Vorschau: Bayer 04 Leverkusen – Hertha BSC: Per Trotzreaktion dem Tabellenkeller fernbleiben?

Vorschau: Bayer 04 Leverkusen – Hertha BSC: Per Trotzreaktion dem Tabellenkeller fernbleiben?

Nach dem Spiel gegen Borussia Dortmund trennen die Hertha nur noch drei Punkte vom Relegationsplatz. Nur vier Punkte sind es, welche die Alte Dame von einem direkten Abstiegsplatz trennen. Und nach Borussia Dortmund ist vor Bayer 04 Leverkusen. Mit der Werkself trifft Hertha auf eine Mannschaft, die aktuell gut drauf zu sein scheint.

Licht und Schatten – so scheint Hertha BSC in dieser Saison bisher gut zusammengefasst. Strahlt insbesondere die Berliner Offensive, scheint es in der Defensive oftmals umso düsterer auszusehen. Nach oben in die Tabelle zu schauen, fällt den Berlinern aktuell schwer – es muss zunächst vermieden werden, in den Sog des Abstiegskampfes gesogen zu werden. Mit Bayer 04 Leverkusen wartet nun der nächste spielstarke Gegner, der die Berliner Defensive fordern wird. Die Werkself um Trainer Peter Bosz rangiert aktuell auf dem dritten Tabellenplatz.

Grund genug, um sich als Hertha-Fan sorgen zu machen? Darüber haben wir mit Leverkusen-Expertin Friederike vom “Neverkusen Podcast” gesprochen. Und sie verrät: Nicht alles, was glänzt, ist auch aus Gold.

Auf dem dritten Tabellenplatz – doch täuscht der Eindruck?

Mit drei Unentschieden gegen den VfL Wolfsburg, RB Leipzig und den VfB Stuttgart ist die Werkself zunächst schleppend in die neue Saison gestartet. Damit hatte sich Leverkusen zunächst in der unteren Tabellenhälfte auf Platz 14 eingereiht. Zu wenig für eine Mannschaft mit Champions-League-Ambitionen. Allerdings hatten die Leverkusener auch schmerzhafte Abgänge zu vermelden.

Kai Havertz zog es vor der Saison für 80 Millionen zum FC Chelsea, Kevin Volland wechselte für knapp 16 Millionen Euro zum AS Monaco und Trainer Nico Kovac. Beide waren jahrelang feste Größen und Stützen im Team. Mit Beginn des vierten Spieltages gelang es der Mannschaft aber, die Abgänge aufzufangen. Dann folgten Siege gegen Mainz 05, FC Augsburg, SC Freiburg und auch gegen Borussia Mönchengladbach. Am vergangenen Wochenende gegen Arminia Bielefeld konnte die Mannschaft ebenfalls drei Punkte einfahren.

Foto: IMAGO

Dennoch sieht Friederike auch Grund für Kritik: „Unser Tabellenplatz stimmt gar nicht mal so mit den Leistungen überein“, sagt sie. Am letzten Spieltag gegen Bielefeld habe die Mannschaft laut ihr eher schwach gespielt. „Aber der Gegner halt noch schwächer“, weshalb Aleksander Dragovic in der 88. Spielminute noch der 1:2 Siegtreffer gelang.

Leverkusen scheint die Pflichtaufgaben zu meistern, während die Mannschaft – mit Ausnahme des Sieges gegen Gladbach – gegen spielstärkere Teams wie Wolfsburg, Leipzig und diese Saison auch Stuttgart ihre Schwierigkeiten hat. Und hier kann Hertha ansetzen. Denn wenn die Berliner diese Saison eines können, dann ist es Offensive.

Die Leverkusener Mannschaft im Detail

Doch wenn Hertha ein ähnliches Defensivverhalten wie gegen Dortmund präsentiert, kann es für die Berliner auch schnell zu einem Debakel werden. Denn Leverkusen ist seit jeher als offensiv spielstarke Mannschaft bekannt. Sie spielen One-Touch-Fußball, oft mit schnellen Spielern auf den Außen. Auch die Abgänge von Kai Havertz und Kevin Volland scheinen vergessen zu sein.

„Wir waren alle skeptisch, wer die Lücken füllen soll“, sagt Friederike. Doch mit der Transferpolitik ist sie zufrieden. Auch wenn nicht viele neue Spieler hinzukamen. Denn „die Dagebliebenen machen es gut“, sagt sie. Als Beispiel nennt sie Moussa Diaby, der sich auf der linken offensiven Außenbahn „die Hacken wund läuft“ und die wiedergewonnene Spielfreude von Leon Bailey. Zusammengezählt haben beide diese Bundesligasaison nach acht Spieltagen drei Tore und vier Vorlagen erzielt.

Foto: IMAGO

Hinzu kommt Lucas Alario – mit sieben Treffern steht er auf dem vierten Platz der Torschützenliste. Und nach überstandener Verletzung steht nun auch wieder Stürmer Patrik Schick zur Verfügung. Auch wenn man im Leverkusener-Trikot noch nicht viel von ihm sehen konnte, „scheint er sehr gut zu uns zu passen“, sagt Friederike. „Er ist ein toller Typ Stürmer – torgefährlich und immer präsent“, sagt sie. Der Tscheche ist diese Saison ihr Lieblingstransfer gewesen.

Als „Glücksgriff“ bezeichnet sie Innenverteidiger Edmond Tapsoba, der gegen Bielefeld wegen eines positiven Corona-Tests jedoch ausfiel. Zuvor stand er in jedem Bundesligaspiel in der Startelf. Ebenso wichtig für das Team sei Florian Wirtz. „Er wird uns noch viel Freude bereiten“, sagt Friederike. Hier scheinen Parallelen zu Hertha zu sein – wenn aus Berliner Sicht auch eher negative.

Während es den Berlinern bisher nur mäßig gelungen ist, die Abgänge mit neuen Stützen im Team wettzumachen, scheint das in Leverkusen bereits gelungen. „Trainer Peter Bosz hat eine klare Spielidee, da sieht man wenig Experimente und das scheint bei den Spielern gut anzukommen“, sagt sie.

Matchplan: Ein offensives Feuerwerk

Beide Mannschaften haben ihre Stärken in der Offensive. Hier hat Hertha nach der Verletzung von John Córdoba einen Nachteil. Denn Krzysztof Piatek muss weiterhin erst ins Spiel eingebunden werden. „Und auch er muss sich mehr einbinden“, wie Bruno Labbadia nach dem Spiel gegen Dortmund analysierte. „Beide Seiten müssen aufeinander zugehen“, sagte er.

Matheus Cunha hingegen bleibt in dieser Saison weiterhin heiß gelaufen. Auf ihm baut das offensive Spiel der Hertha auf. Abzuwarten bleibt, ob Dodi Lukebakio die Bank droht. Die Kritik des Trainers an dem abwehrmüden Stürmer hört nicht auf. Jesse Ngankam könnte ihn ersetzen, auch Javairo Dilrosun stünde bereit.

Foto: IMAGO

Über die Leverkusener Offensive muss man sich auch in dieser Saison Sorgen machen. 16 Treffer hat die Werkself bereits erzielt – einer mehr als Hertha. Zu erwarten ist ein schnelles, offensiv geprägtes Spiel beider Mannschaften. Hertha braucht nach dem enttäuschendem Spiel gegen Dortmund einen Befreiungsschlag. Gegen Augsburg gelang das. Die Mannschaft muss sich ebenso trotzig zeigen.

Für den neutralen Fußballfan könnte es sich lohnen einzuschalten. Aus blau-weißer Sicht: Hoffentlich bleibt die Defensive gegen die schnellen Pässe und Laufwege der Leverkusener dicht. Das glaubt Friederike jedoch nicht – ihre Prognose: „Sorry, aber 3:2 für Leverkusen.”

[Titelbild: IMAGO]

Selbstbewusst das fehlende Glück erzwingen

Selbstbewusst das fehlende Glück erzwingen

Gegen die großen Mannschaften zeigte Hertha BSC in dieser Saison gute Leistungen. Für Zählbares reichte es aber nur gegen den VfL Wolfsburg. Oft fehlte das Glück, Pech und Ungeschick kamen hinzu. Auch die kommenden Teams werden Hertha alles abverlangen. Doch auch gegen sie muss nun gepunktet werden, will man Unruhen im Verein vermeiden. Gründe, um selbstbewusst zu sein, hat sich das Berliner Team erspielt. Ein Ausblick.

Es war der dringend benötigte Befreiungsschlag: Eine spielerisch starke Hertha besiegte am vergangenen Spieltag den FC Augsburg mit drei zu null. Und der Sieg war in mehrfacher Hinsicht wichtig. Einerseits, weil sich die Berliner bei einer Niederlage gefährlich nahe an den Abstiegsplätzen befunden hätten. Medial wäre es unruhig geworden. Die Kritik an den Verantwortlichen und der Mannschaft aufgrund des fehlenden Erfolgs trotz historischer Transferausgaben von Hertha wäre nicht mehr zu vermeiden gewesen. Aber auch, weil sich die Mannschaft mit dem Sieg endlich selbst belohnt hat. Darauf kann das Team nun aufbauen.

Foto: IMAGO

Denn drei der nächsten vier Gegner sind Teams, mit denen sich Hertha mittel- bis langfristig vergleichen will: Borussia Dortmund, Bayer 04 Leverkusen und Borussia Mönchengladbach heißen sie. Und sie alle spielen in den europäischen Wettbewerben mit. Dort, wo Hertha auch hin möchte.

Den Anspruch gegen sie zu gewinnen, hat man bei Hertha BSC aktuell aber noch nicht. Dennoch muss nun auch gegen sie Zählbares her. Vorher hat es die Mannschaft verpasst, sich ein Punktepolster zu erspielen. Hätte man gegen Eintracht Frankfurt oder den VfB Stuttgart punkten können, wären Niederlagen gegen die kommenden Mannschaften verkraftbar gewesen.

So aber steht man mit sieben Punkten nach ebenso vielen Spieltagen auf dem zwölften Tabellenplatz. Das ist weit weg von Europa. Auch wenn man das bei Hertha gut einzuordnen weiß. Weder Manager Michael Preetz noch Trainer Bruno Labbadia werden darin müde, zu betonen, dass sich das Team in einem Umbruch befindet. Und die ewigen Parolen haben durchaus ihre Berechtigung. Doch holt man keine Punkte gegen die oben genannten Teams, verliert womöglich sogar alle Spiele, wird es vermutlich unruhig im Verein werden. Doch Hertha kann optimistisch sein – und selbstbewusst. Denn gegen die Top-Teams der Liga spielte die Mannschaft bisher zwar fast punktelos, spielerisch aber stark.

Ungeschick in den eigenen Reihen – trotz starker Leistungen

Gegen den FC Bayern München, RB Leipzig und VfL Wolfsburg zeigte das Team von Trainer Bruno Labbadia starke Leistungen. In München glich die blau-weiße Truppe gar drei Mal aus, bevor Maximilian Mittelstädt in der Nachspielzeit ungeschickt agierte und Robert Lewandowski im eigenen Strafraum umriss. Der Pole verwandelte den Strafstoß und schnürte seinen Viererpack.

Foto: IMAGO

Zwei Spieltage später ging man gegen RB Leipzig sogar in Führung. Die Leipziger glichen drei Minuten später zwar schnell aus, dennoch bewies die Mannschaft Moral. Nach zwei Fouls zu Beginn der zweiten Halbzeit flog Deyovaisio Zeefuik mit gelb-rot vom Platz – fast 30 Minuten hielt Hertha in Unterzahl das Unentschieden. Erst als Jhon Córdoba im eigenen Strafraum Willi Orban zu Fall brachte, konnten die Leipziger per Elfmeter in Führung gehen. Vorher taten sich die Leipziger schwer, Wege an der Hertha-Abwehr vorbei zu finden. Sogar offensive Nadelstiche waren mit einem Mann weniger zu erkennen.

Und auch gegen den VfL Wolfsburg spielte die Mannschaft allen voran in der zweiten Halbzeit groß auf. Spielerisch stark, scheiterte die Truppe gleich mehrmals an der eigenen Chancenverwertung. Mehr als ein Punkt wäre wohl verdient gewesen. Doch alle drei Auftritte zeigen: Hertha hat Grund für Selbstvertrauen, auch gegen Top-Teams. Gegen den FC Augsburg hat das Team gezeigt, dass die Mannschaft ihre starken Leistungen auch in Punkte ummünzen kann.

Attraktiver Fußball in blau und weiß

Denn so langsam scheint das Gebilde zu stehen. Mattéo Gouendouzi scheint der erhoffte Mittelfeldmotor zu sein. Mit ihm auf dem Platz läuft das Spiel nach vorne agiler und zielstrebiger. Auch unter Druck hält er den Ball und kann ihn passsicher nach vorne verlagern. Mattheus Cunha spielt schon seit Saisonbeginn überragend. Vier Tore und zwei Vorlagen in sieben Bundesligaspielen bestätigen das. Gegen Augsburg stand hinten auch endlich die Null. Nur der Ausfall von Jhon Córdoba tut der Hertha weh, – umso motivierter wird Krzystof Piatek sein, endlich seinen Durchbruch in Berlin feiern zu können.

In Augsburg hat er mit einem Tor und einer Vorlage schon gezeigt, wie er dem Team helfen kann. Er ist ein gänzlich anderer Stürmertyp als Córdoba – gelingt es Labbadia und dem Team aber den Strafraumstürmer in Szene zu setzen, könnte er ein Torgarant werden. Und womöglich ist auch Lucas Tousart eine Option für das Spiel gegen Dortmund, der nach überstandener Verletzung diese Woche wieder mit dem Team zusammen trainiert.

Inzwischen ist auch der 7.Spieltag rum, vor mehr als zwei Monaten begann die Saison. Trotz Länderspielpausen, Corona-Erkrankungen einiger Spieler und Verletzungen scheint sich ein Gebilde gefunden zu haben. Auch Neuzugang Omar Alderete vertritt den verletzten Jordan Torunarigha in der Innenverteidigung stark.

Es wird Zeit für Punkte

Doch nun geht es gegen die restlichen Top-Teams der Liga. Und selbst Stadt-Rivale Union Berlin, aktuell auf dem vierten Tabellenplatz, spielt bisher eine überragende und mit 16 Treffern vor allem eine torreiche Saison. Das Derby gibt es am zehnten Spieltag. Erwartbar sind gegen die Teams keine neun beziehungsweise zwölf Punkte. Aber wegen des fehlenden Punktepolsters, steht Hertha jetzt schon unter Druck, punkten zu müssen.

Zugegeben, nach Dortmund, Leverkusen, Union und Gladbach folgt ein vergleichsweise einfaches Restprogramm. Mainz, Schalke und Bielefeld heißen die Gegner dann etwa. Doch auch diese vermeintlich „leichten“ Gegner dürfen nicht unterschätzt werden.

Foto: IMAGO

Erzielt man in den kommenden Spielen zu wenig Punkte, werden die Verantwortlichen sehr wahrscheinlich unter Druck geraten. Insbesondere, weil man dann vermutlich auch in der Tabelle abrutscht. Die Berliner Haupstadtpresse ist nicht dafür bekannt, geduldig zu sein. Und Investor Lars Windhorst scheint es ebenso wenig. Medial wird diskutiert, dass ihm die Entwicklung der Mannschaft nicht schnell genug gehen könne.  

Dennoch scheint sich die Mannschaft unter Labbadia und dank der Transfers spielerisch stark weiterentwickelt zu haben. Torchancen und Tore gibt es. Daraus sollte das Team schöpfen und den Mut haben, trotz der bisher mageren Punkteausbeute frei aufzuspielen. Gegen drei starke Teams klappte das schon – nur müssen jetzt auch die Punkte her.

[Titelbild: IMAGO]