowohl auf individueller als auch gesamtmannschaftlicher Ebene ist Magath hoch anzurechnen. Es lief nicht alles rund, auch die Trainerlegende konnte nicht alle Probleme des Kaders beheben. Doch dies ist auch nicht der Maßstab, an dem er zu messen ist. In Anbetracht der sportlichen Situation bei Magaths Amtsantritt und dem geschafften Klassenerhalt Ende Mai ist festzuhalten, dass Magath genug richtig gemacht hat, damit die Blau-Weißen auch im nächsten in der Bundesliga spielen dürfen.

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Keine Liebesgeschichte

Mit Schlusspfiff im Volksparkstadion war das Projekt Magaths beendet, dies bestätigte er vor den Mikrophonen selbst. Das sportliche Ende war jedoch noch nicht der endgültige Abschluss des gemeinsamen Kapitels. Wenige Tage später erschien beim Kicker ein Interview, in dem der Übungsleiter vergleichsweise offen über seine Zeit bei Hertha und die vielen tieferliegenden Probleme bei Hertha sprach. Er bemängelte die fehlende Hilfe im Verein, den schief zusammen gestellten Kader, welcher etliche Problemstellen aufweise und dass bei Hertha jeder zum größten Teil an sich selbst denken würde. Einen Eindruck, den vermutlich auch viele Fans von außen vorher schon hatten. Magath hat Hertha einmal mehr aufgezeigt, dass der geschaffte Verbleib in Deutschlands höchster Spielklasse lediglich den Anfang eines Prozesses darstellt. Ein Prozess den Hertha BSC dringend bedarf, um endlich langfristig besser aufgestellt zu sein. Das betrifft sowohl die Führungsebene als auch im Kader.

Magath scheint auch nach diesen zusammenschweißenden Wochen eine Distanz zum Charlottenburger Verein bewahrt zu haben. Am Ende war die Einstellung Magaths die richtige Entscheidung von Fredi Bobic, doch es scheint nicht als ob Magath langfristig viel positives mit diesem Intermezzo verbinden wird. Und so war es am Ende vor allem eins: eine Zweckgemeinschaft. Magath konnte es noch einmal allen beweisen, Hertha konnte in der Bundesliga bleiben. Eine Zusammenarbeit von der beide Seiten profitierten, doch nach nur drei Monaten gehen beide auch wieder getrennte Wege. Was sehr wahrscheinlich die richtige Entscheidung für jeden Beteiligten ist. Magath war bei Weitem nicht perfekt, aber er hat seine Aufgabe erfüllt und daher muss man vor allem eins sagen: DANKE Felix Magath.

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Die große Chance einen Albtraum zu beenden

Die große Chance einen Albtraum zu beenden

Die Stimme weg, Tränen in den Augen und vollkommen am Ende mit den eigenen Kräften. Am Montagabend um 22:25 Uhr traf das wohl auf den größten Teil aller Hertha-Fans zu. Das Team der Berliner hatte soeben mit einem Riesenspiel in der Relegation in Hamburg den Klassenerhalt gesichert. Ein Kraftakt einer Mannschaft, deren Charaktere zum Teil die Spiele ihrer Karriere absolvierten.

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(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Es war das passiert, was sich ein jeder im blau-weißen Trikot gewünscht hatte – Hertha produzierte Szenen für die Ewigkeit. Eine Initialzündung für die nächste Saison ist möglich. Die Fans und der Verein haben die einmalige Chance, aus einem schier endlos laufenden Albtraum zu erwachen. Eine Einordnung, was dieser Klassenerhalt bedeutet.

Drei Jahre Albtraum – die Chance zu erwachen

Ich vermute, dass viele Menschen einen Albtraum haben, der sich in irgendeiner Form gerne in schlechten Nächten in den Schlaf schleicht und einen das Leben erschwert. Bei mir zum Beispiel gibt es das sich gerne wiederholende Szenario, dass mir Menschen, die mir lieb sind, sagen, dass sämtliche Prüfungen aus Schul – und Unizeiten nachträglich als ungültig erklärt wurden und mir dementsprechend auch die Abschlüsse wieder entzogen wurden. Was mir diese Träume sagen sollen, weiß ich nicht, darum geht es jetzt glücklicherweise aber auch nicht. Als Hertha-Fan erwacht man gerade zum dritten Mal aus einem Albtraum, der sich seit drei Jahren in feiner Regelmäßigkeit wiederholt. Die Sommerpause ist wieder einmal des Herthaners bester Freund.

In den letzten drei Jahren ist so viel rund um Hertha BSC passiert, dass ein Buch nötig wäre, um all das aufzuzählen und einzuordnen. Wieder einmal gelingt der Klassenerhalt und wieder einmal in einer hochdramatischen Art und Weise. Während man 2020 unter Bruno Labbadia fast schon unspektakulär über dem Strich blieb und sich letztendlich im Tabellenmittelfeld stehend in die Sommerpause verabschiedete, war das Szenario 2021 von der Spannung und Dramatik her kaum zu toppen. Die Corona-bedingte Pause, sechs Spiele in wenigen Wochen und am Ende ein feierndes Team um Pal Dardai. Doch was dieses Jahr passieren sollte, ist definitiv unvergleichbar und hätte knapper kaum sein können. Wieder einmal kann die Hertha im buchstäblich letzten Moment dem Tod von der Klinge springen.

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(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Doch was in den jeweiligen Momenten Freude und Erleichterung bringt und eine Form von Glückseligkeit, die sich nicht einmal der aktuelle DFB-Pokalsieger erkaufen kann, freisetzt, folgt erst auf eine dramatische und nervenaufreibende Leidenszeit. Da sind wir wieder beim Albtraum. Die Zeit, in der man nachts wach wird bzw in der das Team in der Sommerpause ist, scheint die genießbarste Zeit auf Erden zu sein. Sobald man die Augen schließt und die Mannschaft in die Saison startet, geht der Schrecken von vorne los. Doch das Potential und die Chance sind da, dass man dieses Mal keine Angst vor einem Albtraum haben braucht.

Hertha BSC braucht Ruhe und Führung   

Um das möglich zu machen, braucht Hertha BSC vor allem Ruhe. Sämtliche Nebenkriegsschauplätze müssen geklärt werden. Aktuell wird der Verein in seinen Grundfesten erschüttert und treibt relativ führungslos daher. Nach dem Spiel gegen den HSV wurde bekanntgegeben, dass Finanzvorstand Ingo Schiller seine Koffer packen würde. Damit zieht der zweite große Chef nach Carsten Schmidt zum Ende dieser Saison die Reißleine. Die Tage von Präsident Werner Gegenbauer sind gezählt, sein Rücktritt scheint ebenfalls beschlossene Sache. Auch das Präsidium steht auf der Kippe. Zusätzlich wird ein neuer Trainer gesucht und viele Vertragssituationen von Personalien im sportlichen Bereich, wie Marcel Lotka, Kevin-Prince Boateng und vielen weiteren Akteuren sind bisher ungeklärt. Weiterhin ist der starke Mann Sportvorstand Fredi Bobic, dem ein Gegenspieler oder zumindest eine ernsthafte Kontrollinstanz im Verein fehlt.

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Vereinslegenden wie Pal Dardai, Zecke, Michael Hartmann und zuletzt Arne Friedrich wurden unwürdig aus dem Verein entlassen bzw. getrieben. Auch das Verhältnis zur Ultraszene ist nach den vielen Auseinandersetzungen in dieser Saison nicht komplett geklärt. Ebenso muss eingehend besprochen werden, wie man sich zukünftig gegenüber dem Investor Lars Windhorst und seiner Tennor-Holding verhalten möchte. Die Mitgliederversammlung am Sonntag wird richtungsweisend sein, was die Führung des Vereins betrifft. Ein riesen großer Scherbenhaufen muss aufgefegt werden. Und eigentlich nicht nur den dieser Saison. Sondern den der letzten drei Jahre. Denn Transfer-Altlasten wie Dodi Lukebakio, Eduard Löwen oder Deyovaisio Zeefuik gilt es ebenso zu klären.

Man muss sich in gewisser Weise eingestehen, dass die legendären Tagebücher von Jürgen Klinsmann Einblicke gewehrt haben, die anscheinend wirklich zutreffend waren. Mittlerweile wurde zu großen Teilen in die damals geforderte Richtung gehandelt. Weiterhin befindet sich der Verein in einem Umbruch. Ebenso der Kader. Am Ende werden nur wenige Spieler den dritten Umbruch im Verein überlebt haben. Auf die handelnden Personen und insbesondere Fredi Bobic kommt ein Berg an Arbeit zu. Doch nun ist Sommerpause und sie haben die Zeit, all die Baustellen anzugehen. Was das alles für Hertha BSC bedeutet, wird in den nächsten Tagen und Wochen eingeordnet werden.

Ein Genuss legendärer Erlebnisse – Und die Jahre der Mahnung

In der Retrospektive wird man in einigen Wochen, Monaten und Jahren auf die Zeit schauen und wieder einmal unvergessliche Szenen und Erlebnisse ausgraben und besprechen. Es werden schlechte dabei sein, das ist klar. Drei Derbys zu verlieren, nagt am Selbstverständnis eines Jeden, der es mit der Hertha hält. Die schwarze Zeit mit Tayfun Korkut als Trainer. Die Geschichten um Pal Dardai und Arne Friedrich wirken bis heute unfair und machen betroffen. Doch beide sind dank ihrer Vergangenheit mit Hertha positiv verbunden. Dardai war vor wenigen Wochen im Amateurstadion zu Besuch um seinen Sohn Bence im U17-Halbfinale gegen den VfB Stuttgart spielen zu sehen. Arne Friedrich kommentierte den Klassenerhalt auf Twitter mit blau-weißen Herzen.

Der Saisonendspurt hat sich in die Köpfe eingebrannt. Ob es der Befreiungsschlag gegen Hoffenheim war, der frenetische Jubel im Olympiastadion nach dem 2:0 gegen den VfB Stuttgart, die drei verpassten Matchbälle oder junge Spieler, wie Marcel Lotka, Oliver Christensen oder Linus Gechter, die sich für die Hertha begeistern konnten und einen riesigen Beitrag zum Klassenerhalt leisteten. Die Leistungsexplosion längst aufgegebener Leistungsträger, wie Kevin-Prince Boateng und Marvin Plattenhardt, die das Rückspiel gegen den HSV auf phänomenale Art und Weise an sich rissen und ein Tor für die Ewigkeit schossen.

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(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Der Abschied vom langjährigen Herthaner Niklas Stark, der nicht wie verdient gewesen im Olympiastadion stattfand, sondern in abgespeckter, aber nicht minder emotionaler Art und Weise vor den mitgereisten Fans in Hamburg. Die Geschichten wurde geschrieben und nun gilt es sie in irgendeiner Form einzuordnen und zu verstehen.

Es darf selbstverständlich kein „Weiter so“ geben. Das wird es auch nicht, das zeigen die vielen personellen Konsequenzen in den letzten Stunden. Die letzten drei Jahre müssen ein Mahnmal sein. Nicht nur für Hertha, sondern für den gesamten deutschen Fußball. Erfolg lässt sich nicht einfach so kaufen. Mit keinem Geld der Welt. Es gehören gut arbeitende Menschen dazu, die auch mit den vielen Millionen etwas sinnvolles anstellen und daran ist der Verein seit dem Einstieg von Lars Windhorst krachend gescheitert. Beinahe so deutlich, dass der Abstieg kaum noch abzuwenden gewesen wäre. Nach 34 Spieltagen hätte sich kein Mensch beschweren können, wenn es dazu gekommen wäre. Es gilt mit Bedacht und klaren und freien Köpfen zu handeln. Keiner fordert Wunderdinge. Schon gar nicht, dass nächste Saison das Ziel Europa ausgerufen wird. Wenn man sich in den sozialen Medien so umschaut, reicht eigentlich schon eine entspannte, ja fast schon langweilige Mittelfeld-Saison. Und daran sollte man sich orientieren. Es geht nicht um den Wunsch und das Image eines windigen Investors, der von dem Geschäft rein gar keine Ahnung hat. Es geht um die vielen, zehntausenden Fans, die mit dem Verein durch jedes noch so übel lodernde Feuer gehen und ihm die Treue bis in alle Ewigkeiten schwören. Ein Verein und die Fans müssen gemeinsam wachsen, die Ansprüche ebenso. Und das braucht Zeit. Die Sinnkrise und Selbstfindungsphase des Vereins ist noch lange nicht vorbei, doch mit dem Klassenerhalt konnte ein großer Schritt in die richtige Richtung gegangen werden, um diese Phase irgendwann zu beenden.

Aufwachen und die Chancen nutzen

Die Chancen für einen Neuanfang sind da, nie waren sie größer und sie dürfen dieses Mal nicht vergeben werden. Die Reaktionen der Spieler nach dem Spiel zeigen, was solche Abstiegsschlachten psychisch mit Menschen machen. Ein weiteres Jahr in diesen Tabellengefilden wäre schwerer denn je. Fredi Bobic und co. müssen nun einen schlagkräftigen Kader zusammenbauen um Hertha nächste Saison ein ruhiges Jahr zu schenken und einen gesicherten Weg in die Zukunft zu ebnen.

Nur dann gelingt es endgültig aus einem jahrelangen Albtraum zu erwachen.

[Titelbild: RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Nachdem Hertha BSC in den letzten Wochen drei Matchbälle im Kampf um den Klassenerhalt verspielt hatte, steht man nun genau da, wo man niemals hinwollte, am Abgrund. Es fehlt nicht mehr viel. Gegen den Hamburger SV zeigten 76.000 Fans im ausverkauften Olympiastadion, was ihnen der Fußball, die beiden Vereine und die Bundesligazugehörigkeit bedeuten. Doch lediglich die vielen Zuschauer*Innen zeigten sich an diesem Abend erstligatauglich. Auf dem Rasen präsentierten sich zwei klassische Zweitliga-Mannschaften.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Magath experimentiert mit Personal und System

Dass mit Santiago Ascacibar ein wichtiger Baustein der Achse, die sich bei Hertha im Schlussspurt der Saison gebildet hatte, gelbgesperrt fehlen würde und ersetzt werden müsse, war im Vorfeld klar. Doch Anstatt ihn 1:1 zu ersetzen, was in Anbetracht des restlichen Kaders möglich gewesen wäre, baute Felix Magath auch das System um. In einem 4-2-2-2-System, also in der Tayfun-Korkut-Gedächtnis-Formation, stellte er die Mannschaft auf.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Der mit einer Gehirnerschütterung und einem Nasenbeinbruch ausfallende Torhüter Marcel Lotka wurde durch Oliver Christensen ersetzt. Er war damit der dritte Torhüter, den die Berliner in dieser Saison aus Verletzungsgründen einsetzen mussten. Im Vergleich zum Spiel in Dortmund blieb gegen den HSV die verteidigende Viererkette unberührt. Marvin Plattenhardt, Marc Oliver Kempf. Dedryck Boyata und Peter Pekarik sollten wie üblich den Ball vom Tor fernhalten. Im zentralen Mittelfeld ersetzte Niklas Stark nach einigen Erkältungstagen den gesperrten Santi Ascacibar. Daneben Lucas Tousart, der im Vergleich der kreativere Spieler ist. Davor sollten auf den Außen Maximilian Mittelstädt und Suat Serdar agieren. Im Sturm setzte Magath auf eine Doppelspitze um Ishak Belfodil und Jungspund Luca Wollschläger. Davie Selke fiel weiterhin mit muskulären Problemen aus.

Wir schauen in unserer heutigen Analyse auf die schwache Innenverteidigung, den ebenso schwachen Sturm, den dritten Torhüter der Saison, die Kämpfer in dieser schweren Situation, einen Streit von Alphatieren, der letztendlich genickbrechend ist und was noch ein letzten Fünkchen Hoffnung bietet.

Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Die gute Form ist weg

Das Innenverteidiger-Duo zeigte gegen den Hamburger SV aus welchem Grund auch immer eine Leistung, die an alte Korkut-Zeiten erinnerte. Beide waren stark überfordert mit den eigentlich ebenso zahnlosen Angriffen der Hanseaten.

Marc Oliver Kempf rutschte häufig in seine gefährlichen Aktionen ab, die ihn in der Vergangenheit schon negativ ausgezeichnet haben. Er hatte die meiste Zeit über deutliche Schwierigkeiten bei seinen Aktionen. Auch wenn er zwei Bälle klären und zwei weitere abfangen konnte, lieferte er kaum entlastende Momente. Dass er 44 Mal am Ball war und 34 seiner 38 Pässe beim richtigen Mann unter kamen, hat leider nichts mit Aktionen zu tun, die ein sehenswertes Angriffsspiel einleiten würden. Vielmehr handelte es sich um ideenloses Hintenrumgespiele mit seinen verteidigenden Kollegen. Immerhin brachte er drei von fünf langen Bällen an den Mann. Nennenswert für Aufsehen konnte er aber auch damit nicht sorgen. Ein neuer Unsicherheitsfaktor, der sich zwischendurch stabilisiert hatte.

Auch der Hertha-Kapitän Dedryck Boyata zeigte wieder altbekannte Schwächen. Auch er ging oft ungestüm zu Werke, ließ Kommunikation vermissen, lief viel dem Gegner hinterher und hatte in der 49. Minute sogar noch Glück bei seinem unnötigen Foul gegen Miro Muheim. Wäre sein Fuß bei der Aktion ein wenig höher oder tiefer gewesen, hätte sogar ein Platzverweis gedroht. So war der Belgier mit der gelben Karte gut bedient. Im Angriffskuddelmuddel des HSV schaffte er es oft noch irgendwie seine Füße dazwischen zu kriegen und schlimmeres zu verhindern. Er klärte fünf Bälle, fing vier weitere ab. Allerdings gewann er lediglich einen von drei Zweikämpfen. Eine schwache Quote, die er aber auch nicht zu verbessern im Stande war, da er kein Interesse an diesen Aktionen hatte. Wie Kollege Kempf hatte er massig Ballaktionen. 50 waren es bei ihm, 36 Pässe spielte er. 28 fanden den Mitspieler, auch hier wieder eher die Nebenmänner in der Verteidigung. Es war eine schwache Leistung eines untergehenden Kapitäns.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ishak Belfodil: Allein auf weiter Flur

Bayerns Trainer Julian Nagelsmann sagte vor einigen Monaten, Ishak Belfodil sei einer der unterschätztesten Stürmer der Bundesliga. Unter ihm hatte der Algerier einst ein prächtiges Jahr in Hoffenheim gespielt. Und auch bei Hertha zeigte er in dieser Saison oft seine Klasse. Immerhin kam er auf fünf Bundesliga-Treffer. Bei Herthas spielerisch nicht vorhandener Offensive ist das tatsächlich eine beachtliche Ausbeute. Ihn zeichnen Technik und Wille aus und beides zeigte er auch in diesem Spiel. Technisch war er der beste Herthaner, kämpfte um die Bälle, wusste sie zu behandeln und zu verwerten. Doch er war dabei allein auf weiter Flur. Das übliche Problem, dass er sich die Bälle aus der Tiefe oder von den Außen holen musste, bestand weiterhin und konnte unter der gesamten Saison nur sehr selten abgestellt werden. Die 44. Minute hätte sein goldener Moment werden können, als er Plattenhardts Flanke mit einem feinen Kopfball ins rechte Eck verwandelte. Leider stand er hauchzart im Abseits. In seinen 80 Minuten war er engagiert und motiviert, letztendlich aber glücklos.

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(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Sehenswert war seine Aktion in der 61. Minute, als er sich ein Herz nahm und die Verteidiger Vuskovic und Schonlau auf der rechten Seite stehen ließ und mit Haken sich in den Strafraum dribbelte. Doch wie viele andere Spieler an dem Abend hatte auch er Probleme mit dem nassen Rasen und rutschte weg, was die Situation zusätzlich erschwerte. Trotzdem zwang er mit einem Schuss aufs rechte Eck Torhüter Heuer Fernandes zu einer Parade. Insgesamt gewann er allerdings auch nur zwei seiner sieben Dribblings. Doch die Mannschaft suchte ihn, 43 Aktionen hatte er. 16 Bälle verteilte er, zwölf kamen an. Seine 75 Prozent Passquote zeigen seine technischen Fähigkeiten und die hohe Konzentration, mit der er zu Werke ging. Doch auch er verlor 19 Mal den Ball und wurde mit zunehmender Spieldauer deutlich müder. Im Endeffekt sollten ihm und Stevan Jovetic im Rückspiel alle Freiheiten gelassen werden, um offensiv etwas zu Stande zu bringen.

Oliver Christensen: Einer für die Hertha-Zukunft

Oliver Christensen hatte gegen den HSV seinen ersten Profi-Einsatz für Hertha BSC. Viele Verletzungen und ein sich festgespielter Marcel Lotka hatten diesen Einsatz bisher verhindert. Und dafür, dass sein erster Einsatz in so einer Drucksituation stattfand, machte er seine Sache gut. Die Hamburger zwangen ihn zwar auch nur selten zu Paraden, doch das, was er auf sein Tor bekam, wurde von ihm verwertet. Dass ein Spieler, der noch nie auf diesem Niveau gespielt hatte, weiche Knie oder Anlaufschwierigkeiten haben würde, war klar. Doch auch die wusste er zu unterbinden.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Die Rot-Hosen liefen den Dänen immer wieder extrem an, er schaffte es die Situationen allesamt zu lösen. Er konnte 14 von 34 Pässen an den Mann bringen. 41 Prozent sind nicht viel, aber eine akzeptable Quote für einen Torhüter, der ständig unter Druck gesetzt wird. Zusätzlich wurde er zu zwei Paraden gezwungen, auch war sein Stellungsspiel einwandfrei. Bei weiteren Spielen bekommt auch Christensen die nötige Routine um dauerhaft auf einem Bundesliga- oder Zweitliganiveau mithalten zu können. Also egal in welche Richtung sich die Personalie Marcel Lotka entwickelt, auf der Torhüter-Position scheint die Hertha aktuell keine allzu großen Baustellen zu haben.

Lucas Tousart und Peter Pekarik: Immerhin mit Kampf und Leidenschaft

Sie sind sicherlich nicht die größten Zauberer am Ball, aber sie sind Kämpfer. Sie stellen sich gegen alles, was ihnen in den Weg kommt, ignorieren den entstehenden Schmerz und teilen auch selbst sehr gerne aus.

Lucas Tousart ackerte und mühte sich ab, ging in enorm viele Zweikämpfe. 13 seiner 20 Duelle gewann er. Er war praktisch überall zu sehen und wirkte, als würde er den Part seines sonstiges Partners Ascacibar einfach mitmachen. Am Ball war er über 50 Mal. 78 Prozent angekommener Pässe – 21 von 27 – sind ebenfalls eine sehenswerte Quote. Er ging zusätzlich in fünf Tacklings und lief über 11,7 km. Drei von drei Dribblings beendete er erfolgreich. Doch das sind zwar alles schöne Zahlen und die Leistung Tousarts darf man auch durchaus loben, doch was nützt es wenn auch er letztendlich keinen Funken Offensivpower ausstrahlt? Trotzdem einer der besten Herthaner auf dem Feld. Beim Treffer konnte er Ludovit Reis nicht mehr an der abrutschenden Flanke hindern. Ihm da aber eine wirkliche Mitschuld zu unterstellen, wäre hart.

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Dauerbrenner Peter Pekarik ackerte ebenfalls über die volle Distanz. Mit 65 Aktionen war er einer der aktivsten Herthaner, gewann fünf seiner sieben Zweikämpfe. Und spielte 23 von 31 erfolgreichen Pässe. Viermal versuchte er es mit langen Bällen. Zwei kamen immerhin an. Außerdem fing er vier Bälle ab, doch auch 13 Ballverluste musste der nimmermüde Pekarik hinnehmen. In der 57. Minute konnte er den Pass auf der Außenbahn von Vorlagengeber Mulheim auf den Torschützen Ludovit Reis nicht verhindern. Zusätzlich hatte er großes Glück, dass bereits vor seinem Handspiel in der 32. Minute, welches einen Elfmeter zu Folge gehabt hätte, bereits der Hamburger Maximilian Rohr mit der Hand am Ball war.

Kevin Prince Boateng und Felix Magath: Kriegt euch (für Hertha) ein!

Während die Mannschaft mit jedem Spiel dem Abstieg näher entgegentaumelt, scheint nun wieder einmal ein Nebenschauplatz im Verein eröffnet zu sein. Die Kabinenfehde zwischen Kevin Prince Boateng und Felix Magath könnte durchaus schlimmeres angerichtet haben, als zunächst angenommen.

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Und sie passt ins Bild. Felix Magath ist kein wirklicher Teil dieses Hertha-Teams, er wirkt nahezu so, als wäre ihm das Ergebnis seiner Arbeit gar nicht mal so wichtig. Mittlerweile hält er sich an Minihoffnungen und einfachen Glücksmomenten fest. Ihm fehlen sämtliche Argumente, die er in fehlenden Spielern, wie Santiago Ascacibar sucht. Seine Experimente mit jungen Spielern mögen gut gemeint sein, helfen im Abstiegskampf allerdings nicht weiter. Luca Wollschlägers Einsatz war ähnlich fragwürdig wie Julian Eitschbergers im Derby gegen Union Berlin. Seine Wechsel gegen Hamburg verpufften entweder relativ wirkungslos (Stevan Jovetic, Marco Richter, Myziane Maolida) oder sorgten in Form von Linus Gechter zunächst für extreme Unsicherheit in der Defensive. Möglicherweise wäre Vladimir Darida die sichere Wahl gewesen.

Boateng dagegen, der zumindest in der ersten Halbzeit noch motivierte und gestikulierte, saß spätestens ab der zweiten Hälfte gefrustet auf der Bank ohne jene Coaching-Elemente zu verkörpern, die ihn in dieser Saison ausgezeichnet haben. Will man die Hypothek aus dem Hinspiel in Hamburg noch umbiegen, braucht man ein intaktes Team und keine Alphatierschlacht. Aktuell scheinen individuelle Interessen aber größer zu sein.

Santiago Ascacibar und Davie Selke: Das letzte Fünkchen Hoffnung

Wenn die Hoffnungen von Hertha wirklich auf Santiago Ascacibar und Davie Selke liegen, brennt es wirklich. Ascacibar wird im Rückspiel ziemlich sicher seine Position im defensiven Mittelfeld zurückbekommen. Davie Selke wird ebenfalls große Chancen auf ein paar Minuten haben, sofern er fit ist. Beide stehen für Kampf und Leidenschaft. Beide motivieren, betreiben Psychotricks ob mental oder körperlich und beide können genauso individuelle Momente kreieren.

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Aber das alles ist ein viel zu großes Fragezeichen. Aktuell bietet wenig Hoffnung, wenn die beiden in der Lage sein sollten, das Spiel der Mannschaft an sich zu reißen oder mit ihren Stärken den HSV vor ernsthafte Probleme zu stellen, gleicht das möglicherweise einem Wunder. Die Hoffnung bleibt trotzdem.

Der Abstieg naht – doch die Hoffnung bleibt bis zur aller letzten Sekunde

Diese Mannschaft kann es nicht. Sie ist weder spielerisch, körperlich noch psychisch dazu in der Lage ein großes Spiel in ihre Richtung zu lenken. Das hat sie in dieser Saison in drei Derbys, in drei Matchball-Spielen und gegen den HSV eindrucksvoll bewiesen. Ein vollkommen schief zusammengestellter Kader konnte von keinem Trainer in dieser Saison so aufgestellt werden, dass er ernsthaft wettbewerbsfähig ist. Unter Pal Dardai noch am ehesten, doch der ist bekanntlich seit einigen Monaten raus. Der Abstieg in die Zweitklassigkeit steht bevor, da braucht man sich nichts vormachen.

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Doch am Montag sitzen wir wieder alle zusammen vor den TV-Geräten, lieben und hassen diesen Verein, verzweifeln oder jubeln oder stehen in Hamburg im Block und feuern die Mannschaft an. So lange auch nur der kleinste Funken Hoffnung besteht, müssen die Fans und die Mannschaft dran glauben und gemeinsam für den Klassenerhalt arbeiten.

[Titelbild: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den dritten Matchball und muss in die Relegation

Herthaner im Fokus: Hertha verspielt den dritten Matchball und muss in die Relegation

Hertha BSC muss zehn Jahre nach dem legendären Abstiegsdrama in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf wieder nachsitzen. Und das gegen den Hamburger SV. Mehr Drama, mehr Spannung und mehr Traditionen gehen eigentlich kaum. Gegen Borussia Dortmund musste die Mannschaft von Felix Magath eine 1:2-Niederlage hinnehmen und vergab damit den dritten und letzten Matchball im Kampf um den direkten Klassenerhalt. Während die Stuttgarter im Fernduell gegen den 1. FC Köln wiederum mit 2:1 siegten, sich für eine starke Aufholjagd in den letzten Spielen belohnten und den Klassenerhalt perfekt machten, half eine einmal mehr engagierte, letztendlich aber einfach zu schwache Vorstellung im Signal-Iduna-Park nicht mehr, um die rettenden Punkte bzw. den einen einzigen Punkt zu sammeln.

Vier Änderungen in der Hertha-Startelf

In Dortmund stellte Felix Magath die Mannschaft im üblichen 4-2-3-1-System auf. Allerdings änderte er sein Team auf vier Positionen, möglicherweise allein wegen der Belastungssteuerung, warten doch nun noch zwei weitere Partien am Donnerstag und den folgenden Montag, die möglicherweise beispielsweise für Kevin-Prince Boateng noch einmal kräftezehrende Spiele werden könnten. Eben jener Boateng saß, nachdem er in den letzten Wochen stets in der Startelf zu finden war, lange Zeit in Dortmund nur auf der Bank. Er wurde von Jurgen Ekkelenkamp ersetzt, der zuletzt kaum zum Einsatz kam.

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(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Außerdem kam es zu drei weiteren Änderungen in der Startelf. Auf der Linksverteidiger-Position kam der wiedergenesene Marvin Plattenhardt zum Einsatz. Der von der TSG Hoffenheim umworbene Marton Dardai, der ihn gegen Mainz noch positionsfremd vertreten hatte, war gegen den BVB auf Grund muskulärer Probleme nicht einmal im Kader. Der Rest der Verteidigung bestand aus der mittlerweile sich als Stammabwehr etablierten Truppe um Marcel Lotka im Tor, Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung und Peter Pekarik als Rechtsverteidiger. Lucas Tousart und Santi Ascacibar wieder davor als Doppelsechs.

In der Offensive verzichtete Magath neben Boateng auch auf Vladimir Darida, der durch Maximilian Mittelstädt ersetzt wurde. Marco Richter saß nach seinem erkältungsbedingten Fehlen zunächst auf der Bank. Mittelstädt sollte sich um die linke Seite kümmern, während Suat Serdar wieder auf die rechte Seite ging. Für den Sturm wurde Davie Selke nicht mehr rechtzeitig fit. Ishak Belfodil vertrat ihn.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf Führungsfiguren, das Potential, welches auf der Bank schlummerte, eine unnötige gelbe Karte und was mit einer stabilen Abwehr in der Relegation möglich ist.

Ishak Belfodil: Er hätte mehr Vertrauen verdient gehabt

Dass gegen den BVB kein Offensivfeuer abgefackelt werden würde, war im Vorfeld natürlich jedem klar. Auch, dass es nicht zu dem atemberaubenden Schlagabtausch kommen würde, den die Mannschaften im Hinspiel geboten haben. Ishak Belfodil gelang es trotzdem eine gewisse Präsenz zu zeigen und stets Gefahr auszustrahlen. Dass er wie so oft in dieser Saison den Ball aber eher defensiv bekam oder zu weit auf den Außen, ist leider sein Schicksal, was der allgemeinen schwachen Offensive der Hertha geschuldet ist.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Gegen den BVB hatte der Algerier seinen goldenen Moment in der 18. Minute. Die Einladung des ausgestreckten Fußes von Dan-Axel Zagadou nahm er dankend an. Nach der Sichtung der Videobilder wurde zurecht auf Elfmeter entschieden. Ishak Belfodil verwandelte sicher per Flachschuss in die linke Ecke. Insgesamt hatte er wieder 33 Aktionen, verteilte viele Bälle. 18 seiner 24 Pässe kamen bei seinen Mitspielern unter. Für einen Offensivspieler sind 75 Prozent eine starke Quote. Sein Zweikampfverhalten ließ mit 25 Prozent siegreicher Aktionen allerdings stark zu wünschen übrig. Immerhin lief er über 10,21 km und war – gegenteilig dazu was man von ihm erwarten würde – extrem kommunikativ, motivierte seine Mitspieler, forderte Konzentration und wirkte zum Teil wie ein Spieler, der einen gewissen Stil eines Führungsspielers verkörperte.

Auch wenn ein fitter Davie Selke in den letzten Wochen für viel Gefahr sorgen konnte, hat Belfodil einmal mehr gezeigt, dass er ein Spieler ist, der in diesem Kader viel öfter einen Startelf-Einsatz verdient gehabt hätte. Am Ende hilft es nicht sich an vergebenen Chancen gegen Bielefeld und Mainz festzubeißen, aber wer weiß, was ein Ishak Belfodil, dem man mehr Vertrauen geschenkt hätte, hätte ausrichten können.

Maximilian Mittelstädt: Viel Einsatz, wenig Ertrag

Es tat gut, einen fitten und motivierten Maximilian Mittelstädt mal wieder von Anfang an spielen zu sehen. Er wurde zwar nach 65 Minuten für Fredrik-André Björkan ausgewechselt, doch er bemühte sich über die gesamte Zeit der Partie seinen Stempel aufzudrücken. Dortmunds Emre Can machte ihm als direkter Gegenspieler allerdings auch das Leben schwer. Immer wieder kam es zu Zweikämpfen, aber immerhin ging – Vorsicht Floskel – Mittelstädt immer dahin, wo es wehtut.

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(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Insgesamt hatte der Ex-Juniorenspieler 35 Aktionen, konnte zwölf seiner 18 Pässe positiv gestalten und gewann zusätzlich 67 Prozent seiner Zweikämpfe. Maximilian Mittelstädt wurde in seiner Karriere meistens als Linksverteidiger eingesetzt, immer wieder waren die Kritikpunkte, dass er defensiv zu viele Defizite habe, die verhindern würden, ihn als einen guten Verteidiger zu bezeichnen. Als Schienenspieler war und ist Mittelstädt immer eine Alternative, doch an beiden Enden fehlt leider eine Menge. Denn auch offensiv hat er Defizite, beispielsweise eine zu geringe Durchsetzungskraft und zu wenig Torgefahr.

Doch im Zusammenspiel mit der restlichen Offensive kann er durchaus noch zu einer interessanten und wichtigen Konstante werden. Und sei es nur als Einwechselspieler, wie gegen Stuttgart, wenn er als einer der wenigen fitten Spieler auf dem Platz noch mit einer Torvorlage glänzen kann.

Santiago Ascacibar: Dämliche gelbe Karte

Santiago Ascacibar war in dieser Saison extrem wichtig für die Hertha, ein Lautsprecher auf dem Feld, immer mit großem Einsatz und jemand, der für Kampf und Leidenschaft stand. Dass er ein Hitzkopf ist und auch gerne mal etwas härter auspackt, weiß man. Oftmals spielt er an der Grenze der Legalität und doch war es auch sein Verdienst, dass Dortmund fast die gesamte erste Halbzeit keine Chancen kreieren konnte.

Auch als Ballverteiler schafft es der Argentinier sich in seinen 88 Minuten Spielzeit in Szene zu setzen. 65 Prozent seiner 18 Pässe fanden die Mitspieler, leider gewann er nur zwei seiner sieben Zweikämpfe, zog zwei Fouls und war unglücklicher Part des Handspiels von Marvin Plattenhardt, welches zum Elfmeter für Borussia Dortmund in der 68. Minute führte, als der Ball von seinem angelegten Arm an den ausgestreckten Arm seines Mitspielers prallte. Ansonsten zog Ascacibar zwei Fouls, grätschte, tackelte und klärte zweimal den Ball in der Defensive.

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Unrühmlicher Höhepunkt war seine unnötige gelbe Karte vor dem Elfmeter der Dortmunder, als er Schiedsrichter Tobias Stieler zum wiederholten Male zu sehr auf die Pelle rückte, um die VAR-Bilder sehen zu können. Eine dämliche Aktion, die der Schiedsrichter mit der gelben Karte bestrafte. Die fünfte gelbe Karte der Saison, weshalb Ascacibar äußerst unnötig im Hinspiel gegen den HSV fehlen wird.  

Kevin Prince Boateng und Stevan Jovetic: Die individuelle Klasse wird für Hertha wichtig sein

Kevin-Prince Boateng und Stevan Jovetic sind Spieler, die eine Mannschaft auf ein anderes Niveau heben können und dem Spiel eine gehörige Portion Struktur und Torgefahr einimpfen können. Doch dafür müssen sie auch fit sein und ihre Leistung länger als nur über ein paar Minuten abrufen können. Beide kamen erst nach 88 Minuten ins Spiel.

Boateng wurde, nachdem er in den letzten Wochen Lenker und Denker im Mittelfeld war, aber gegen Mainz auch leistungstechnisch abtauchte, mit der Bank bedacht. Einerseits wirkte er nach den vielen Einsätzen in letzter Zeit müde und überspielt, andererseits könnte Magath bereits die Relegation im Hinterkopf gehabt haben und wollte ihn dafür ein wenig schonen. Selbst wenn er nur clevere Fouls zieht, denn mehr konnte Boateng gegen Dortmund letztendlich auch nicht ausrichten, hat er einen gewissen Einfluss auf die Mannschaft. Die Hoffnung ist groß, dass er gegen den HSV, einen Gegner, der etwa auf Augenhöhe mit Hertha BSC ist, wieder die kreativen und denkenden Zügel in der Hand hat.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Im Gegensatz zu Boateng erspielte sich Stevan Jovetic sogar noch eine Torchance. Sein Torschuss aus halblinker Position ans Außennetz in der zweiten Minute der Nachspielzeit sorgte zwar für ein Aufhorchen, konnte im Endeffekt aber nichts mehr am Spielende ändern. Stevan Jovetic ist mit sechs Treffern Herthas bester Torschütze in dieser Bundesliga-Saison. Es wären mehr möglich gewesen, doch der Montenegriner hatte viel zu viel mit seinem Körper zu tun. Wenn er gegen den HSV fit sein sollte und mehr als eine halbe Stunde Spielzeit bekommen würde, kann er zu einer enormen Waffe werden. Doch auch die psychische Komponente könnte bei ihm spannend werden. Leider hat man im Laufe der Saison zu oft sehen müssen, wie schnell er in Frustration abrutscht, wenn seine Offensivaktionen nicht fruchten.

Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf: Kommunikativ und guter Abwehrverbund

Die Innenverteidigung hat sich mittlerweile gefunden. Die wohl allergrößte Baustelle unter vielen Baustellen dieser Saison konnte also spät zumindest provisorisch geschlossen werden. Beide agierten wieder über 90 Minuten in Dortmund und waren bei Leibe nicht für die Niederlage verantwortlich.

Dedryck Boyata klärte zehn Bälle aus dem Strafraum und machte es den Dortmundern wahnsinnig schwer Chancen zu kreieren. Es war spannend zu sehen, wie der BVB sich praktisch in Handball-Manier um den Strafraum herumspielen müsste, aber keine Lücke fand, weil die Abwehr um Boyata hervorragend im Verbund mauerte. Der Belgier spielte eines seiner besseren Spiele für die Hertha. Er gewann all seine Zweikämpfe, brachte 16 seiner 19 Bälle bei seinen Mitspielern unter, auch wenn das natürlich viele Sicherheitsbälle waren, da das Offensivspiel der Hertha zugegebenermaßen jetzt nicht gerade glühte.

Zwei Tacklings, einen weiteren Schuss geblockt und vor allem Erling Haaland das Leben in seinem letzten Spiel für Borussia Dortmund das Leben schwer gemacht. Kein schlechter Auftritt vom Kapitän, der auch kommunikativ dazugelernt zu haben scheint. Zumindest war er kommunikativer und motivierender als in den meisten seiner Spiele. Gut so, denn ein Kapitän, der dieses Amtes würdig ist, wird gegen den HSV in der Relegation dringend gebraucht.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Marc Oliver Kempf war wie immer wach und agil, verzichtete aber – wie schon gegen Mainz – auf wilde Harakiri-Aktionen. Er spielte zwar gewohnt körperbetont, doch auch er wagte es nicht, dem disziplinierten Abwehrverbund mit einer unnötigen Aktion Schaden zuzufügen. Er spielte für seine Verhältnisse gar besonnen. In seinem Spiel kam er in acht Zweikämpfe. Immerhin gewann er fünf davon. Er konnte zusätzlich einen Schuss blocken und klärte drei Aktionen. Zusätzlich fing er zwei Bälle von den Dortmundern ab.

Auch im Aufbauspiel schaltete sicher der Innenverteidiger ein und brachte mit 75 Prozent gelungener Pässe eine gute Quote zustande. Insgesamt war er an 26 Aktionen beteiligt. Klarer Wehrmutstropfen war allerdings sein praktisch nicht vorhandenes Zweikampfverhalten in der 84. Minute, als er dem flinken und einschießenden Youssoufa Moukoko zu viel Platz ließ. Trotz allem ein sehr disziplinierter Auftritt von Kempf, an dem es gegen den HSV anzuknüpfen gilt.   

Marcel Lotka und Davie Selke: Verletzungen zur Unzeit

Davie Selke verletzte sich unter der Woche im Training. Zunächst hieß es, dass seine muskulären Probleme auskuriert seien und man mit ihm in Dortmund planen würde, kurz vor dem Spiel war allerdings klar, dass der Ex-Bremer nicht zur Verfügung stehen würde. Was das für die Relegation bedeutet, ist noch nicht klar. Möglicherweise wollte Magath auch hier auf Nummer sicher gehen und ihn für die wichtigen Spiele schonen. Ein fitter Davie Selke wäre in solchen emotionsgeladenen Spielen immens wichtig. Auch wenn Ishak Belfodil spielerisch der bessere Spieler ist, beweist Selke eine Arbeitsmoral, die ihres Gleichen sucht. Und bekanntlich besitzt auch er eine Gabe, nämlich das Spielen mit der Psyche der Gegner. Hoffen wir, dass er bis Donnerstag fit wird.

Marcel Lotka krachte in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit ziemlich fies im Flug mit dem Gesicht mit dem Pfosten zusammen. Nach einer Behandlungspause ging es weiter für den Torhüter. Nach dem Spiel wurde berichtet, dass sich der junge Keeper einen Nasenbeinbruch und eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte. Eine Hiobsbotschaft zur Unzeit. Die erste Frage ist natürlich, warum er überhaupt weiterspielen durfte. Der Umgang mit Kopfverletzungen im Fußball ist bekanntlich extrem bedenklich, auch hier wäre Fingerspitzengefühl dringend notwendig gewesen. Auf der Bank machte sich bereits Ersatztorwart Oliver Christensen bereit.

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Nun stellt sich auch die Frage, ob Lotka am Donnerstag einsatzbereit ist. Wie schwer sind die Verletzungen, wie hoch ist das Risiko einen Torhüter mit gebrochener Nase und einer Maske im Gesicht spielen zu lassen? Er ist ein extrem wichtiger Mann für die Hertha. Motiviert, baut auf und kommandiert und hat eine Ausstrahlung, die man in der aktuellen Situation dringend benötigt. Es passt leider in das gesamte Bild der Hertha-Saison, dass solch eine Verletzung ausgerechnet jetzt die Pläne durchkreuzt.

Nachsitzen gegen den HSV – Noch hat Hertha es in der eigenen Hand

Nach 34 Spieltagen muss man klar konstatieren, dass die Hertha sich über das Jahr hinweg nicht als bundesligataugliche Mannschaft präsentiert hat. Nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Über die Gründe wird gesprochen und geschrieben werden. Auch wenn die Mannschaft mehrere Matchbälle hatte und extrem viele Momente durchlebt hatte, die für eine direkte Rettung gereicht hätten, steht die Mannschaft im Endeffekt verdient auf dem 16. Rang. Die zweitschlechteste Verteidigung, der drittschlechteste Sturm, ein Torverhältnis von 37:71, 19 Niederlagen und regelmäßige Offenbarungseide, sprechen eine deutliche Sprache und lassen keinen anderen Schluss zu.

Dass es am Ende noch zu so einem Abstiegsshowdown und Fernduell gegen den VfB Stuttgart – der wohlgemerkt ebenso wenig verdient die Klasse gehalten hat – kommen würde, ist einzig und allein der einzigen richtigen Entscheidung Fredi Bobics in dieser Saison zu verdanken. Die Einstellung von Felix Magath und Mark Fotheringham war der letzte Strohhalm und er hat einigermaßen gewirkt. Die Relegation gegen den Hamburger SV wird dramatisch werden, sie wird sich einbrennen in die Köpfe aller Beteiligten und aller Fans. Jeder hat noch die Bilder von 2012 vor Augen. Egal wie die Relegation ausgehen wird, es wird sich vieles verändern rund um Hertha BSC. Man hat es in der eigenen Hand den Mega-Crash zu verhindern. Der 1. FC Köln hat in dieser Saison gezeigt, wie man ein Relegationsdrama in positive Energie umwandeln kann und sich ein Jahr später für einen Europa-Cup qualifiziert.

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Gegen den HSV könnte es in alle Richtungen gehen, da Felix Magath bereits seit Wochen über dieses Ereignis spricht, kann man immerhin davon ausgehen, dass die Mannschaft auf den Gegner vorbereitet sein wird. Zusätzlich schwört sich das Team im Trainingslager ein. Es ist angerichtet, etwas Wichtiges zu schaffen. Es sind die wohl wichtigsten Spiele der letzten zehn Jahre. Seit dem Aufstieg 2013 war die Hertha nicht mehr so einer großen Druck-Situation ausgesetzt. Es ist höchstens noch vergleichbar mit der Situation vor einem Jahr. Damals konnten Pal Dardai, Admir Hamzagic und Zecke die Mannschaft praktisch auf ein Turnier einstellen. Es ist ihnen gelungen. Hoffen wir nun, dass es das Team noch einmal annimmt. Doch egal was geschieht, nach drei Jahren freiem Fall darf es bei Hertha kein „Weiter so“ geben. Es muss schonungslos analysiert und gehandelt werden.

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Herthaner im Fokus: Kampf und Leidenschaft gegen den VfB

Herthaner im Fokus: Kampf und Leidenschaft gegen den VfB

Die Hertha hat ihren Sieg in Augsburg am Sonntagabend im Berliner Olympiastadion gegen den VfB Stuttgart nicht nur bestätigt, sondern sich in eine absolut komfortable Situation im Abstiegskampf manövriert. Gegen die Schwaben zeigten die Berliner Mal wieder sämtliche Tugenden, aus denen es in der aktuellen Situation zu schöpfen gilt. Über die komplette Spielzeit nahm die Mannschaft den Kampf um die drei Punkte mit Leidenschaft, mit Kratzen, Beißen und Disziplin an.

Bei Hertha findet sich eine Achse

Im Vergleich zur Vorwoche musste Felix Magath das Team kaum verändern. Lediglich Marco Richter, der in Augsburg seine 5. Gelbe Karte gesehen hatte und damit für das Spiel gegen die Stuttgarter gesperrt war, wurde auf der rechten Außenbahn von Vladimir Darida ersetzt. Ansonsten blieb im 4-2-3-1-System dasselbe Team wie in Augsburg auf dem Platz. Im Tor Marcel Lotka. Flankenspezialist Marvin Plattenhardt auf der Linksverteidigerposition, Dauerbrenner Peter Pekarik auf der rechten Seite, Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung.

Davor die Doppelsechs, bestehend aus Lucas Tousart und Santiago Ascacibar. Der Form-erstarkte Kevin Prince Boateng war wieder auf der „Zehn“ zu finden und durfte im Team schalten und walten. Suat Serdar und Vladimir Darida als positionsfremde Akteure konnten trotz ihrer Tempo-Defizite auf den offensiven Außenpositionen für viel Wirbel sorgen. Im Sturm durfte wieder Davie Selke ackern.

Wir schauen heute auf einen Torhüter mit viel Zukunft, arbeitende Stürmer, welche Spieler durchgehend zwischen Genie und Wahnsinn agieren, einen sich aufopfernden Rekordtransfer, clevere Schachzüge des Trainerteams und die Stimmung in der Mannschaft und im Olympiastadion.

Marcel Lotkas Leistungen und Charakter sind ein Schlüssel zum Hertha-Klassenerhalt

Als in der 65. Minute der Stadionsprecher von Hertha BSC lautstark Lotkas Vornamen brüllte und über 50.000 Kehlen mit seinem Nachnamen antworteten, war das nicht nur ein Dank für die in diesem Moment von ihm geklärte Stuttgarter Chance. Zugegeben, der Schuss von Tiago Tomas aus 18 Metern war zwar wuchtig, aber so zentral geschossen, dass es eine Leichtigkeit für Lotka war, den Ball festzuhalten. Ähnlich wie schon zuvor in der 13. Minute gegen Endo, Chris Führich in der 38. Minute oder in der 58. gegen den Versuch Erik Thommys.

Doch der Ausruf seines Namens ist ein Dankeschön an einen Mann, der einem nahezu toten Team Leben eingehaucht hat. Der 20 Jahre alte Torhüter, der gegen den VfB seinen siebten Bundesligaeinsatz feierte und zum zweiten Mal in Folge ohne Gegentor blieb, zeigt eine Präsenz, die für einen so jungen Spieler ungewöhnlich, in der aktuellen Situation aber maßgeblich ist, um im Abstiegskampf bestehen zu können. Die Stuttgarter zwangen ihn zu fünf Paraden, zusätzlich fing er Flanken ab, darunter zwei Ecken. Von Spiel zu Spiel wird seine Strafraumbeherrschung besser. Er war 47 Mal am Ball, verteilte ihn, brachte 13 seiner 29 Pässe bei den Mitspielern unter und pushte sein Team, so gut es ging.

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Sein Abgang nach Dortmund am Saisonende wird von Spiel zu Spiel bitterer. Es wäre wünschenswert, wenn man nach der Saison mit klarem Kopf die Situation neu denkt und bewertet und Optionen abwägt, die einen Verbleib in Berlin möglich machen. Er ist schließlich nicht nur ein Sprachrohr der Mannschaft und mittlerweile gerngesehener Gast an Mikrophonen nach den Spielen, sondern hat allemal Potential, zu einer Identifikationsfigur in Berlin heranzuwachsen. Seine Ausstrahlung und das Talent im Tor versprechen durchaus eine sehenswerte Zukunft.

Davie Selke und Ishak Belfodil: Die Stärken zur richtigen Zeit eingesetzt

Davie Selke und Ishak Belfodil sind zwei sehr spezielle Menschen. Der eine kauziger denn je, aber augenscheinlich mit einem feinen Charakter ausgestattet, der andere ein technisch hervorragender Fußballer, dessen Blick aber praktisch durchgehend schlimmstes befürchten lässt. Aber der Reihe nach.

Davie Selke war im Spiel gegen die Schwaben 79 Minuten dabei, ehe er sich mit Muskelbeschwerden auswechseln ließ. Seine Arbeitsmoral war wie immer tadellos. Seine Chancenverwertung ließ zunächst zu wünschen übrig. Doch die erste Torchance der Hertha, bei der Davie Selke in der 3. Spielminute direkt vor dem Tor den Ball verpasste, wurde nur wenig später egalisiert. Und das durch eine einfache Kombination, die reichte, um die Stuttgarter Verteidigung auszuhebeln. Auf der linken Seite wurde Marvin Plattenhardt in Szene gesetzt, der mit einer Effet-reichen Flanke dem perfekt im Zentrum einlaufenden Selke den Abschluss vorbereitete. Die wuchtige Direktabnahme sieben Meter vor dem Tor sorgte schon nach vier Minuten für die Führung der Berliner. Wenige Spieler genießen nach einem so langen VAR-Eingriff den Torjubel praktisch ein zweites Mal wie der Stürmer.

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Im Verlauf der Partie konnte sich Selke zwar keine weiteren Chancen mehr erarbeiten, doch wie üblich büffelte er in der Offensive, beschäftigte die Verteidiger, spielte diese müde und setzte alles daran dem Team zu helfen. Er ließ sich sogar auf die Außen fallen, keiner seiner drei Flanken kam an, immerhin konnte er den Ball so aber von den Stuttgartern fernhalten. Er gewann sieben seiner 14 Zweikämpfe. Die Hälfte seiner 24 Pässe kam bei seinen Mitspielern an, was für einen Offensivspieler vollkommen okay ist.

Ishak Belfodil wurde nach 63 Minuten für Kevin Prince Boateng eingewechselt und zeigte wieder einmal seine technischen Fähigkeiten am Ball. Die Frage, wie er auf die Degradierung vor dem Augsburg-Spiel reagieren würde, beantwortete er in den letzten Minuten des Spiels hervorragend auf seine Art und Weise. Immerhin kam der Algerier in der knappen halben Stunde, die er agierte auf zwölf Ballaktionen, verteilte dabei die Bälle. Sieben seiner acht Pässe fanden den richtigen Adressaten. In der 69. Minute hätte er bereits erfolgreich sein können, doch den Flachschuss von Peter Pekarik konnte er nicht mehr entscheidend abfälschen.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

In der 3. Minute der Nachspielzeit zeigte er all seine Klasse. Die Mischung aus Schuss und Pass von Maximilian Mittelstädt, der von der linken Seite aus in den Strafraum zog, fing Belfodil an der Grundlinie ab. Die Ruhe, die er gegen Hiroki Ito und Florian Müller behielt, war aller Ehren wert, von seinen technischen Fähigkeiten, die er in dieser Situation zeigte, ganz zu schweigen, ehe er eiskalt einschob. Diese Ruhe und das Selbstvertrauen Belfodils waren zumindest bei dieser Aktion irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Da, wo ein gewisser…

…Marc Oliver Kempf das gesamte Spiel ist.

Der Verteidiger zeigte gegen seinen Ex-Verein wieder einmal seine ihn auszeichnenden robusten und körperlichen Aktionen. Seine Grätschen und sein Körpereinsatz sind oft so nahe an einem Foul dran, dass man als Fan der Hertha zittern muss, nicht gleich einen Elfmeter gegen sich zu sehen. Oft hatte er Glück bei seinen Grätschen, wobei es auch eine Stärke ist, die er in seinem Repertoire hat.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Seine stärkste Aktion hatte er in der 52. Minute, als er bei Stuttgarts größter Torchance mitten im Geschehen war. Mavropanos Schuss, den der Stuttgarter Verteidiger nach einem langen Sololauf halblinks im Strafraum aus etwas spitzerem Winkel abgab, konnte Kempf mit einer risikoreichen Grätsche gegen die Latte lenken. Zugegeben: eben jene Chance hatte Kempf selbst eingeleitet. Das Zusammenspiel in der Innenverteidigung mit Dedryck Boyata scheint von Spiel zu Spiel besser zu werden. Doch ehrlicher Weise muss man sagen, dass die Stuttgarter offensiv zu wenig zu Stande brachten.

Ansonsten konnte Kempf sechs Bälle klären, gewann 86 Prozent seiner Zweikämpfe, brachte 19 seiner 30 Pässe bei den Mitspielern unter und versuchte sich immer wieder mit langen Bällen, wovon immerhin fünf von elf Versuchen ankamen. Aktuell scheint Marc Oliver Kempf sich in der Innenverteidigung festgespielt zu haben.

Das Spiegelbild der Hertha: Der beißende und kratzende Lucas Tousart

Der Rekordtransfer der Berliner tat sich in seiner Zeit bei Hertha vor allem eines: Schwer. Doch was er in den letzten Wochen abreißt, ist aller Ehren wert und es macht Spaß ihn dabei zuzusehen. Er kämpfte aufopferungsvoll um jeden Ball, war von Mittelfeld bis Eckfahne überall zu sehen. Grätschte, kämpfte, warf sich in Tacklings und blühte zu einem wahren Kampfschwein auf. 60 Ballaktionen hatte er, verteilte die Bälle so gut es ging. 24 seiner 34 Pässe kamen an, immerhin 71 Prozent.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

53 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er, das mag zunächst nicht allzu stark klingen, doch in diesem Fall war es auch entscheidend, wann welche Zweikampfsiege wichtig waren. Er zog drei clevere Fouls, wurde selbst zweimal gefoult und fing bei den Stuttgarter Angriffen sieben Mal den Ball ab. Zusätzlich lief er 12,15 km und entwickelt sich nach und nach zu einem kleinen Laufwunder. In den letzten Wochen war er immer unter den Spielern, die die meisten Meter für Hertha abspulten. Einzig der ebenfalls nimmermüde Santiago Ascacibar lief mehr. Allgemein lief die Mannschaft über 120 km, was immerhin acht mehr waren, als die Spieler des VfB Stuttgarts.

Das Trainerteam: Sinnvolle Taktik, schlaue Wechsel und starkes Auftreten

Weiterhin traut sich das Trainerteam um Cheftrainer Felix Magath unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Der Mut wird belohnt. Man vertraut Kevin Prince Boateng und seinem empfindlichen Körper, Selke darf im Sturm agieren wie er will. Und auf der linken Seite bricht man die Qualitäten auf die Stärken von Marvin Plattenhardt runter. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Im Spiel zeigt man einfache Spielzüge und vor allem Kampf und Leidenschaft.

Einerseits ist es schade, Maximilian Mittelstädts nicht durchgehend sehen zu können oder Ishak Belfodil im Sturmzentrum länger agieren zu lassen. Aber im Abstiegskampf gilt es die einfachsten Stärken eiskalt zu nutzen. Jeder Spieler muss sich dem unterordnen. Nachdem Plattenhardt zur Pause verletzt ausgewechselt werden musste, kam Fredrik André Björkan. Auch hier setzte Magath auf den einfacher gebauten Spieler im Vergleich zu Mittelstädt, der immerhin in den Schlussminuten mit einer Vorlage glänzen konnte.

(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Die Wechsel nach etwa einer Stunde, als Ishak Belfodil und Maximilian Mittelstädt für Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar ins Spiel kamen, konnten cleverer kaum durchgeführt werden. Hertha drohte das Spiel vollkommen aus der Hand zu geben, wurde von den Stuttgartern nach und nach immer weiter eingeschnürt und musste Schuss um Schuss hinnehmen. Die Wechsel zerstörten den Angriffsdrang des VfBs und ordneten das Spiel neu.

Wieder wechselten sich Mark Fotheringham und Felix Magath ab, warfen taktische Anweisungen ein, motivierten und diskutierten. Fotheringham kassierte von Schiedsrichter Felix Brych sogar die gelbe Karte. Vedad Ibisevic tat dem agilen Trainerteam keinen Abbruch. Die Außendarstellung stimmt.

Die Stimmung im Team und Stadion war großartig: Und Hoffentlich bald wieder miteinander vereint

Das Team ist auch wirklich endlich ein richtiges Team, die Stimmung scheint hervorragend zu sein, das merkt man vor, während und nach dem Spiel und insbesondere nach dem entscheidenden 2:0 durch Belfodil, als sich Feld – und Ersatzspieler zur Jubeltraube zusammenfanden. Selbst Marcel Lotka nahm den weiten Weg vom eigenen Tor auf sich. Die Spieler sind durchgehend fokussiert, jeder hat seine Rolle akzeptiert, Kevin Prince Boateng ist endlich der absolute Leitwolf. Die Bilder nach dem Spiel, wo er die Mannschaft zusammensammelte, sprechen Bände. Die Spieler sind im Abstiegskampf endlich auf ihrem Höhepunkt angelangt und schaffen es sich zu den stärksten Leistungen zu pushen.

Zusätzlich herrschte am Sonntagabend eine wahnsinnig tolle Stimmung im Olympiastadion. Über 54.000 Fans waren zugegen. Die brachiale Stimmung war eines so großen Abstiegskrachers absolut würdig. Berlin und Hertha haben mal wieder gezeigt, wie viel Potential eine starke Zusammenarbeit hat. Die Anwesenheit von Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger hatte natürlich vor allem Symbolcharakter, zeigte aber auch dass Hertha und die Fans Themen in der Politik sind und das Stadionthema ernst genommen wird.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Der Verzicht der Mannschaft, in die Kurve zu gehen, ist verständlich. Die Bilder, die nach dem Derby entstanden waren, sind noch zu präsent. Ein Zusammenrücken in den nächsten Wochen täte dem Team im Abstiegskampf mehr als gut. Dazu müssen die Fans bedingungslos hinter der Mannschaft stehen. Gegen Arminia Bielefeld, dem nächsten Endspiel, kann Hertha BSC sich im Optimalfall aller Abstiegssorgen entledigen. Auf geht’s!

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)