Mit einem 2:2 gegen den VfB Stuttgart startete Tayfun Korkut in seinen neuen Job bei der Hertha. Das Debüt gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber zeigte mal wieder übliche Schwächen des Teams und trotzdem die ersten Entwicklungsschritte seit dem Trainerwechsel. Wir schauen auf eine immer stärker werdende Offensive und die Sorgenkinder der Mannschaft.
Stevan Jovetic: Fit und in Topform eine brutale Waffe
Stevan Jovetics Körper, der in dieser Saison oft für Probleme sorgte und keine Konstanz ermöglichte, scheint aktuell auf einem hohen Level, vielleicht sogar auf seinem höchsten Level zu sein. Und so ist es mehr als erfreulich, den Stürmer endlich in Top-Verfassung zu sehen.
Das Spiel gegen den VfB Stuttgart war ein Spiegelbild der bisherigen Saison. Im von Trainer Korkut neu gebauten 4-4-2-System musste sich die Offensive finden. Zwischen Stevan Jovetic, Ishak Belfodil, Marco Richter und Myziane Maolida schien es zunächst nicht zu harmonieren. Die Laufwege wirkten zu statisch, die Durchsetzungskraft war ausbaufähig und die Pässe landeten oft beim Gegner. Die ersten Angriffsbemühungen waren eher individuelle Maßnahmen. Im Verlauf der Partie gelang es den Spielern aber, diese Mängel immer mehr abzustellen.
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Und trotzdem benötigte es wieder einmal eine Einzelleistung, um auch Tore-technisch anzukommen. Als sich Jovetic in der 40. Minute von Torunarigha den Ball im Mittelfeld abholte, machte es ihm die Abwehr der Schwaben auch alles andere als schwer. Ein Solo und ein Schlenzer in das rechte obere Eck eröffneten Herthas Comeback. Mit 37 Pässen konnte er seinen Wert unterstreichen. Ihm gelang es, Chancen zu kreieren, Mitspieler in Szene zu setzen und auch sich selbst als ständigen Unruheherd zu inszenieren.
In der 73. Minute zeigte Jovetic mit einem Freistoß zusätzlich seine immense Schusskraft. Eine herausragende Aktion von Torhüter Müller verhinderte nur knapp ein Traumtor. Das Zusammenspiel der Offensive gipfelte in der 76. Minute in dem wohl am schönsten herausgespielten Tor der Herthaner in dieser Saison. Nach Plattenhardts Flanke gelang das Zusammenspiel mit Ishak Belfodil auf engstem Raum, um den Ausgleich zu erzielen.
Mit vier Toren aus acht Bundesligaspielen hat Jovetic eine akzeptable Quote und ist Herthas Toptorjäger. Seine Leistungskurve und Form steigen klar an. Der Wert für die Mannschaft ist kaum in Worte zu fassen, insbesondere wenn es ihm weiterhin gelingt das Offensivspiel auch als Vorlagengeber anzukurbeln.
Ishak Belfodil: Weiterhin in Topform und mit entscheidenden Zahlen
Ishak Belfodil knüpfte gegen den VfB Stuttgart direkt an seiner Leistung gegen den FC Augsburg an und konnte diese endlich auch in spielendscheidenden Zahlen umwandeln. Bereits nach vier Minuten kam der Algerier aus spitzen Winkel zum Schuss. Wie Stevan Jovetic gelang es ihm, sowohl Ballverteiler, als auch Anspielstation zu sein.
Belfodils persönlicher Höhepunkt gegen den VfB hätte in der 23. Minute sein sollen, als er einen sehenswerten Schlenzer vom linken Strafraumeck im Tor unterbrachte. Doch nach VAR-Eingriff wurde der Treffer wegen einer streitbaren Abseitsstellung Vladimir Daridas kassiert.
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Während des Spiels ließ Belfodil sich oft ins offensive Mittelfeld fallen, zog zwischendurch auf die Außen und ermöglichte der Offensive durch seine Laufwege und Aktionen viel Flexibilität. 35 Aktionen und 76 Prozent Passquote beweisen sein Auge für die Mannschaft. In seinen 85 Minuten Spielzeit bereitete Belfodil zwei Torschüsse vor, den entscheidenden in der 76. Minute für Jovetic.
Die Doppelspitze scheint eine echte Alternative und Variante für das Spiel unter Tayfun Korkut zu werden. Jovetic und Belfodil liefern momentan genug Argumente, dass sie als Doppelspitze in die nächsten Spiele gehen. Die Einbindung der Außenspieler muss bei Festigung der Spitze allerdings dringend Thema im Training werden. Die Automatismen sind noch nicht komplett vorhanden, doch mit der Zeit scheint es möglich zu sein.
Myziane Maolida: Wer bist du und was hast du mit Dodi Lukebakio gemacht?
Unter der Woche wurde bereits viel vermutet und gemunkelt. Bei Pal Dardai war der französische Neuzugang zuletzt komplett außen vor. Neben schwachen Leistungen und Verletzungen, stand er wegen mangelnder Disziplin in der Kritik. Tayfun Korkut setzte ein Zeichen und stellte den 22-Jährigen auf die linke Außenbahn. Dieser versuchte, das Vertrauen zu rechtfertigen – es gelang ihm zum Teil. Mit 40 Ballkontakten war er zwar häufig am Ball, doch Tempo aufnehmen und Chancen kreieren konnte er dabei nur selten. Seine Flexibilität in der Offensive fiel im Vergleich zu seinen offensiven Mannschaftskollegen deutlich ab.
Zu Gute kann man ihm aber halten, dass er mit einer Zweikampfquote von 60 Prozent der Stärkste in der Offensive war. Und auch er hatte die Möglichkeit, seiner Leistung einen zählbaren Stempel aufzudrücken. In der 56. Minuten fehlte es ihm allerdings an Spielintelligenz und Entscheidungsfindung, was wahrscheinlich seiner geringen Spielpraxis verschuldet war. Nachdem er von Marco Richter auf der linken Seite mit einem gechippten Ball in Szene gesetzt wurde, konnte er mit einer Mischung aus Pass und Torschuss Florian Müller aber vor keine ernsthafte Herausforderung stellen.
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Neben seinem Potential in der Offensive litt allerdings sein Einsatz in der Defensive. Unterstützung bot er seinen Mitspielern kaum. Unrühmlicher Höhepunkt war sein unmotiviertes Zurücktraben – welches er am Ende sogar abbrach – in der 19. Minute als Philipp Förster komplett unbedrängt das 2:0 für den VfB Stuttgart erzielen konnte. Anzumerken ist aber, dass auch weder Vladimir Darida noch Santiago Ascacibar in dieser Situation überzeugende Gegenwehr leisteten.
Myziane Maolidas Auftritt ließ zum Teil Erinnerungen an den im Sommer an den VfL Wolfsburg verliehenen Dodi Lukebakio aufleben. Offensiv zwar bemüht, aber mit wenig zählbaren und an Defensivarbeit nicht interessiert, scheint Maolida noch keine Hilfe zu sein. Vielleicht kann er sich über regelmäßige Einsätze empfehlen, ansonsten ist er leider kein Upgrade zum ebenfalls in der Kritik stehenden Lukebakio.
Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha: Solides Duo mit fehlendem Tempo
Kapitän Dedryck Boyata bekam von Tayfun Korkut das Vertrauen in der Startelf zu stehen. Nachdem der Belgier drei Spiele gesperrt gefehlt hatte, sollte er als Abwehrchef die Defensive zusammenhalten. Seine Leistung war nicht restlos überzeugend. Zehn Bälle konnte er klären, zwei Schüsse blockte er und mit 93 Prozent Passquote integrierte er sich durchgehend im Aufbauspiel.
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Während Boyata allerdings mit nur 38 Prozent gewonnener Zweikämpfe kein bedingungsloser Sicherheitsposten in der Defensive war, konnte sein Innenverteidiger-Partner, Jordan Torunarigha, 62 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnen und dadurch Mängel seines Kapitäns ausgleichen. Auch Torunarigha war mit 52 Ballaktionen wichtiger Bestandteil im Aufbauspiel. 73 Prozent seiner Pässe fanden den Mitspieler und die Vorlage für Jovetics Tor zum 1:2 geht auf seine Kappe. Mit der Zeit wirkte Torunarigha jedoch immer unsicherer, mehrere Klärungsversuche gerieten zu kurz und Fehlpässe reihten sich aneinander. In der 72. Minute wechselte Tayfun Korkut den 24-Jährigen aus, weil die Stabilität in der Abwehr verloren gegangen war.
Das Innenverteidiger-Duo war auch an beiden Gegentoren beteiligt. In der 15. Minute gelang es ihnen nicht annähernd mit dem Tempo Omar Marmoushs mitzuhalten und mussten auf Grund schwachen Stellungspiels das 0:1 durch einen Konter hinnehmen. Nur wenige Minuten später kassierte Hertha BSC das 0:2 und auch in dieser Aktion glänzten beide mehr durch Passivität, als mit aktiven Zweikampfverhalten.
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Dedryck Boyata und Jordan Torunarigha wirken körperlich aktuell fit. Gelingt es ihnen in den nächsten Spielen, ihre Tempodefizite mit intelligentem Stellungspiel auszugleichen und mit Spielpraxis zur alten Routine zurückzufinden, hat Hertha gute Chancen, alternativ zu Niklas Stark eine sichere Verteidigung auf dem Platz zu haben.
Fazit: Stärken vertieft und Schwächen eindrucksvoll bekämpft
Es ist sicherlich nicht alles besser. Doch bei diesem Remis konnte man erste Fortschritte im Team der Hertha erkennen. Im Vergleich zu vergangenen Spielen in dieser Saison gelang ein entscheidender Fortschritt. Zwar lagen die Berliner durch altbekannte Schwächen nach einem Doppelschlag schon früh 0:2 zurück. Doch dieses Mal gelang es den freien Fall zu verhindern und sogar ein Comeback.
Unter Pal Dardai folgte nach frühen Gegentoren oft eine komplette Verkrampfung. Es ereigneten sich Klatschen wie gegen den FC Bayern und RB Leipzig. Oder uninspirierte Auftritte wie in Hoffenheim und bei Union Berlin. Inwiefern der Trainerwechsel mit diesem Punkt zu tun hat, ist rein spekulativ, doch das Comeback gegen den VfB Stuttgart lässt Hoffnung auf sehenswerte Auftritte in den nächsten Wochen zu.
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Momentan wirken Angriff, Mittelfeld und Verteidigung noch nicht wie eine verschmolzene Einheit. Das Leistungsgefälle ist noch recht hoch. Auf Tayfun Korkut kommen viele Aufgaben zu. Das Gute ist, dass klar ist, an welchen Schrauben er drehen muss. Zu hoffen ist außerdem, dass Suat Serdar nur eine leichte Erkältung hat und schnell wieder ins Geschehen eingreifen kann. Seine individuelle Stärke hätte dem Team gutgetan.
Das Spiel gegen den FC Augsburg am 13. Spieltag stand einzig und allein im Zeichen der Wiedergutmachung. Und in der Tat zeigte Hertha BSC ein anderes Gesicht im Vergleich zum blutleeren Auftritt beim Derby in Köpenick. Trotzdem zeigten sich alte Schwächen, die zum am Ende in einer ewig andauernden Nachspielzeit eiskalt bestraft wurden. Wir blicken auf ein Comeback und auf welche Leistungen aufgebaut werden muss, um endlich zurück in die Erfolgsspur zu finden.
Jurgen Ekkelenkamp: Endlich in der Startelf und auf der richtigen Position
Unter der Woche überlegte Pal Dardai bereits öffentlich ihn aufzustellen. Seinen Worten ließ er Taten folgen und ermöglichte Jurgen Ekkelenkamp einen Platz in der Startelf. Und das auch auf der richtigen Position.
Während Ekkelenkamp bei seinem letzten Startelf-Auftritt im Pokal gegen Preußen Münster glücklos auf der rechten Seite des Mittelfelds agierte, durfte er gegen den FC Augsburg auf der Zehn ran und die kreativen Geschicke leiten. Bis zur 67. Minute wirkte er mit, ehe er von Stevan Jovetic ersetzt wurde.
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71 Prozent seiner Bälle brachte er an den Mann und gerade Stürmer Ishak Belfodil wusste er in Szene zu setzen, der dank des Niederländers immerhin zu einer Torchance kam und eine weitere nur knapp verpasste. Ekkelenkamp selbst bekam in der 61. Minute die Chance das Tor zu erzielen, als wiederum Belfodil ihn im Strafraum bediente. Unter Bedrängnis schoss er allerdings flach am Tor vorbei.
Auf diesem Auftritt lässt sich aufbauen. Wenn Ekkelenkamp in der Lage ist sein Durchsetzungsvermögen zu steigern, kann er sich zu einer enormen Waffe für das Spiel der Herthaner entwickeln. Sein Pressingverhalten und ständige Aktivität waren schon einmal gute Argumente. Zur Zeit sprechen allerdings seine schwachen Zweikampfwerte (nur 22 Prozent gewonnen) und die ausbaufähige Ruhe am Ball noch dagegen.
Ishak Belfodil: Aktuell die stärkste Alternative zu Stevan Jovetic
Zunächst wird sich der ein oder andere Hertha-Fan beim Blick auf die Aufstellung verwundert die Augen gerieben haben. Ishak Belfodil in der Startelf, während Krzystof Piatek und Davie Selke die Bank drückten. Dass Stevan Jovetic nach seiner Corona-Infektion noch nicht für die Startelf bereit war, sollte vor dem Spiel bereit klar gewesen sein.
Dardai sprach dem Algerier gute Trainingsleistungen zu und belohnte diese mit einem Platz in der Startelf. In seinen 73 Minuten Spielzeit war Belfodil ein echter Aktivposten, ihm fehlte lediglich das Glück und die nötige Ruhe vor dem Tor gegen einen gut aufgelegten Rafal Gikiewicz, wie bei seiner Chance aus spitzem Winkel in der 21. Spielminute.
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Belfodil machte im Verlauf des Spiels viele Bälle fest, hatte mit 76 Prozent eine sehr passable Passquote und konnte so für viele gefährliche Offensivaktionen sorgen. Immer wieder ließ sich der Algerier intelligent ins Mittelfeld oder auf die Außenbahnen fallen, um als Anspielstation zu fungieren. So kam Herthas Offensivspiel deutlich besser ins Rollen. Aktuell hat er in der Stürmer-Hierarchie bei Hertha BSC ganz klar die Nase vor Davie Selke und Krystof Piatek.
Wenn es ihm noch gelingen sollte, entscheidende Zahlen vor dem Tor zu verzeichnen, hat er gute Chancen sich in der Startelf festzuspielen. Insbesondere besteht viel Potential im Zusammenspiel mit Jurgen Ekkelenkamp.
Suat Serdar: Unverzichtbar
Wieder einmal war Suat Serdar einer der besten, ja womöglich sogar der Beste, im Hertha-Spiel. 11 Kilometer Laufleistung zeigen seinen unermüdlichen Einsatz. Er verteilte stets Bälle am Fließband, kurbelte das Spiel enorm von hinten an und scheute sich nicht, die ein oder andere Grätsche auszupacken.
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Im Vergleich zum Derby in Köpenick vor einer Woche verdoppelte Serdar seine Zweikampfquote auf 62 Prozent gewonnener Zweikämpfe. Seine Leistung hätte er in der 62. Minute krönen können, als er sich mit Schnelligkeit und Wucht von der linken Seite aus dem Mittelfeld kommend in die zentrale Position dribbelte und lediglich am herausragend reagierenden Gikiewicz von der Strafraumgrenze aus scheiterte. Es war eine Aktion, die man in dieser Saison schon häufiger bei ihm beobachten konnte.
Wenn diese noch mehr Ertrag bringen würden, wäre Hertha sicherlich nicht auf dem Platz in der Tabelle, den sie aktuell inne haben.
Marco Richter: Aktivposten und Torjäger
Still und heimlich mausert sich Marco Richter zum Torjäger der Hertha. Nur gut, da eben genau so einer aktuell im Kader fehlt. Gegen Augsburg erzielte Richter seinen dritten Saisontreffer. So viele Tore schoss er für eben jenen FC Augsburg in der gesamten letzten Saison.
Er hat nicht viel Anlaufzeit benötigt und sich zu einem nicht wegzudenkenden Aktivposten auf der – meist rechten – Außenbahn entwickelt. Seine Tempoläufe und Antizipation auch ohne Ball können jeder Zeit für Gefahr vor dem gegnerischen Tor sorgen. Sein Tor, was er aufgrund seiner 9-jährigen Vergangenheit bei den Fuggerstädtern verständlicherweise sehr zurückhaltend zur Kenntnis nahm, war natürlich an Kuriosität nicht zu überbieten. Und genau dieses Tor zeigt das große Problem der Hertha. Ähnlich wie gegen Leverkusen am 11. Spieltag benötigte die Mannschaft einen Zufall und Fehler des Gegners.
(Photo by Matthias Kern/Getty Images)
Aktuell besitzt die Hertha einfach nicht die Kaltschnäutzigkeit, um aus ihren wenigen Chancen und kreativen Momenten ein Tor zu erzielen. Das Aufbau – und Kombinationsspiel, welches sich im Vergleich zur letzten Woche zwar deutlich gesteigert hatte, reicht auch noch nicht, um Tore herauszuspielen. Somit brauchte es einen Fehler des Abwehrspielers Robert Gumny, den Richter eiskalt ausnutzen konnte. Mit 49 Ballkontakten, 27 Pässen und einer Passquote von 70 Prozent war Richter einer der aktivsten Herthaner auf dem Feld.
Jordan Torunarigha: Starkes Comeback und für ein paar Sekunden gefeierter Held
Nach zweieinhalb Monaten feierte Jordan Torunarigha sein Comeback. Dass er das direkt in der Startelf tun würde, war ursprünglich nicht geplant. Da sich allerdings Marton Dardai bereits beim Warmmachen verletzte, musste Torunarigha ins kalte Wasser geworfen werden.
Dem Innenverteidiger war die fehlende Spielpraxis kaum anzumerken. Er gewann 100 Prozent seiner Zweikämpfe. Zugegeben, es war nur ein einziger, den er zu erledigen hatte. Mit vier Klärungsaktionen sorgte er des Öfteren für Ruhe im Strafraum, sechs abgefangene Bälle kamen hinzu. Während des gesamten Spiels hatte er es nicht ein einziges Mal nötig ein Foul zu ziehen. Für den Spielaufbau war Jordan Torunarigha ein wichtiger Baustein. 59 Ballaktionen, eine Passquote von 91 Prozent und drei seiner sechs langen Bälle fanden den Mitspieler.
Dieses starke Comeback hätte noch fast eine kitschige Note bekommen. In der 75. Minute erzielte er nach Vorarbeit von Stevan Jovetic ein Tor. Es wäre das wahrscheinlich vorentscheidende 2:0 gewesen. Der Jubel in der Ostkurve war emotional, sollte aber nur von kurzer Dauer sein. Auf Grund einer Abseitsposition wurde der Treffer aberkannt. Den bitteren Gegentreffer in der 7. Minuten der Nachspielzeit konnte aber auch er letztendlich nicht verhindern.
Trotzdem macht seine Leistung große Lust auf mehr und lässt die Hoffnung auf eine starke Abwehr weiter steigern.
Fazit: Ein Team, das lebt und im entscheidenden Moment den Fokus verliert
Als in der 77. Minute der FC Augsburg bei einer Aktion drei Schüsse hintereinander nicht im Tor unterbrachte, umarmten sich Torunarigha und Torhüter Schwolow innig. Man spürte, was für ein Druck auf ihnen lag.
(Photo by Matthias Kern/Getty Images)
Man sah ihnen aber auch an, wie sie füreinander einstehen, füreinander fighten und sich gegenseitig pushen. Das Team lebt. Doch reicht das, wenn es an Qualität fehlt? Wie viele Nackenschläge, ob blutleere Auftritte im Derby oder späte Ausgleichstreffer wie gegen Leverkusen und nun Augsburg, sorgen für einen lehrreichen Effekt? Ab wann sind Enttäuschung und Demoralisierung stärker, als die gesammelte Erfahrung und eine Trotzreaktion im nächsten Spiel?
Fakt ist, Hertha braucht Punkte und Siege um in ruhigere Fahrgewässer zu kommen. Die Konkurrenz macht es vor. In Stuttgart ist der nächste Schritt und die nächste Reaktion gefordert.
Das erste von drei Berliner Derbys in dieser Saison ist gespielt. In einer fragwürdiger Weise ausverkauftem Alten Försterei erlebte Hertha (mal wieder) ein uninspiriertes Duell gegen den Rivalen aus Köpenick. Wir wollen dennoch den Blick auf einige Herthaner und die wirklich wenigen Lichtblicke dieses Spiels werfen.
Peter Pekarik: Noch einer der besten
Dass hier der Name von Pekarik auftaucht ist symptomatisch für Hertha. Dass der Slowake auch mit 35 Jahren Stammspieler ist und dabei mit die besten Leistungen zeigt, lässt tief in die Kaderzusammenstellung der letzten Jahre blicken. Auch gegen Union war der dienstälteste Herthaner einer der auffälligsten Spieler der Blau-Weißen, hielt die rechte Seite dicht, wagte gelegentliche Vorstöße bis tief in die gegnerische Hälfte und flankte drei Mal.
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Mit 29 von 33 angekommenen Pässen (88%) strahlte er zudem etwas Sicherheit aus. Krönung seiner Leistung war das aufgrund von Piateks Abseitsstellungen ein paar Spielsituationen vorher aberkannte Tor, welches den Spielverlauf potential hätte stark verändern können. Acht Ballverluste und nur 50% gewonnene Zweikämpfe (2 von 4) zeigen allerdings auch, dass Pekarik kein rundum gelungenes Spiel ablieferte.
Im Vergleich zu seinen Kollegen stach er dennoch in seinem Gesamteindruck positiv hervor. In der 70. Minute musste er aufgrund einer Systemumstellung den Platz für Jastrzembski machen.
Suat Serdar: Ohne ihn geht nichts
Und täglich grüßt das Serdar-Tier. Wie so oft war Suat Serdar der mit Abstand auffälligste Herthaner und wenn überhaupt etwas in der Offensive passierte, hatte Serdar seine Füße im Spiel.
Er gab zwei von acht Torschüssen ab, spielte zwei Schlüsselpässe und kurbelte das Spiel aus der Mitte heraus an. Er war es auch, der Pekarik in der 37. Minute in Szene setzte und dieser die bis dahin beste Chance im Spiel hatte (was ebenfalls noch einmal die gute Leistung von Pekarik hervorhebt). Mit nur vier von 15 gewonnen Duellen (27%) und einer Passquote von 59% (13 von 22) zeigte aber auch Serdar nicht sein bestes Spiel im Hertha-Dress.
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Es bleibt dennoch festzuhalten, dass ohne ihn das im Koma liegende Offensivspiel der „Alten Dame“ ohne Zweifel endgültig tot wäre und der ehemalige Nationalspieler eines der ganz wenigen belebenden Elemente und absoluter Schlüsselspieler in dieser Saison ist. Er tut einem beinahe schon leid.
Santiago Ascacibar: So geht Derby
Es gibt kaum einen Spieler in Herthas Kader, der für ein Derby so sehr wie gemacht zu sein scheint, wie Santi Ascacibar. Und das zeigte sich einmal mehr in seinen überragenden Statistiken.
Mit 86 Pässen spielt er die zweitmeisten (nur Dardai hatte vier mehr), von denen 57 angekommen sind (84%). Auch von seinen langen Pässen landeten vier bei seinen Mitspielern Zudem hat der Argentinier trotz seine geringen Körpergröße fünf von sieben Kopfduellen gewonnen, im Gegenzug jedoch nur vier von neun Bodenduellen. Ein geklärter Ball, fünf abgefangene Bälle und ein Tackle unterstreichen seine ansonsten solide Defensivleistung allerdings, die bei nur ein Foul zudem äußerst fair stattfand.
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Wenn der 24-Jährige weiterhin solche Leistungen abruft, wird es für Lucas Tousart zunehmend schwerer, seinen Stammplatz auf der Sechs zurückzuerobern, solange Dardai nicht wie heute mit einer Doppelsechs spielt.
Im Gegenzug zu vielen seiner Teamkollegen wirkte „Santi“ wie einer der wenigen, der erkannt hat welch eminent wichtiges Spiel heute stattfand und agierte bissig und kämpferisch, konnte sich alleine aber auch nicht mehr gegen die Niederlage stemmen.
Und dann waren da noch …
Marton Dardai: Nachdem Dardai schon am letzten Spieltag durch ein Foul in der Nachspielzeit den Leverkusener Ausgleich (mit-)verursachte, läutete er die gestrige Niederlage durch einen haarsträubenden Fehler in der 9. Minute ein. Der 19-Jährige ist vergleichsweise neu in der Bundesliga, „Wachstumsschmerzen“ sind daher zu erwarten und gehören ein Stück weit dazu. Hinzukommt, dass Dardai zuletzt immer wieder körperlich bedingt ausfiel – in der Länderspielpause musste er mit Erkältung von der U21 abreisen – und dadurch wenig Rhythmus hat.
(Photo by Martin Rose/Getty Images)
Maxi Mittelstädt: Zeigt auf der offensiven linken Außenbahn weiterhin seine gute Form, schlug drei Flanken und hatte eine Passquote von 74%. Wenn in der 1. Halbzeit offensiv etwas passierte, so war es meist über Mittelstädt. Warum er in der 60. Minute weichen musste, erschließt sich von Außen nicht. Vermutlich, weil auch seine offensiven Ideen zu nichts führten.
Alexander Schwolow: Obwohl Schwolow auch in dieser Saison noch nicht 100% in Berlin angekommen zu sein scheint, lieferte er heute ein solides Spiel ab. Für die zwei Gegentore trug er keine Verantwortung. Gegen Kruse hielt er zwei Mal sehr stark und durch ein gut antizipiertes Herauslaufen in der 70. Minute konnte er ein 1 gegen 1 in einer Unioner Kontersituation präventiv verhindern.
Hertha BSC lieferte Bayer Leverkusen über 90 Minuten auf einem abgenutzten Rasen einen guten Kampf und war über weite Phasen auch die bessere Mannschaft. Man ging in Führung, verpasste es dann aber nachzulegen. So erzielte Leverkusen in der 90. Spielminute per Standardsituation noch den bitteren Ausgleich.
Wir blicken auf die individuellen Leistungen einiger Herthaner bei der ersten Punkteteilung der Saison.
Stefan Jovetic – Stürmerproblem gelöst?
Davie Selke war bisher zwar sehr engagiert, aber sonst eher erfolglos. Ähnliches gilt für Krzysztof Piatek, der in einigen Spielen kaum zu sehen war, und Ishak Belfodil. Bleibt noch Stefan Jovetic, der sich nun gegen Leverkusen beweisen durfte und sich als Spielertyp von seinen Konkurrenten unterscheidet.
Die Ausgangssituation für die Stürmer bei Hertha im aktuellen Spielsystem ist nicht gerade einfach. Häufig besteht aufgrund der defensiven Positionierung eine große Entfernung zum gegnerischen Tor, es wird viel Wert auf die Arbeit gegen den Ball gelegt und insgesamt bekommen die Stürmer nur wenige Ballkontakte in Strafraumnähe (ligaweit die wenigsten).
Stefan Jovetic konnte trotz dieser schwierigen Ausgangslage mit einer guten Leistung überzeugen. Gleich die erste Torannäherung in der siebten Minute initiierte er mit einem Weitschuss. In der sonst recht chancenarmen ersten Hälfte konnte er sich aber auch ohne direkte Torgefahr auszustrahlen, immer wieder am Spiel beteiligen. Häufig ließ er sich etwas fallen und bot eine weitere Anspielstation im Spielaufbau, nahm am Kombinationsspiel teil oder ermöglichte mit seiner guten Technik Steil-Klatsch-Kombinationen. Elemente, mit denen seine Konkurrenten im Sturm nicht unbedingt punkten können.
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Den größten Eindruck konnte er aber mit seinem Tor hinterlassen. In der 42. Minuten verarbeitete er einen Ball an der Strafraumgrenze gut, schloss dann herausragend aus der Drehung ab und erzielte ein Traumtor. Der Ball schlug im Toreck ein und Pal Dardais Matchplan schien vorerst aufzugehen. Die Fans im Olympiastadion jubelten und man schoss, wie so häufig in dieser Saison, ein Tor nach einer tollen Einzelleistung.
Einziger Kritikpunkt ist die Entscheidungsfindung in einigen Umschaltmomenten. Teilweise entschied sich Jovetic gegen den Pass zum Mitspieler und versuchte sich lieber an einem Weitschuss. Auch die Laufwege ohne Ball waren noch ausbaufähig. Darüber hinaus hätte er in der 55. Minute mit mehr Ruhe am Ball auch das 2:0 nachlegen können.
Insgesamt lieferte Jovetic aber eine gute Leistung ab und erzielte mit nur insgesamt drei Ballberührungen im gegnerischen Strafraum über das ganze Spiel seinen zweiten Saisontreffer in der Bundesliga und hat nun mit rund 0,6 Toren pro 90 Minuten den besten Torschnitt unter den Stürmern bei Hertha.
Die linke Seite – Früher Konkurrenz, heute gute Teamarbeit
Über Jahre lauteten die Optionen für die Linksverteidigerposition Marvin Plattenhardt oder Maximilian Mittelstädt. Abwechselnd hatte mal der eine, dann der andere die Nase vorn. Keiner konnte sich aber dauerhaft durchsetzen. Nun spielen in dieser Saison regelmäßig beide gemeinsam auf der linken Seite. Mittelstädt auf der offensiveren Position auf der Außenbahn, Plattenhardt dahinter.
Beiden Spielern scheint sowohl ihre Rolle als auch das System entgegenzukommen. So zeigte bei beiden die Leistungskurve zuletzt wieder nach oben. Auch gegen Leverkusen lieferte das Duo eine gute Leistung ab. Vor dem Spiel konnte man sich die Frage stellen, wie man das Tempo der Leverkusener Flügelspieler Moussa Diaby und Jeremie Frimpong in den Griff bekommen möchte. Rückblickend war Diaby nahezu unsichtbar, was auch an der guten Defensivleistung von Plattenhardt und Mittelstädt lag. Beide verteidigten diszipliniert und doppelten stets die Leverkusener Spieler. So konnte Diaby kein einziges seiner Dribblings erfolgreich gestalten, während Mittelstädt und Plattenhardt jeweils die Mehrheit ihrer Zweikämpfe für sich entscheiden konnten.
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Besonders Mittelstädt lieferte eine gute Leistung und gewann insgesamt die meisten Zweikämpfe auf dem Feld (18). In der Luft verlor er kein einziges seiner sieben Duelle. Mit genau so einem gewonnenen Luftzweikampf bereitete er auch das Tor von Jovetic vor. Zusätzlich legte er noch zwei weitere Schüsse auf und beteiligte sich intensiv am Mittelfeldpressing. Die gute Arbeit gegen den Ball wird auch der Grund gewesen sein, warum Mittelstädt an Stelle seines Konkurrenten Myziane Maolida aufgestellt wurde. Mit Ball muss Mittelstädt besonders im letzten Drittel noch entschlossener und abgeklärter werden. Auch muss er den Zug zum Tor erhöhen, selbst wenn er bei seinen letzten fünf Einsätzen nun bereits schon drei Vorlagen beisteuern konnte.
Insgesamt hat sich Herthas linke Seite in dieser Konstellation, passend zur aktuellen Entwicklung, sehr stabilisiert, ohne spielerisch zu glänzen – sehr passend zum Dardai-Stil.
Niklas Stark – Abwehrchef auf Abruf
Gegen Hoffenheim wurde der Kapitän Dedryck Boyata für ein unglückliches Foul mit Rot bestraft und für drei Spiele gesperrt. So musste sich die Abwehr der Hertha für das Spiel gegen Leverkusen erneut neu formieren. Stark blieb, nahm jedoch die Rolle des zuletzt stabilen Boyata ein. Seine gute Leistung gegen Leverkusen war einer der Gründe für den Fortbestand der defensiven Stabilität.
Im Spiel gegen den Ball lieferte Niklas Stark über 90 Minuten eine fehlerfreie Leistung ab und konnte teilweise sogar mit einigen wirklich starken Szenen überzeugen. In der 68. Minute vereitelte er zum Beispiel mit einer starken Grätsche eine Chance, bei der der Leverkusener sonst frei vor Schwolow zum Abschluss gekommen wäre. Das gute Stellungsspiel und höchste Konzentration im Abwehrverhalten (zwölf Ballsicherungen und sechs klärenden Aktionen von Niklas Stark) waren die Grundlage für eine gute Defensivleistung. So kam Leverkusen über das gesamte Spiel nur zu acht Abschlüssen.
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Ebenfalls beeindruckend war die Leistung von Stark im Spiel gegen den Ball. Dazu ein paar Zahlen aus dem Statistikbereich: 58/69 Pässe angekommen, 20/25 lange Bälle angekommen, nur ein Fehlpass in der zweiten Halbzeit, vier progressive Pässe, zwei schusserzeugende Aktionen und ein angekommener „throughball“ – ein Pass, der alle Gegenspieler überspielt, sodass der angespielte Mitspieler allein vor dem Torwart steht.
Das sind Zahlen, die sonst nur Marton Dardai, der mit Niklas Stark ein gegen Leverkusen ein spielstarkes Innenverteidigerduo bildete, bei Hertha erreicht. Spielerisch eine wirklich gute Leistung, die man von Niklas Stark nicht unbedingt immer so gewohnt ist. Besonders der angesprochene Pass zu Beginn der zweiten Hälfte, als Stark aus dem Stand einen punktgenauen Pass hinter die Leverkusener Kette spielte, stach heraus. Hätte Stefan Jovetic etwas weniger überhastet abgeschlossen, wäre dies eine Großchance auf das 2:0 gewesen.
Insgesamt sorgte Niklas Stark zusammen mit Marton Dardai dafür, dass man deutlich weniger Probleme mit dem Gegnerdruck im Spielaufbau hatte und selbst besser spielerisch in die gegnerische Hälfte kam. Möchte man die spielerische Entwicklung weitertreiben, könnte das auch künftig das favorisierte Duo in der Innenverteidigung sein.
Fazit
Trotz des bitteren und äußerst unnötigen Ausgleiches von Leverkusen in der 90. Minute kann man durchaus positiv auf das Spiel blicken. Nach der eher schwächeren Leistung gegen Hoffenheim konnte man sich die Frage stellen, ob die kurze Phase der Stabilität schon wieder vorbei ist. Nach diesem Spiel muss man dies definitiv verneinen. Defensiv stimmen die Automatismen und auch die Einstellung passt. Gegen den Ball kommt man über das Kollektiv, mit Ball ist man weiterhin von Einzelspielern abhängig. Verbessert man sich weiter im Umschaltspiel und findet mehr Lösungen für den eigenen Ballbesitz, kann das Ziel einer „Saison der Stabilität“ erfüllt werden.
Mit einer überaus überzeugenden Leistung, die wie aus dem Nichts kam, hat Hertha BSC überraschend mit 2:1 bei Eintracht Frankfurt gewonnen. Defensiv sehr kompakt, immer mit einer klaren Spielidee und viel Leidenschaft war die Berliner Mannschaft im Vergleich zu den Vorwochen nicht wiederzuerkennen. Unsere Einzelkritik.
Nach sehr spannenden 94 Minuten in Frankfurt ist unsere Hertha am Samstag als Sieger vom Platz gegangen. Die Zahlen dieses Spiels sprechen allerdings eine andere Sprache: Frankfurt hatte mehr Ecken, knapp 60 Prozent Ballbesitz, rund 130 Pässe mehr gespielt und auch eine deutlich bessere Passquote. Aber Frankfurts Spiel war recht einfach zu lesen und auf den letzten Metern aufgrund unpräziser Flanken und zahlreicher Fehlpässe schlichtweg zu ungefährlich. Hertha nutzte die Schwächen der Frankfurter intelligent, indem Konter effizient ausgespielt wurden und die Herthaner im Gegensatz zu den vergangenen Wochen wieder an das glaubten, was sie eigentlich stark macht.
Krzysztof Piatek – Come back stronger
Auch wenn es sich komisch liest: Obwohl Krzysztof Piatek im Spiel gegen Frankfurt kein Tor gemacht hat, war er das Sinnbild für den Hertha-Sieg. Denn während die Hessen zahlreiche Flanken vors Tor gaben, ohne dass irgendein Stürmer auch nur in Nähe des hereinfliegenden Balls stand, spielte Hertha gerade diese Standard-Variante im Fußball sehr effizient.
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Schon beim 0:1 gab es aus Hertha-Sicht eigentlich keine großen Hoffnungen auf ein Tor. Doch Marco Richter stand einfach besser als die Verteidiger und lenkte den Ball entscheidend ab. Auch die Situation entsprach diesem recht simplen Flanken-Mittelstürmer-Prinzip. Obwohl Piatek keines dieser beiden Tore geschossen hat, war er in Halbzeit eins gewissermaßen der Stimulus für dieses Spiel. Nach dem Führungstreffer vor zwei Wochen gegen Freiburg hatten Herthas Außen – allen voran ein starker Maxi Mittelstädt – wieder das Gefühl, einen Ballabnehmer in der Mitte zu haben. Piatek war mehrfach Anspielstation und hätte vor der Halbzeit eigentlich noch zweimal treffen müssen.
Vor seiner Verletzung wirkte Piatek noch oft wie das fünfte Rad am Wagen in Herthas Angriffsspiel – in den vergangenen beiden Spielen wirkte alles sehr abgestimmt. Piatek war konstanter Unruheherd im Frankfurter Strafraum. Auch ließ er sich immer wieder auf die Außen fallen, um Bälle festzumachen und Angriffe mit einzuleiten. So stellte der 26-Jährige – auch durch gute Pressingmomente – die Frankfurter Defensive immer wieder vor Probleme. Geht das auf dem Niveau weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der polnische Nationalspieler wieder trifft.
Dedryck Boyata – Hertha-Leuchtturm in Frankfurt
In Herthas bisheriger Saison wirkte die Innenverteidigung oft überfordert. Vielleicht lag das auch daran, dass Trainer Pal Dardai die Abwehr in fast allen Spielen verletzungsbedingt neu zusammenstellen musste. Nach dem Frankfurt-Spiel sollte ein Platz in der Verteidigung aber fest vergeben sein.
Denn insbesondere in Frankfurts Hardcore-Druckphasen kurz vor Schluss war es Hertha-Kapitän Dedryck Boyata, der auch durch sein starkes Kopfballspiel viele Angriffe im Keim erstickte. Sieben seiner elf Kopfballduelle gewann der Belgier in diesem Spiel.
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Aber auch in der ersten Halbzeit, als Frankfurt nach dem 0:1 zurückkommen wollte, ließ sich Boyata nicht beirren. Dass die Hessen ihre Stürmer nicht in Aktion bringen konnten, lag auch an Herthas Innenverteidigung. Herthas Spielführer klärte dabei herausragende zehn Situationen, dazu fing er drei Bälle ab und brachte zwei Tacklings durch. Nahezu magnetisch zog er die Bälle an, um sie dann aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Darüber hinaus war Boyata ein großer Faktor für Herthas sicheres Aufbauspiel, indem er stets eine Anspielstation war und seine Bälle sicher zum Mann brachte.
Boyata ist jetzt Anfang 30. Man kann nur hoffen, dass er Hertha auf diesem Niveau noch einige Jahre weiterhilft – und endlich verletzungsfrei bleibt.
Peter Pekarik – Kostics Albtraum
Wenn man gegen Eintracht Frankfurt eine Chance haben will, muss man Filip Kostic unter Kontrolle bringen. Hertha hat das geschafft – dank Peter Pekarik.
Wie wichtig Pekariks aggressives Vorgehen auf Frankfurts linker Außenbahn war, zeigte sich in den Schlussminuten. Mehrfach wurde Kostic aus dem zentralen Mittelfeld angespielt, doch seine Flanken kamen zumeist gar nicht bis ins Zentrum, weil sie von Pekarik unterbunden wurden. Der Slowake stand Kostic durchgängig auf den Füßen, brachte ihn mit seiner Zweikampfhärte und dem guten Positionsspiel zur Verzweiflung.
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Stellvertretend war eine Szene, in der sich Pekarik einmal mehr gegen Kostic durchsetzte und dieser entnervt abwinkte. Zehn von 14 Zweikämpfen gewonnen, neun Ballsicherungen, vier klärende Aktionen und drei abgefangene Bälle sprechen eine klare Sprache. Es war höchst imponierend, wie aufopferungsvoll Pekarik seine Aufgabe interpretierte. Ein Paradebeispiel dafür, wie es bei Hertha nur gehen kann, wenn man erfolgreich sein will.
Dardai hat auch aufgrund des chronischen Personalmangels viel ausprobiert auf den Außenverteidigerpositionen in den vergangenen Monaten. Mit Blick auf die vergangenen Jahre gibt es aber eine Personalie, die stets Klarheit und solide Leistungen mit sich brachte – und die heißt Petr Pekarik. Herthas Mister Zuverlässig.
Und dann waren da noch …
Vladimir Darida: Endlich mal wieder eine starke Leistung des Tschechen. Darida entpuppte sich als perfekter Konterspieler. In den Situationen als Frankfurt wieder einmal leichtfertig den Ball verlor, war es in der Regel Darida, der die Angriffe klug einleitete. Insbesondere das Zusammenspiel mit Maxi Mittelstädt, der oft viel Platz hatte auf der linken Seite funktionierte gut. Beide – Darida und Mittelstädt – waren die Gründungsväter des 0:2, ohne das Hertha mit einem Punkt in den Flieger gestiegen wäre. Lauf-, zweikampf- und spielstark – ein Darida in Topform kann Hertha so viel geben.
Jurgen Ekkelenkamp: Herthas Neuzugang wird immer mehr zum Phänomen. Bei seinem Hertha-Debüt reichten dem Niederländer 87 Sekunden für sein erstes Tor. Gegen Frankfurt waren es ganze 93 Sekunden nach seiner Einwechslungen, bis Ekkelenkamp einmal mehr jubeln durfte. Beim 2:0 lief er mustergültig den hinteren Raum des Sechszehners auf und schob sicher ein. Unkend müsste man meinen, der 21-Jährige dürfe nur noch eingewechselt werden und nicht der Startelf stehen.
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Suat Serdar: Wie ist Matheus Cunha zu ersetzen? Diese Frage stellten sich viele Herthaner, als der Brasilianer Hertha in Richtung Madrid verließ. Die Antwort lautet: Suat Serdar. Der Neuzugang aus Schalke ähnelt Cunha in seiner Spielweise sehr. Beide holen sich ihre Bälle tief im Mittelfeld, um dann oftmals auch allein in Richtung gegnerisches Tor zu starten. Der angenehme Unterschied ist nur, dass Serdar mit Ball am Fuß unheimlich zweikampfstark und unheimlich schwer vom Ball zu trennen ist. Cunha verlor den Ball zu oft, ließ sich auch schnell fallen, während Serdar mit seinen Vorstößen nicht selten am Strafraum des Gegners ankommt und dort dann einen klugen Pass spielt oder selbst schießen kann. Gegen Frankfurt war Serdar nicht einmal so auffällig wie zuletzt, mit seiner Zweikampf- und Laufstärke war er dennoch ein wichtiger Faktor.
Nach zwei Siegen gegen die Aufsteiger Bochum und Fürth hat Hertha gegen RB Leipzig eine deftige 0:6-Niederlage hinnehmen müssen. Die Mannschaft war den Leipzigern in allen Belangen so sehr unterlegen, dass man sich erneut fragen muss, ob dieser Kader überhaupt bundesligatauglich ist. Auffällig schlecht waren nicht nur die Spielerleistungen – auch einige Trainerentscheidungen schwächen Herthas Performance.
Es reicht hinten und vorne nicht
Schon nach der 0:5-Niederlage gegen Bayern München musste man sich fragen, ob Herthas Kader die Belastungsproben dieser Bundesligasaison übersteht. Die beiden Siege gegen Fürth und Bochum hatten die Diskussion um die Qualität des Teams zuletzt wieder etwas beruhigt. Aber die Daten des Leipzig-Spiels zeigen, wie sehr Hertha weiterhin entfernt ist vom gehobenen Bundesliga-Niveau.
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Das Team von Pal Dardai lief rund fünf Kilometer weniger als der Gegner, spielte knapp 90 Fehlpässe (Passquote: 73 Prozent), schoss nur viermal aufs gegnerische Tor, hatte einen Ballbesitz von 39 Prozent, verlor im Schnitt sechs von zehn Zweikämpfen und lieferte rund 40 Sprints weniger ab als Leipzig. Insbesondere auf den Außenbahnen, wo sich Hertha trotz mehrerer Abgänge im Sommer nicht ausreichend verstärkt hatte, wurden die Berliner von RB Leipzig schlichtweg überrannt.
Marvin Plattenhardt – Völlig überfordert
Marvin Plattenhardt war auf seiner linken Abwehrseite mit den beiden Leipzigern Mukiele und Nkunku völlig überfordert. Der Herthaner verlor nicht nur mehrere entscheidende Sprintduelle, sondern machte auch in Kopfballduellen und sonstigen Zweikämpfen eine äußerst unglückliche Figur. Die spielklugen Leipziger entdeckten diese Schwachstelle schnell für sich und spielten ihre tiefen Bälle immer gezielt zwischen Plattenhardt und die Innenverteidigung. Schon nach dem 1:0 durch Nkunku, als der Leipziger Plattenhardt schlichtweg stehenließ, war klar, dass Hertha über die linke Seite mehr als anfällig ist.
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Viel erschreckender als Plattenhardts Leistung ist der Mangel an Alternativen: Herthas Nachwuchshoffnung Luca Netz spielt jetzt in Gladbach, Maxi Mittelstädt zeigt ähnlich wie Plattenhardt derzeit nur schwache Leistungen und Jordan Torunarigha ist in der Innenverteidigung besser aufgehoben, derzeit aber ohnehin verletzt.
Herthas Neuzugang Jurgen Ekkelenkamp ist in der berühmten Ajax-Schule fußballerisch groß geworden. Die Ajax-Nachwuchsspieler sind bekannt für ihre brillanten technischen Fähigkeiten und ihre Spielintelligenz – allerdings auch für einen sehr Ballbesitz-geprägten und dominanten Fußball. Gegen den Aufsteiger Fürth hatte Ekkelenkamp dies exzellent unter Beweis gestellt. Hertha drückte die gesamte zweite Halbzeit über – viele Angriffe liefen über den Niederländer.
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Gegen Leipzig wiederum stand Hertha dauerhaft unter Druck: Schon nach wenigen Pässen hatten sich die Leipziger den Ball wieder zurückerobert, Hertha konnte eigentlich in keiner Sequenz des Spiels so etwas wie ein eigenes Spiel entfalten. Ekkelenkamp kam mit dieser Situation nicht klar. Von einem erfahrenen „Zehner“ müsste man erwarten können, dass er dem Spiel auch in solchen Drucksituationen seinen Stempel aufdrückt. Das hat der Niederländer nicht ansatzweise geschafft, was möglicherweise auch mit der taktischen Aufstellung der Mannschaft zu tun hat – womit wir beim nächsten Thema wären …
Pal Dardai – Zweifelhafte Entscheidungen und Äußerungen
Dass Hertha gegen Leipzig nie ins Spiel kam, könnte auch an der taktischen Aufstellung gelegen haben. Die beiden spielstarken Zentral-Spieler Serdar und Ekkelenkamp mussten hinter Davie Selke mehr oder weniger über die Außenbahnen kommen. Das Zentrum besetzte Dardai hingegen mit einem formschwachen Vladimir Darida und Santiago Ascacibar – beide sind nicht gerade für ein explosives, kreatives Konterspiel bekannt. Aber genau das hätte Hertha im Zentrum gebraucht, um überhaupt eine Chance zu haben.
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Insofern ist es wenig verwunderlich, dass nicht nur Ekkelenkamp sondern auch Serdar kein Faktor im Leipzig-Spiel war. Leider ist die Aufstellung im Leipzig-Spiel nicht die erste fragwürdige Entscheidung Dardais in dieser Saison gewesen. Gegen Bochum startete überraschend Dennis Jastrzembski auf der linken Seite, musste nach einer schwachen Leistung früh ausgewechselt werden. Die beiden spielstarken Neuzugänge Myziane Maolida und Jurgen Ekkelenkamp ließ Dardai in ihren ersten Spielen auffällig lange auf der Bank schmoren und warum der quirlige und flinke Marco Richter gegen Leipzig nicht Davie Selke bevorzugt wurde, versteht auch niemand – schließlich war Richter nach seinen Einwechslungen stets ein Unruhefaktor im gegnerischen Strafraum.
Auch über Dardais Spieleinschätzungen und Äußerungen muss man sich des Öfteren wundern. Dass der Ungar öffentlich seinen Job zur Verfügung stellte, war nur ein Beispiel für Dardais teils kontraproduktives Auftreten. Als Hertha-Fan kann man Dardais „Wir müssen das akzeptieren“-Spruch nach so desolaten Leistungen nicht mehr hören. Eine knappe Niederlage nach einem umkämpften Spiel gegen die Sachsen hätte man gut akzeptieren können. Aber warum müssen der Verein und die Fans immer wieder komplette Zusammenbrüche akzeptieren? Das kann nicht der Anspruch einer Bundesliga-Mannschaft sein. Auch Dardais Einschätzung, dass Hertha gegen Leipzig gut ins Spiel gekommen sei, ist einfach nicht nachzuvollziehen.
Und dann waren da noch …
Krzysztof Piatek: Die einzige erfreuliche Meldung vom Samstag war das Comeback von Piatek. Länger als vier Monate war der polnische Angreifer verletzt. Natürlich konnte auch Piatek nach seiner Einwechslung in der 84. Spielminute nichts mehr am Ausgang des Spiels ändern. Dass er aber wieder zu seinem Faktor in Herthas Angriff werden kann, bewies er kurz vor Abpfiff, als er den Ball an der Strafraumkante bekam und ohne langes Zögern einen wuchtigen Schuss abfeuerte. Schnörkellose Torgefahr – das ist Piateks Stärke.
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Kai Dittmann: Die Sky-Moderatoren haben in der Regel fast eine Woche lang Zeit, sich auf ein Bundesligaspiel vorzubereiten. Zu dieser Vorbereitung könnte es gehören, dass sich die Kommentatoren über die Aussprache der Spielernamen informieren. Kai Dittmann scheint dies als nicht allzu wichtig zu empfinden. Denn zum wiederholten Male nannte er Herthas Rechtsaußen Deyovaisio Zeefuik „Zefack“, was konstant an eine englischsprachige Schimpfwort-Phrase erinnerte. Das nervt!
Fazit
Herthas Management hat als Jahresziel ausgerufen, dass man eine „Saison der Stabilität“ spielen wolle. Nach sechs Spieltagen muss man das Fazit ziehen, dass dies bei Weitem bislang nicht erreicht wurde. Dank der beiden Siege gegen Fürth und Bochum steht das Team zwar nicht auf den Abstiegsrängen.
Herthas Auftreten ist allerdings alles andere als stabil. Kein Team hat bislang mehr Gegentore (18 an der Zahl) hinnehmen müssen und streckenweise fällt die Mannschaft komplett in sich zusammen. Hinzu kommt, dass man sich immer mehr um die Kader-Zusammenstellung sorgen muss. Die Ausfälle in der Abwehr der vergangenen Wochen haben Hertha in einen personellen Engpass geführt und auf den Außenbahnen hat das Team noch nicht einmal im fitten Zustand Spieler, die ein schnelles, aggressives Spiel aufziehen können, bei dem der Gegner früh attackiert wird.
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