Abschied von Arne Friedrich: Die unromantische Realität

Abschied von Arne Friedrich: Die unromantische Realität

Die Woche ist gerade zur Hälfte rum und Hertha BSC hat schon wieder Schlagzeilen über Schlagzeilen produziert. Und dabei ist die Meldung, dass Arne Friedrich vorzeitig den Verein verlassen hat, nicht einmal die spektakulärste. Und doch die wohl emotionalste.

Ein letztes Mal Ehrlichkeit

Halbzeit im Berliner Olympiastadion. Arne Friedrich tritt recht zerknirscht zum Interview bei Sky an und versucht die mal wieder schwer enttäuschende Leistung der Hertha Mannschaft zu erklären. Hertha lag zu diesem Zeitpunkt 0:1 gegen Eintracht Frankfurt zurück. Seiner Forderung, dass die Mannschaft „endlich den Arsch hochkriegen müsse“, folgte keiner. Mit einer saftigen 1:4-Klatsche ging das Team wie so oft in den letzten Wochen unter. Der einzige, der „seinen Arsch hochkriegte“ war Arne Friedrich selbst. Und das zwei Tage später. Am Montag ging von mehreren Seiten die Meldung raus, dass er sein Engagement bei der Hertha vorzeitig abbrechen würde.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Friedrich selbst begründete via Social Media seinen vorzeitigen Abschied damit, dass sein Einfluss als Sportdirektor nicht mehr gegeben war. Fredi Bobic bestätigte das auf der am Dienstag angesetzten Pressekonferenz relativ nüchtern. Wie bereits erwähnt und hinlänglich bekannt, war der Abschied sowieso beschlossene Sache. Allerdings für den Sommer. Ob es einen neuen Sportdirektor geben würde, war noch nicht abschließend geklärt, wirkliche Gerüchte oder gar Meldungen gab es noch in keiner Weise. Und dennoch regt wieder einmal die Art und Weise, der Zeitpunkt und das komplette Bild, welches der Verein dieser Tage abgibt, zum tiefen Nachdenken an.

Friedrichs Engagement bei Hertha glich einer Zeitenwende

Hertha Ende November 2019: Seit dem Sommer war der Einstieg von Lars Windhorst und seiner Tennor-Holding beschlossene Sache, der Saisonstart verlief allerdings alles andere als zufriedenstellend und Trainer Ante Covic musste Platz machen. Jürgen Klinsmann, der zu dem Zeitpunkt als Berater von Lars Windhorst aktiv war, sollte als Nachfolger einspringen. Es begann eine der surrealsten Zeiten, die man als Hertha-Fan jemals kennenlernte. Facebook-Live-Auftritte, große Sprüche über die Champions League, Trainingslager in den USA, Treffen auf der Yacht von Lars Windhorst.

Mitten drin einer, den Klinsmann mitbrachte, aber als alter Bekannter kein neuer war: Arne Friedrich. Als sogenannter „Performance Manager“ war sein Aufgabenbereich schwer zu definieren. Mal sollte der ehemalige Profi, der immerhin von 2002-2010 auf 288 Pflichtspiele für Hertha BSC kommt, die Verteidigung trainieren, mal versuchte er mit seinen Erfahrungen aus US-amerikanischen Tagen Einflüsse aus dem Militär im Training der Hertha einzubinden und wieder ein anderes Mal, sorgte er mit Q&A’s auf Instagram für Fannähe.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Arne Friedrich gilt als attraktiv, eloquent, weltoffen und extrem wissbegierig. War er der Protagonist auf einer Pressekonferenz, konnten sich Journalist:innen über Offenheit und Warmherzigkeit freuen und zusätzlich über intelligente Aussagen. Friedrich strahlte eine riesige Professionalität aus, die neu war in Berlin. Bei Hertha hatte man sich mittlerweile an einen meist mies gelaunten Michael Preetz gewöhnt, der stets so wirkte, als hätte er sich lediglich dank des einen oder anderen Managementkurses ein etwas gehobenes Sprachniveau aneignen können. Von den polternden Pal-Dardai-Pressekonferenzen ganz zu schweigen. Jürgen Klinsmann wirkte dieser Tage auch mehr wie eine narzisstische und selbstverliebte Person, als ein gestandener ehemaliger Spieler und Trainer von Weltniveau.

Zusätzlich hatte Arne Friedrich schon in seiner aktiven Zeit in Berlin auf dem Platz einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Als ehemaliger Kapitän, Leistungsträger und noch dazu als Herthas erfolgreichster Spieler der deutschen Nationalmannschaft genießt er seit vielen Jahren in Berlin Legendenstatus.

Aus dem Schatten von Preetz an die Spitze

Als im Frühjahr 2021 Hertha wieder im tiefen Abstiegskampf stand und neben dem damaligen Trainer Bruno Labbadia auch Michael Preetz gehen musste und damit eine zwölf Jahre lange Ära endete, schlug Friedrichs Zeit. Seine Stelle war von nun an definiert. Vom Performance-Manager zum Sportdirektor. Zusammen mit dem neuen Vorstand Carsten Schmidt überzeugte er Pal Dardai von seiner Rückkehr und seinen alten Freund und Kollegen aus der Nationalmannschaft, Sami Khedira, von einer letzten Profi-Station. Es folgte eine Rückrunde, die mit dem Klassenerhalt, nach der mittlerweile legendären Corona bedingten Pause, beendet wurde. Arne Friedrich selbst leitete sogar für einen Tag lang das Training und bezeichnete sich später mit einem Augenzwinkern als Hertha-Trainer, mit der kürzesten Amtszeit.

(Photo by MICHAEL SOHN/POOL/AFP via Getty Images)

Doch diese goldene Zeit Friedrichs, die dem Verein so viel Professionalität verlieh, sollte enden, als mit Fredi Bobic der neue Vorstand Sport an der Spree die Zügel in die Hand nahm. Friedrich sollte seine Position als Sportdirektor behalten, allerdings sollte von nun an Fredi Bobic die öffentlichen Termine wahrnehmen. Er war der lang gesuchte und seit vielen Wochen ersehnte Sportvorstand. Aus Frankfurt war Bobic nach Berlin gekommen, wo er bereits von 2003 bis 2005 für zwei Jahre spielte. Er hatte sich über die Jahre in der Bundesliga einen mehr als respektablen Ruf erarbeitet. Aus dem ehemaligen Abstiegskandidaten Eintracht Frankfurt hatte er innerhalb kurzer Zeit einen Pokalsieger und Europa-League-Halbfinalisten gemacht. Er war für unpopuläre Entscheidungen bekannt, aber eben auch für Erfolg.

Bobics radikaler Umbruch fordert Opfer – Am Ende auch Friedrich

Ab dem Sommer 2021 änderte sich der Wind in Berlin komplett. Als neuer starker Mann installierte Bobic neue Leute, trieb einen radikalen Kaderumbruch an, war mutig genug, sämtliche Leistungsträger der letzten Saison zu verkaufen und zeigte sich regelmäßig vor den Berliner Medien als professioneller, aber eiskalter und nicht gerade nahbarer Manager.

Die Installation verschiedener neuer Personen im Kader forderte Opfer alter Wegbegleiter. Der langjährige Teammanager und als Vereinsikone beliebte Nello DiMartino wurde in die Jugend geschickt. Mit Benjamin Weber ging nach 18 Jahren der Akademie-Leiter, der erfolgreiche Jugendtrainer Michael Hartmann wird ihm wohl folgen. Für den Abschied von CEO Carsten Schmidt, der wie Arne Friedrich Professionalität und eine gewisse Form von Sympathie und Wärme versprühte, konnte Bobic nichts. Schmidt ging bekanntlich aus privaten Gründen.

Doch der Aufgaben– und Machtbereich Bobics sollte sich dadurch nur vergrößern. Es folgte die Entlassung Pal Dardais und die Einstellung von Tayfun Korkut auf der Trainerposition. Angeblich war Arne Friedrich in diese Entscheidung mit eingebunden.

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(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Doch wie tief Arne Friedrich noch ins Tagesgeschäft mit eingebunden war, muss hinterfragt werden. Mehr als das ein oder andere Feld-Interview vor Spielen oder in der Halbzeitpause bot Friedrich kaum noch. Er wurde zunehmend isoliert. Trotz allem stellte er sich bei der Konfrontation zwischen Mannschaft und Ultras zwischen die Parteien um zu vermitteln. In der Szene und beim Team beliebt, konnte er immer ein Bindeglied darstellen.

Der Abschied kommt nicht überraschend

Auch wenn Arne Friedrich stets betonte, dass er Herthaner und dem Verein dankbar sei, war es nie sein Plan, länger als nötig zu bleiben. Friedrich, der bekannt für seinen speziellen Lebensstil ist und seinen Lebensmittelpunkt eher in den USA sieht, kam zufällig in die Rolle bei Hertha. Doch er war bereit für die neue Herausforderung. Er hat sie zu jeder Tages- und Nachtzeit mit unfassbar viel Herzblut ausgefüllt und war ein Gesicht des Vereins, für viele sogar eine Identifikationsfigur.

Und Er hat dem Verein in der Außendarstellung unfassbar gut getan. Doch Friedrich ist keiner, der es nötig hat sich anzubiedern. Sobald man ihm zeigt, dass er nicht mehr gebraucht wird, macht er Platz. Eine neue Herausforderung für sein Leben findet er ohne große Schwierigkeiten.

Und nun?

Der Aderlass, den die Hertha in den letzten Monaten hinnehmen musste, war schwer zu verdauen. Bis heute ist er das nicht komplett. Im Verein herrscht seit viel zu langer Zeit eine Unruhe, die ihres gleichen sucht.

Wie man den Streit mit dem Investor beilegen soll, ist eine der großen zentralen Fragen in den nächsten Tagen und Wochen. Wie die Mannschaft die Klasse halten soll, die wohl größte und besorgniserregende. Mit Arne Friedrich ist der letzte große Kopf der Prä-Bobic-Ära nun weg. Mittlerweile ist es Fredi Bobic gelungen keinen nennenswerten Gegenspieler im Verein mehr zu haben und seine Leute in vielen Bereichen zu installieren. Seine Entscheidungen beäugt er selbst nach außen hin vollkommen unkritisch.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Die kontroverseste war definitiv die des Trainers. Die Tage zeigen mal wieder, dass es im Fußball viel um Business und Stärke geht und Romantik und Vergangenes oft keinen Platz haben. Die Mannschaft steht dem Abstieg in die 2. Bundesliga extrem nahe und Machtkämpfe und Kritikunfähigkeit sind fehl am Platz. Und gerade jetzt wären Ruhe und Professionalität gefragt. Charakterzüge, die Arne Friedrich mit Bravour ausfüllen konnte.

[Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images]

Podcast #183 Fehleinschätzungen

Podcast #183 Fehleinschätzungen

Hertha schippert munter weiter richtung zweite Liga. Das 1:4 war eine absolute Schlechtleistung, über die wir natürlich reden und auch noch einmal ganz klar über die Rolle von Tayfun Korkut und Fredi Bobic sprechen. Zudem gibts ein Leihspieler-Update von Marc und die frischen Reaktionen zum vorzeitigen Weggang von Arne Friedrich bei Hertha BSC.

Wir wünschen euch viel Spaß und freuen uns über eure Kommentare. Wir lassen uns die Laune nicht verderben!

Teilt den Podcast gerne mit euren Freund*innen, der Familie oder Bekannten. Wir freuen uns über alle Hörer*innen.

#hahohe #podcast #herthabsc #bundesliga #herthabase

https://www.herthabsc.com/de/nachrichten/2022/03/spendenaufruf-ukraine-2122

https://rp-online.de/sport/fussball/borussia/fohlenfutter/

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SPOTIFY AUSWÄRTSFAHRT PLAYLIST: https://tinyurl.com/y9s79eqp 

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Hertha im freien Fall – und Korkut noch der richtige?

Herthaner im Fokus: Hertha im freien Fall – und Korkut noch der richtige?

Hat Tayfun Korkut als Hertha-Trainer fertig? „Wer will, wer will, wer hat noch nicht?“, fragt man sich als Hertha-Fan mittlerweile regelmäßig während der Spiele. Es ist völlig egal wer auf dem Rasen steht, es ist egal wie der Gegner heißt, am Ende bricht die Gruppe – und in diesem Fall traut man sich kaum noch von Mannschaft zu sprechen – immer wieder auseinander und zeigt regelrecht Auflösungserscheinungen. Der Blick richtet sich immer mehr auf den Trainerposten.

Viele Startelfänderungen von Korkut, kein Effekt

Aber der Reihe nach. In einem mit 25.000 Zuschauer unter den aktuellen Bedingungen gut gefüllten Olympiastadion spielte die „Alte Dame“ gegen die Frankfurter Eintracht und wollte ein weiteres Mal den Versuch unternehmen, endlich den ersten Dreier im Jahr 2022 einzufahren. Wie zuletzt in verlässlicher Regelmäßigkeit stellte Trainer Tayfun Korkut die Spieler in der 4-3-3-Formation auf und wollte damit über die Außen für Gefahr sorgen.

Beim Blick auf die Startelf gab es einige Änderungen, die zum Teil nachvollziehbar waren, zu einem gewissen Maße aber auch stutzig machten. Im Tor stand wie gegen den SC Freiburg Marcel Lotka, an Stelle des sich noch in Quarantäne befindenden Alexander Schwolow. Der im Breisgau schwer überforderte Fredrik André Björkan wurde ersetzt durch Maximilian Mittelstädt, der seine Corona-Infektion überstanden hatte.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

In der Innenverteidigung macht der zuletzt meist überzeugende Youngster, aber möglicherweise noch angeschlagene Linus Gechter Platz für Marc-Oliver Kempf, der nach seiner Rot-Sperre wieder zurück in die Startelf rotierte. Kapitän Dedryck Boyata und Peter Pekarik komplettierten die Verteidigung. Während das zentrale Mittelfeld seit einigen Spielen unverändert bleibt,  gab es eine Veränderung im Sturm, die durchaus für Aufsehen sorgte. Statt des nimmermüden und mit viel Einsatz zu gefallenen Ishak Belfodils durfte Neuzugang Dung-Jun Lee zum ersten Mal von Anfang an spielen.

Viel ändern sollten die neuen Kräfte im Vergleich zu den letzten Spielen allerdings nicht. Sang- und klanglos wurde man von Frankfurt zeitweise vorgeführt. Doch auch nach diesem Spiel gibt es noch einen Funken Hoffnung. Wir gehen heute auf die katastrophale Verteidigung ein, wer anscheinend völlig überfordert ist und auf wen und was man im Abstiegskampf setzen muss, um die Klasse zu halten.

Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Habt ihr euch schon einmal gesehen?

Kaum zu glauben, aber schon wieder musste Hertha eine neue Innenverteidigung bilden. Möglicherweise setzte der Pferdekuss aus dem Spiel gegen Freiburg Linus Gechter immer noch so sehr zu, dass für ihn nur ein Platz auf der Bank in Frage kam. Alles andere wäre fragwürdig gewesen, wo doch Gechter in den letzten Spielen der beste Verteidiger war und ein weiteres Zerreißen der Verteidigung nur für Unsicherheit sorgen würde.

Aber eigentlich handelt es sich bei Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata um gestandene Verteidiger, die schon viele Schlachten geschlagen haben, die Bundesliga kennen und zu Leistungsträgern des Vereins gehören. Dedryck Boyata ist Kapitän und belgischer Nationalspieler. Von all dem sah man herzlich wenig. Es wirkte, als hätten die beiden sich noch nie zuvor gesehen. Es war zwar auch das erste Spiel, welches die beiden gemeinsam absolviert hatten, doch auch von Spielern dieser Klasse sollte besseres abgerufen werden.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Die Kommunikation war nur selten vorhanden und beide leisteten sich haarsträubende Fehler, wie Kempf, als er schon in der 6. Minute einen völlig unnötigen Fehlpass spielte, den er zwar selbst wieder ausbügelte, doch solche Szenen zeigen auch seine Verunsicherung. Boyata leistete sich Ballverluste, wie in der 15. Minute gegen Borré und konnte in keiner Weise für die dringend notwendige Stabilität sorgen, die es gebraucht hätte. Beide haben mit 84 Prozent angekommener Pässe – in Boyatas Fall 77 Prozent – zwar ganz gute Passquoten, doch zu viel davon stammt vom ideenlosen Hintenrum-Spiel. Beide leisteten sich über zehn Ballverluste. Wie soll so eine Verteidigung im Spielaufbau die Mitspieler in Szene setzen können? Auch die Versuche mit langen Bällen die Angriffe zu starten, verpufften praktisch. Nur drei von acht langen Bällen kamen an.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Boyata selbst hatte seinen dunkelsten Moment des Tages als er in der 63. Minute in keiner Weise seine Klasse zeigen konnte, sich von Borré und Kamada völlig überspielen ließ und durch seinen Sturz zu Boden keinerlei Eingriffschance mehr beim endgültigen Todesstoß zum 1:4 hatte. Zusammen konnten sie zwar auch noch fünf Bälle klären, drei weitere Schüsse des Gegners blocken und somit eine noch höhere Klatsche verhindern, aber ihre Überforderung ist schwer in Worte zu fassen.

Dong-Jun Lee: Eine bemitleidenswerte Überforderung

Der Wechsel des Südkoreaners nach Berlin ist sicherlich eine interessante Perspektivverpflichtung, die Fredi Bobic da getätigt hat. Doch es muss noch viel passieren, bis Lee ein Bundesligaspieler wird und Hertha helfen kann. In der aktuellen Situation hat man Mitleid mit ihm.

Gegen eine Abwehrkante wie Evan N’Dicka hatte er praktisch keine Chance, war überfordert und konnte seinen einfach zu schmächtigen und leichten Körper kaum nutzen, um in Zweikämpfe zu gehen. In der 32. Minute hatte aber auch Lee Pech mit dem Schiedsrichter, als der Einsatz N’Dickas unbeachtet blieb. Für Freiburg gab es in der letzten Woche für weniger Elfmeter. Hier hätte der Einsatz des VAR durchaus für Fairness gestanden. Das Schiri-Pech gehört für die Hertha in dieser Saison dazu wie das blau-weiße Trikot. Es ist verrückt, wie viele brenzlige Aktionen immer gegen beziehungsweise nie für die Mannschaft gepfiffen werden.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Dong-Jun Lee hatte 22 Ballaktionen, immerhin konnte er alle seine sechs Pässe an den Mann bringen. Dazu kommen allerdings auch acht Ballverluste und nur ein gewonnener Zweikampf von acht. Sein Mehrwert für die Offensive ging gen null und es ist zu hinterfragen, weshalb er an Stelle von Ishak Belfodil spielen durfte. Seine überforderte Performance mündete letztendlich sogar darin, dass er mit zunehmender Spieldauer kaum noch ins Spiel der Hertha eingebunden wurde und die Offensive versuchte den Angriff ohne ihn aufzubauen. Nach 56 Minuten wurde er für Kevin-Prince Boateng ausgewechselt.

Marcel Lotka: Auf Teamniveau innerhalb eines Spiels

Gegen Freiburg war er noch als positives Beispiel zu sehen. Er zeigte, was im Team fehlte: Ehrgeiz, Bock auf Hertha, Motivation. Doch all das scheint innerhalb einer Woche weg zu sein. Dem nach Dortmund wechselnden Lotka ist nach diesem Spiel nun auch eine schwache Leistung vorzuwerfen.

Seine so hochgelobte Kommunikation ließ sehr schnell nach, seine Abwehr konnte er kaum noch pushen und auch im Tor konnte er sich dieses Mal nicht so auszeichnen wie noch gegen Freiburg. Immerhin war er 43 Mal am Ball, versuchte die Bälle gewissenhaft zu verteilen oder mal einen Angriff einzuleiten, doch es verpuffte nahezu alles wirkungslos. Während seine sehr gewagten Ausflüge aus dem Strafraum mit zusätzlichen Fehlpass gegen Freiburg noch unbestraft blieben, leistete er seiner Mannschaft gegen die Eintracht einen kapitalen Bärendienst.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

In der 56. Minute lief er völlig ohne Not und in fehlender kommunikativer Absprache mit seiner Verteidigung, insbesondere Boyatas, aus dem Strafraum, um die Situation zu klären. Doch sein Fehlpass war die hervorragende Einladung an Lindström, der per feinen Heber das vorentscheidende 3:0 für Frankfurt erzielte. Marcel Lotka ist damit innerhalb einer Woche auf das verunsicherte Niveau der Mitspieler gefallen.

Davie Selke, Maxi Mittelstädt und Lucas Tousart: Die Einstellung stimmt

Irgendwo muss man die Hoffnung suchen. Immerhin geben sich nicht alle auf, das kann und muss man festhalten. Nach dem Spiel gaben Marc Oliver Kempf und Davie Selke bei Sky-Interviews, die einerseits voller Frust, aber eben auch voller Wahrheit waren. Es muss was geschehen, sonst wird es dunkel. Doch es stellt sich die Frage, ob sich ein Kempf, der eine mehr als schwache Leistung gegen Frankfurt zeigte, solch große Töne spucken und über Statisten reden sollte, während er selbst der Mannschaft in keiner Weise Stabilität bietet.

Davie Selke ist wahrlich kein Leistungsträger und auch keiner der in den letzten Jahren Bundesliganiveau zeigte. Weshalb es immer etwas bizarr anmutet, wenn er versucht, die Mannschaft anzufeuern. Aber immerhin tut er es. Sein Tor ist eines der schönsten Tore der Hertha in dieser Saison. Ein starker Volley. Der Ball ist ihm aber auch in dieser Situation sehr dankbar vor den Fuß gelegt worden. Es war ein Zufallsprodukt, wie wir es bei Hertha in dieser Saison so oft hatten. Er kam in der 56. Minute für Vladimir Darida in die Partie um noch irgendwas in der Offensive ausrichten zu können. Er rieb sich auf, könnte den einen oder anderen Ball verteilen. Immerhin brachte  er sieben seiner elf Pässe zu den Mitspielern. Auch seine vier gewonnen Zweikämpfe zeigen, dass er sich kämpferisch gibt. Doch was nützt all das, wenn sich die Mannschaft nach dem einzigen Hoffnungsschimmer, direkt wieder niederringen lässt?

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Lucas Tousart scheint die Situation und Lage verstanden zu haben. Immerhin kämpft er, wirkt wacher und nicht mehr so lethargisch und überfordert, wie in den vielen Wochen und Monaten zuvor. 12,11 km lief er, mehr als jeder andere. Doch auch seine Statistiken zeigen zu wenig Ertrag. 17 Ballverluste, nur fünf von elf gewonnenen Zweikämpfen. Das ist zu wenig. 57 Prozent seiner Pässe kamen an. Nur einer seiner sechs langen Bälle kam beim Mitspieler an. Statistisch war Tousart keine Hilfe, das muss man festhalten, aber er zeigt, was Einsatz ist und was Abstiegskampf bedeutet. Es wäre schön, wenn es ihm gelänge, das in Konstanz umzumünzen.

Maximilian Mittelstädt hatte zuletzt gefehlt. Und das sehr. Aktuell ist er das Herz der Mannschaft, so viel Leidenschaft, wie er noch versprüht. Und es gibt wenige bei Hertha, die die Fans gerade so mitreißen können, wie er. Er war wieder einer der aktivsten, hatte 69 Ballaktionen, gewann fünf Tacklings, 85 Prozent seiner 33 Pässe kamen beim richtigen Adressaten an. Er gewann neun seiner zwölf Zweikämpfe, eine vernünftige Quote. Doch auch er verlor wie seine Mitspieler zu viele Bälle. 13 an der Zahl waren es letztendlich. 

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Sein Ausraster vor der gelben Karte in der 74. Minute war die Gefühlswelt der Hertha-Fans, die den Frust im Abstiegskampf Woche für Woche spüren. Man merkt, wie nahe Mittelstädt die aktuelle Situation geht. Er ist in dieser Saison enorm gereift und zum Führungsspieler gewachsen und wird in den nächsten Wochen eine sehr wichtige Komponente im Abstiegskampf werden.

Korkut: Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch sie schwindet

Von Anfang an lief die Hertha dem Ball hinterher. Die Spieler spielten, als hätten sie Zementsäcke an den Beinen, waren mit allem was sie taten überfordert und mit dem Kopf ganz weit weg. Es kamen schwerwiegende individuelle Fehler dazu. Aber was über allem steht, ist, dass diese Mannschaft keine Mannschaft ist und auch nicht die Qualität für ein gutes Bundesliga-Spiel hat.

Hertha hat mittlerweile die schlechteste Punkteausbeute der Rückrunde. Der VfB Stuttgart hat den Abstiegskampf angenommen und beginnt zu punkten, genauso wie alle anderen, die unten stehen. Nur noch einen Punkt sind die Schwaben dahinter und sind drauf und dran, die Lichter in Berlin immer dunkler zu schalten. Fredi Bobic wollte sich nach dem Spiel nicht äußern, weshalb, darf gemunkelt werden. Tayfun Korkut, der wieder einmal eine klägliche Figur im Interview abgab, hat keine Argumente auf seiner Seite, scheint gänzlich das Team verloren zu haben. Die Frage, ob er es jemals wirklich erreicht hatte, muss gestellt werden, bei einer Gegentorflut, die ihres Gleichen sucht. Hoffnung macht der Einsatz Einzelner.

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images

Zusätzlich waren Spieler wie Marc Oliver Kempf und Davie Selke nach dem Spiel sehr offen und haben klar gesagt, dass sich etwas ändern muss. Allerdings befinden wir uns mittlerweile in einem Teil der Saison, wo Interviews rein gar nichts mehr bringen. Leistung und Einsatz müssen abgerufen werden und wenn das nur von einigen wenigen kommt, ist es zu wenig im Abstiegskampf.

[Titelbild Maja Hitij/Getty Images]

Drei Thesen zu Hertha BSC – Eintracht Frankfurt

Drei Thesen zu Hertha BSC – Eintracht Frankfurt

Seit der letzten Woche steht Hertha BSC auf dem Relegationsplatz, die Luft wird dünner. Doch der Gegner vom Main kommt ebenfalls nicht mit dem größten Selbstbewusstsein. Die Chance für die „Alte Dame“, Plätze im Abstiegskampf gutzumachen ist durchaus vorhanden. Zwei Arten von Rückkehrern spielen dabei in die eigenen Karten.

Unsere drei Thesen zum Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt.

Mittelstädts Rückkehr gegen Frankfurt sorgt für Wirbel auf der linken Seite

Im Januar noch Herthaner des Monates, im Februar dann der Ausfall mit Corona. Beim Spiel gegen den SC Freiburg stand Mittelstädt wieder im Kader, blieb allerdings ohne Einsatz. Winterneuzugang Fredrik Bjørkan konnte während seiner Einsatzzeiten noch nicht wirklich überzeugen, man kann ihm aufgrund der noch kurzen Eingewöhnungszeit und dem Sprung von der norwegischen zur höchsten deutschen Liga keinen Vorwurf machen.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Gegen Eintracht Frankfurt wird Mittelstädt daher wieder starten und an seinen guten Leistungen zu Beginn der Rückrunde anknüpfen. Da das Spiel der Gäste vornehmlich über die linke Seite läuft, könnte Mittelstädt auf seiner linken Seite die Freiheiten bekommen, die er braucht, um vorne mit zu wirbeln. Ob dabei ein Scorer mit herausspringt, bleibt abzuwarten, zu gönnen wäre es dem 24-Jährigen.

Das Spiel wird Unentschieden ausgehen – das hilft keiner der beiden Mannschaften

Dass Hertha BSC noch kein Pflichtspiel seit Beginn der Rückrunde gewinnen konnte ist nichts Neues. Zwei Punkte aus sieben Ligaspielen sind die Zahlen eines Absteigers. Doch auch die Frankfurter „Adler“ kämpfen mit einer sportlich schwierigen Phase. Seit Start der Rückrunde gelangen ihnen nur ein Sieg gegen die ebenfalls momentan schwächelnden Stuttgarter und ein Unentschieden gegen den FC Augsburg, die selbst nicht viel besser als Hertha stehen. Die fünf Niederlagen seit Spieltag 17 waren unter anderem gegen Mannschaften wie Arminia Bielefeld und VfL Wolfsburg, die beide in der unteren Tabellenhälfte stehen.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Hertha hat also durchaus Chancen Punkte aus diesem Spiel mitzunehmen, über ein Unentschieden kommt man allerdings nicht hinaus. Es gilt daher der alte Fußballspruch: Ein Punkt, der keinem von beiden hilft. Frankfurt dümpelt weiter im Niemandsland der Tabelle unter den eigenen Erwartungen, muss den Blick eher nach unten als nach oben richten. Und Hertha bleibt knietief im Abstiegskampf, im Worst Case bleibt man auf dem Relegationsplatz und verliert sogar Vorsprung auf die Verfolger aus Stuttgart.


Hertha ist neben dem VfB Stuttgart das einzige Team im deutschen Oberhaus, das im Kalenderjahr 2022 noch auf den ersten Liga-Sieg wartet. Am Samstag soll es gegen die SG Eintracht Frankfurt im heimischen Olympiastadion endlich klappen. Auf welche Duelle es in der Partie gegen die Hessen, die ihrerseits selber erst bei einem Sieg stehen, ankommen kann, lest ihr hier.


Die Fans werden gute Stimmung machen – zumindest temporär

Auch wenn Corona noch nicht vorbei ist, die Stadien dürfen nach den Beschlüssen der Politik wieder mehr gefüllt werden. Bis zu 25.000 Zuschauer sind beim Heimspiel gegen die Eintracht aus Frankfurt erlaubt. Die Chance, dass auch alle Karten verkauft werden sind hoch, schon am Freitag ließ Hertha verlauten, dass bisher über 20.000 Karten abgesetzt werden konnten.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Die Fans werden die Rückkehr in das Stadion genießen und einiges nachholen, was über die letzten Wochen im leidgebeutelten Leben eines Hertha-Anhängers nicht so offen ausgelebt werden konnte, wie es nur im Stadion möglich ist. Das Spielgeschehen ist trotzdem ein starker Lenker: Sollte Hertha weiterhin enttäuschen, könnte die Stimmung kippen. In diesem Fall gilt für die Fans das gleiche wie für die Mannschaft: nur 30 Minuten Feuerwerk wird am Ende nicht reichen. Also auf geht’s, man sieht sich im Stadion!

[Titelbild: Alex Grimm/Getty Images]

Hertha – Frankfurt: Drei Schlüsselduelle

Hertha – Frankfurt: Drei Schlüsselduelle

Hertha ist neben dem VfB Stuttgart das einzige Team im deutschen Oberhaus, das im Kalenderjahr 2022 noch auf den ersten Liga-Sieg wartet. Am Samstag soll es gegen die SG Eintracht Frankfurt im heimischen Olympiastadion endlich klappen. Auf welche Duelle es in der Partie gegen die Hessen, die ihrerseits selber erst bei einem Sieg stehen, ankommen kann, lest ihr hier.

Alles neu in Frankfurt

Viel los war im Sommer bei der Eintracht. Trainer Adi Hütter verabschiedete sich nach Mönchengladbach, Sportvorstand Fredi Bobic zog es nach Berlin und Sportdirektor Bruno Hübner verließ den Verein, um sich privaten Dingen zu widmen. Schon damals betonte Vorstandssprecher Axel Hellmann, dass man nicht in Panik verfallen würde, sondern die Positionen klug besetzen wird. Auf der wichtigsten, der Trainerposition, verpflichtete man mit Oliver Glasner die Wunschlösung. Schließlich hatte der Österreicher sein Können nicht zuletzt unter Beweis gestellt, als er den VfL Wolfsburg in der letzten Saison in die Champions League-Qualifikation geführt hatte.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Die Premierensaison Glasers verläuft indes wie die oft zitierte Achterbahnfahrt. In der Europa League souveräner Gruppenerster, doch in der Liga standen nach elf Spieltagen erst zwei Siege. Auf eine starke Serie mit sechs Siegen aus sieben Ligaspielen zum Jahresausklang folgte in diesem Jahr bis dato erst ein Sieg, zuletzt blieb man sogar dreimal in Serie ohne eigenen Treffer.

Taktisch agiert man variabel, mal mit Doppelspitze, mal mit einem alleinigen Stürmer und wahlweise zwei hängenden Spitzen. Grundlage sind immer drei Innenverteidiger, Schienenspieler auf den Außen und ein robustes zentrales Mittelfeld.

Filip Kostic: Frankfurts Schlüsselspieler

Im Angriffsspiel der Frankfurter ist ein klarer Flankenfokus zu erkennen. Die viertmeisten Flanken aus dem Spiel schlägt man ligaweit. Maßgeblich dafür sorgt Filip Kostic, der sowohl als linker Schienenspieler, als auch als offensiver Flügelspieler aufgestellt werden kann. Durch die Gelbsperre von Christopher Lenz wird Kostic gegen Hertha sicher als Schienenspieler agieren.

6,8 Flanken schlägt Kostic durchschnittlich pro 90 Minuten, ein Top-1%-Wert der Liga. Dabei kommt er auf 0,37 Expected Assists, gehört auch damit auf seiner Position zu den besten ein Prozent. Klar ist: Wenn Kostic am Angriff beteiligt ist, wird’s meist gefährlich. 4,43 schusskreierende Aktionen liefert er pro 90 Minuten, 3,09 Schlüsselpässe spielt er.

Auf bereits sieben Assists nebst drei eigenen Treffern kommt Kostic in dieser Spielzeit. 1,96 Schüsse pro Spiel nimmt er sich durchschnittlich. Auch wenn sein letzter Treffer vom 12. Spieltag datiert, darf man Kostic den Raum zum schießen nicht geben, mit seinem linken Fuß ist er brandgefährlich.

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(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Peter Pekarik wird es bei Filip Kostic mit einem der offensivstärksten Außenverteidiger der Liga zu tun haben. Herthas Rechtsverteidiger muss dafür sorgen, dass Kostic dauerhaft unter Druck steht. Hierfür wird auch die Mithilfe des Mittelfelds entscheidend sein. Durchschnittlich 50,73 Pässe spielt Kostic, nur 7,21 davon unter Druck. Hält man diesen hoch, kann man auch ihn weitgehend aus dem Spiel nehmen. Dazu ist es wichtig, ihn nach Ballgewinnen schnell zu überspielen. Denn übt Kostic im offensiven Drittel noch 4,53 Mal pro Spiel Druck aus (top 9% der Liga), sind es im mittleren Drittel nur noch 5,77 Mal (top 35%) und im defensiven Drittel nur 5,1 Mal (gerade einmal top 72%).

So stark die offensiven Qualitäten, mitunter leiden die defensiven. Lediglich 1,44 Tacklings liefert Kostic durchschnittlich, hat 1,13 geblockte Bälle und 0,57 klärende Aktionen. Es gilt für Hertha also, ihm in der eigenen Hälfte Dauerdruck zu bieten und defensiv zu fordern. Dann kann man aus Frankfurts gefährlichstem Spieler womöglich einen eigenen Vorteil ziehen.

Rafael Borré: Frankfurts erster Verteidiger

Luka Jovic, Sébastien Haller, André Silva: In den letzten Jahren war das Spiel der Eintracht immer von herausragenden Stürmern gezeichnet. Dass man sich derzeit auf Tabellenplatz zehn wiederfindet, hängt auch damit zusammen, dass man es in dieser Spielzeit nicht geschafft hat, den Abgang Silvas nach Leipzig ansatzweise gleichwertig in der Torgefahr zu ersetzen.

Gesetzter Mittelstürmer ist der Neuzugang Rafael Borré, der auf aktuell sechs Saisontore kommt. Und seine Offensiv-Statistiken lesen sich wahrlich nicht wie die eines Spitzenspielers. 1,99 Schüsse nimmt er sich pro 90 Minuten gerade einmal und liegt bei 0,37 Expected Goals. Dazu kommen 0,14 Expected Assists – auch der Stürmer, der seine Mitspieler laufend in Szene setzt, ist Borré nicht. 1,47 progressive Pässe liefert er, spielt im Durchschnitt 0,78 Pässe in den Strafraum und 0,92 Schlüsselpässe. Alles Statistiken, die im ligaweiten Stürmer-Vergleich nicht mal für die bessere Hälfte reichen.

Doch Borré als unterdurchschnittlichen Bundesliga-Stürmer abzutun, wäre grundlegend falsch. Vielmehr ereilt ihn in seinen Zahlen das Schicksal des Tüchtigen. Denn beim genaueren Hinschauen zeigen sich Borrés Stärken.

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(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

25,96 Mal pro Spiel übt er durchschnittlich Druck auf den Gegner aus (top 1% im Ligavergleich), davon 12,96 Mal im letzten Drittel (ebenfalls top 1%). 7,85 Mal erobert Frankfurt durch seinen Druck innerhalb der nächsten fünf Sekunden den Ball (top 4%). 1,14 erfolgreiche Tacklings liefert er (ebenfalls top 4%). Hinzu kommt, dass er tief mitarbeitet, übt selbst im mittleren Drittel noch durchschnittlich 11,24 Mal pro Spiel Druck aus.

Borré ist gerade gegen den Ball eine Waffe, sorgt immer wieder für Balleroberungen und Umschaltmomente Frankfurts, wovon mitunter die Mittelfeldspieler Jesper Linsdström und Daichi Kamada profitieren. Borré ist sowas wie Frankfurts erster Verteidiger, da er gegen den Ball extrem wichtig und statistisch gesehen auch herausragend gut ist.

Für Herthas Defensive heißt es, bei Balleroberungen und im Aufbauspiel stets hochkonzentriert zu bleiben, um dem ausgeübten Druck nicht zum Opfer zu fallen und den nächsten Frankfurter Angriff zu verursachen.

Die Dreierkette: Erkennbarer Leistungsabfall

36 Gegentore hat Eintracht Frankfurt in der laufenden Bundesliga-Saison kassiert – zu viel für die eigenen Ansprüche, besonders, wenn man sie den 33 eigenen geschossenen gegenüberstellt. Auch wenn Frankfurt zum selben Zeitpunkt in der letzten Saison nur ein paar Tore weniger kassiert hatte, wirkte die Defensive zuletzt doch etwas unsicher. Sinnbildlich hierfür steht Martin Hinteregger.

„Hinti“ galt lange als sichere Bank in der Dreier-Innenverteidigung, doch in dieser Spielzeit läuft es beim Österreicher nicht mehr so rund. Kam er in der letzten Spielzeit noch auf durchschnittlich 1,53 erfolgreiche Tacklings pro Spiel, sind es in dieser Saison nur 1,18. Übte er vergangene Saison noch 7,27 Mal im defensiven Drittel Druck aus, sind es aktuell nur 5,78.

Auch im Spiel von hinten raus nehmen seine Statistiken deutlich ab. Spielte er 2020/21 noch 55,56 erfolgreiche Pässe pro Spiel, sind es derzeit nur 40,13. Sein für einen Innenverteidiger überragender Wert von 5,45 progressiven Pässen ist auf 2,62 gesunken.

(Photo by Alexander Scheuber/Getty Images)

Dazu kommen immer wieder individuelle Fehler, wie im Spiel gegen den VfL Wolfsburg am 23. Spieltag, als er bei der 0:2-Niederlage einen Elfmeter verursachte und beim zweiten Gegentor einen zu kurzen Rückpass spielte, den Dodi Lukebakio dankend annahm und einschoss.

Mit Makoto Hasebe steht den Frankfurtern zwar eine Alternative zur Verfügung, doch für 90 Minuten dürfte es beim zuletzt verletzten Frankfurter Kapitän nicht reichen.

Es wird an der Herthaner Offensive, besonders an Stevan Jovetic Ishak Belfodil, liegen, Hinteregger immer wieder im Aufbau zu stören und zu Fehlern zu zwingen. Mit ihrer Erfahrung können sie erkennen, wann es an der Zeit ist, entscheidend Druck auszuüben. Dazu zeigt Hinteregger Schwächen im Verteidigen von Dribblings – genau hier können Jovetic und Belfodil ihre Stärken ausspielen.

Es sei aber auch vor der Qualität Hintereggers gewarnt, 5,62 klärende Aktionen und 1,66 geblockte Pässe zeigen: Er ist ein aufmerksamer Verteidiger, der sich immer wieder in Aktionen reinarbeiten kann.

[Titelbild: Alex Grimm/Getty Images]