Herthaner im Fokus: Mit Krampf ins Leid geschafft

Herthaner im Fokus: Mit Krampf ins Leid geschafft

Eine Frage: Welches dubiose und skrupellose Unternehmen bzw. Verband kam eigentlich auf die Idee eine Weltmeisterschaft in einen Schurkenstaat kurz vor Weihnachten zu vergeben? Diese miese Aktion, die insbesondere Menschenrechte und Menschenleben und auch die Fußballkultur mit Füßen tritt, sorgt ganz nebenbei dafür, dass die meisten Fußballer auf der Welt vollkommen überspielt sind, weil sie eine Englische Woche nach der nächsten spielen müssen, da sich jeder nationale Verband dieser Idee unterordnen musste. Die Folge von überspielten Spielern sind Unkonzentriertheit, Müdigkeit, Ungenauigkeiten, viel zu starke Übermotivation und ein enorm hohes Verletzungsrisiko. Jede noch so kleine Verletzung kann wenige Tage vor der WM, die ja nicht einmal eine ernsthafte Vorbereitung ermöglicht, das Ende der größten Träume eines Fußballers bedeuten. Allein im Spiel zwischen Hertha BSC und dem VfB Stuttgart, gab es Schreckmomente für drei Spieler. Während Herthas dänischer Torwart Oliver Christensen nach einem Sturz weiterspielen konnte und Herthas Kroate Ivan Sunjic fragwürdigerweise mit Turban nach einem Zusammenprall mit Stuttgarts Wataru Endo weiter auf dem Platz blieb, musste eben jener Japaner mit einer schweren Kopfverletzung und zwischenzeitlicher Ohnmacht vom Platz getragen werden und nun um seine WM-Teilnahme bangen. Wir wünschen schnelle und beste Genesung!

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Neben den bitteren Vorfällen wurde aber noch Bundesliga-Fußball gespielt. Die Hertha unterlag am 14. Spieltag in Stuttgart dem VfB in letzter Sekunde mit 1:2 und liegt nun mit 11 Punkten auf dem Relegationsplatz. Guirassys frühes Tor konnte noch in der ersten Halbzeit Lukebakio kontern, ehe Mavropanos den Ball in letzter Sekunde nach einer Ecke ins Netz köpfen konnte.

Sandro Schwarz ändert nichts

Beim Blick auf die Aufstellungen fiel direkt auf, dass Sandro Schwarz gegenüber dem Spiel gegen die Bayern auf Änderungen verzichtete.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Oliver Christensen, der einen Tag zuvor von Kasper Hjulmand in den dänischen WM-Kader berufen wurde, stand im Tor. Die Verteidigung bildeten, die sich als Stammverteidigung etablierten, Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Davor sollten im Zentrum Suat Serdar und Lucas Tousart schalten und walten. Auf den Außen Jean-Paul Boetius und Marco Richter. Im Sturm Davie Selke und Dodi Lukebakio. Das 4-3-3-System, welches Schwarz zu Beginn der Saison hatte einspielen wollen, scheint aktuell eher von einem 4-4-2-System abgelöst worden zu sein.

In unserer heutigen Analyse versuchen wir trotzdem Positives zu suchen. Wir schauen auf die Lichtblicke des Teams, müssen uns aber auch mit der erschreckend harmlosen Offensive auseinandersetzen, fehleranfälligen Verteidigern und wieder einmal stellt uns die Aufstellung unseres Kapitäns vor Fragen.

Jonjoe Kenny und Dodi Lukebakio: Aus Jovedil wird Joebakio

Vier Niederlagen in den letzten fünf Spielen. Auf dem Relegationsplatz angekommen. Die Hertha-Welt ist kurz vor der WM-Pause ganz dunkel. Doch an irgendwelchen Kleinigkeiten muss man sich festhalten und wenn es nur einzelne Aktionen sind. Letzte Saison waren die wenigen Lichtblicke das phasenweise tolle Zusammenspiel zwischen Stevan Jovetic und Ishak Belfodil, was dem Duo den liebenswürdigen Kosenamen „Jovedil“ durch die Fans ermöglichte. In den letzten Wochen fiel bei Hertha immer wieder auf, dass auf der linken Seite herzlich wenig zusammenläuft. Umso besser, dass die rechte Seite zumindest einigermaßen Leistung zeigt. Sommerneuzugang Jonjoe Kenny und Sozusagen-Neuzugang Dodi Lukebakio scheinen sich nach Anfangsschwierigkeiten endlich gefunden zu haben. Sie sind neben Herthas starken Keeper Oliver Christensen (fünf Paraden) die beiden einzigen Spieler, denen es regelmäßig gelingt, Leistung zu zeigen. Am Samstag machte es Kenny schon Sadio Mané und Kingsley Coman das Leben schwer, gegen den VfB Stuttgart glänzte er auch endlich als Vorlagengeber. Dodi Lukebakio drückte seine perfekte Halbfeldflanke in die Maschen. Das gute Miteinander des Rechtsverteidigers und Herthas diesjährigen Top-Torjägers ist einer der Lichtblicke dieser Bundesliga-Hinrunde. Vielleicht kann man ja bei entsprechendem Mannschaftserfolg mal über einen neuen liebevollen Namen sprechen. “Joebakio” zum Beispiel?

Doch wie gesagt, mehr als ein paar Lichtblicke waren das auch nicht. Das zeigen auch die Zahlen der beiden. Dodi Lukebakio war zwar wie üblich motiviert und zunächst auch gefährlich für die Verteidigung des VfBs. Nach etwa acht Sekunden war Hertha drauf und dran eines der frühesten Bundesligatore aller Zeiten zu erzielen. Doch Lukebakios entscheidender Pass in die Spitze wurde von Stuttgarts an diesem Tag hervorragend spielenden Mavropanos abgefangen. Besser machten es er und Jonjoe Kenny in der 19. Minute.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Ansonsten konnte Lukebakio kaum zählbare Momente erzeugen. Nur ein Dribbling von sechs Versuchen beendete er erfolgreich. 50 Mal war der Belgier, der auch noch auf eine WM-Nominierung hofft, am Ball. In 13 Zweikämpfe ging er, von denen er allerdings nur fünf für sich entscheiden konnte. 20 Ballverluste musste er hinnehmen, Lukebakios Durchsetzungskraft war in der Vergangenheit schon deutlich besser. Zusätzlich wurde er aber auch dreimal recht übel gefoult und war immer wieder unter den Stuttgarter Fittichen, die ihm kaum Möglichkeiten zur Entfaltung gaben. Herthas einziger sich in Form befindender Offensivspieler ist dementsprechend auch eigentlich Herthas einzige Waffe. Wird er kaltgestellt, wird es mit der Offensive der Berliner problematisch.

Jonjoe Kenny, der ebenfalls wieder 90 Minuten auf dem Platz ackerte, hatte gegen die Stuttgarter Offensive einiges zu tun. Er konnte eine Aktion klären, blockte einen weiteren Schuss, fing zwei Bälle ab, entschied zwei Tacklings für sich. Doch seine Schwächen, die altbekannt sind, wurden gegen den VfB schnell wieder deutlich.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

70 Mal war er am Ball, einer der Höchstwerte bei Hertha. Doch dem gegenüber stehen auch 20 Ballverluste und 15 Fehlpässe. Ein Grund, weshalb Hertha kaum in der Lage war, einen Spielzug aufzubauen. Immerhin entschied er von seinen fünf Zweikämpfen drei für sich. Doch oft fehlen dem Briten die letzten Prozent Kreativität und Qualität im Passspiel. Doch auf der Habenseite Kennys steht seine Motivation und Leidenschaft. Dinge, die im Abstiegskampf noch wichtig werden können, schließlich geht es nur um dieses Thema in dieser Saison.

Marco Richter: Mehr Frust als Leistung

Marco Richters auffälligste Aktion war in der 34. Minute zu sehen, als er Konstantinos Mavropanos an der Seitenlinie anging und dafür die gelbe Karte sah. Den komischen Zwist mit dem Griechen schloss sich immer wieder auch Davie Selke an, wobei man nicht so ganz erkennen konnte, wer dort die angreifende und wer die schlichtende Rolle einnahm. Eben die klassischen Frotzeleien im Abstiegskampf, wenn man spielerisch stark limitiert ist.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Sportlich hing Marco Richter in der Luft. Seit Wochen ist er außer Form und kann in keiner Weise das leisten, was Hertha in der aktuellen Situation benötigt. Gegen den VfB war Richter 24 Mal im Ballbesitz. Seine Passquote von 87 Prozent lässt sich zwar sehen, als Offensivspieler nur zwei von 15 Pässen fehlzuleiten, ist stark. Doch auch bei ihm mangelt es an Kreativität und vor allem Qualität. Nur zwei seiner sechs Zweikämpfe entschied er für sich. Nur einmal versuchte sich Richter an einem Dribbling, was letztendlich auch nicht in Erfolg umgemünzt werden konnte. Zusätzlich leistete sich Richter sieben Ballverluste.

Dass Richter aktuell in fast jedem Spiel in der Luft hängt und sich immer mehr wieder in Frustaktionen verstrickt, ist nicht seine alleinige Schuld. Das Offensivspiel der Hertha ähnelte nämlich zu großen Teilen dem Derby am ersten Spieltag. Auch dort war die Offensive praktisch kein Teil des Teams. Damals lag das an denselben Gründen, wie plötzlich jetzt auch wieder. Fehlende spielerische Klasse. Zwischen Angriff und Mittelfeld fehlt ein Bindeglied. Eigentlich ein Teil der Basics, die man mittlerweile trainiert haben müsste.

Davie Selke und Marvin Plattenhardt: Alibi-Fußball unter Bundesliga-Niveau

Sie mögen sympathische Persönlichkeiten sein, aber fußballerisch sind sie in keiner Weise auf einem geeigneten Niveau, um Hertha BSC in der aktuellen Situation zu helfen. Das zeigte der Auftritt in Stuttgart einmal mehr. Beide hatten einen Auftritt, den man genauso schon etliche Male gesehen hat. Während Davie Selke manchmal an eine Art schreckliches Abbild von Cristiano Ronaldo erinnert, leider aber nicht im sportlichen Sinne, sondern im nörgelnden und lamentierenden Bereich, vergisst man in feiner Regelmäßigkeit, dass Marvin Plattenhardt überhaupt auf dem Platz steht.

Davie Selke hatte eine Kopfballchance nach 38 Minuten. Viel mehr steht nicht auf der Habenseite des Stürmers. Die meiste Zeit war er beschäftigt mit Scharmützeln mit Waldemar Anton, Konstantinos Mavropanos oder dem Schiedsrichtergespann. Nebenbei war er in seinen 61 Minuten Spielzeit noch 13 Mal im Ballbesitz und brachte immerhin vier von seinen sechs Pässen an den Mann. Er gewann vier seiner zehn Zweikämpfe, verlor aber dem gegenüberstehend auch fünf Bälle. Wie Marco Richter litt Davie Selke unter dem nicht vorhandenen Aufbauspiel. Kaum ein Ball kam in eine für ihn aussichtsreiche Position, genauso muss er aber auch an seinen Laufwegen arbeiten. Zu oft zieht es ihn eher Richtung Außenpositionen, wo er noch weniger Einfluss auf das Spiel hat und oftmals nicht einmal die Bälle ankommen.

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Im Winter muss und wird Hertha in Person von Fredi Bobic sicherlich handeln. Möchte man den Gerüchten glauben, steht Selke ein halbes Jahr vor Vertragsende zum Verkauf. Sowohl für Hertha, als auch für ihn, wäre es eine sportliche Befreiung. Hertha braucht einen abschluss- und spielstarken Stürmer. Davie Selke schon lange nicht mehr und Wilfried Kanga noch nicht scheinen diese Rolle verkörpern zu können.

Sandro Schwarz dürfte eigentlich keine Argumente mehr auf seiner Seite haben, Marvin Plattenhardt weiterhin Chance um Chance als Linksverteidiger zu geben. Plattenhardt ist wie der Schüler, der bei den Lehrern noch immer einen Stein im Brett hat, weil er vor Jahren mal einer der Klassenbesten war. Ausgeruht auf alten Leistungen, hat er mehr oder weniger alle seine Stärken mittlerweile verloren. Und dabei war Marvin Plattenhardts Leistung gegen die Stuttgarter nicht einmal seine persönlich schlechteste in dieser Saison. Bis zum bitteren Ende war er auf dem Platz zu sehen, klärte zwei Aktionen, konnte zwei Tacklings für sich entscheiden und auch einen Ball abfangen. Aber das war es auch schon.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

14 Mal verlor der Kapitän den Ball und hatte enorme Probleme mit Stuttgarts pfeilschnellen Außenstürmer Silas. Nur drei seiner neun Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden. Auf Sicherheitsbälle bedacht konnte er immerhin 18 seiner 22 Pässe bei den Mitspielern unterbringen. Als Kapitän und als Defensivspieler sowieso, sollte man zumindest kommunikativ auf der Höhe sein. Beim 0:1 nach nur drei Minuten war Plattenhardt in einem Raum auf dem Feld, der jenseits von Gut und Böse war. Seine Position auf der linken Seite hatte er schon lange verlassen, um wie eine Art Innenverteidiger in dieser Situation zu agieren. Stuttgarts Guirassy lief Marc-Oliver Kempf im Rücken und Marvin Plattenhardt allgemein davon und schloss eiskalt ab. Plattenhardt konnte aufgrund seiner Tempodefizite nichts ausrichten, gleichzeitig Kempf aber auch in keiner Weise kommunikativ instruieren. Es ist zum Verzweifeln. Auch auf dieser Position wäre ein Personalwechsel im Winter dringend von Nöten.

Agustin Rogel: Krasses Leistungstief zur Unzeit

Der Uruguayer hatte in den letzten Wochen durch seine rustikale, körperliche Spielweise auf sich aufmerksam gemacht und sich als Partner von Marc-Oliver Kempf in der Innenverteidigung etabliert. Doch in den letzten Wochen befindet sich auch Agustin Rogel in einem Formtief, welches nicht nur zur Unzeit kommt, sondern auch für viele gefährliche Situationen vor dem Tor der Hertha sorgt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Abgefälschte Bälle, Querschläger und unnötige Eckbälle reihen sich in seinem Spiel immer mehr an. Er konnte keinen Zweikampf für sich entscheiden. Immerhin sorgte er mit sieben Klärungsaktionen öfter für Ruhe im Berliner Strafraum. 66 Mal war er am Ball, zehn Mal verlor er diesen. Auch er versuchte im lahmenden Aufbauspiel der Hertha Sicherheit auszustrahlen. Viel mehr als defensive Zuspiele gelangen ihm allerdings nicht. 49 seiner 59 Pässe kamen bei den Mitspielern an, offensiv hatte er keine nennenswerten Momente. Schwach wie seine gesamte Vorstellung war dann sein Zweikampfverhalten in der letzten Aktion, als er Mavropanos nicht am Kopfball hindern konnte. Die Schwächephase von Rogel passt leider zur Gesamtsituation. Aktuell gelingt es ihm nicht seinen massigen Körper einzusetzen und der Abwehr die nötige Stabilität zu geben. Vielleicht hilft ihm die Winterpause zu alter Stärke zurückzufinden, wobei auch seine WM-Ambitionen noch vorhanden sein dürften.

Chidera Ejuke: Mit dem Kopf durch die Wand

Ab der 61. Minute ersetzte der Nigerianer Marco Richter. Im Gegensatz zum ehemaligen deutschen Juniorennationalspieler konnte er zumindest für etwas Wind und Druck sorgen. Doch immer wieder fehlt Chidera Ejuke die Übersicht und es wirkt wie das berühmte Agieren mit dem Kopf durch die Wand. Exemplarisch dafür die 84. Minute, als er nach einem üblen Fehlpass von Stuttgarts Torhüter Müller in Abschlussposition kam. Nach einem Dribbling, dem es aber schon an Tempo fehlte und immer mehr in symbolischer Kopflosigkeit mündete, ging sein Schuss aus zentraler und aussichtsreicher Position über das Tor.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ihm fehlt nicht nur die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, sondern auch der Blick für seine Mitspieler. Nicht nur Wilfried Kanga wäre in diesem Moment in einer besseren Abschlussposition gewesen. Es sollte das einzige erfolgreiche Dribbling Ejukes bleiben. Insgesamt versuchte er sich an vier Stück. Die weiteren drei verpufften wirkungslos. 19 Ballaktionen stehen zudem sechs Ballverluste gegenüber. Trotz fehlender Übersicht könnte er vielleicht sogar wieder ein wenig vor Richter stehen. Allerdings ist auch diese Form des Konkurrenzkampfes auf erschreckend niedrigem Niveau.

Willkommen im Abstiegskampf

Wer die Situation noch nicht verstanden hat, der ist wohl fehl am Platz. Hertha steckt im tiefen Abstiegskampf, die Konkurrenz punktet und eigene Punkte sammelt man vergeblich. Das Spiel gegen die Stuttgarter ähnelte in vielerlei Hinsicht dem Spiel gegen den FC Schalke 04, als man mit Glück noch drei Punkte sammeln konnte. Nun fehlte Hertha das Glück und wie schon in Bremen kassiert man einen späten Nackenschlag. All das hat nichts mit Glück und Pech zu tun. Es ist die eiskalte und harte Realität, dass auch dieser Kader nicht das Niveau hat, um mehr als die aktuelle Platzierung zu ermöglichen. Diese Saison wird lang und endet schmerzhaft, wenn sich die Beteiligten und Verantwortlichen nicht im Winter ernsthaft zusammensetzen und ehrlich ihre Arbeit bewerten.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Sandro Schwarz muss erklären, was er mit seinen verschiedenen Systemen bewirken möchte, weshalb Marvin Plattenhardt Kapitän und Stammspieler ist, Fredi Bobic muss seine Transferpolitik einmal mehr hinterfragen und Spieler wie Davie Selke, sollten sich Gedanken machen, inwiefern man dem Team helfen kann. Es wird ein stürmischer Winter und eine brutale Saison, wenn sich nicht ganz schnell etwas bewegt. Ein Spiel vor der WM steht noch an. Müde und überspielte Kölner. Eigentlich auch ein Pflichtsieg, wenn man konkurrenzfähig bleiben möchte.

(Titelbild: Alex Grimm/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Routine schlägt Kampfgeist

Herthaner im Fokus: Routine schlägt Kampfgeist

Ein ausverkauftes Berliner Olympiastadion, eine weitere ansprechende Leistung der Hertha und am Ende steht eine Niederlage gegen den FC Bayern München fest. Höhepunkte der Veranstaltung sollten definitiv die zahlreichen Banner gegen die WM in Katar sein, die in beiden Fanlagern präsentiert wurden. Auf dem Rasen fand ein Spiel statt, welches zwei sehr verschiedene Halbzeiten zu bieten hatte. Während nach 45 Minuten und einer wilden ersten Halbzeit bereits der 2:3-Endstand auf der Anzeigetafel zu sehen war, war die zweite Hälfte bis auf einer kurzen Druckphase der Bayern durch solide Abwehrleistungen geprägt. Und die Gründe für die Niederlage waren insbesondere in der Topform und eiskalten Spielweise verschiedener Bayern-Spieler, wie Jamal Musiala oder Eric-Maxim Choupo-Moting zu finden. Und leider auch darin, dass Herthas Verteidigung in manch einem Moment überfordert und unaufmerksam war.

Schwarz setzt erstmals auf ein 4-4-2

Gegen den Rekordmeister stellte Sandro Schwarz seine Mannschaft in einem 4-4-2-System auf. Personell musste er verletzungs- bzw. gesundheitsbedingt zweimal wechseln. Jean-Paul Boetius ersetzte den in Bremen verletzt ausgewechselten Stevan Jovetic, Davie Selke den unter der Woche an Magen-Darm erkrankten Wilfried Kanga im Sturm. Dort wurde Selke von Dodi Lukebakio unterstützt, der von den Außen in die Mitte gewechselt ist. Boetius nahm zunächst die Position des linken Außenspielers dafür ein. Auf der rechten Seite agierte dafür Marco Richter. Im zentralen Mittelfeld war die übliche Achse, bestehend aus Lucas Tousart und Suat Serdar, zu finden. In der Verteidigung sollte sich wieder nichts verändern. Links Kapitän Marvin Plattenhardt, in der Innenverteidigung Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Im Tor stand Oliver Christensen.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf die Offensivakteure, jemanden, der zum Leistungsträger herangewachsen ist und die Einwechslungen.

Dodi Lukebakio: Gegen Bayern gefährlich wie immer

Eigentlich sind alle Lobeshymnen über Dodi Lukebakio gesungen. Er ist in dieser Saison einfach einer der besten Spieler von Hertha BSC. Der Belgier wächst immer mehr zum Führungsspieler heran, was auch seine Ansprache ans Team vor dem Spiel zeigte. Und wie üblich gegen die Bayern, war er auch vor dem Tor gefährlich. Die kleine Umstellung von den Außen in die Sturmzentrale sollte sich auszahlen. Schon nach vier Minuten und einem siegreichen Laufduell gegen Dayot Upamecano zwang er Manuel Neuer zu seiner ersten Parade. Seinem Schuss auf die obere Torecke fehlte aber die nötige Kraft, um den wiedergenesenen deutschen Nationaltorhüter wirklich vor Probleme zu stellen. In der 40. Minute konnte er seine Mühe und seinen Einsatz vergolden. Nach einer Flanke von Richter ließ er Neuer per Direktabnahme keine Chance. Das 1:3 weckte Hertha kurz vor der Pause nochmal auf.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Insgesamt war Lukebakio 38 Mal am Ball, spielte 71 Prozent erfolgreiche Pässe, gewann 50 Prozent seiner Zweikämpfe und vollzog drei von vier Dribblings erfolgreich. Insgesamt wirklich starke Statistiken für einen Stürmer. Hinzu kommen drei Torschüsse, er bereitete einen weiteren vor, aber er hatte auch 12 Ballverluste, die man allerdings wohl gegen die Bayern mit einberechnen muss. In der zweiten Halbzeit konnte aber auch er kaum noch nennenswerte Akzente in der Offensive setzen. Dodi Lukebakios Form ist enorm wichtig für das Team. Er ist der beste Offensivspieler, Toptorjäger und der einzige, der regelmäßig zählbare Leistung liefern kann. In Herthas Situation Gold wert, aber leider zu wenig, wenn seine Mitspieler nicht ähnliches liefern können.

Jonjoe Kenny: Zum Leistungsträger herangewachsen

Einer, der nicht in der Offensive zu sehen ist, aber ebenfalls mittlerweile oft mit starken Leistungen glänzen kann, ist Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny. Der Engländer brauchte einige Spiele, um im Team anzukommen, doch mittlerweile ist er kaum noch wegzudenken. Neben Oliver Christensen, ist er der einzige Herthaner, der noch keine Minute in dieser Saison verpasst hat. Und auch gegen die Bayern zeigte er eine absolut ansprechende Leistung. Ganz nebenbei waren mit Sadio Mané und Kingsley Coman zwei absolute Weltstars seine direkten Gegenspieler.

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Er war 42 Mal am Ball, spielte 60 Prozent erfolgreiche Pässe und konnte solide 71 Prozent Zweikämpfe für sich entscheiden. In der Verteidigung hatte er gegen die stürmenden Bayern allerhand zu tun. Sechsmal klärte er den Ball aus dem Strafraum, blockte zwei Schüsse, lief drei Bälle ab und entschied fünf Tacklings für sich. Stolze Zahlen für den Dauerbrenner. Jonjoe Kenny ist sicherlich kein Spieler für die Galerie, doch er hat Herthas Dienstältesten Fußballer, Peter Pekarik, auf dieser Position endlich ersetzen können. Wahrscheinlich auch weil er dem Slowaken eben manchmal recht ähnlich ist.

Davie Selke: Deutscher Choupo-Moting… oder andersrum?

Aus Davie Selke wird in diesem Leben wohl kein eiskalter Vollstrecker vor dem Tor mehr. Zumindest nicht im Hertha-Trikot. Etwas, was man vor wenigen Wochen auch über Eric-Maxim Choupo-Moting dachte, bis der auf einmal in die Form seines Lebens kam und mittlerweile beim FC Bayern für etliche Tore sorgt. These: Würden Choupo-Moting und Selke die Teams wechseln, würde auch Selke eine Statistik wie der Kameruner vorweisen können. Im Endeffekt liegt es dann doch zu großen Teilen an den Mitspielern und am Kopf. Die beiden Tore, die Choupo-Moting Hertha einschenkte, hätte Selke nicht schöner veredeln können. Luftloch schießen und im Fallen mit dem Standbein den Ball ins Tor drücken – eben eine hohe Kunst besonderer Stürmer …

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Davie Selke war gegen die Münchner 64 Minuten lang auf dem Platz, eher er Wilfried Kanga Platz machen musste. Und wie immer war er bemüht, umtriebig und war hochmotiviert. Nach elf Minuten hatte er seine erste von drei Möglichkeiten vor dem Tor. Die Hereingabe von Marvin Plattenhardt konnte er aber nicht mit dem nötigen Druck auf Neuers Tor bringen. Keine Gefahr im Endeffekt. 30 Mal war Selke am Ball, spielte elf von siebzehn Pässen erfolgreich, gewann die Hälfte seiner Zweikämpfe und holte kurz vor dem Ende der ersten Halbzeit den Elfmeter raus, als ihm Benjamin Pavard auf den Fuß stieg. Den Elfmeter verwandelte er selbst sicher. Der Anschlus war hergestellt.

Auch wenn die Statistiken von Selke keinesfalls schlecht sind, so fehlt ihm doch einiges, um ein wirklich entscheidender Faktor im Spiel der Hertha zu sein. Zu oft fehlt ihm das nötige Gefühl in der Ballbehandlung, wie in der 27. Minute, als es ihm nicht gelang den Ball in extrem aussichtsreicher Position zu kontrollieren. Die unfreiwillige Abgabe war immerhin die Vorlage einer guten Chance Marco Richters. Glück hatte Selke zusätzlich in der 16. Minute, als sein rüdes Foul gegen Upamecano eigentlich mit gelb hätte bestraft werden müssen. Der Stürmer war wie immer bemüht, konnte dank des Elfmeters Zählbares produzieren, insgesamt aber zu harmlos.

Marco Richter: Gut begonnen, stark nachgelassen

Marco Richter war wie immer sehr motiviert und glücklicherweise trotz Schwierigkeiten auf dem Platz nicht so schnell frustriert, wie häufiger in manchen Spielen in der Vergangenheit. In der 27. Minute hatte Richter schlichtweg Pech, es mit einem der besten Torhüter der Welt zu tun zu haben. Seinen wirklich sehenswerten Schlenzer aus der Drehung auf das linke, obere Toreck, hielt Manuel Neuer mit einer absoluten Glanzparade. Nicht viele Bundesligatorhüter sind in der Lage, solch einen Ball noch aus der Ecke zu fischen. In den meisten Spielen hätte Hertha hier wohl ein Tor feiern können. In der 40. Minute konnte er sich mit seinem Assist in die Statistiken eintragen. Seine Flanke von der rechten Seite war wohlgetimt, um Lukebakio den perfekten Torabschluss zu ermöglichen.

(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Gegen die Bayern war Richter 78 Minuten dabei, ehe er von Myziane Maolida ersetzt wurde. Die Verteidigung machte es ihm durchgehend schwer sich zu entfalten. 28 Mal war er am Ball, spielte acht von vierzehn Pässen erfolgreich, konnte aber nur drei von zehn Zweikämpfen für sich entscheiden. Zudem kommen zwölf Ballverluste. Insbesondere ab der zweiten Halbzeit konnte er kaum noch Einfluss auf das Offensivspiel der Hertha nehmen. Insgesamt hat Richter aktuell im Zweikampf um den Startelfplatz gegen Chidera Ejuke leicht die Nase vorn.

Die Wechsel verpuffen ohne nennenswerten Einfluss auf das Spiel

Und da sind wir bei einem Problem, was sich seit einigen Spielen bei Hertha durchzieht. Die Einwechslungen bringen aktuell kaum Zählbares zustande. Sie ordnen sich nahezu unsichtbar ins Spiel der Berliner ein, ohne Frische ins Team zu bringen oder einen gewissen Einfluss zu haben. Auch ein Grund, weshalb Richter ohne Probleme vor Ejuke in der Hierarchie stehen kann. Der Nigerianer hat natürlich ein bestechendes Tempo, aber seine Fehler in der Entscheidungsfindung auf dem Platz lassen einfach keine hilfreichen Aktionen zu. Pässe spielt er zu spät oder gar nicht, mal einen Torschussversuch abgeben, sucht man bei ihm ebenso vergeblich. Ejuke ist seit Wochen außer Form und schafft es Richter nicht zu ersetzen.

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Myziane Maolidas Vorstellung gegen Bayern war kläglich. Eingewechselt in der 78. Minute sollte er nochmal Offensivschwung bringen, herausgekommen ist rein gar nichts. Er war sieben Mal am Ball, davon verlor er ihn sechsmal. Keiner seiner drei Pässe kam beim Mitspieler an, nicht einmal aus kürzester Entfernung. Myziane Maolida fehlt Spielpraxis, ist aber kaum als Teil des Teams zu erkennen und sehr weit von Bundesliganiveau entfernt.

Wilfried Kanga und Kevin-Prince Boateng bemühten sich, konnten aber auch nichts in der Offensive ausrichten. Kanga wurde von Bayerns Abwehr kaltgestellt, lag in der Luft und brachte keinen Schuss oder auch nur Versuch auf das Tor von Neuer. Für Boateng ist das Spiel gegen die Bayern schlichtweg zu schnell gewesen, er ist nicht mehr in der Lage auf solch einem hohen Niveau noch mitzuhalten und dann auch noch klare Akzente zu setzen.

Maximilian Mittelstädt kam schon nach 65 Minuten für Marvin Plattenhardt. Auch wenn er keinen großen Einfluss auf das Spiel hatte, wurde in diesen Minuten schnell wieder deutlich, dass er einfach der bessere Linksverteidiger im Kader ist. Plattenhardt sah blass aus, allerdings konnten auch nicht Marc-Oliver Kempf und vor allem nicht Agustin Rogel überzeugen. Gerade Rogel hatte unglückliche Aktionen bei den Gegentoren.

Viel Lob bringt keine Punkte

Ja, eine Niederlage gegen die Bayern ist okay. Gegen den Rekordmeister zu punkten kann man nicht verlangen und schon gar nicht einplanen. Und Hertha gelang es wie gegen Leipzig nach einem deutlichen Rückstand das Spiel nochmal spannend zu machen, eine Qualität der Mannschaft. Aber am Ende sind nicht die Punkte, die man gegen Leipzig oder Bayern abgeben musste, das Problem. Da werden fehlende Punkte gegen Bremen, Hoffenheim oder Mainz zu einem Problem. Hertha steht nach 13 Spieltagen mit elf Punkten auf Platz 15. Zwei Siegen, stehen fünf Remis und sechs Niederlagen gegenüber. Das ist zu wenig, um von einer guten Bundesligasaison zu sprechen. Es hilft nichts, sich an immer den gleichen Lobeshymnen festzuhalten. Gute Spiele bedeuten nicht gleich Punkte und da ist letztendlich auch jede xGoals-Statistik unwichtig. Die Restsaison wird unglaublich hart, wenn man nicht gegen Stuttgart oder Köln einen Sieg, eigentlich zwei Siege, einfährt. In einer Woche wissen wir mehr.

(Titelbild: Maja Hitij/Getty Images)

Drei Thesen für SV Werder Bremen vs. Hertha BSC

Drei Thesen für SV Werder Bremen vs. Hertha BSC

Hertha BSC konnte gegen den FC Schalke 04 seinen ersten Heimsieg feiern. Die Stimmung im und um den Verein ist gut, obwohl man sich alles andere als in ganz ruhigen Fahrgewässern in der Fußball-Bundesliga befindet. Am Freitag ist man beim SV Werder Bremen zu Gast, die nach einem sehr starken Saisonstart mittlerweile einige Punktverluste hatten und sich nun im tiefen Mittelfeld der Tabelle befinden. Die Bremer stehen zwei Plätze und vier Punkte vor Hertha auf Platz 11. Was können wir von Hertha erwarten? Unsere drei Thesen.

Vorne hui, hinten pfui

Uns erwartet ein wildes Spiel. Die Offensiven der beiden Mannschaften sind in dieser Saison voll in Fahrt (Bremen mit Niclas Füllkrug und Marvin Ducksch) oder kommen es gerade (Hertha mit Wilfried Kanga). Während zu Beginn der Partie noch ein leichtes Abtasten zu erwarten ist, spielt man spätestens in der zweiten Hälfte mit offenem Visier. Niclas Füllkrug und Dodi Lukebakio wollen sich weiter bei ihren Nationalmannschaften für die Weltmeisterschaft empfehlen, die Verteidiger beider Mannschaften werden damit arge Probleme bekommen. Ein kleines Scheibenschießen findet statt.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Am Ende schießt Hertha drei Tore. Werder Bremen darf ebenfalls feiern, schießt aber zumindest nicht mehr Tore als Hertha. Ein spektakuläres Spiel, welches die Stärken und Schwächen des Teams eiskalt offenbart.

Wilfried Kanga wird immer wichtiger

Sein Treffer gegen den FC Schalke 04 war der dringend benötigte Brustlöser. Im Sommer kam er mit einer Empfehlung von wettbewerbsübergreifend 16 Toren aus der Schweiz von den Young Boys aus Bern. Bis letzte Woche tat sicher der Ivorer vor dem Tor in der Bundesliga schwer. Doch der Knoten ist geplatzt und gegen Werder Bremen wird er damit weitermachen, womit er gegen Schalke aufgehört hat. Mit dem Toreschießen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Voll mit Selbstvertrauen, Robustheit, Ruhe vor dem Tor und einer Portion Zielwasser ausgestattet, wird er die Bremer Verteidigung durchgehend beschäftigen, mindestens ein Tor erzielen und ein weiteres seinen Mannschaftskollegen auflegen.

Hertha startet eine Serie

Hertha wird den zweiten Sieg in Folge feiern. Das gelang zuletzt im Endspurt der letzten Saison, als man den FC Augsburg und den VfB Stuttgart hintereinander besiegen konnte. Etwas, was nachträglich die Auszahlung der tollen Leistungen in den Vorwochen ist, die man gegen Mannschaften, wie Leipzig, Leverkusen oder Frankfurt gezeigt hatte, aber nicht zu Siegen ummünzen konnte.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Hertha ist in Fahrt und nutzt den Schwung, beginnt eine Serie und verliert bis zur WM-Pause kein Spiel mehr. Am Ende steht eine Niederlage (gegen Leipzig 2:3) in den letzten elf Spielen vor der Saison. Auf einem gesicherten Mittelfeldplatz überwintert man.

(Titelbild: Maja Hitij/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Ein dreckiger Sieg für die Moral

Herthaner im Fokus: Ein dreckiger Sieg für die Moral

Tränen flossen bei Präsident Kay Bernstein, über 60.000 Fans verfolgten am Sonntagabend das Spiel von Hertha BSC und am Ende ließ sich die Mannschaft feiern, wie eigentlich seit Jahren nicht mehr. Dass es sich dabei lediglich um einen Sieg gegen den Tabellenletzten am 11. Spieltag handelte, kann man sich ob der vorangegangen Tatsachen eigentlich kaum vorstellen. Doch es war der erste Heimsieg der Hertha seit April, als man gegen den VfB Stuttgart in der letzten Saison eigentlich kurz vor dem Klassenerhalt stand. Der Rest ist bekannt. Gegen den FC Schalke 04 spielte Hertha eines der schlechtesten Spiele der Saison. Doch Arbeit und ein wenig Glück zahlten sich am Ende aus und brachten Hertha BSC zum zweiten Mal in dieser Saison drei Punkte ein.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Sandro Schwarz setzt auf den Doppelsturm

Hertha-Trainer Sandro Schwarz stellte seine Mannschaft im Vergleich zur knappen Niederlage in Leipzig offensiv ein wenig um. Im 4-4-2 spielten Stevan Jovetic und der in die Startelf zurückgekehrte Wilfried Kanga im Doppelsturm. Ließ sich der Montenegriner ins offensive Mittelfeld fallen, entwickelte sich das Hertha-Spiel in ein 4-2-3-1-System. Im Tor stand wie üblich Oliver Christensen, auch in der Verteidigung sah sich Schwarz nicht gezwungen etwas zu ändern. Marvin Plattenhardt auf links, Marc-Oliver Kempf und Agustin Rogel in der Innenverteidigung und Jonjoe Kenny auf der rechten Seite, bildeten diese. Für die Rückkehr Kangas musste Ivan Sunjic im defensiven Mittelfeld weichen. Der Kroate musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Lucas Tousart und Suat Serdar bildeten das zentrale Mittelfeld. Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio sollten den Angriff über die Außen unterstützen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Mit geballter Offensivpower ins Spiel gegen ein FC Schalke 04, welches als direkter Konkurrent tief im Keller steckt, unter der Woche im Pokal in Hoffenheim unter die Räder kam, nun aber auf den ominösen Trainer-Effekt hoffen durfte, nachdem Frank Kramer die Koffer packen musste und Matthias Kreutzer als Interimstrainer installiert wurde.

In unserer Analyse schauen wir auf arbeitende Spieler, einen Mr. Alibi, ein neues solides Innenverteidiger-Duo, ein laufendes, körperliches Wunder und die Torschützen.

Dodi Lukebakio: Arbeit ohne Ertrag

Die bisherige Saison war die Spielzeit des Dodi Lukebakios. Seit seiner Rückkehr aus Wolfsburg zeigt sich der Belgier wie ausgewechselt, sprüht vor Spielfreude und ist mit fünf Treffern aktuell Herthas Top-Torjäger. Auch ein Verdienst der ganzen Mannschaft. Zum Vergleich, letzte Saison war Stevan Jovetic am Ende der Spielzeit mit sechs Treffern Herthas Top-Torschütze. Doch so gut die Saison Lukebakios war, so unglücklich und etwas überspielt wirkend, war seine Vorstellung gegen den FC Schalke 04. Und dabei ist trotzdem zu betonen, dass es keinesfalls ein schlechtes oder gar lustloses Spiel vom Wirbelwind war, wie man es in der Vergangenheit öfter mit ansehen musste. Er spielte fast über die volle Distanz, eher er in den Schlussminuten für Marton Dardai ausgewechselt wurde. Beim Zeitschinden bettelte er förmlich um die gelbe Karte, die aber keine weiteren Konsequenzen hatte.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Insgesamt war Lukebakio an 50 Aktionen beteiligt. Immer wieder suchten seine Mitspieler ihn und im Vergleich zum deutlich blasseren Chidera Ejuke auf der anderen Seite, konnte er sich zumindest ansatzweise immer wieder ins Angriffsspiel einschalten. 22 seiner 31 Pässe fanden die Mitspieler, immerhin 71 Prozent. Drei Torchancen bereitete er vor. In der 5. Minute setzte er Wilfried Kanga im Strafraum in Szene. Dieser scheiterte jedoch aus kurzer Entfernung und spitzem Winkel an Alexander Schwolow im Tor. In der 26. Minute setzte sich Lukebakio gegen die Schalker Verteidigung sehenswert durch. Sein Zuspiel konnte Stevan Jovetic im Sturmzentrum allerdings nicht verwerten. Auch Marco Richter konnte nach Lukebakios Zuspiel in der 70. Minute unter Bedrängnis stehend den Ball nur am Tor vorbeischießen.

Doch beim Blick auf die weiteren Zahlen fällt das Problem auf, welches Lukebakio am Sonntagabend hatte. Er gewann nur vier seiner elf Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten sich gegen die aggressiven Schalker Verteidiger durchzusetzen und musste 19 Ballverluste hinnehmen. Oftmals fehlte ihm das Tempo, welches die Gegner durch geschicktes Zustellen verhindern konnten. Konnte er sein Tempo nutzen, fehlten allerdings auch schnell die Konzentration und die Präzision im Passspiel, wie in der 80. Minute, als sein Konter zum vorentscheidenden 2:0 hätte verwandelt werden müssen.

Es war nicht das beste Spiel Lukebakios, wenn auch kein schlechtes. Aber die Mannschaft scheint Fortschritte gemacht zu haben. Man ist nicht mehr gänzlich von den individuellen Leistungen einzelner Spieler abhängig, sondern weiß gemeinsam Lösungen zu finden. Dennoch, ein gut gelaunter Lukebakio in Topform hilft jeder Mannschaft enorm weiter.

Marvin Plattenhardt: Mr. Alibi

Über die vollen 90 Minuten plus Nachspielzeit war Marvin Plattenhardt gegen den FC Schalke 04 als Linksverteidiger und vor allem Hertha-Kapitän dabei. Und irgendwie auch nicht. Hätte er auf dem Spielberichtsbogen gefehlt, hätte das womöglich keinen großen Unterschied gemacht. Viel zu sehen gab es bei dem Auftritt von Plattenhardt nicht. Er war zwar 64 Mal im Ballbesitz, spielte 24 von 33 Pässe erfolgreich, aber konnte nicht wirklich etwas zum Spiel der Hertha beitragen. Offensiv setzte er keine Akzente, seine etlichen Halbfeldflanken gingen durchgehend ins Lehre oder wurden von der Schalker Verteidigung frühzeitig abgefangen. Seine Standards konnten keine Gefahr ausrichten und war etwas mehr Wiese vor ihm, versuchte er erst gar nicht mal einen Angriff über die Außen zu starten.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Er gewann nur vier seiner neun Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten mit der Verteidigung der – mit Verlaub – für Bundesligaverhältnisse höchstens durchschnittlichen Schalker Offensivspieler und ließ wieder zu viele Flanken zu. Es war alles mehr Alibi, als ernsthafte Hilfe für das Team. Ein Kapitän muss mitreißen können und seine Mitspieler trotz späten Gegentors weiter pushen. Diese Aufgabe übernahmen andere wie Lucas Tousart. Ein Kapitän sollte genauso die Situation und Emotionen nach dem Spiel lesen können und sich nicht in einem langweiligen Interview nach dem Spiel verlieren, was mehr wie die Einordnung eines unwichtigen Unentschiedens wirkte. Plattenhardt fehlt so viel um ein starker Kapitän zu sein. Genauso fehlt ihm viel um ein guter Linksverteidiger zu sein. Der Ersatz, Maximilian Mittelstädt, stünde bereit und hat schon lange mehr Chancen verdient.

Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf: Solide Innenverteidigung

Bekanntlich gab es bei Hertha BSC in den letzten Jahren viele Duos oder Trios in der Innenverteidigung, die oftmals eine Baustelle war. Aktuell scheint sich ein recht solides Pärchen gefunden zu haben. Auch wenn Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf zu Beginn der Partie gegen die Königsblauen Schwierigkeiten hatten, spielten sie sich zunehmend ein und strahlten im Laufe des Spiels immer mehr Sicherheit aus. Beide spielten am Ende durch.

Agustin Rogels wichtigste Aktion war wohl in der 78. Minute, als er im Strafraum zu einer risikoreichen Monstergrätsche gegen Schalkes Kenan Karaman ansetzte und diese auch erfolgreich durchführte. Allgemein weiß er mit seiner enormen körperlichen Präsenz zu gefallen. Insgesamt war er 72 Mal im Ballbesetzt, spielte 57 Pässe, von denen 44 bei seinen Mitspielern ankamen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Viele Aktionen fanden dabei in der eigenen Verteidigung statt. Die waren meist clever und sinnvoll getimt, um der Mannschaft gegen eine aggressive Schalker Truppe Ruhe zu geben. Zweimal musste Rogel den Angriff des Gegners mit Fouls unterbinden. Für seinen Schubser gegen Marius Bülter wurde er in der 81. Minute mit gelb verwarnt. Rogel wirkt wie der säubernde LKW neben Abwehrchef Kempf. Insgesamt klärte er fünf Aktionen, lief drei Bälle von den Gegnern ab und setzte zwei erfolgreiche Tacklings.

Marc Oliver Kempf bemühte sich viel, beackerte seine Gegenspieler Simon Terodde und Sebastian Polter, hatte auch seine Probleme mit den Gegnern, aber wusste wie Rogel Ruhe ins Spiel der Mannschaft zu bringen. Insgesamt klärte er fünf Bälle aus dem Strafraum, setzte zu zwei Tacklings an und war 62 Mal im Ballbesitz. 69 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, ebenso viel Prozent Zweikämpfe entschied er für sich.

(Photo by Marc Atkins/Getty Images)

Marc Oliver Kempf entwickelt sich immer mehr zum Abwehrchef und ersten Verteidiger. Auch wenn er immer wieder Probleme mit direkten Gegenspielern hat, weiß er die Abwehr zusammenzuhalten, ist kommunikativ und zeigt unermüdlichen Einsatz. Aus dem etwas überhastet und übermotiviert wirkenden Kempf ist ein verlässlicher Führungsspieler geworden. Vielleicht auch, weil er auf sich und seine Psyche genau hört und sich in schwierigen Zeiten Hilfe gesucht hat, wie er unter der Woche erzählte.

Stevan Jovetic: Das gewisse Etwas für Hertha

Einen extrem „schlauen“ Spieler nannte ihn Sandro Schwarz im Interview nach dem Spiel. Stevan Jovetic erlebt gerade so etwas wie seinen dritten Frühling. Der Offensivspieler hat bekanntlich immer wieder mit seinem Körper zu kämpfen, fällt gerne mal mit dem ein oder anderen Wehwehchen aus, doch seine spielerische Klasse ist für diese Mannschaft Gold wert. Während Jovetic in der ersten Halbzeit glücklos blieb, konnte er in der zweiten Hälfte seinen Beitrag leisten. Und zusätzlich entwickelt er sich zunehmend zum Laufwunder auf Darida-Niveau. Gegen Schalke wurde er kurz vor Schluss für dem wiedergenesenen Jean-Paul Boetius ausgewechselt und brachte es auf fast 12 km Laufleistung.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

59 Mal war Jovetic im Laufe der Partie am Ball. Er spielt 29 seiner 44 Pässe erfolgreich. 66 Prozent in der Offensive lassen sich dabei definitiv sehen. Insbesondere spielte er vier von fünf langen Bällen erfolgreich. Seine Zweikampfwerte von nur 36 Prozent fallen dagegen allerdings etwas ab. Er zeigte sich immer wieder in der Offensive, ohne, dass sich die ganz großen Chancen ergeben sollten. Die größte Möglichkeit hatte er in der 26. Minute, doch letztendlich schoss er sich relativ kläglich selbst an. Zusätzlich bereitete er zwei Torschüsse vor. Entscheidend dabei die 88. Minute, als er das Zuspiel von Lukebakio direkt weiterleitete und Wilfried Kanga auf die Reise schickte, der das Siegtor erzielen durfte.

Lucas Tousart: Der Hertha-Kämpfer mit dem Sonntagsschuss

Lucas Tousart spielen zu sehen, macht ja mittlerweile seit Monaten Spaß. Ein Spieler, der sich unermüdlich in jeden Zweikampf wirft, der Leidenschaft ausstrahlt und sich in Berlin mittlerweile wohl zu fühlen scheint. Auch wenn ihm die Berliner Currywurst leider nicht zusagt. Gegen Schalke ackerte er sich durchs Mittelfeld. Am Ende lief der Franzose wieder gute 12 km. 46 Mal war Tousart am Ball, verteilte seine Pässe 22 Mal erfolgreich. Insgesamt kamen 76 Prozent seiner Pässe an, zusätzlich entschied er 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Er pushte und motivierte seine Mitspieler, gestikulierte viel und nahm die Mannschaft taktisch mit. Auch in der Defensive half er mit Tacklings, Klärungsaktionen und abgelaufenen Bällen aus. Seinen größten Moment hatte er kurz nach dem Seitenwechsel. In der 49. Minute zimmerte er mit einem wuchtigen Schuss aus der Distanz in die Maschen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Sein Sonntagsschuss war ehrlicherweise alles andere als unhaltbar, doch mit Alexander Schwolow haben die Schalker aktuell einen schwer verunsicherten Torhüter in ihren Reihen, der nicht in der Lage war, den Ball festzuhalten. Lucas Tousart knüpfte gegen Schalke genau an seinen starken Leistungen der Vorwochen an.

Wilfried Kanga: Befreiungsschlag zum perfekten Zeitpunkt

Endlich! Der Knoten ist endlich geplatzt. Dem nimmermüden Wilfried Kanga gelang endlich der Befreiungsschlag. Kanga war seit Saisonbeginn bemüht und hat sich nicht aufgegeben, doch in den letzten Wochen wurden die Stimmen lauter, dass ein abschlussstarker Stürmer der Mannschaft fehlen würde. Und wie die Saison begann, so startete auch für Kanga das Spiel.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Der Ivorer zeigte sich immer wieder angriffslustig. Allein in den ersten fünf Minuten kam er bereits zweimal zum Abschluss, fand da allerdings jedes Mal in Schwolow nach schwachen Abschlüssen seinen Meister. Die hundertprozentigen Chancen sollten allerdings lange fehlen. Auch seine Durchsetzungskraft ließ ein ums andere Mal zu wünschen übrig. Nur vier seiner vierzehn Zweikämpfe gewann er. Neun von 16 Pässen kamen beim Mitspieler an, auch auf diese Weise versuchte er immer wieder das Angriffsspiel anzukurbeln. Seine Robustheit sollte letztendlich ausschlaggebend für den Siegtreffer sein. Fein von Jovetic in Szene gesetzt kämpfte er sich gegen Henning Matriciani durch und schob flach ins linke untere Toreck ein. Es folgte ein explodierender Jubel in der blau-weißen Menge der Ostkurve. Hoffen wir, dass es sich um einen Knotenlöser für die kommenden Aufgaben handelte.

Ein Pflichtsieg für die Hertha-Moral

Gut und sehenswert gespielt, am Ende aber nur einen Punkt gesammelt oder sogar verloren. Hertha konnte in den ersten Wochen der Saison nur eine geringe Menge an Punkten sammeln, von denen, die möglich gewesen wären. Gegen die Schalker spielte man weniger für die Galerie, sondern für die Punkte. Und das war wichtig. Denn ein Punktverlust hätte gegen den Tabellenletzten durchaus für einen Kipppunkt der Stimmung, sowohl innerhalb der Mannschaft, als auch bei den Fans sorgen können. Schließlich steht man trotz aller Schönheit im Abstiegskampf und ist auf jeden Sieg angewiesen. Kangas erstes Tor, der späte Zeitpunkt des Siegtreffers und insbesondere die Reaktion auf den späten Schalker Ausgleichstreffer, sind große Punkte für die Moral.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Die Hertha muss sich nun auf das Auswärtsspiel in Bremen am Freitag vorbereiten und hat die große Möglichkeit sich weiter von den Abstiegsplätzen abzusetzen. Die Stimmung ist gut, Bernstein, Bobic und co. ist es gelungen, neben dem Platz eine angenehme Ruhe im Verein einkehren zu lassen, die Spieler und Trainer können in Ruhe arbeiten und die kommenden Chancen nutzen.

(Titelbild: Matthias Kern/Getty Images)

Herthaner im Fokus: von Punkt zu Punkt

Herthaner im Fokus: von Punkt zu Punkt

Nach einer turbulenten Woche mit einigen außersportlichen Themen ging es am Sonntagnachmittag im Olympiastadion wieder ausschließlich um Fußball. Na ja, fast: die Ostkurve zeigte zahlreiche Spruchbänder, unter anderem gegen Investor Lars Windhorst und Sonntagsspiele. Auf dem Platz war außerdem nicht gerade ein Fußball-Feuerwerk zu bestaunen. Trotzdem zeigte sich erneut, was sich seit Saisonbeginn unter Sandro Schwarz entwickelt. Hertha BSC ist wieder ein Team, das Charakter zeigt und schwer zu schlagen ist.

Warum es trotzdem erneut nicht für drei Punkte reichte, versuchen wir uns anhand einiger individueller Leistungen anzuschauen.

Nur Herthas Rechtsaußen treffen – Ejuke sammelt Scorerpunkte

Ein wohl wichtiger Grund ist weiterhin die fehlende Torgefahr in der Sturmspitze. „Macht er so weiter, werden auch ihm irgendwann die Tore gelingen“, schrieben wir noch nach dem letzten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen über Wilfried Kanga. Gegen Hoffenheim konnte sich der 24-Jährige wieder einmal nicht für seine Mühe belohnen.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Dabei hätte es in der 8. Spielminute endlich soweit sein können. Zwar setzte sich Kanga gegen Vogt durch und hatte freie Schussbahn, leider flog sein Abschluss weit über den Kasten von Torhüter Baumann. Die Durststrecke des neuen Stürmers wird langsam aber sicher problematisch. Vorne treffen nur die Rechtsaußen: Dodi Lukebakio (3 Treffer) und Marco Richter (2 Treffer) sind die einzigen Angreifer, die bisher in dieser Saison Tore erzielten. Ansonsten waren nur Suat Serdar (2 Treffer) und Lucas Tousart (1 Treffer) als Mittelfeldspieler erfolgreich.

Auch für Chidera Ejuke will es mit dem Toreschießen noch nicht klappen. Dafür ist er mit der dritten Torvorlage im dritten Spiel Herthas bester Vorlagengeber. Sein intelligenter Steckpass auf den Formstarken Dodi Lukebakio zum 1:1 war gegen Hoffenheim nicht seine einzige auffällige Szene. Der Linksaußen wird immer wichtiger für das Team von Sandro Schwarz. Trotzdem muss Herthas Sturm in den kommenden Wochen deutlich entscheidender im Torabschluss werden, um die wichtigen Siege zu holen.

Herthas Mittelfeld nicht entscheidend, Sunjic mit Schwächen

Herthas Mittelfeld war weniger präsent als in den letzten Saisonspielen. Suat Serdar konnte dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken, konnte keinen einzigen Torschuss abgeben und wurde in der 72. Minute ausgewechselt. Auch Lucas Tousart war etwas unauffälliger als noch in den letzten Partien. Der Franzose war im Mittelfeld bei Hertha jedoch erneut der stärkste Spieler, schoss zwei Mal aufs Tor und gewann 75 Prozent seiner Zweikämpfe.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Weniger positiv in Erscheinung getreten ist am Sonntag Ivan Sunjic. Im 4-3-3 System als einziger Sechser eingesetzt war der „Zerstörer“ erneut dafür verantwortlich, das gegnerische Spiel zu unterbrechen. Er zeigte sich dabei gewohnt fleißig und laufstark (11,7 Kilometer), gewann jedoch weniger Zweikämpfe (56 Prozent) als noch im Spiel gegen Mainz (70 Prozent).

Doch gerade im Aufbauspiel und im Ballbesitz zeigt er Schwächen. In mehreren Situationen verursachte er Ballverluste, was zu teilweise gefährlichen Gegenangriffen führte. Insbesondere in der Ballbehandlung war er nicht präzise genug, legte sich Bälle zu weit vor oder hatte Schwierigkeiten bei der Ballannahme und Ballmitnahme. Der 25-Jährige ist zwar ein nützlicher Spieler für das Spiel der „Blau-weißen“, zeigte jedoch am Sonntag auch deutlich, welche Schwächen er noch hat.

Eine Hertha-Abwehr, die sich noch bilden muss

Ein weiterer Neuzugang, der am Sonntag Schwierigkeiten hatte, war Filip Uremovic. Der Kroate konnte leider keine gute Leistung zeigen. Er fiel immer wieder durch kleinere Unsportlichkeiten auf, hatte eine schwache Zweikampfquote (50 Prozent) und trug Mitschuld an den Gegentreffer. Der 25-Jährige rückte zu langsam auf, sodass die Abseitsfalle nicht zuschlagen und Kramaric einnetzen konnte. Auch bei der Beinahe-Elfmeter-Situation kurz nach Spielbeginn sah er alles andere als souverän aus. Insgesamt eine deutlich schwächere Leistung des Innenverteidigers als noch im Spiel gegen Mainz vor der Länderspielpause.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

So war es nicht überraschend, dass er zur Halbzeit ausgewechselt wurde. Für ihn kam ein weiterer Neuzugang und feierte sein Debüt für Hertha BSC. Agustín Rogel zeigte in seinen ersten 45 Minuten in der Bundesliga eine ordentliche Leistung, verteidigte höher als Uremovic in der ersten Halbzeit. Insbesondere durch seine imposante körperliche Präsenz machte er auf sich aufmerksam. Ob er mit seiner Leistung zum Startelfkandidat im nächsten Spiel gegen Freiburg wird, bleibt abzuwarten. Immerhin wird er eine echte Alternative für Cheftrainer Sandro Schwarz sein.

Auf der linken Innenverteidiger-Seite wird Marc-Oliver Kempf gesetzt bleiben. Er zeigte sich am Sonntag erneut als Abwehrchef, konnte einige Situationen souverän entschärfen und sogar kurz vor der Halbzeit sehenswert eine Riesenchance der Hoffenheimer klären. Am Ende sprechen die Ergebnisse unabhängig von der individuellen Besetzung für Herthas Abwehr. Mit nur zehn Gegentreffern aus acht Spielen ist man, zusammen mit Köln, Dortmund und Gladbach, auf Platz 5 der besten Defensiven der Liga. Nicht schlecht für ein Team, das vergangene Saison mit 71 Gegentoren die zweitschlechteste Abwehr war und zum gleichen Saisonzeitpunkt bereits 21 Gegentreffer kassiert hatte.

Christensen – Gute Leistung fast schon Normalität

Auch wenn es für viele mittlerweile selbstverständlich klingen mag: dass Oliver Christensen bisher ein sicherer Rückhalt und ein solider Keeper ist, ist bemerkenswert. Es gab wenig Garantien, dass der 23-Jährige in seiner allerersten Saison als Nummer eins bei Hertha BSC überzeugen würde. Dafür war der Keeper noch ein ungeschriebenes Blatt, konnte lediglich in der Relegation gegen Hamburg sein Können unter Beweis stellen.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Im Spiel gegen die TSG aus Hoffenheim zeigte sich der Däne wieder einmal sehr solide. Das Tor von Kramaric hätte er nicht verhindern können, dafür stand der Kroate zu frei. Alle weiteren Szenen, in denen er gefordert wurde, konnte er souverän und unaufgeregt lösen. Der junge Torhüter wirkte so, als würde er bereits seit mehreren Spielzeiten in der Bundesliga spielen.

Seine mitspielende Art, ohne sich grobe Fehler zu erlauben und unnötig Gefahr zu erzeugen, bleibt für Herthas Spiel erfrischend. Der Däne könnte diese Saison eine der positivsten Überraschungen werden. Angesichts seines Alters und seiner fehlenden Erfahrung werden im Laufe der Saison mit Sicherheit auch Fehler und Unsicherheiten auftreten. Christensen verdient sich jedoch aktuell das Vertrauen, die unumstrittene Nummer eins bei Hertha zu sein.

Hertha von Punkt zu Punkt

Das 1:1 geht am Ende in Ordnung, insbesondere wenn man die Schlussphase der Partie und die in dieser Phase größeren Chancen auf Seiten der Gäste im Blick behält. Auch die „expected goals“ Statistik spricht eine klare Sprache:  0,96 für Hertha gegen 1,60 für die TSG. Dieser Punktgewinn ist kein schlechtes Ergebnis gegen in dieser Hinrunde starke Hoffenheimer. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack, da die „alte Dame“ weiterhin auf der Stelle tritt. In der Tabelle ist keine Befreiung möglich, der Abstand zu den Abstiegsplätzen bleibt zu gering.

Auch die eher schwache erste Halbzeit ist eine unangenehme Überraschung nach der Länderspielpause. Positiv bleibt, dass die Entwicklung der letzten Spieltage weitergeht. Gerade mental scheint sich das Team von Sandro Schwarz gut zurecht zu finden. Erneut ließ sich die Mannschaft nicht vom Gegentreffer aus dem Konzept bringen, kämpfte sich zurück und zeigte gerade in der zweiten Halbzeit den klaren Willen, das Spiel zu gewinnen.

„Am Schluss werden wir sehen, was der Punkt wert ist“, formulierte es Niklas Stark einmal, in einer deutlich schwierigeren Lage als die jetzige. Hertha holt sich Schritt für Schritt die Punkte, die für den Klassenerhalt gebraucht werden. Dabei dürfen die Blau-Weißen das Siegen aber nicht verlernen. In den nächsten Wochen kommen Gegner (Freiburg, Leipzig, Bremen, Schalke), gegen die ein Remis eindeutig zu wenig wäre.

(Titelbild: Martin Rose/Getty Images)