Herthaner im Fokus: Herthas beste Saisonleistung in Frankfurt

Herthaner im Fokus: Herthas beste Saisonleistung in Frankfurt

Mit einer überaus überzeugenden Leistung, die wie aus dem Nichts kam, hat Hertha BSC überraschend mit 2:1 bei Eintracht Frankfurt gewonnen. Defensiv sehr kompakt, immer mit einer klaren Spielidee und viel Leidenschaft war die Berliner Mannschaft im Vergleich zu den Vorwochen nicht wiederzuerkennen. Unsere Einzelkritik.

Hertha-Comeback in Frankfurt

Nach dem überzeugenden Sieg der Frankfurter gegen die Bayern und den zuletzt enttäuschenden Hertha-Leistungen hatte wohl kein Blau-Weißer an einen Sieg gegen die Eintracht gedacht. Doch es kam anders. Hertha war nicht immer die bessere, aber in allen Phasen des Spiels die klügere Mannschaft und wirkte überraschend souverän. Das lag auch daran, dass einige Spieler wieder in ihr eigenes spielerisches Vermögen vertrauten.

Nach sehr spannenden 94 Minuten in Frankfurt ist unsere Hertha am Samstag als Sieger vom Platz gegangen. Die Zahlen dieses Spiels sprechen allerdings eine andere Sprache: Frankfurt hatte mehr Ecken, knapp 60 Prozent Ballbesitz, rund 130 Pässe mehr gespielt und auch eine deutlich bessere Passquote. Aber Frankfurts Spiel war recht einfach zu lesen und auf den letzten Metern aufgrund unpräziser Flanken und zahlreicher Fehlpässe schlichtweg zu ungefährlich. Hertha nutzte die Schwächen der Frankfurter intelligent, indem Konter effizient ausgespielt wurden und die Herthaner im Gegensatz zu den vergangenen Wochen wieder an das glaubten, was sie eigentlich stark macht.

Krzysztof Piatek – Come back stronger

Auch wenn es sich komisch liest: Obwohl Krzysztof Piatek im Spiel gegen Frankfurt kein Tor gemacht hat, war er das Sinnbild für den Hertha-Sieg. Denn während die Hessen zahlreiche Flanken vors Tor gaben, ohne dass irgendein Stürmer auch nur in Nähe des hereinfliegenden Balls stand, spielte Hertha gerade diese Standard-Variante im Fußball sehr effizient.

hertha frankfurt
Photo by Alex Grimm/Getty Images

Schon beim 0:1 gab es aus Hertha-Sicht eigentlich keine großen Hoffnungen auf ein Tor. Doch Marco Richter stand einfach besser als die Verteidiger und lenkte den Ball entscheidend ab. Auch die Situation entsprach diesem recht simplen Flanken-Mittelstürmer-Prinzip. Obwohl Piatek keines dieser beiden Tore geschossen hat, war er in Halbzeit eins gewissermaßen der Stimulus für dieses Spiel. Nach dem Führungstreffer vor zwei Wochen gegen Freiburg hatten Herthas Außen – allen voran ein starker Maxi Mittelstädt – wieder das Gefühl, einen Ballabnehmer in der Mitte zu haben. Piatek war mehrfach Anspielstation und hätte vor der Halbzeit eigentlich noch zweimal treffen müssen.

Vor seiner Verletzung wirkte Piatek noch oft wie das fünfte Rad am Wagen in Herthas Angriffsspiel – in den vergangenen beiden Spielen wirkte alles sehr abgestimmt. Piatek war konstanter Unruheherd im Frankfurter Strafraum. Auch ließ er sich immer wieder auf die Außen fallen, um Bälle festzumachen und Angriffe mit einzuleiten. So stellte der 26-Jährige – auch durch gute Pressingmomente – die Frankfurter Defensive immer wieder vor Probleme. Geht das auf dem Niveau weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der polnische Nationalspieler wieder trifft.

Dedryck Boyata – Hertha-Leuchtturm in Frankfurt

In Herthas bisheriger Saison wirkte die Innenverteidigung oft überfordert. Vielleicht lag das auch daran, dass Trainer Pal Dardai die Abwehr in fast allen Spielen verletzungsbedingt neu zusammenstellen musste. Nach dem Frankfurt-Spiel sollte ein Platz in der Verteidigung aber fest vergeben sein.

Denn insbesondere in Frankfurts Hardcore-Druckphasen kurz vor Schluss war es Hertha-Kapitän Dedryck Boyata, der auch durch sein starkes Kopfballspiel viele Angriffe im Keim erstickte. Sieben seiner elf Kopfballduelle gewann der Belgier in diesem Spiel.

hertha frankfurt
Photo by Alex Grimm/Getty Images

Aber auch in der ersten Halbzeit, als Frankfurt nach dem 0:1 zurückkommen wollte, ließ sich Boyata nicht beirren. Dass die Hessen ihre Stürmer nicht in Aktion bringen konnten, lag auch an Herthas Innenverteidigung. Herthas Spielführer klärte dabei herausragende zehn Situationen, dazu fing er drei Bälle ab und brachte zwei Tacklings durch. Nahezu magnetisch zog er die Bälle an, um sie dann aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Darüber hinaus war Boyata ein großer Faktor für Herthas sicheres Aufbauspiel, indem er stets eine Anspielstation war und seine Bälle sicher zum Mann brachte.

Boyata ist jetzt Anfang 30. Man kann nur hoffen, dass er Hertha auf diesem Niveau noch einige Jahre weiterhilft – und endlich verletzungsfrei bleibt.

Peter Pekarik – Kostics Albtraum

Wenn man gegen Eintracht Frankfurt eine Chance haben will, muss man Filip Kostic unter Kontrolle bringen. Hertha hat das geschafft – dank Peter Pekarik.

Wie wichtig Pekariks aggressives Vorgehen auf Frankfurts linker Außenbahn war, zeigte sich in den Schlussminuten. Mehrfach wurde Kostic aus dem zentralen Mittelfeld angespielt, doch seine Flanken kamen zumeist gar nicht bis ins Zentrum, weil sie von Pekarik unterbunden wurden. Der Slowake stand Kostic durchgängig auf den Füßen, brachte ihn mit seiner Zweikampfhärte und dem guten Positionsspiel zur Verzweiflung.

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Stellvertretend war eine Szene, in der sich Pekarik einmal mehr gegen Kostic durchsetzte und dieser entnervt abwinkte. Zehn von 14 Zweikämpfen gewonnen, neun Ballsicherungen, vier klärende Aktionen und drei abgefangene Bälle sprechen eine klare Sprache. Es war höchst imponierend, wie aufopferungsvoll Pekarik seine Aufgabe interpretierte. Ein Paradebeispiel dafür, wie es bei Hertha nur gehen kann, wenn man erfolgreich sein will.

Dardai hat auch aufgrund des chronischen Personalmangels viel ausprobiert auf den Außenverteidigerpositionen in den vergangenen Monaten. Mit Blick auf die vergangenen Jahre gibt es aber eine Personalie, die stets Klarheit und solide Leistungen mit sich brachte – und die heißt Petr Pekarik. Herthas Mister Zuverlässig.

Und dann waren da noch …

Vladimir Darida: Endlich mal wieder eine starke Leistung des Tschechen. Darida entpuppte sich als perfekter Konterspieler. In den Situationen als Frankfurt wieder einmal leichtfertig den Ball verlor, war es in der Regel Darida, der die Angriffe klug einleitete. Insbesondere das Zusammenspiel mit Maxi Mittelstädt, der oft viel Platz hatte auf der linken Seite funktionierte gut. Beide – Darida und Mittelstädt – waren die Gründungsväter des 0:2, ohne das Hertha mit einem Punkt in den Flieger gestiegen wäre. Lauf-, zweikampf- und spielstark – ein Darida in Topform kann Hertha so viel geben.

Jurgen Ekkelenkamp: Herthas Neuzugang wird immer mehr zum Phänomen. Bei seinem Hertha-Debüt reichten dem Niederländer 87 Sekunden für sein erstes Tor. Gegen Frankfurt waren es ganze 93 Sekunden nach seiner Einwechslungen, bis Ekkelenkamp einmal mehr jubeln durfte. Beim 2:0 lief er mustergültig den hinteren Raum des Sechszehners auf und schob sicher ein. Unkend müsste man meinen, der 21-Jährige dürfe nur noch eingewechselt werden und nicht der Startelf stehen.

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Suat Serdar: Wie ist Matheus Cunha zu ersetzen? Diese Frage stellten sich viele Herthaner, als der Brasilianer Hertha in Richtung Madrid verließ. Die Antwort lautet: Suat Serdar. Der Neuzugang aus Schalke ähnelt Cunha in seiner Spielweise sehr. Beide holen sich ihre Bälle tief im Mittelfeld, um dann oftmals auch allein in Richtung gegnerisches Tor zu starten. Der angenehme Unterschied ist nur, dass Serdar mit Ball am Fuß unheimlich zweikampfstark und unheimlich schwer vom Ball zu trennen ist. Cunha verlor den Ball zu oft, ließ sich auch schnell fallen, während Serdar mit seinen Vorstößen nicht selten am Strafraum des Gegners ankommt und dort dann einen klugen Pass spielt oder selbst schießen kann. Gegen Frankfurt war Serdar nicht einmal so auffällig wie zuletzt, mit seiner Zweikampf- und Laufstärke war er dennoch ein wichtiger Faktor.

Text von: Benjamin Rohrer und Marc Schwitzky

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Bayern-Fluch oder Hertha-Herbstdepression

Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Bayern-Fluch oder Hertha-Herbstdepression

Die Länderspielpause hätte Hertha BSC etwas Ruhe bringen können. Doch spätestens am Dienstagabend, mit der Vertragsauflösung von Carsten Schmidt, war wieder große Aufregung zu spüren. Trotzdem läuft die Saison unaufhaltsam weiter und sowohl Fans als auch Mannschaft dürfen (oder müssen) sich bereits am Samstag wieder mit Fußball beschäftigen. Hertha BSC ist zu Gast bei Eintracht Frankfurt, und hat nur wenig Selbstvertrauen im Gepäck. Gebeutelt nach dem 0:6 Debakel in Leipzig und der Heimniederlage gegen den SC Freiburg steht die Elf von Pal Dardai wieder einmal unter Druck. Wir blicken auf die Kaderoptionen bei Hertha, auf Rückkehrer und Ausfälle sowie auf die Situation bei den Gastgebern.

Herthas Nationalspieler – ohne große Verluste

Auch wenn Länderspielpausen bei Fans nicht gerade beliebt sind, war es gerade für Stevan Jovetic und Krzysztof Piatek wichtig, dringend benötigte Spielpraxis zu sammeln. Herthas Kapitän Dedryck Boyata hingegen kam für Belgien nicht zum Einsatz. Dafür konnten Piatek und Ekkelenkamp durch eigene Treffer Selbstvertrauen tanken.

Wenn verletzungsanfällige oder kürzlich wieder genesene Spieler wie Boyata, Piatek oder Jovetic auf Länderspielreise sind, ist man als Hertha-Fan erst beruhigt, wenn die Spieler wieder gesund und fit zurück in Berlin sind. Dieses Mal kamen die Nationalspieler glücklicherweise ohne nennenswerte Verletzungen nach Hause.

Das wird insbesondere im Hinblick auf die Verletztenmisere der vergangenen Wochen guttun. So hat Pal Dardai in der Offensive deutlich mehr Optionen im Kader als noch vor einigen Spieltagen. Myziane Maolida feierte seine Rückkehr im Mannschaftstraining und dürfte sich Hoffnungen auf eine Einwechslung gegen Frankfurt machen.

Frage nach Herthas Defensive – Wer soll es richten?

Doch die Personalsituation in der Defensive bleibt suboptimal, auch wenn die Rückkehr von einigen Spielern im Mannschaftstraining schon bald zu erwarten ist. Für Jordan Torunarigha, Marton Dardai und Deyo Zeefuik sollte die Auswärtsfahrt noch keine Option sein. Auch Linus Gechter und Lukas Klünter werden fehlen.

Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Da gerade die Defensive in dieser Saison nicht funktioniert, bleiben die Sorgen im Hinblick auf die nächste Bundesligapartie dieselben. Hinzu kommt das Problem, dass es bei der „alten Dame“ vorprogrammierte Wechsel gibt. Spieler wie Boyata, Boateng oder auch Jovetic haben aktuell nicht 90 Minuten in den Beinen. Wenn diese Spieler also in der Startelf stehen, muss Herthas Trainerteam bereits drei feste Wechsel einplanen, und kann auf Verletzungen und taktische Umstellungen im Laufe der Partie weniger gut reagieren.

Doch wer überhaupt gegen Frankfurt startet, ist noch unsicher. Die vielen Ausfälle und taktische Umstellungen in den ersten Saisonspielen sorgen dafür, dass sich bisher keine zentrale Achse, geschweige denn eine Startelf etablieren konnte. Ob Herthas Chefcoach angesichts der Personallage in der Innenverteidigung weiter an einer Dreierkette festhält, ist fraglich.

Hertha mit wenig Selbstvertrauen – Boateng mit ehrlichen Worten

Doch Herthas Probleme liegen bekanntlich nicht nur auf individueller oder taktischer Ebene. Die letzten Wochen dürften das ohnehin niedrige Selbstvertrauen der Blau-Weißen nicht gerade gestärkt haben. Selbstvertrauen dürfte beim Gegner hingegen ein Stichwort sein. Die Eintracht konnte Zuhause in der letzten Partie den FC Bayern München bezwingen und gleichzeitig Hertha in der Tabelle überholen.

Immerhin zeigte sich Ex-Frankfurter Kevin-Prince Boateng in einer Medienrunde im Laufe der Woche nicht nur ehrlich, sondern auch verantwortungsbewusst: „Ich probiere alles, gebe Vollgas und gehe an meine Grenzen – körperlich und mental. Ich bin 24 Stunden dran. Ich schlafe manchmal nicht, wenn wir ehrlich sind, weil ich wirklich daran arbeite, was man besser machen kann.“

Zu seiner Rückkehr in alter Wirkungsstätte sagt der 34-Jährige: „Es ist ein Spiel, was wir gewinnen müssen, was wir gewinnen wollen. Wir können uns vor dem Spiel, nach dem Spiel umarmen, aber im Spiel wird es keine Freunde geben.“

Rückkehr zur Eintracht für Bobic – Frankfurt stabiler als Hertha

Boateng ist dabei nicht der einzige Herthaner, der aufgrund seiner Vergangenheit besonders gerne in Frankfurt gewinnen würde. Auch für Fredi Bobic sollte die Partie am Main einen besonderen Beigeschmack haben. Die Abwesenheit der Frankfurter Ultra-Szene am Wochenende wird ihn dabei wohl nicht gerade traurig machen.

Foto: Thomas Eisenhuth/Getty Images

Tabellarisch scheint die Eintracht in Reichweite zu sein. Doch ein Duell in Augenhöhe dürfte es eher nicht sein. Die Frankfurter haben zwar nicht den besten Saisonstart hingelegt, verloren jedoch nur ihre erste Partie gegen Borussia Dortmund. Anders als Hertha schaffte es die Eintracht sowohl gegen Wolfsburg als auch gegen Köln zu punkten. Die drei Punkte gegen Bayern waren die ersten für die Hessen.

Frankfurt musste mit einigen Problemen im Kader klarkommen, insbesondere mit Vertragsstreitigkeiten mit Amin Younes und Filip Kostic. Letzterer zeigte sich jedoch gegen den Rekordmeister treffsicher und wird auch gegen Hertha eine wichtige Waffe werden. So hat man das Gefühl, dass die “Adler” im Gegensatz zu Hertha nun ins Rollen kommen könnten. Dafür bräuchte es jedoch einen Heimsieg gegen die “alte Dame” – ob Hertha ihnen diesen Gefallen tut?

Kann sich Frankfurt vom „Bayernbesieger-Fluch“ lösen?

Viel Optimismus kann man als Anhänger*in Herthas aktuell nicht aufbringen. Ein Auswärtssieg in Frankfurt scheint erneut eine Herkules-Aufgabe zu sein. Dabei werden die kommenden Aufgaben nicht leichter. Hertha sollte also unbedingt punkten, um der „roten Zone“ der Tabelle fernzubleiben.

Foto: Adam Pretty/Getty Images

Gute Nachrichten für Hertha-Fans gibt es immerhin. Frankfurts Stürmer Rafael Borré muss noch spät in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag ein Länderspiel in Südamerika spielen. Ob er rechtzeitig zurück sein wird, und in welcher körperlichen Verfassung, ist unklar. Zudem ist die Offensive der Eintracht deutlich schwächer als im Vorjahr aufgestellt. Schließlich müssten die Hausherren auch noch hoffen, nicht vom „Bayernbesieger-Fluch“ getroffen zu werden: Teams, die den Rekordmeister überraschend schlagen, haben in den letzten Jahren regelmäßig im nächsten Spiel eine Niederlage kassieren müssen.

Fluch hin- oder -her: Dardais Mannschaft wird sich körperlich zeigen müssen, um gegen die physisch starken Frankfurter zu bestehen. Gerade im zentralen Mittelfeld wird vieles entschieden werden. Dort liegen die Hoffnungen der Blau-Weißen weiterhin auf Suat Serdar. Aber vielleicht hat sich Prince Boateng sein erstes Tor nach seiner Rückkehr gegen die Eintracht aufgehoben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Titelbild: Alex Grimm/Getty Images

Herthaner im Fokus: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC

Nach wenigen Tagen im Amt war es „Spiel Eins“ für Pal Dardai. Und bei seinem Comeback änderte er die Startaufstellung kräftig durch. Deshalb schauen wir in unserer Bewertung auch vor allem auf die „neuen“ Spieler. Insgesamt zeigte das Team eine engagierte und kämpferische Leistung. Aber, wie so oft in dieser Saison, präsentierte sich die Mannschaft vor allem in der Defensive stark anfällig.

Rune Jarstein bewahrte das Team lange mit herausragenden Paraden vor einem Rückstand. Letztlich musste er aber dennoch drei mal hinter sich greifen. Eintracht Frankfurt springt mit dem Sieg auf den dritten Tabellenplatz – und Hertha BSC ist endgültig im Abstiegskampf angekommen.

Wir schauen auf einige ausgewählte Herthaner nach diesem Spiel.

Rune Jarstein – Er kann es noch!

Der Startelfeinsatz von Rune Jarstein für Alexander Schwolow war vermutlich die größte Überraschung zu Beginn des Spieltags. Doch rechtfertigte Jarstein das Vertrauen von Trainer Pal Dardai. Immer wieder glänzte er mit herausragenden Paraden und bewahrte die Mannschaft schon in der ersten Halbzeit vor einem Rückstand. Etwa in der 28. Minute, in der Frankfurts Kamada vor Jarstein auftauchte und aus kurzer Distanz abschloss. Blitzartig tauchte Jarstein ab und parierte den Schuss.

Foto: IMAGO

Dem 36-jährigen Routinier war die lange Zeit auf der Bank nicht anzumerken. Er strahlte viel Ruhe und Konzentration aus. Doch wird er auch mit seiner Verteidigung sprechen müssen – letztlich im Stich gelassen und ohne eigene Schuld, musste er drei mal hinter sich greifen. “Ich glaube, Rune war gut, er hat der Mannschaft gut getan”, sagte Dardai nach dem Spiel. Ob der Norweger auch im kommenden Spiel wieder ran darf, wird noch abzuwarten sein, seine Leistung hat es aber nicht unwahrscheinlicher gemacht.

Santiago Ascacibar – Auffällig unauffällig

Viel war im blau-weißen Trikot noch nicht vom 1,68 Meter kleinen Argentinier zu sehen. Lange Zeit ist Santiago Ascacibar verletzungsbedingt ausgefallen, war er fit, wurde er nicht berücksichtigt. Unter Dardai hat er nun seine Chance bekommen. Vermutlich auch, weil Ascacibar bekannt als Kämpfer ist, als einer, der auch mal dreckig ist und leidenschaftlich spielt.

Foto: IMAGO

Zumindest mit seinen Laufdaten bestätigte er die Entscheidung. Kein Herthaner ist weitere Wege gegangen als er (fast 12 Kilometer). Nach hinten stellte er die Passwege oft gut zu und präsentierte ein solides Stellungsspiel. Nach vorne hin ging bei ihm aber auch wenig. Auch wenn dies primär nicht seine Aufgabe ist. Doch gute Ansätze waren zu sehen – mit mehr Spielpraxis, wer weiß, wie wichtig er noch werden kann. Seine kämpferischen Attribute sind es im Abstiegskampf allemal.

Zusammen mit Tousart hatte es der 23-Jährige gut verstanden, die offensiven Mittelfeldspieler Frankfurts, Kamada und Younes, zu bearbeiten. Drei Tacklings und vier abgefangene ´Bälle unterstreichen seinen Eifer und die permanent hohe Aufmerksamkeit. Dardais Bewertung: “Herz, Leidenschaft, Balleroberung, Wege machen. Er steht immer auf. Ich glaube, er hat auch eine gute Leistung gebracht.”

Lukas Klünter – engagiert, spielerisch aber limitiert

Auf der rechten Seite von Lukas Klünter herrschte Dauerbetrieb. Immer wieder tauchte vor allem Filip Kostic vor ihm auf und ging gegen Klünter ins Tempodribbling. Nicht selten verlor Klünter das Duell und die Frankfurter konnten in die Mitte flanken. Etwa bei der postwendenden Antwort zum 1:1, nachdem die Berliner kurz vorher erst in Führung gegangen sind. Kostic konnte seine Flanke an Klünter vorbei bringen und spielte sie perfekt auf den Kopf von Andre Silva.

Foto: IMAGO

Allerdings dürfte hier vor allem auch Jordan Torunarigha die größte Schuld treffen. Er ließ Silva einen kurzen Moment aus dem Augen, so dass dieser sich absetzen und einnetzen konnte. Oft war Klünter auch sein spielerisches Limit anzusetzen. Im Spielaufbau ging wenig bis gar nichts, immer wieder suchte er stattdessen den Rückpass. Teilweise wirkte er mit dem Ball am Fuß gar überfordert, anstatt seinen Körper so zu drehen und zu bewegen, das Pässe nach vorne oder auf kurze Distanz ins Mittelfeld möglich wären.

Der Einsatz stimmte beim Saisondebütanten allemal, jedoch sind in diesem Spiel zu viele Defizite auf einmal ersichtlich geworden.

Luca Netz – technisch fein, aber das Stellungsspiel

Es war der zweite Startelfeinsatz in Folge für den erst 17-Jährigen. Und oft zeigte er sein Talent. Schon gegen Bremen waren seine Laufwege in der Offensive eine Gefahr. Zudem spielt er präzise Flanken. Offensiv hat Netz alles, was ein moderner Außenverteidiger braucht.

Foto: IMAGO

Doch in der Defensive entstehen zu oft Lücken, weil er zu weit weg von seinem Gegenspieler steht. Gegen Frankfurt entstand deshalb keine Gefahr, doch vielleicht auch deshalb, weil Dardai ihn zur Halbzeit auf der Bank ließ und Maxi Mittelstädt einwechselte, welcher wiederum beim 1:2-Gegentor nicht gut aussah. Auch offensiv traf das Eigengewächs zu viele Fehlentscheidung, beispielsweise als er beim Stand von 0:0 lieber selbst abschloss, als die vielen freien Mitspieler vor dem Tor anzuspielen. Hinzu kamen einige ungenaue Pässe und Ballverluste.

Vor allem offensiv kann Netz ein Gewinn sein. Und in einer wackelnden und sich stets ändernden Defensive Routine zu bekommen, ist auch schwer. Das Potenzial ist eindeutig da, nun muss sich an das Bundesliga-Niveau, das volle Aufmerksamkeit und Handlungsschnelligkeit voraussetzt, gewöhnt werden.

Und insgesamt?

Wie Eingangs erwähnt spielte Hertha durchaus engagiert. Während das Mittelfeld mit Tousart und Ascacibar als Sechser und einem offensiverem Guendouzi gefestigter wirkten, bleibt vor allem aber die Abwehr ein Problem. Hätte Jarstein nicht oft genug glänzend pariert, hätte das Ergebnis noch deutlicher sein können. Lobende Worte gibt es an dieser Stelle (und der Redakteur kann es selbst kaum glauben) für den Spielaufbau von Niklas Stark. Bei seinen Pässen nach vorne traute er sich mehr, auch mal etwas Risiko und es gelang. Oft traute er sich gar bis über die MIttellinie, sind doch sonst eher Rückpässe sein großes Markenzeichen.

Foto: IMAGO

Auch Krzysztof Piatek zeigte wieder, warum Hertha ihn gebrauchen kann. Sein Anlaufverhalten war zwar recht verhalten, doch sein Tor beschreibt einen Strafraumstürmer, wie der Pole es ist, perfekt. Ohne viel Kontakt und Zeit den Abschluss suchen – und drin ist das Ding. Dodi Lukebakio ist schon seit Wochen ein Schatten seiner selbst. Leider fällt er mehr dadurch auf, Bälle zu verstolpern und sie zu verlieren, als mit seinen möglichen schnellen Tempodribblings und seinem guten Schuss. Vor allem Dilrosun wird als Alternative für die Außen schmerzlich vermisst.

In den kommenden Spielen trifft Hertha auf spielstarke Gegner, kommende Woche etwa auf gegen Bayern München. Für Hertha-Fans könnten die nächsten Wochen nicht weniger schmerzvoll werden, als schon die gesamte Saison. Doch präsentierte sich Hertha gegen starke Teams selbst auch immer passabel. Wer weiß, wo Dardai und sein Team den Gegnern vielleicht wichtige Punkte im Abstiegskampf abluchsen können.

[Titelbild: Photo by Alex Grimm/Getty Images]

Vorschau: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Comeback gegen einen ungemütlichen Gegner

Vorschau: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Comeback gegen einen ungemütlichen Gegner

Es liegt eine turbulente Woche hinter Hertha BSC. Nun soll mit Pal Dardai die Trendwende gelingen: Weg von den Abstiegsplätzen und den Verein im Mittelfeld sicher stabilisieren. Doch die vermeintlich „leichteren“ Gegner aus der unteren Tabellenhälfte kamen schon. Gepunktet wurde dabei zu wenig. Nun folgen Teams, die allesamt Ambitionen haben und teilweise um das internationale Geschäft mitspielen. Etwa Eintracht Frankfurt, das ein ungemütlicher Gegner für Dardai sein wird. Das hat uns Sportjournalistin und Eintracht-Expertin Solveig Haas bestätigt.

Er würde nie eine Mannschaft inmitten einer laufenden Saison übernehmen. Pal Dardai habe sich das einmal geschworen, wie er bei seiner Vorstellung unter der Woche verriet. Doch für seine blau-weiße Liebe habe er eine Ausnahme machen müssen.

Foto: IMAGO

Die folglich Konsequenz daraus: Es fehlen Wochen der Vorbereitung, in denen Dardai vor Beginn einer Saison auf das Team einwirken könnte. Lediglich eine Woche hatte er nun Zeit, dass Team auf den kommenden Gegner Eintracht Frankfurt einzustellen.

Inwieweit Dardai personelle Änderung vollziehen wird, wird sich am Samstag zeigen. Medial wird gemunkelt, dass Jordan Torunarigha oder auch Marvin Plattenhardt womöglich wieder eine Chance erhalten. Auch wird über einen möglichen Einsatz von Santiago Ascacibar im Tausch gegen den bisher eher enttäuschenden Lucas Tousart spekuliert. Eines ist jetzt schon klar: Gegen die seit sieben Spielen ungeschlagene Eintracht wird es ein ungemütliches Spiel.

Offensiv kann die Eintracht alles, Defensiv ist Hertha anfällig

Die wohl wichtigste Frage wird sein, ob es Dardai gelingt eine funktionierende Achse zu finden. Aus welcher sich Spieler zeigen, die in etwaigen Spielsituationen das Kommando übernehmen können. Eine weitere Baustelle ist aber die Defensive. 32 Gegentore hat die Mannschaft bisher kassiert. Nur die beiden Schlusslichter Mainz und Bielefeld haben bisher mehr Gegentore gefangen. Gegen Frankfurt kann das 90 Minuten Dauergefahr bedeuten.

„Eigentlich ist fast jeder, der da auf dem Platz steht, potenziell torgefährlich“, sagt Frankfurt-Expertin Solveig Haas. Auch sonst gebe es kaum etwas, auf das die Frankfurter Offensive nicht reagieren könne. „Wir haben jemanden für die feine Klinge – und wenn das nicht klappt, dann geht es eben mit Kraft und Willen“, beschreibt sie den Offensivfußball ihrer Mannschaft.

Insbesondere Stürmer Andre Silva zeigte sich in den letzten Spielen besonders torhungrig. Blickt man aktuell auf die Liste der Torschützen, bildet er zusammen mit Erling Hallend den zweiten Platz hinter Robert Lewandowski. 14 mal hat Silva in dieser Saison bisher getroffen. Und auch Rückkehrer und bisheriger Edel-Joker Luka Jovic netzte in drei Spielen drei mal ein.

Foto: IMAGO

Für Solveig Haas war die Rückkehr von Jovic aus Madrid „magisch“. Damit spricht sie vermutlich vielen Eintracht-Fans aus der Seele. Doch bekanntlich spielt Frankfurt nur mit einer Spitze vorne drin. Doch glaube sie nicht an Probleme zwischen den beiden Stürmern. „Ich habe sogar das Gefühl, dass er Andre Silva bisher eher entlastet als unter Druck setzt“, sagt sie.

Zudem scheint der Transfer das gesamte Team beflügelt zu haben. Als Beispiel nennt sie etwa Filip Kostic. „Wie er seitdem wieder aufdreht, ist auch ein Traum“, sagt sie. Vier Vorlagen und ein Tor in den letzten drei Spielen unterstreichen diese Wahrnehmung. Dennoch glaube sie nicht, dass Trainer Adi Hütter Jovic von Beginn an aufstellen wird. „Er sagt ja auch selbst, dass ihm dafür noch ein wenig die Fitness fehlt“, stellt Solveig Haas fest. Doch warnt sie auch – sie könne sich vorstellen, dass Jovic je nach Spielverlauf deutlich früher eingewechselt wird.

Doch Dardai kann Defensiv – gibt es einen „Trainereffekt“?

In viereinhalb Jahren als Trainer von Hertha hat Dardai aber schon von 2015 bis 2019 bewiesen, dass er vor allem Defensive kann. Mitunter war das sogar einer der Gründe, warum ihn Michael Preetz damals entließ. Zu langweilig sei der Fußball, Hertha wolle attraktiven Offensivfußball spielen. Nicht wenige Hertha-Fans schlossen sich der Meinung damals an. Auch wenn nun die Mehrzahl der Anhänger glücklich darüber scheint, dass das blau-weiße Urgestein und der Sympathieträger wieder zurück ist.

Dardai selbst war ein Kämpfer auf dem Platz. Vor allem die taktische Disziplin sei ihm wichtig, wie er bei seiner Vorstellung betonte. Inwieweit das etwa ein Dodi Lukebakio oder ein temperamentvoller Matheus Cunha beherzigen können oder wollen, wird sich zeigen – wenn sie denn spielen.

Foto: IMAGO

Und dann wäre da noch der Mythos „Trainereffekt“. Oft scheint es, als würden Teams vor allem das erste Spiel mit neuem Trainer gewinnen. Auch Solveig Haas glaubt an den Effekt. Doch finde sie, hänge er von den individuellen Problemen einer Mannschaft ab. „Ich glaube nicht, dass das Problem bei der Hertha auf der Trainerbank saß, deshalb wird auch ein neuer (alter) Trainer es nicht kurzfristig lösen können“, sagt sie.

So oder so habe sie Vertrauen in ihre Eintracht, die durchaus Selbstbewusst aufspielen dürfte. „Diese Eintracht kann auch gegen neu motivierte Berliner gewinnen“, sagt sie. Ihr Tipp: „Drei zu eins für die Eintracht.“

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Eintracht Frankfurt

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Eintracht Frankfurt

Nach dem erfolgreichen Auftakt gegen enttäuschende Bremer eröffnete unsere Hertha am Freitagabend zuhause gegen Eintracht Frankfurt den zweiten Spieltag der Bundesliga-Saison. In Sondertrikots  „für Pauline“ als Aufruf zur Stammzellenspender-Registrierung bei der DKMS stand das erste Flutlichtspiel vor 4.000 Fans im Olympiastadion und für beide Teams die Aussicht auf eine Nacht an der Tabellenspitze an. Die Frankfurter behielten nach einer erschreckend harm- und ideenlosen ersten Berliner Hälfte schlussendlich mit 1:3 die Oberhand.

Wir schauen auf einige ausgewählte Herthaner bei dieser Pleite zum Heimauftakt.

Maxi Mittelstädt – Kategorie Uff

Nach dem doch recht erfolgreichen Auftritt gegen Werder Bremen inklusive einer Torvorlage wähnte man sich mit Maxi Mittelstädt auf der Linksverteidiger-Position gegen Frankfurt gut aufgestellt, zumal auf Frankfurter Seite mit Almamy Touré ein eher defensiv orientierter Konterpart die Außenbahn beackerte.

So schaltete sich Mittelstädt schon früh in die Offensive ein und konnte in der 16. Minute mit einem harmlosen Fernschuss-Versuch den ersten Torschuss der Partie verbuchen. Aber schon direkt im Gegenzug offenbarten sich defensive Schwächen, als Mittelstädt im Duell mit André Silva unter einem langen Ball hindurchsegelte und Silva dabei derart aus den Augen verlor, dass Jordan Torunarigha helfend einschreiten musste. Auch in der Folge war Mittelstädt immer mehr in der Defensive gefordert, konnte dabei aber in schöner Regelmäßigkeit dem eher limitierten Dribbler Almamy Touré kaum etwas entgegensetzen und fiel größtenteils durch fragwürdiges Stellungsspiel und unglückliche Zweikampfführung auf. Insgesamt mag es da auch noch etwas an der Abstimmung mit Lucas Tousart gefehlt haben, Mittelstädt war aber keineswegs gegen einen übermächtigen Gegner auf sich alleingestellt. So war es dann auch folgerichtig, dass sowohl der Angriff, der zum Elfmeter vor dem 0:1 führte, als auch der Freistoß zum 0:2 über die rechte Frankfurter Angriffsseite und somit in Mittelstädts Wirkungsbereich entstanden.

Foto: IMAGO

Zwar konnte sich das Berliner Eigengewächs in der Offensive hin und wieder präsentieren und so beispielsweise mit einem Pass in den Rückraum der Frankfurter Abwehrreihe die große Chance zum Ausgleich von Dodi Lukébakio in der 32. Minute vorbereiten, er blieb aber in der Defensive insbesondere in Halbzeit eins derart überfordert, dass man glücklich sein konnte, Filip Kostic bis zu dessen Verletzung auf der anderen Seite des Feldes zu wissen.

In der zweiten Halbzeit konnte der 23-Jährige nach der Hereinnahme von Arne Maier und den sich zurückziehenden Frankfurtern defensiv etwas verschnaufen und sich wieder etwas gestaltend ins Offensivspiel einschalten, wo er bei Ballbesitz nun plötzlich regelmäßig Lucas Tousart in Linksaußen-Position vor sich fand. Die beiden kombinierten sich einige Male bis auf Strafraumhöhe an der Auslinie, wirklich gefährlich wurde es dabei dann aber auch nicht.

In der 67. Minute musste Maier verletzungsbedingt das Feld wieder verlassen und Maxi Mittelstädt rückte für ihn auf die Position im rechten zentralen Mittelfeld, während der eingewechselte Marvin Plattenhardt als Linksverteidiger auf den Platz kam. Mit Maiers Auswechslung ging der gewonnene Spielwitz etwas verloren und auch Mittelstädts bescheidene Leistung setzte sich auf der neuen Position fort. Teils unerklärliche Fehlpässe konnten von wenigen offensiv nennenswerten Aktionen wie der Flanke von halbrechts auf Niklas Stark in der 88. Minute nicht ausgeglichen werden.

In der Defensive war Hertha in Halbzeit zwei kaum noch gefordert, umso bitterer, dass Sebastian Rode in der 71. Minute mit dem ersten Frankfurter Angriff seit dem Seitenwechsel das 0:3 erzielte. Nach einer kurzen Klärungsaktion von Jordan Torunarigha hatten sich die Berliner zu siebt im Strafraum verschanzt, ohne den an der Sechzehnerkante lauernden Sebastian Rode auf dem Schirm zu haben. Mittelstädt traf dabei noch am wenigsten Schuld, die Szene stand dennoch sinnbildlich für die fehlende Absprache und Abstimmung im just neu formierten Mittelfeld aus Niklas Stark, Lucas Tousart und ihm.

Insgesamt ein sehr unglücklicher Auftritt von Maxi Mittelstädt, der in der ersten Hälfte einige Male zu spät kam und viele gefährliche Frankfurter Angriffe über seine Seite rollen ließ. Auch im zentralen Mittelfeld konnte er bei der anvisierten Aufholjagd nicht mehr viel bewirken, was sich insbesondere im Kontrast zum dynamischen und spielfreudigen Arne Maier zeigte.

Mittelstädt ist natürlich keine Rolle in schaltender und waltender Funktion in der Zentrale zugedacht, auf der Linksverteidiger-Position ist sein gerade gewonnener Stammplatz aber schon wieder in Gefahr. Wenn Bruno Labbadia eher auf defensive Stabilität setzt – und davon ist nach neun Gegentoren in den letzten drei Spielen in Anbetracht der kommenden Gegner auszugehen – kann sich Mittelstädt schnell auf der Bank wiederfinden und dem defensiv solideren, offensiv etwas unagileren Marvin Plattenhardt beim Flanken zusehen.

Lucas Tousart – Un nouvel espoir

Auch Lucas Tousart durfte in der unveränderten Startelf wieder auf der Position im linken zentralen Mittelfeld im neuen 4-3-1-2-System der Hertha ran.

Tousart kam neben dem defensiv orientierten Abräumer Niklas Stark dabei im Aufbau eine Toni Kroos-Rolle zu, indem er sich hinter den aufgerückten Maxi Mittelstädt auf die Linksverteidiger-Position fallen ließ und von da den Ball nach vorne bringen sollte. Nach wenigen gelungenen Anspielen in die Spitze zu Beginn, ließen die Offensivbemühungen immer mehr nach und Tousart sah sich mit Defensivaufgaben konfrontiert. Dabei war er in einer zweikampfschwachen und zögerlichen Hertha-Mannschaft der auffälligste Zweikämpfer, der keinem Duell aus dem Weg ging und den Großteil dieser für sich entscheiden konnte. Neben der Zweikampfstärke und dem generellen kämpferischen Einsatz konnte Tousart nach dem 0:1 im direkten Gegenzug den gefährlichen Angriff über Vladimir Darida einleiten, der nach dem weiten Seitenwechsel des Franzosen rechts im Strafraum den Ball auf Matheus Cunha zurücklegen wollte, wo der Brasilianer dann aber nicht mehr zum Abschluss kommen konnte.

In der 37. Minute ging Tousart etwas unaufmerksam mit dem Fuß zu einem halbhohen Ball, in den sich der Frankfurter Rode bereits in bekannter Manier mit allem, was er hat, reingeworfen hatte, sodass Herthas Mittelfeldspieler ihn mit dem Fuß am Kopf erwischte. Keine schmerzhafte Sache, die gelbe Karte war eventuell etwas zu hart, der Freistoß aber sicherlich richtig. Aus der Freistoßflanke von Daichi Kamada fiel dann in der Mitte das 0:2 durch Bas Dost. In der 45. Minute langte der Mittelfeldmann tief in der Frankfurter Hälfte ordentlich gegen André Silva zu und hatte etwas Glück, nicht verfrüht den Gang in die Duschen antreten zu müssen.

Foto: IMAGO

In der zweiten Hälfte hatte Tousart dann wohl Wiedergutmachung geschworen und war deutlich höher auf dem Feld zu finden. Das lag zum einen an den tiefer stehenden Frankfurtern, zum anderen auch an Spielmacher Maier, der zur Pause für Darida eingewechselt wurde und größtenteils den Spielaufbau übernahm, sodass Tousart offensivere Räume besetzen und dort Gegenspieler binden konnte. So war der französische Neuzugang teilweise vor Maxi Mittelstädt vorne an der linken Außenbahn anzufinden.

Auch sonst zeigte Tousart etwas Zug zum Tor, zwang Kevin Trapp nach einem Offensivausflug von Torunarigha in der 53. Minute mit seinem Nachschuss zu einer Parade. In der 81. Minute brachte er eine Flanke von Dodi Lukébakio volley aufs Tor, der Ball war aber etwas zu unplatziert und schwach, um Trapp ernsthafte Probleme zu bereiten.

Beim dritten Gegentor in der 71. Minute schob Tousart nach der Klärungsaktion von Torunarigha mit zur linken Seite heraus, schuf so eine Überzahl auf der Seite und hatte dadurch aber dem freien Rode am Sechzehner Raum verschafft. Hier hätte in Absprache entweder Lucas Tousart oder Niklas Stark den Rückraum abdecken müssen. So waren beide in anderen Räumen mit Mitspielern in der Überzahl – hilft nur nichts, wenn dann der freie Mann den Ball bekommt.

Über die gesamte Spielzeit war Tousart körperlich sehr präsent, giftig und konsequent in den Zweikämpfen. Er konnte viele starke Ballgewinne verbuchen und mit seiner Körpersprache vorangehen. Trotzdem war er in der ersten Hälfte wie seine Mittelfeldkollegen im Aufbau überfordert und konnte das Spiel offensiv nicht in die richtigen Bahnen lenken.

In Hälfte zwei sah man dann im Zusammenspiel mit Arne Maier, wie sich Bruno Labbadia den Spielaufbau und das Offensivspiel seiner Mannschaft vorgestellt hatte. Nur musste der verletzungsanfällige Maier schon nach 21 Minuten mit bandagiertem Knie wieder vom Platz und so zeigt sich, warum Hertha noch immer auf der Suche nach einem zentralen Mittelfeldspieler mit Offensivdrang ist. Ein solcher ist Tousart nämlich eben nicht. Dafür defensiv sehr stark, offensiv brauchbar und mit seiner Körpersprache und dem Einsatzwillen nach einer gewissen Eingewöhnungszeit auch sicher ein so dringend gesuchter und benötigter Leader für das junge Hertha-Team.

Dedryck Boyata & Jordan Torunarigha – Kapitän Dedo über Bord, Jordan übernimmt das Steuer

Die Labbadia-Erfolgs-Innenverteidigung um Neu-Kapitän Dedryck Boyata und seinen kongenialen Partner Jordan Torunarigha durfte wie auch schon gegen Bremen von Beginn an ran. Und die beiden kompromisslosen Zweikämpfer waren von Beginn an gefordert.

Schon in der neunten Minute konnte André Silva über die rechte Abwehrseite an Niklas Stark vorbei durch Boyata hindurch in den Berliner Strafraum eindringen, wo Jordan Torunarigha wie so oft in höchster Not klären konnte. Dabei verletzte sich sein Gegenspieler Filip Kostic unglücklich am Knie und musste in der Folge ausgewechselt werden. Auch in der 16. Minute war Torunarigha zur Stelle, als Mittelstädt einen hohen Ball im Duell gegen Silva unterschätzt hatte.

Der nächste Ball in die Spitze auf den portugiesischen Stürmer der Eintracht führte in der 28. Spielminute zum Laufduell in welchem der Frankfurter nur auf die Bewegung Boyatas wartete, um geistesgegenwärtig den Ball vorbeizuspitzeln und sich vom Belgier abräumen zu lassen. Ein sehr plumpes Einsteigen des Berliner Kapitäns, was man leider auch in der vergangenen Saison schon das ein oder andere Mal beobachten konnte. Den fälligen Strafstoß verwandelte Silva in der 30. Minute zur Frankfurter Führung.

Auch beim 0:2 sah die Herthaner Innenverteidigung nicht besonders glänzend aus. Beim Freistoß noch Boyata zugeteilt, konnte sich Dost durch einen leichten Schieber von diesem absetzen und zum Kopfball hochsteigen. Torunarigha versuchte noch zu retten, was nicht mehr zu retten war, sah gegen den niederländischen Riesen aber auch kein Land und konnte im Luftduell eigentlich nur noch zusehen, wie der Ball links im Tor einschlug.

Hatten die beiden Abwehrspieler in Hälfte eins noch dem glücklosen Mittelfeld den Spielaufbau überlassen, nahm sich Torunarigha von der linken Innenverteidiger-Position in der zweiten Halbzeit in altbekannter Manier immer häufiger selbst dessen an. Gemeinsam mit Maier auf halbrechts hatten die Berliner plötzlich zwei zuvor ungenutzte Waffen auf dem Weg nach vorne.

Foto: IMAGO

So kam nach dem ersten Lúcio-esken Ausflug von Herthas Nummer 25 in Minute 52 der Ball per Flanke beinahe zu ihm zurück und nach Trapps notwendiger Faustabwehr zu Tousart, der den Frankfurter Schlussmann zu einer Parade zwang. Auch in der Folge konnte Torunarigha mit einigen klugen vertikalen Pässen die Frankfurter Reihen durchbrechen und gefährliche Aktionen einleiten.

Als auch das nicht mehr half, wurde es dem Berliner Urgestein zu bunt und er begab sich in Minute 77 einmal mehr selbst nach vorne, überlief die gesamte Frankfurter Defensivabteilung bis in den Strafraum, legte von der Grundlinie zurück und ließ Hinteregger keine andere Chance als den Ball vor Jhon Córdoba ins eigene Netz zu setzen.

Gestoppt werden konnte Torunarigha schließlich nur durch ein Foul von Kamada in der 84. Minute, nach welchem er nur noch humpelnd in beschränktem Aktionsradius unterwegs war.

Ganz im Gegensatz zu dieser Energieleistung des Berliner Eigengewächses präsentierte sich Dedryck Boyata ungewohnt ungenau und unkonzentriert. Nach den zwei unglücklichen Aktionen zu den Gegentoren in der ersten Hälfte verlor er in der 88. Minute als letzter Mann den Ball an Aymen Barkok, der glücklicherweise alleine vor Schwolow knapp rechts vorbei zirkelte.

Auch sonst ist Boyata nicht der Schlüsselspieler für den Spielaufbau, dafür aber umso wichtiger in der Zweikampfführung und körperlichen Präsenz in der Defensive. Gegen die starken und großen Frankfurter Stürmer sah er gestern ein ums andere Mal etwas ungelenk und zögerlich aus.

Abhaken. Solche Tage gibt es. Boyata und Torunarigha haben oft genug bewiesen, wie stark sie als Abwehrduo speziell im Zweikampf sind. An einem normalen Tag sollte man sich diesbezüglich keine Sorgen machen müssen. Und wenn sich Torunarigha ein Herz fasst, den riskanten Pass spielt oder direkt das Tempo anzieht und in die gegnerische Hälfte vorstößt, hat die Hertha eine offensive Option mehr im Spielaufbau. Sofern sich daneben noch ein kreativer Ballträger in die Spitze findet, der selbst auch etwas Torgefahr ausstrahlen kann, sollte auch die zuletzt so gelobte Offensive wieder Zugang zum Spiel finden.

Und dann war da noch:

Alexander Schwolow, der bei den Gegentoren chancenlos war und sich im Spiel kein Mal wirklich auszeichnen konnte, dafür nach dem Spiel im Interview deutliche Worte für die schwache erste Halbzeit fand und zurecht die fehlende Körperlichkeit der Herthaner „Schülermannschaft“ anprangerte.

Matheus Cunha, der sich in den ersten fünf Minuten zwei Mal kurz zeigte, dann völlig abtauchte, um in der starken Herthaner Phase zu Beginn der zweiten Hälfte wieder einige gefährliche Angriffe auf das Frankfurter Gehäuse zu fahren. Der Neu-Nationalspieler Brasiliens hätte in der 72. Minute im Anschluss an das 0:3 nach einem Frustfoul gegen Martin Hintereggers Schienbein eher Rot statt Gelb sehen müssen.

Krzysztof Piątek, der mal wieder kaum Anspiele bekam und völlig in der Luft hing. Die wenigen halbwegs brauchbaren hohen Bälle konnte er nicht verarbeiten und zog im Zweikampf mit den Hünen in der Frankfurter Innenverteidigung stets den Kürzeren. Der Pole musste zur Halbzeit raus und wurde von Jhon Córdoba ersetzt, der seinerseits von den zielstrebigeren Angriffen Herthas zu Beginn der zweiten Hälfte profitieren konnte, sich das ein oder andere Mal erfolgreich als Wandspieler einsetzte. So kam er in der 62. und 65. Spielminute auch gefährlich vors Frankfurter Tor und ließ in der 77. Minute nach starkem Sololauf von Torunarigha einschussbereit Martin Hinteregger den Vortritt zum 1:3-Endstand.

Deyovaisio Zeefuik, der zur Halbzeit für den offensiv unauffälligen aber defensiv soliden Peter Pekarik kam und mehr Druck nach vorne entwickeln sollte. Der niederländische U21-Nationalspieler zeigte sich dann auch ab und an in der Frankfurter Hälfte, ohne dabei besonders gefährlich zu werden, blieb defensiv trotz teils unkonventioneller Zweikampfführung fehlerlos, konnte dem Spiel aber insgesamt keine neue Wendung mehr geben.

Arne Maier, der nach neuerlich öffentlich geäußerten Wechselabsichten in der zweiten Hälfte für Vladimir Darida ins Spiel kam, um als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff zu fungieren und den Ball auch mal zu den Stürmern gelangen zu lassen. Er führte sich direkt dynamisch ein und ließ in seiner ersten Aktion zwei pressende Frankfurter in der Berliner Hälfte verdutzt stehen. Maier initiierte einige vielversprechende Angriffe und zeigte exakt auf, was der Hertha in der ersten Hälfte noch abging, musste aber tragischerweise schon 21 Minuten nach seiner Einwechslung verletzt vom Platz.

[Titelbild: IMAGO]