Drei Thesen zu Hertha BSC – 1. FSV Mainz 05

Drei Thesen zu Hertha BSC – 1. FSV Mainz 05

Bundesliga-Topspiel am 33. Spieltag. Hertha BSC empfängt im Berliner Olympiastadion den 1. FSV Mainz 05 und kann den letzten Schritt im Kampf um den Klassenerhalt gehen. Nachdem Arminia Bielefeld am Freitagabend gegen den VfL Bochum verloren hatte, ist zumindest schon einmal der direkte Abstieg abgewendet. Auf das Ergebnis der Stuttgarter am Sonntag in München kann und will man sich nicht verlassen, der Klassenerhalt soll vor prächtiger Kulisse im eigenen Wohnzimmer gefeiert werden. Das sind unsere drei Thesen für das Spiel.

Das Spiel wird dreckig

Die Mainzer, deren Saison sich frühzeitig Richtung Mittelfeld ebnete, rutschten in den letzten Wochen in eine Abwärtsspirale, die die guten Leistungen in dieser Saison trübten. Der Sieg gegen die müden und lustlosen Meister-Bayern am letzten Wochenende war dann aber noch die Kirsche auf der im Endeffekt vollkommen akzeptablen Spielzeit.

Gegen die „Alte Dame“ werden die Mainzer versuchen, die großartige Atmosphäre im Stadion zu genießen, das Spiel auf sich zukommen lassen und es nicht nötig haben, die Hertha großartig in ihrer eigenen Hälfte einzuschnüren. Die Berliner müssen das Spiel machen, sich auf ihre Stärken und einfachen Spielzüge verlassen, um etwas mitnehmen zu können. Es wird ein Kampf gegen eine Mainzer Team sein, das Fehler eiskalt ausnutzen wird.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Im Hinspiel ging die Mannschaft mit 0:4 unter. Auch ein Zeugnis der Vercoachung Tayfun Korkuts. Viel zur Spielgestaltung werden die Rheinhessen nicht beitragen, was Hertha das Leben schwer machen wird.

Hertha – Mainz: Das Spiel endet knapp

Wir werden kein Torfestival zu sehen bekommen. Womöglich wird ein einziges Tor das Spiel entscheiden. Keiner wird es wagen ins offene Messer zu rennen und große Risiken einzugehen. Hertha muss sich dringend auf die gefährlichen Mainzer Stürmer einstellen. Ein Siegtreffer von Karim Onisiwo würde leider zu gut ins Klischee der Hertha-Niederlagen passen.

Selbst muss man sich wie in den Spielen zuvor auf einfache Spielzüge konzentrieren, Standardsituationen nutzen und das Glück vor dem Tor erzwingen. Für die Hertha kann das Spiel zu einer Geduldsprobe werden, die Charakter, Disziplin und Psyche fordern wird.


Mit einem Heimsieg zur besten Spielzeit um 18:30 Uhr kann Hertha BSC am Samstag gegen den 1. FSV Mainz 05 den Klassenerhalt sichern. Worauf es ankommt, lest ihr hier.


Raffael gegen Hoffenheim, Belfodil gegen Stuttgart und heute…?

In den vergangenen Jahren hat die Hertha eines bewiesen. Mit negativem Druck können die Blau-Weißen umgehen. Der dritte Abstiegskampf hintereinander. Während Herthaner Mannschaften sich immer im Kampf um die internationalen Plätze schwertaten, konnten sie in den unteren Tabellenregionen dem Tod immer wieder von der Klinge springen. So wird es auch gegen die Mainzer sein. Angetrieben von knapp 70.000 Fans müssen die Spieler die Situation positiv annehmen.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Springt der Funken über, kann wie gegen Stuttgart eine großartige Stimmung entstehen, die sich mit dem Kampf und der Leidenschaft des Teams vermischt. Das Potential, den Tag zu einem Goldenen zu machen, ist riesig. Wir werden einen ikonischen Moment für jeden Zuschauer sehen. Ähnlich wie bei Raffaels Lauf auf das leere Hoffenheimer Tor 2012 oder Ishak Belfodil gegen Stuttgart, könnte es auch heute zu einem Moment der emotionalen Explosion kommen.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Matchball vergeben

Herthaner im Fokus: Matchball vergeben

Hertha BSC spielt in Bielefeld 1:1. Und man muss angesichts der schwachen Bielefelder Offensive von „nur“ 1:1 sprechen. Die Berliner haben mit dem Remis in Ostwestfalen ihren ersten Matchball im Kampf um den Klassenerhalt vergeben. Doch die Chancen nächstes Jahr in der Bundesliga zu spielen, stehen weiterhin gut, weshalb nach dem Spiel absolut keine Trübsal geblasen, sondern die kämpferische Ausstrahlung der letzten Wochen weiterhin nach außen gezeigt wurde.

Auf der Bielefelder Alm hielt Felix Magath so gut es ging an seiner Startelf fest, die sich mittlerweile festgespielt hat. Im Tor Marcel Lotka, die Viererkette bestehend aus Marvin Plattenhardt, Dedryck Boyata, Marc Oliver Kempf und Peter Pekarik und die davor spielende Doppelsechs um Lucas Tousart und Santiago Ascacibar. Kevin Prince Boateng durfte wieder die Zügel im offensiven Mittelfeld halten, auf der linken Seite agierte Suat Serdar und auf der rechten Seite kam es zum einzigen Wechsel in der Startelf. Marco Richter ersetzte den gelbgesperrten Vladimir Darida, nachdem er selbst seine Gelbsperre abgesessen hatte. Vorne im Sturm vertraute Magath auf die Stärken von Davie Selke.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf die Garanten im Abstiegskampf, eine Hertha-Legende und Magaths gefährlichen Ritt auf der Rasierklinge.

Marvin Plattenhardt und Lucas Tousart: Die einfachen Tugenden müssen es sein

Marvin Plattenhardt und Lucas Tousart zeigen seit Wochen worauf es im Abstiegskampf ankommt. Nicht auf das schöne Spiel, sondern auf das geringste Spiel. Es geht um Einsatzwillen, um kluge Entscheidungen und im Endeffekt auch ganz nüchtern um Standardsituationen. Zusammen waren sie gegen Bielefeld das Duo, welches für den wichtigen Berliner Führungstreffer zuständig war.

Marvin Plattenhardt durfte wie üblich als Linksverteidiger agieren und dabei fast schon als Schienenspieler fungieren, während der auf dem Papier als linker Mittelfeldspieler eingesetzte Suat Serdar immer wieder in die Mitte zog. Gegen Bielefeld reichte über 71 Minuten eine durchschnittliche Leistung, um für Gefahr zu sorgen. Zunächst hätte es in der 23. Minute zur selben Kombination wie schon gegen Stuttgart kommen können. Die hervorragende Flanke Plattenhardts konnte Selke allerdings nicht verwerten. Seinen Kopfball aus kürzester Distanz hielt Torhüter Stefan Ortega stark per Fußabwehr.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Plattenhardt war an 48 Aktionen beteiligt, bemühte sich, gewann zwei seiner vier Zweikämpfe. Sein Aufblühen in den letzten Wochen liegt natürlich vor allem daran, dass er an seinen Stärken aus früheren Tagen anknüpft. Aktuell scheinen seine Leistungen für den Klassenerhalt am Ende zu reichen, doch muss man anmerken, dass die letzten Spiele vor allem gegen individuell schwächere Gegner absolviert wurden. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich das Spiel Plattenhardts gegen das scheinbar wiedererstarkte Mainz 05 entfaltet. Aber bekanntlich reicht manchmal schon nur eine gelungene Flanke.

Lucas Tousart war nach 55 Minuten der Nutznießer einer eben solchen gelungenen Flanke. Die Ecke von Marvin Plattenhardt konnte er aus wenigen Metern Entfernung einnicken, nachdem er sich im Strafraum von Patrick Wimmers Deckung befreien konnte. Der Franzose, der die komplette Spielzeit über auf dem Feld ackern durfte, lief wieder einmal seine obligatorischen zwölf km.

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(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Er war 57 Mal am Ball, verteilte diesen so gut es ging. 73 Prozent, also 22 seiner 30 Pässe fanden den richtigen Mitspieler. Eine durchaus vernünftige Quote, die ihn als ballverteilenden Akteur bezeichnen lässt. Wie schon gegen Stuttgart war seine Zweikampfquote nicht die beste. Nur 48 Prozent gewann er – es waren aber meist die entscheidenden. Zweimal zog er ein Foul, auch er selbst wurde zweimal unfair vom Ball getrennt. Er kämpfte und arbeitete, ging gegen seine Gegenspieler dreimal ins Tackling und zeigte seine Motivation, im Abstiegskampf zu helfen. Da scheint jemand in Berlin und im Team angekommen zu sein.

Peter Pekarik: Dauerbrenner und Mr. Hertha BSC

Peter Pekarik spielt mittlerweile seit 10 Jahren in Berlin. Der Slowake gilt als Hertha-Legende. Inklusive des einen Jahres, welches er damals noch in der 2. Bundesliga für die „Alte Dame“ absolvierte, war der Auftritt gegen Arminia Bielefeld sein 200. Liga-Einsatz für Hertha BSC. Wettbewerbsübergreifend kommt er sogar auf 217 Spiele für die Blau-Weißen. Auch am Samstag lief er über 90 Minuten die rechte Seite hoch und runter. Es war bereits sein 25. Einsatz in dieser Saison.

In der Rückrunde hatte er nur am 19. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg auf Grund einer Corona-Infektion gefehlt. Seitdem Felix Magath an der Seitenlinie das sagen hat, spielte der Rechtsverteidiger alle Spiele durch. Erstaunlich für einen 35 jährigen. Es ist natürlich auch ein riesen Großer Mangel im Kader der Hertha, dass man uneingeschränkt auf die Leistungen Pekariks angewiesen ist, doch der zeigt eben jene auch mit seiner üblichen Verlässlichkeit.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Zwar hat er mit dem Alter deutlich an Schnelligkeit eingebüßt, ist weniger wendig, tut sich oftmals im direkten Duell schwer, doch auch auf der Alm lief er stolze 11,5 km. Er gewann vier seiner neun Zweikämpfe, brachte 67 Prozent, also 22 von 33 Pässen an den Mann und behielt nach 24 Minuten die Übersicht, als er Davie Selke in Szene setzte, dessen Flachschuss auf das rechte Toreck aber von Ortega gehalten wurde.

Das Gegentor in der ersten Minute der Nachspielzeit muss aber auch er sich ankreiden lassen. Seine Zweikampfhaltung war in dieser Situation viel zu passiv. Die Folge war, dass ihm Joakim Nilsson entlief, der die Flanke von Robin Hack sehenswert einköpfte. Generell stand dieses Duell unter keinem guten Stern für Pekarik. Nach 58 Minuten hatte er Glück, dass Schiedsrichter Deniz Aytekin den Kontakt Pekariks an Nilssons Ferse nach VAR-Eingriff nicht als Foul wertete. Es wäre allerdings auch eine sehr harte, aber eben nicht falsche Entscheidung gewesen.

Fredrik André Bjørkan und Maximilian Mittelstädt: Zu kompliziert

Fredrik André Bjørkan und Maximilian Mittelstädt haben gegen Arminia Bielefeld praktisch mit ihren eigenen Aktionen gezeigt, weshalb es aktuell richtig ist, dass Felix Magath auf Marvin Plattenhardt setzt.

Bjørkan kam nach 71 Minuten für eben jenen Plattenhardt. Sein Auftritt war solide, mehr aber auch nicht. Die Bielefelder machten es ihm eigentlich nicht schwer, doch einfaches zustellen, ließ den Norweger schnell ins Schwitzen kommen. Immerhin gewann er zwei seiner vier Zweikämpfe und konnte elf von dreizehn Pässen an den Mann bringen. Doch der Großteil der Pässe waren eher sichere Bälle über wenige Meter.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In der Defensive fing er immerhin noch drei Bälle ab. Gerade in der Offensive gelang ihm allerdings einfach zu wenig. Er brachte zu wenig Tempo ins Spiel, agierte zu kompliziert, traute sich im eins gegen eins zu wenig und schien zu viel nachzudenken. Immer wieder konnte er sich auf der linken Seite durchsetzen, brach dann allerdings seine Aktion ab oder brauchte zu lange den Anspielpartner zu finden. Sein Auftritt verpuffte letztendlich wirkungslos.

Maximilian Mittelstädt kam erst nach 85 Minuten für Suat Serdar ins Spiel. Felix Magath sieht Mittelstädt weniger auf der linken Seite in der Verteidigung, sondern mehr eine Position weiter vorne. Doch leider zeigte Mittelstädt in den wenigen Einsatzminuten, warum er die meiste Zeit seiner Karriere eher hinten eingesetzt wird.

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(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Die offensive Routine fehlte ihm bei der riesigen Möglichkeit in der 88. Minute zusammen mit Luca Wollschläger. Auch sein Eckball kurz vor Schluss war ein schwacher Versuch nochmal in der Offensive etwas auszurichten. Mittelstädt ist in dieser Saison klar zum Führungsspieler herangewachsen und hat persönlich und spielerisch einen großen Schub gemacht, doch im Abstiegskampf geht es letztendlich um andere spielerische Aspekte, die ihm aktuell einen Stammplatz und Einsatzminuten kosten.  

Luca Wollschläger vs. Ishak Belfodil: Magaths gefährlicher Tanz auf der Rasierklinge

Felix Magath ist dafür bekannt bei seinen Stationen immer wieder jungen Spielern Chancen zu geben. Gegen Leverkusen durfte Marten Winkler Einsatzminuten sammeln, im Derby gegen Union Berlin feierte Julian Eitschberger sein Profidebüt in der Verteidigung, Anton Kade kam unter dem neuen Trainergespann auch schon dreimal zum Einsatz. Gegen Bielefeld kam ein weiterer Jungspund zu seinem Profidebüt. Der 19-jährige Stürmer Luca Wollschläger, der gegen den VfB Stuttgart in der letzten Woche bereits auf der Bank saß, bekam auf der Alm seine ersten zwölf Bundesligaminuten

Und er zeigte sich engagiert, lief viel, machte Bälle fest und ließ ohne Zweifel sein enormes Potential aufhorchen. Als Wollschläger in der 78. Minute für Davie Selke eingewechselt wurde und zuvor mit Niklas Stark, Fredrik André Bjørkan und Linus Gechter drei defensive Spieler bereits aufs Feld kamen, war die Devise relativ klar. Die knappe 1:0-Führung sollte über die Zeit gebracht werden. Um auf die letzten Minuten noch ein wenig Schwung in den Sturm zu bringen, setzte Magath auf das Talent Wollschlägers.

In der 88. Minute hätte Wollschläger dieses Vertrauen direkt mit einem Tor zurückzahlen und seinem Trainer mit dieser risikoreichen Entscheidung Recht geben können. Die riesige Möglichkeit zum 2:0 vergaben er und Maximilian Mittelstädt relativ kläglich. Vermutlich wäre ein Schuss aufs Tor direkt durch Wollschläger die richtige Entscheidung gewesen. So kam es wie es kommen musste. Wenige Minuten später erkämpfte sich Bielefeld den späten Ausgleich.

Die Kritik soll dabei keinesfalls an Luca Wollschläger und Maximilian Mittelstädt gehen. Eher an Felix Magath. Warum wird in einem solchen Spiel auf einen 19-jährigen Debütanten gesetzt und nicht auf einen erfahrenen Stürmer wie Ishak Belfodil, der über das gesamte Spiel nur auf der Bank saß? Wenn Belfodil nicht in Magaths System passt oder er ihm möglicherweise charakterliche Defizite unterstellt, warum ist er dann im Kader? Wie gesagt, wenn Wollschläger trifft, ist Magath der gefeierte Jugendförderer, so hat er sich leider verzockt. Der Treffer wäre wahrscheinlich der wichtigste der Saison gewesen.

Konzentration und Party gegen Mainz

Die Hertha hat den Matchball vergeben, allerdings wäre man auch bei einem Sieg auf Grund des Remis des VfB Stuttgarts gegen den VfL Wolfsburg nicht gänzlich gerettet gewesen. Die Situation im Abstiegskampf hat sich für die Berliner keinesfalls verschlechtert, sie ist genau gleich geblieben. Gegen den FSV Mainz 05 kann die Mannschaft aus eigener Kraft den Klassenerhalt feiern. Der VfB Stuttgart muss am folgenden Tag beim FC Bayern München antreten. Sollten die Bayern nach ihrem Meistertitel und der Niederlage in Mainz das Spiel ernst nehmen, dürfte dem Klassenerhalt am nächsten Wochenende nichts mehr im Wege stehen.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Doch schöner, als auf der Couch in der Liga zu bleiben, wäre eine bundesligataugliche Leistung im 18:30-Uhr-Spiel am Samstag. Das Spiel gegen die Mainzer wird enorme Konzentration und höchste Disziplin erfordern. Im entscheidenden Spiel der Saison brauch es keine personellen oder taktischen Experimente, die Leitlinie der letzten Wochen sollte nicht verlassen werden. Ein gut gefülltes und lautes Olympiastadion wird wie gegen den VfB Stuttgart entscheidend beim Klassenerhalt mithelfen. Es ist alles angerichtet. Ein Sieg gegen Mainz und einer großen Party und der endgültigen Versöhnung mit den Fans steht nichts mehr im Wege.

[Titelbild: Christof Koepsel/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Kampf und Leidenschaft gegen den VfB

Herthaner im Fokus: Kampf und Leidenschaft gegen den VfB

Die Hertha hat ihren Sieg in Augsburg am Sonntagabend im Berliner Olympiastadion gegen den VfB Stuttgart nicht nur bestätigt, sondern sich in eine absolut komfortable Situation im Abstiegskampf manövriert. Gegen die Schwaben zeigten die Berliner Mal wieder sämtliche Tugenden, aus denen es in der aktuellen Situation zu schöpfen gilt. Über die komplette Spielzeit nahm die Mannschaft den Kampf um die drei Punkte mit Leidenschaft, mit Kratzen, Beißen und Disziplin an.

Bei Hertha findet sich eine Achse

Im Vergleich zur Vorwoche musste Felix Magath das Team kaum verändern. Lediglich Marco Richter, der in Augsburg seine 5. Gelbe Karte gesehen hatte und damit für das Spiel gegen die Stuttgarter gesperrt war, wurde auf der rechten Außenbahn von Vladimir Darida ersetzt. Ansonsten blieb im 4-2-3-1-System dasselbe Team wie in Augsburg auf dem Platz. Im Tor Marcel Lotka. Flankenspezialist Marvin Plattenhardt auf der Linksverteidigerposition, Dauerbrenner Peter Pekarik auf der rechten Seite, Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung.

Davor die Doppelsechs, bestehend aus Lucas Tousart und Santiago Ascacibar. Der Form-erstarkte Kevin Prince Boateng war wieder auf der „Zehn“ zu finden und durfte im Team schalten und walten. Suat Serdar und Vladimir Darida als positionsfremde Akteure konnten trotz ihrer Tempo-Defizite auf den offensiven Außenpositionen für viel Wirbel sorgen. Im Sturm durfte wieder Davie Selke ackern.

Wir schauen heute auf einen Torhüter mit viel Zukunft, arbeitende Stürmer, welche Spieler durchgehend zwischen Genie und Wahnsinn agieren, einen sich aufopfernden Rekordtransfer, clevere Schachzüge des Trainerteams und die Stimmung in der Mannschaft und im Olympiastadion.

Marcel Lotkas Leistungen und Charakter sind ein Schlüssel zum Hertha-Klassenerhalt

Als in der 65. Minute der Stadionsprecher von Hertha BSC lautstark Lotkas Vornamen brüllte und über 50.000 Kehlen mit seinem Nachnamen antworteten, war das nicht nur ein Dank für die in diesem Moment von ihm geklärte Stuttgarter Chance. Zugegeben, der Schuss von Tiago Tomas aus 18 Metern war zwar wuchtig, aber so zentral geschossen, dass es eine Leichtigkeit für Lotka war, den Ball festzuhalten. Ähnlich wie schon zuvor in der 13. Minute gegen Endo, Chris Führich in der 38. Minute oder in der 58. gegen den Versuch Erik Thommys.

Doch der Ausruf seines Namens ist ein Dankeschön an einen Mann, der einem nahezu toten Team Leben eingehaucht hat. Der 20 Jahre alte Torhüter, der gegen den VfB seinen siebten Bundesligaeinsatz feierte und zum zweiten Mal in Folge ohne Gegentor blieb, zeigt eine Präsenz, die für einen so jungen Spieler ungewöhnlich, in der aktuellen Situation aber maßgeblich ist, um im Abstiegskampf bestehen zu können. Die Stuttgarter zwangen ihn zu fünf Paraden, zusätzlich fing er Flanken ab, darunter zwei Ecken. Von Spiel zu Spiel wird seine Strafraumbeherrschung besser. Er war 47 Mal am Ball, verteilte ihn, brachte 13 seiner 29 Pässe bei den Mitspielern unter und pushte sein Team, so gut es ging.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Sein Abgang nach Dortmund am Saisonende wird von Spiel zu Spiel bitterer. Es wäre wünschenswert, wenn man nach der Saison mit klarem Kopf die Situation neu denkt und bewertet und Optionen abwägt, die einen Verbleib in Berlin möglich machen. Er ist schließlich nicht nur ein Sprachrohr der Mannschaft und mittlerweile gerngesehener Gast an Mikrophonen nach den Spielen, sondern hat allemal Potential, zu einer Identifikationsfigur in Berlin heranzuwachsen. Seine Ausstrahlung und das Talent im Tor versprechen durchaus eine sehenswerte Zukunft.

Davie Selke und Ishak Belfodil: Die Stärken zur richtigen Zeit eingesetzt

Davie Selke und Ishak Belfodil sind zwei sehr spezielle Menschen. Der eine kauziger denn je, aber augenscheinlich mit einem feinen Charakter ausgestattet, der andere ein technisch hervorragender Fußballer, dessen Blick aber praktisch durchgehend schlimmstes befürchten lässt. Aber der Reihe nach.

Davie Selke war im Spiel gegen die Schwaben 79 Minuten dabei, ehe er sich mit Muskelbeschwerden auswechseln ließ. Seine Arbeitsmoral war wie immer tadellos. Seine Chancenverwertung ließ zunächst zu wünschen übrig. Doch die erste Torchance der Hertha, bei der Davie Selke in der 3. Spielminute direkt vor dem Tor den Ball verpasste, wurde nur wenig später egalisiert. Und das durch eine einfache Kombination, die reichte, um die Stuttgarter Verteidigung auszuhebeln. Auf der linken Seite wurde Marvin Plattenhardt in Szene gesetzt, der mit einer Effet-reichen Flanke dem perfekt im Zentrum einlaufenden Selke den Abschluss vorbereitete. Die wuchtige Direktabnahme sieben Meter vor dem Tor sorgte schon nach vier Minuten für die Führung der Berliner. Wenige Spieler genießen nach einem so langen VAR-Eingriff den Torjubel praktisch ein zweites Mal wie der Stürmer.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Im Verlauf der Partie konnte sich Selke zwar keine weiteren Chancen mehr erarbeiten, doch wie üblich büffelte er in der Offensive, beschäftigte die Verteidiger, spielte diese müde und setzte alles daran dem Team zu helfen. Er ließ sich sogar auf die Außen fallen, keiner seiner drei Flanken kam an, immerhin konnte er den Ball so aber von den Stuttgartern fernhalten. Er gewann sieben seiner 14 Zweikämpfe. Die Hälfte seiner 24 Pässe kam bei seinen Mitspielern an, was für einen Offensivspieler vollkommen okay ist.

Ishak Belfodil wurde nach 63 Minuten für Kevin Prince Boateng eingewechselt und zeigte wieder einmal seine technischen Fähigkeiten am Ball. Die Frage, wie er auf die Degradierung vor dem Augsburg-Spiel reagieren würde, beantwortete er in den letzten Minuten des Spiels hervorragend auf seine Art und Weise. Immerhin kam der Algerier in der knappen halben Stunde, die er agierte auf zwölf Ballaktionen, verteilte dabei die Bälle. Sieben seiner acht Pässe fanden den richtigen Adressaten. In der 69. Minute hätte er bereits erfolgreich sein können, doch den Flachschuss von Peter Pekarik konnte er nicht mehr entscheidend abfälschen.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

In der 3. Minute der Nachspielzeit zeigte er all seine Klasse. Die Mischung aus Schuss und Pass von Maximilian Mittelstädt, der von der linken Seite aus in den Strafraum zog, fing Belfodil an der Grundlinie ab. Die Ruhe, die er gegen Hiroki Ito und Florian Müller behielt, war aller Ehren wert, von seinen technischen Fähigkeiten, die er in dieser Situation zeigte, ganz zu schweigen, ehe er eiskalt einschob. Diese Ruhe und das Selbstvertrauen Belfodils waren zumindest bei dieser Aktion irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn. Da, wo ein gewisser…

…Marc Oliver Kempf das gesamte Spiel ist.

Der Verteidiger zeigte gegen seinen Ex-Verein wieder einmal seine ihn auszeichnenden robusten und körperlichen Aktionen. Seine Grätschen und sein Körpereinsatz sind oft so nahe an einem Foul dran, dass man als Fan der Hertha zittern muss, nicht gleich einen Elfmeter gegen sich zu sehen. Oft hatte er Glück bei seinen Grätschen, wobei es auch eine Stärke ist, die er in seinem Repertoire hat.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Seine stärkste Aktion hatte er in der 52. Minute, als er bei Stuttgarts größter Torchance mitten im Geschehen war. Mavropanos Schuss, den der Stuttgarter Verteidiger nach einem langen Sololauf halblinks im Strafraum aus etwas spitzerem Winkel abgab, konnte Kempf mit einer risikoreichen Grätsche gegen die Latte lenken. Zugegeben: eben jene Chance hatte Kempf selbst eingeleitet. Das Zusammenspiel in der Innenverteidigung mit Dedryck Boyata scheint von Spiel zu Spiel besser zu werden. Doch ehrlicher Weise muss man sagen, dass die Stuttgarter offensiv zu wenig zu Stande brachten.

Ansonsten konnte Kempf sechs Bälle klären, gewann 86 Prozent seiner Zweikämpfe, brachte 19 seiner 30 Pässe bei den Mitspielern unter und versuchte sich immer wieder mit langen Bällen, wovon immerhin fünf von elf Versuchen ankamen. Aktuell scheint Marc Oliver Kempf sich in der Innenverteidigung festgespielt zu haben.

Das Spiegelbild der Hertha: Der beißende und kratzende Lucas Tousart

Der Rekordtransfer der Berliner tat sich in seiner Zeit bei Hertha vor allem eines: Schwer. Doch was er in den letzten Wochen abreißt, ist aller Ehren wert und es macht Spaß ihn dabei zuzusehen. Er kämpfte aufopferungsvoll um jeden Ball, war von Mittelfeld bis Eckfahne überall zu sehen. Grätschte, kämpfte, warf sich in Tacklings und blühte zu einem wahren Kampfschwein auf. 60 Ballaktionen hatte er, verteilte die Bälle so gut es ging. 24 seiner 34 Pässe kamen an, immerhin 71 Prozent.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

53 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er, das mag zunächst nicht allzu stark klingen, doch in diesem Fall war es auch entscheidend, wann welche Zweikampfsiege wichtig waren. Er zog drei clevere Fouls, wurde selbst zweimal gefoult und fing bei den Stuttgarter Angriffen sieben Mal den Ball ab. Zusätzlich lief er 12,15 km und entwickelt sich nach und nach zu einem kleinen Laufwunder. In den letzten Wochen war er immer unter den Spielern, die die meisten Meter für Hertha abspulten. Einzig der ebenfalls nimmermüde Santiago Ascacibar lief mehr. Allgemein lief die Mannschaft über 120 km, was immerhin acht mehr waren, als die Spieler des VfB Stuttgarts.

Das Trainerteam: Sinnvolle Taktik, schlaue Wechsel und starkes Auftreten

Weiterhin traut sich das Trainerteam um Cheftrainer Felix Magath unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Der Mut wird belohnt. Man vertraut Kevin Prince Boateng und seinem empfindlichen Körper, Selke darf im Sturm agieren wie er will. Und auf der linken Seite bricht man die Qualitäten auf die Stärken von Marvin Plattenhardt runter. Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Im Spiel zeigt man einfache Spielzüge und vor allem Kampf und Leidenschaft.

Einerseits ist es schade, Maximilian Mittelstädts nicht durchgehend sehen zu können oder Ishak Belfodil im Sturmzentrum länger agieren zu lassen. Aber im Abstiegskampf gilt es die einfachsten Stärken eiskalt zu nutzen. Jeder Spieler muss sich dem unterordnen. Nachdem Plattenhardt zur Pause verletzt ausgewechselt werden musste, kam Fredrik André Björkan. Auch hier setzte Magath auf den einfacher gebauten Spieler im Vergleich zu Mittelstädt, der immerhin in den Schlussminuten mit einer Vorlage glänzen konnte.

(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Die Wechsel nach etwa einer Stunde, als Ishak Belfodil und Maximilian Mittelstädt für Kevin-Prince Boateng und Suat Serdar ins Spiel kamen, konnten cleverer kaum durchgeführt werden. Hertha drohte das Spiel vollkommen aus der Hand zu geben, wurde von den Stuttgartern nach und nach immer weiter eingeschnürt und musste Schuss um Schuss hinnehmen. Die Wechsel zerstörten den Angriffsdrang des VfBs und ordneten das Spiel neu.

Wieder wechselten sich Mark Fotheringham und Felix Magath ab, warfen taktische Anweisungen ein, motivierten und diskutierten. Fotheringham kassierte von Schiedsrichter Felix Brych sogar die gelbe Karte. Vedad Ibisevic tat dem agilen Trainerteam keinen Abbruch. Die Außendarstellung stimmt.

Die Stimmung im Team und Stadion war großartig: Und Hoffentlich bald wieder miteinander vereint

Das Team ist auch wirklich endlich ein richtiges Team, die Stimmung scheint hervorragend zu sein, das merkt man vor, während und nach dem Spiel und insbesondere nach dem entscheidenden 2:0 durch Belfodil, als sich Feld – und Ersatzspieler zur Jubeltraube zusammenfanden. Selbst Marcel Lotka nahm den weiten Weg vom eigenen Tor auf sich. Die Spieler sind durchgehend fokussiert, jeder hat seine Rolle akzeptiert, Kevin Prince Boateng ist endlich der absolute Leitwolf. Die Bilder nach dem Spiel, wo er die Mannschaft zusammensammelte, sprechen Bände. Die Spieler sind im Abstiegskampf endlich auf ihrem Höhepunkt angelangt und schaffen es sich zu den stärksten Leistungen zu pushen.

Zusätzlich herrschte am Sonntagabend eine wahnsinnig tolle Stimmung im Olympiastadion. Über 54.000 Fans waren zugegen. Die brachiale Stimmung war eines so großen Abstiegskrachers absolut würdig. Berlin und Hertha haben mal wieder gezeigt, wie viel Potential eine starke Zusammenarbeit hat. Die Anwesenheit von Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger hatte natürlich vor allem Symbolcharakter, zeigte aber auch dass Hertha und die Fans Themen in der Politik sind und das Stadionthema ernst genommen wird.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Der Verzicht der Mannschaft, in die Kurve zu gehen, ist verständlich. Die Bilder, die nach dem Derby entstanden waren, sind noch zu präsent. Ein Zusammenrücken in den nächsten Wochen täte dem Team im Abstiegskampf mehr als gut. Dazu müssen die Fans bedingungslos hinter der Mannschaft stehen. Gegen Arminia Bielefeld, dem nächsten Endspiel, kann Hertha BSC sich im Optimalfall aller Abstiegssorgen entledigen. Auf geht’s!

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Big Points in Augsburg

Herthaner im Fokus: Big Points in Augsburg

Der Abstiegskampf ist endgültig eröffnet, denn Hertha BSC hat ihn mit dem Sieg beim FC Augsburg angenommen und gibt der Konkurrenz ein klares Lebenszeichen. Im Schwabenland setzte Trainer Felix Magath auf altbewährte Tugenden und baute im Vergleich zur Derby-Schmach nicht nur personell, sondern auch das System um.

Boateng-Comeback und Belfodil-Streichung gegen Augsburg

Das größte Opfer der großen Rotation gegen Augsburg war zweifelsohne Ishak Belfodil. Der algerische Stürmer, der mit drei Toren in dieser Saison zu den torgefährlicheren im Team gehört, war nicht einmal im Kader. Er würde nicht zum Gegner passen, so die Einschätzung Magaths. Außerdem war von einer mangelhaften Trainingsleistung zu lesen.

Vom 4-1-4-1 aus der Vorwoche wechselte Magath auf ein 4-2-3-1. Auf der Position des Linksverteidigers verzichtete er dieses Mal auf ein Experiment, wie noch in der letzten Woche. Der 18-jährige Außenverteidiger Julian Eitschberger wurde für den Spieltagskader nicht noch einmal berücksichtigt. Die Hoffnungen ruhten auf den Stärken von Marvin Plattenhardt. Ebenfalls überraschend war das Festhalten an der Innenverteidigung um Kapitän Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf. Doch so viel vorweg. Beide bestätigten das Vertrauen mit einer deutlichen Leistungssteigerung. Peter Pekarik war wie üblich auf der rechten Seite der Verteidigung eingeteilt.

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(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Vor dieser fungierten Lucas Tousart und Santiago Ascacibar als Doppelsechs. Mangels Alternativen, aber ebenfalls deutlich stärker als zuletzt, musste Suat Serdar wieder die linke Außenbahn beackern. Kollege Marco Richter tat es ihm gegen seinen Ex-Club auf der rechten Seite gleich. Es hatte sich unter der Woche schon ein wenig angedeutet. Das Trainerteam entschied sich für einen Startelfeinsatz von Kevin Prince Boateng im offensiven Mittelfeld. Im Sturm durfte der nimmermüde Davie Selke ackern. Und eines muss vor jeder Analyse erwähnt werden: Marcel Lotka feierte im Tor der Hertha nicht nur den ersten Sieg, sondern auch das erste Spiel zu null. Herzlichen Glückwunsch dazu!

In der heutigen Analyse geht es um den Lenker und Denker im Team der Hertha, um die “Ausgerechnet-Fraktion” und um Pal-Dardai-Tugenden.

Kevin Prince Boateng: Endlich Leader und Star

Der Lenker und Denker im Spiel der “Alten Dame” und endlich wirkte er mal nicht wie der alte Mann, dessen Zenit schon weit überschritten ist. Bereits unter der Woche sprach Magath extrem offen vom Vakuum auf Führungspositionen in der Mannschaft. Lediglich Boateng könne diese Position einnehmen, was allerdings zu oft an der Verletzungsanfälligkeit des Altstars scheiterte.

Doch diese Aussage schien den noch immer technisch herausragenden Boateng zu beflügeln. Magath ermöglichte ihm sämtliche Freiheiten auf der Zehner-Position. Er riss das Team mit, fightete, machte den Gegnern das Leben schwer und war das Herz dieser Mannschaft. In seinen 69 Minuten Spielzeit – die längste Spielteilnahme Boatengs in dieser Saison – brillierte er mit 36 Aktionen am Ball. Er verteilte ihn, brachte 16 seiner 23 Pässe beim Mitspieler unter und konnte diese immer wieder in Szene setzen. Sein kluger Pass in der 10. Spielminute auf die linke Seite raus zu Marvin Plattenhardt leitete die erste Chance der Berliner ein.

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(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Doch er war nicht nur der Lenker und Denker, er hielt gleichzeitig wo es nur ging seine Knochen hin. Die Leidenschaft gepaart mit seinem kreativen Spielwitz ließ einen Fan von Hertha zum Teil mit feuchten Augen zurück. Er gewann zwölf von 14 Zweikämpfen. 86 Prozent gewonnene Zweikämpfe sind eine prächtige Quote für einen offensiv ausgerichteten Spieler. Zusätzlich half er in diesem emotionalen Spiel für clevere Spielunterbrechungen. Er zog kleinere Fouls, provozierte in Rudelbildungen und ließ sich selbst fünf Mal foulen. Niemand weiteres auf dem Feld musste so viel einstecken. Endlich bekamen wir jenes starke und zählbare Spiel zu sehen, welches wir uns so dringend gewünscht hatten.

Es scheint, als wäre Boateng zur entscheidenden Saisonphase fit und könnte der Mannschaft endlich mit seiner zweifelsohne immer noch riesigen Klasse helfen. Bleibt zu hoffen, dass er in den letzten Wochen vom Verletzungspech verschont bleibt.

Dedryck Boyata und Marc Oliver Kempf: Gute Reaktionen auf die Kritik

Die beiden Innenverteidiger waren in den letzten Wochen extremer Kritik ausgesetzt. Und das auch vollkommen verdient, allerdings wirkte es als wären sie in einem unüberwindbaren tiefen Loch gefangen. Nach der brutalen Klatsche gegen Union Berlin scheinen die beiden aber tief in sich gegangen zu sein und haben sich die Kritik zu Herzen genommen. Insbesondere Kapitän Dedryck Boyata, der von Felix Magath in die Pflicht genommen wurde, wirkte in Augsburg mit einer stark veränderten Einstellung am Spielgeschehen mit.

Er war wesentlich präsenter als in den letzten Wochen, kommunizierte mit seinen Mitspielern, zeigte eine viel mutigere Körpersprache und wirkte bei hitzigen Diskussionen auf seine Kollegen ein. Eigentlich alles Punkte, die zum Pflichtrepertoire eines Kapitäns gehören. Bei Boyata muss man aber nun mal auch diese hervorheben. Doch auch spielerisch wusste er stärker zu agieren. Während des Spiels – er war über die gesamte Distanz dabei – konnte er vor allem seine Passstatistik festigen. 64 Prozent brachte er beim richtigen Adressaten unter. 19 Aktionen hatte er am Ball. Deutlich weniger als zuletzt, was vor allem daran lag, dass die Hertha weniger den Ball verschleppte und es nicht nur mit den ungeliebten “Hintenrum-Bällen” versuchte.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Trotz allem ist sicherlich nicht alles top beim Belgier. Er gewann nur zwei seiner fünf Zweikämpfe und immer wieder wirkt er ein wenig überhastet in seinem Handeln auf dem Platz. Exemplarisch dafür die 11. Spielminute, als er bei einer Hereingabe des Spielgeräts von Robert Gumny vorbeisegelte und Alfred Finnbogason eine Großchance ermöglichte. Doch insgesamt muss man positiv festhalten, dass es eine der besseren Vorstellungen Boyatas war. Auch er muss dringend an diesen Leistungen anknüpfen und sie wieder zur Regelmäßigkeit machen. Die defensive Stabilität ist im Abstiegskampf von entscheidender Bedeutung.

Ähnlich wie Boyata agierte sein Partner Marc Oliver Kempf in der Innenverteidigung. Sein Spiel gegen die Fuggerstädter erinnerte ein wenig an sein Debüt für die Hertha zu Beginn der Rückrunde gegen den VfL Bochum. Auch dort wirkte er als stabiler Defensivmann mit, obwohl seine Statistiken anderes aussagten.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Gegen den FC Augsburg kam er auf 50 Prozent siegreiche Zweikämpfe, brachte wie sein Innenverteidiger-Partner 64 Prozent Pässe beim richtigen Spieler unter und agierte wild und entschlossen. Das Spiel Kempfs ist bekanntlich immer auf der Grenze zwischen robust und brutal. Auch in diesem Spiel stockte einem zwischendurch der Atem, doch insgesamt konnte man auch bei ihm eine Leistungssteigerung erkennen, ließ er doch dieses Mal die tölpelhaften Fouls aus seinem Spiel raus. Er beeindruckte zudem dadurch, dass er immer wieder Bälle ablief, die sonst in extrem gefährlichen Räumen gelandet wären.

Bleibt auch hier zu hoffen, dass es sich nicht um ein Strohfeuer handelt.

Marco Richter und Suat Serdar: Die Fraktion “Ausgerechnet”

Was haben die beiden Kritik einstecken müssen. Die Tatsache, dass sie sowohl unter Tayfun Korkut als auch zunächst unter Felix Magath schwer im Verdruss wegen mangelhaften Engagement standen, ließ zunächst den Schluss zu, dass durchaus etwas an dieser Einschätzung dran zu sein schien. Zusätzlich hatten beide in den letzten Wochen enorm viel mit sich selbst zu kämpfen und fielen hauptsächlich durch Frustaktionen auf. Doch die Forderungen nach Startelfeinsätzen wurden erhört.

Auf die individuelle Klasse, die diese beiden Spieler in sich tragen, kann man in einer Situation wie sie Hertha gerade zu bewältigen hat, eigentlich nicht verzichten.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Marco Richter durfte gegen seinen Ex-Verein 69 Minuten auf der rechten Außenbahn agieren. Und er war motiviert, wollte zeigen, dass er ein Mann für weitere Startelfeinsätze ist. Er war einer der aktivsten Berliner in Augsburg. 36 Ballaktionen sprechen eine deutliche Sprache. 80 Prozent seiner Pässe fanden den Mitspieler, was für einen Offensivmann keine schlechte Zahl ist. Zwar gewann er nur zwei seiner acht Zweikämpfe, doch trotz seiner fehlenden Durchschlagskraft kam er immerhin dreimal zum Abschluss. Der goldene Moment sollte in der 49. Minuten eintreffen. Es war eine tolle Kombination mit dem Ackergaul Davie Selke, der den ehemaligen Juniorennationalspieler per Doppelpass fein in Szene setzte.

Sein Pass in den Rückraum konnte Suat Serdar sehenswert per Hacke vollenden. Es war eines der schönsten Hertha-Tore in dieser Saison. Auch Suat Serdar, der wie üblich in dieser Spielzeit positionsfremd agieren musste, war bis in die Haarspitzen motiviert. 13 seiner 17 Pässe kamen an, er kam zu vier Abschlüssen, war enorm torgefährlich und gewann zusätzlich drei Tacklings. Auch defensiv wusste er seine Akzente zu setzen.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Ausgerechnet die viel gescholtenen Akteure konnten gegen die Augsburger zu überzeugen und für einen ersten großen Schritt im Kampf um den Klassenerhalt sorgen. Damit dieser gelingt, müssen nicht zuletzt genau die beiden weiterhin ihre Leistungen sowohl im Spiel als auch im Training zeigen. Ein Wehrmutstropfen ist allerdings, dass Richter gegen Augsburg seine fünfte Gelbe Karte gesehen hat und somit gegen Stuttgart fehlen wird.

Spielweise in Augsburg: Viel Dardai in Magath

Einen Felix Magath mit Pal Dardai zu vergleichen mag auf den ersten Blick despektierlich wirken, doch wenn man einmal genauer hinsieht, gibt es einige Gemeinsamkeiten und diese kann man auch positiv hervorheben. Die beiden sind Jugendförderer, sie sind bereit unpopuläre Entscheidungen zu treffen und für den Erfolg haben sie es nicht nötig auf hochgradig spielerische Qualität zu setzen.

Auch in diesem Spiel wechselten sich Magath und Fotheringham fleißig beim coachen ab und brachten ihre Stärken im Team mit ein. Auch ein Vedad Ibisevic instruierte wieder einmal vor der Einwechslung stehende Spieler und diskutierte mit dem 4. Offiziellen. Die Mannschaft agierte aus einer sicheren Defensive heraus. Die einheitliche Stabilität sorgte für Selbstvertrauen und die individuelle Qualität einzelner Spieler für den nötigen Spielwitz, um offensiv was reißen zu können.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Die drei Punkte in Augsburg sind ein extrem wichtiger Moment, der zu einem entscheidenden Wendepunkt in dieser Saison führen kann. Die Niederlage gegen Union Berlin ist damit keineswegs vergessen, entschuldigt oder wiedergutgemacht. Das ginge wenn überhaupt auch nur in zukünftigen Derbys im direkten Duell. Doch dieser Sieg kann Kräfte freisetzen um im Saisonendspurt zu bestehen. Boateng wird zum Leader, Tousart und Ascacibar sind große Kämpfer, Selke ein Arbeitstier, Serdar und Richter individuelle Kreativspieler und Plattenhardt kann mit ruhenden Bällen für enorme Gefahr sorgen.

Doch diese Qualitäten müssen in den letzten vier Saisonspielen durchgehend abgerufen werden, um irgendwie dem Abstiegsgespenst noch von der Klinge springen zu können. Die Tournee hat begonnen. Ob Rettung oder Abschied wird sich zeigen. Der nächste Schritt muss nächste Woche gegen Stuttgart gegangen werden.

[Titelbild: CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images]

Drei Thesen für FC Augsburg – Hertha BSC

Drei Thesen für FC Augsburg – Hertha BSC

Auf nach Bayern zum richtungsweisenden Duell gegen die Fuggerstädter. Die Schwaben, die sich in diesem Spiel aller Abstiegssorgen entledigen könnten, werden hochmotiviert gegen Hertha BSC sein und der „Alten Dame“ das Leben schwer machen. Als Herthaner muss man hoffen, dass die Einstellung gegen den FC Augsburg eine andere sein wird, als zuletzt im Derby und dass man sich auch bei Nackenschlägen nicht hängen lässt.

Für das erste von fünf Rettungs – oder Abschiedsspielen haben wir drei Thesen aufgestellt.

Marco Richter brilliert

Die zuletzt schwache Offensive wird gegen den FC Augsburg durch Marco Richter mit mehr Torgefahr versehen. Dank einer starken Hinrunde steht Richter in der Bundesliga bei fünf Toren für Hertha, was ihn zum erfolgreichsten Torschützen hinter Stevan Jovetic macht in dieser Saison. Problem: Alle Tore erzielte er in der Hinrunde, seitdem kam praktisch nichts mehr.

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(Photo by UWE KRAFT/AFP via Getty Images)

Gegen seinen Ex-Club wird Magath auf den Mann setzen, der bereits im Hinspiel erfolgreich war. Ex-Club und zuletzt wenig Spielzeit sorgen für eine gute Mischung aus Wut, Trotz und Motivation beim Ex-U-Nationalspieler. Er wird das offensive Spiel der Hertha ankurbeln, Chancen erarbeiten und an mindestens einem Hertha-Treffer beteiligt sein.


Der 30. Spieltag, Hertha BSC braucht dringend drei Punkte. Drei Faktoren entscheiden, ob Hertha zählbares gegen den FC Augsburg mitnimmt.


Augsburg muss nicht – Hertha kann nicht

Wir müssen uns auf einen spielerisch sehr müden Kick einstellen. Die Augsburger, die dem Klassenerhalt in den letzten Wochen ein ganzes Stück näher gekommen sind, werden sich zunächst um eine stabile Defensive bemühen. Mehr müssen sie momentan nicht tun. Punktuell werden sie es mit Kontern oder einem eigenen Spielaufbau versuchen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Der Hertha den Ball und das Spiel zu überlassen, könnte für die Bayern möglicherweise der Schlüssel sein. Die Berliner werden Schwierigkeiten haben ein kreatives Spiel auf die Beine zu stellen und mehrmals an sich selbst bzw. der nicht vorhandenen spielerischen Qualität scheitern. Mehr als zwei Tore werden wir nicht sehen und keine Mannschaft wird auf eine zweistellige Anzahl an Torschüssen kommen.

Ob Rettungs- oder Abschiedstournee entscheidet sich nicht heute

Bielefeld spielt gegen wütende Münchener, Stuttgart gegen befreit aufspielende Mainzer. Die Mannschaft hat nach der Derby-Schmach etwas gutzumachen. Wobei sie eigentlich eher für die gesamte Saison etwas gutzumachen hat. Ein Sieg gegen den FC Augsburg wäre immens wichtig und könnte die Karten im Abstiegskampf neu mischen und bei Hertha für die nächsten Wochen neue Kräfte freisetzen.

Doch egal wie das Spiel heute ausgeht, es wird in keiner Weise entscheidend und nicht einmal relevant für die nächsten Wochen werden. Die Mannschaft wird auch jetzt noch nicht den Ernst der Lage begriffen haben und erst gegen Stuttgart und Bielefeld sich wirklich etwas ausrechnen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Eine Niederlage mehr oder weniger könnte zwar in der Endabrechnung von entscheidender Bedeutung sein, ob das aber auch die Spieler so sehen, darf bezweifelt werden.

[Titelbild: Matthias Kern/Getty Images]