VfB Stuttgart – Hertha BSC: Drei Thesen

VfB Stuttgart – Hertha BSC: Drei Thesen

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel, das merkt Hertha in dieser Woche, auch ohne international zu spielen, besonders deutlich. Bereits drei Tage nach dem knapp verlorenen Heimspiel gegen den FC Bayern München müssen sich die Männer von Sandro Schwarz auf den rund 600 km langen Weg nach Stuttgart machen, wo sie gegen die Schwaben vom VfB antreten. Kein einfaches, aber dafür umso wichtigeres Spiel für die Blau-Weißen Gäste.

Unsere drei Thesen zum Spiel in Stuttgart.

These 1: Frühes Tor für die Hauptstädter

Der VfB Stuttgart hat mit 24 Gegentoren die fünftmeisten der Liga kassiert. Zu nennen ist hier vor allem Torwart Florian Müller, der des Öfteren unglücklich aussieht und sich den einen oder anderen Patzer leistet. Erwähnenswert ist außerdem, dass acht der 24 Gegentore und damit ein Drittel der Treffer innerhalb der Anfangsviertelstunde fielen. Exemplarisch sind hier insbesondere die vergangenen drei Spieltage. Gegen Dortmund, Gladbach und Augsburg lag man nach zwei bzw. jeweils vier Minuten bereits in Rückstand. Zumindest gegen die Fuggerstädter konnte das Spiel durch ein Tor von Waldemar Anton in der Nachspielzeit noch gewonnen werden. Ein kleiner Flashback zum Last-Second Klassenerhalt in der letzten Saison, wodurch die Herthaner in die Relegation mussten.

Florian Müller

Photo by Maja Hitij/Getty Images

Womit wir zur Alten Dame kommen. Diese startet in dieser Saison regelmäßig gut in Spiele, ist meist sofort hellwach, griffig und mutig. Zwar konnte trotz dieses Aufwandes nur ein Tor vor der 15. Minute geschossen werden (Serdar gegen Frankfurt am zweiten Spieltag), doch verschlafen wurde nahezu kein Spiel. Hier liegt also durchaus eine Chance für Hertha, früh in Führung zu gehen. Stuttgart wird allerdings ein ganz besonderes Augenmerk drauflegen, nicht erneut ab Spielbeginn einem Rückstand hinterherzulaufen. Es ist daher natürlich bei Weitem kein Selbstläufer, solch einen Blitzstart hinzulegen.

These 2: Kempf mit einem arbeitsreichen Spiel

Marc Oliver Kempf kehrt nach seinem Wechsel vom VfB Stuttgart zu Hertha BSC im vergangenen Winter erstmals in die Mercedes Benz Arena zurück. Der dort ehemalige Kapitän wird hierbei zusammen mit seinem Innenverteidiger-Partner Agustin Rogel einiges zu tun haben. Verantwortlich dafür wird allem an Borna Sosa sein. Der kroatische linke Außenverteidiger schaltet sich gerne offensiv mit ein, sein Hauptwerkzeug dafür sind Flanken. Mit vier Torvorlagen führt Sosa diese Statistik teamintern an. Nachdem Sasa Kalajdzic die Schwaben im Sommer Richtung England verließ, heißen die Hauptabnehmer der Flanken mittlerweile Serhou Guirassy und Luca Pfeiffer.

Kempf und Sosa

Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images

Gleichzeitig stehen mit Silas Katompa-Mvumpa und Tiago Tomas zwei äußerst schnelle und technisch starke Stürmer bereit, die die Abwehr der Alten Dame auch auf dem Boden mehr als fordern werden. Für die letzte Reihe der Herthaner, allen voran Ex-Stuttgarter Kempf, wartet also viel Arbeit, wenn man erfolgreich aus dem Duell gehen möchte.

These 3: Hertha bleibt vor Stuttgart

Es ist kein Geheimnis: Hertha spielt besser, als es die Tabelle vermuten lässt. Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass es nach der Saison niemanden interessiert, ob man gut gespielt hat oder nicht, sollte der Abstieg die Folge sein. Positiv festzustellen ist, dass die Charlottenburger bisher beide ihrer „Muss-Spiele“ gegen Augsburg und Schalke gewinnen konnte. Allgemein fällt auf: Die Hauptstädter haben gegen jedes Team der momentanen Top-10 gespielt, auf der anderen Seite nur gegen drei der anderen sieben Mannschaften von der unteren Seite der Tabelle. Sollte auch das dritte „Muss-Spiel“ gegen den VfB Stuttgart gewonnen werden, stünde man drei Punkte vor den Gastgebern, und das mit dem deutlich besseren Torverhältnis. Die Chancen wären somit hoch, dass Hertha BSC die lange WM-Pause hinweg nicht auf einem Abstiegsplatz verbringen müsste. Bei einem Unentschieden bliebe man bis mindestens Samstag, ca. 17:25 Uhr vor dem heutigen Gastgeber.

Und da Hertha in Stuttgart nicht verlieren wird, stehen die Blau-Weißen so oder so auch nach dem 14. Spieltag vor den Schwaben.

[Titelbild: Maja Hitij/Getty Images]

Hertha BSC – FC Bayern München: Drei Schlüsselduelle

Hertha BSC – FC Bayern München: Drei Schlüsselduelle

Das bisherige Motto von Hertha BSC in dieser Saison war „Gut gespielt, (zu) wenig Punkte“. Lange erhielt die Mannschaft von Sandro Schwarz Lob für ihr Auftreten, selbst wenn es am Ertrag häufig mangelte. In den letzten beiden Spielen gegen die Aufsteiger Schalke und Bremen stagnierte jedoch auch die Leistung, am Ende reichte es zumindest gegen die Gäste aus Gelsenkirchen zum ersten Heimsieg der Saison, inklusive Willy Kangas Premierentor. Der kommende Gegner aus dem Süden der Republik kommt daher zu einem eher ungünstigen Zeitpunkt, auf der anderen Seite hat Hertha kaum etwas zu verlieren.

Auf welche Schlüsselduelle es ankommt und wie man gegen Bayern München zu Punkten kommen kann, wollen wir in diesem Artikel diskutieren.

Oliver Christensen vs. Eric Maxim Choupo-Moting

Der Kader des deutschen Serienmeisters ist gespickt mit absoluten Topstars. Dass am Ende ausgerechnet der bisherige Ersatzspieler Eric Maxim Choupo-Moting zu einer der absoluten Schlüsselfiguren der laufenden Saison wird, dürfte den Großteil der geneigten Fußballfans überraschen. Der Deutsch-Kameruner konnte in bisher 13 Spielen mit 8 Toren und 3 Vorlagen glänzen, und dass bei gerade einmal 613 Einsatzminuten in Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League zusammen. Anders formuliert: Choupo-Moting erzielt alle gut 57 Minuten einen Scorer, was den Zahlen eines Weltklassestürmers entspricht. Das wohl beeindruckendste an dieser Statistik ist jedoch, dass jede einzelne dieser Torbeteiligungen in den letzten vier Wochen erfolgte. Es dürfte schwierig sein, einen anderen Spieler zu finden, der zurzeit solch eine Form aufweist.

Choupo-Moting

(Photo by Christof Stache/AFP via Getty Images)

Ihm gegenüber steht mit Olli Christensen der jüngste Stammtorhüter in der Bundesliga. Fredi Bobic bestätigte unter der Woche in einem Sky exklusiv Interview noch einmal, dass man mit dem Dänen ein gewisses Risiko eingegangen ist. Und dieser bestätigt das in ihn gesetzte Vertrauen bis jetzt mit soliden Leistungen. Auch wenn hier und da mal eine unsichere Situation, wie zum Beispiel der Ausflug gegen Antony Modeste gegen Dortmund oder das späte verschuldete Gegentor im Freiburg-Spiel, dabei ist, hat Christensen die Mannschaft schon das ein oder andere Mal im Spiel gehalten. Im Gegensatz zum vergleichsweise unsicheren Alexander Schwolow (derzeit an Schalke verliehen) strahlt der 24-jährige Nationalspieler eine gewisse Stabilität und Ruhe aus, von der auch die Verteidiger vor ihm profitieren.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt allerdings auch: 17 Gegentore in 12 Spielen und bisher nur einem Spiel ohne Gegentor bieten durchaus Luft nach oben, wobei dafür natürlich nicht nur der Torhüter alleine verantwortlich ist. Oliver Christensen trifft mit Eric Maxim Choupo-Moting auf einen äußerst formstarken und somit auch selbstbewussten Stürmer. Falls Hertha gegen die Bayern Punkte mitnehmen will, ist eine überdurchschnittliche Leistung und etliche gewonnene Privatduelle des Schlussmanns gegen den Mittelstürmer der Münchner notwendig.

Lucas Tousart vs. Joshua Kimmich

Herthas wichtigste Zone unter Sandro Schwarz und dessen Art Fußball spielen zu lassen ist zweifelsohne das Mittelfeld. Durch eine aktive Zweikampfweise und Ballgewinne im mittleren Drittel des Spielfeldes sowie daraus resultierende Gegenstöße soll einerseits Gefahr vom eigenen Tor gebannt und andererseits selbst in Abschlusssituationen gekommen werden. Und genau dafür ist Lucas Tousart ein eminent wichtiges Puzzleteil.

Tousart

Photo by Martin Rose/Getty Images

Der von Jürgen Klinsmann verpflichtete Rekordtransfer scheint in seiner mittlerweile dritten Saison bei Hertha endlich richtig angekommen zu sein. Er geht auf dem Feld voran, macht Meter, gewinnt einen Zweikampf nach dem anderen und gibt dem Spiel der Alten Dame eine Struktur, die in den letzten Jahren regelmäßig fehlte. Mit bereits drei Saisontoren (zweimal in der Liga und einmal im Pokal) entdeckte der Franzose zuletzt zudem eine neue Torgefahr. In seiner Kernkompetenz, dem Gewinnen von Zweikämpfen, befindet Tousart sich im ligaweiten Vergleich auf Platz 17. Daneben ist er unter den besten drei Prozent in Hinblick auf geklärte Bälle – und das europaweit.

Sein Gegenpart bei den Münchnern heißt Joshua Kimmich und gehört seit Jahren zu den Besten seiner Zunft. Der ehemalige Stuttgarter ist der unumstrittene Strippenzieher im Spiel des Champions-League-Siegers von 2020. Er befindet sich im europäischen Vergleich bei den jeweils besten Prozent in Hinblick Assists, schuss-kreierende Aktionen, progressive Pässe und abgefangene Bälle. Kimmich ist somit sowohl defensiv als auch offensiv der treibende Motor der Bayern und dazu emotionaler Leader auf dem Platz. Der Mittelfeldspieler muss für ein erfolgreiches Spiel der Blau-Weißen so gut wie möglich neutralisiert werden. Genau das wird höchstwahrscheinlich Aufgabe von Lucas Tousart sein. Sollte dem Herthaner dies gelingen, erhöht sich zumindest die Möglichkeit, dass die Gastgeber nicht als Verlierer aus der Partie gehen.

Dodi Lukebakio vs. Alphonso Davies

Auf der von Hertha aus gesehen rechten Außenbahn könnte es im kommenden Spiel durchaus zu dem einen oder anderen Blitzerfoto kommen. Mit Dodi Lukebakio (Platz 33) und Alphonso Davies (Platz 3) treffen zwei der schnellsten Spieler der Bundesliga aufeinander. Der 22-jährige Außenverteidiger der Gäste schaltet sich dabei gerne in das Offensivspiel seiner Mannschaft ein. Er gehört mit über drei erfolgreichen Dribblings pro 90 Minuten zum besten Prozent Europas in dieser Kategorie, auch seine expected Assists und schuss-kreierenden Aktionen stellen Spitzenwerte dar. Lukebakio wird somit auch defensiv gefordert sein, um Jonjoe Kenny so gut es geht zu unterstützen. Spätestens seit dem überragenden Sprint des Belgiers in Richtung des eigenen Tores gegen RB Leipzig und dem damit schon sicher geglaubten verhinderten Gegentor ist klar, dass der Rechtsaußen in dieser Saison Fußball nicht nur offensiv versteht.

Lukebakio

Photo by Cathrin Mueller/Getty Images

Auf der anderen Seite könnten sich durch die Spielweise Davies gerade die Räume öffnen, die Herthas Flügelflitzer so liebt. Mit bereits fünf Treffern in der Liga führt Lukebakio die teaminterne Torschützenliste deutlich an. Der obligatorische Hinweis auf dessen Dreierpack gegen die Bayern noch zu Düsseldorfer Zeiten erfolgt hiermit ebenfalls. Jedes Tor des Außenstürmers würde für das Ziel der Hauptstädter, vielleicht wenigstens einen Punkt im in dieser Saison erstmals ausverkauften Olympiastadion zu behalten, Gold wert sein. Es ist klar, dass alles andere als eine Niederlage für Hertha extrem wertvoll wäre, um die Abstiegsränge über die lange Winterpause zu vermeiden. Und somit zumindest etwas Ruhe im finanziell geplagten Verein aus Charlottenburg einkehren zu lassen.

Die Statistiken beruhen auf den Angaben von fbref.com und bundesliga.com

[Titelbild: Reinaldo Coddou H./Getty Images]

Drei Thesen: Hertha BSC gegen TSG 1899 Hoffenheim

Drei Thesen: Hertha BSC gegen TSG 1899 Hoffenheim

Die Länderspielpause ist vorbei und für Hertha BSC geht es im heimischen Olympiastadion gegen die stark aufspielende TSG aus Hoffenheim. Holt Hertha den zweiten Dreier dieser Saison? Unsere drei Thesen zum Spiel.

Mit einem (unnötigen) Unentschieden gegen Mainz 05 verabschiede sich Hertha BSC in die Länderspielpause. Erst in der 94. Spielminute fing man sich das 1:1 – nachdem man in der zweiten Halbzeit oftmals in alte Verhaltensmuster gekehrt war.

Nach einer passablen ersten Halbzeit entglitt den Berlinern das Spiel in der Halbzeit zunehmend. Man überließ den Mainzern den Ball – rannte viel hinterher und sorgte kaum mehr für offensive Entlastung. Der Ausgleich in der 94. Minute war das konsequente Resultat dieser Partie.

Aber dennoch: In der bisherigen Saison zeigte Hertha nach insgesamt sieben Spieltagen vor allem spielerisch starke Leistungen. Vermutlich ist das Nervenkostüm bei vielen Herthanern immer noch angespannt: So sehr man den aktuellen Fußball der alten Dame genießt, schwingt auch immer die Angst mit, dass die Mannschaft einbricht.

Gegen Hoffenheim hat Hertha BSC am Sonntag eine weitere Chance, den zweiten Dreier in dieser Saison einzufahren. Drei Thesen zum Spiel.

Es geht rauf und runter: Tore, Tore, Tore!

Bisher zeigte Hertha BSC in dieser Saison vor allem Offensiv viel. Es zeigt sich, wie wertvoll „richtige“ Flügelstürmer wie Ejuke (2 Vorlagen) und Lukebakio (2 Tore, 1 Vorlage) sind. Mit ihrer Schnelligkeit und ihren starken Tempodribblings sorgen sie immer wieder für Gefahr über die Flügel und prägen Herthas Offensivspiel bis hierhin maßgeblich.

Lukebakio ist wieder wichtig geworden für Hertha BSC.

Lukebakio ist wieder wichtig geworden für Hertha BSC. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Aber auch Hoffenheim fällt diese Saison durch treffsichere Spieler auf: Mit insgesamt zwölf erzielten Toren liegt die TSG in der Liga auf Platz vier. Dabei haben sie nicht diesen „einen“ Stürmer, der die Liga zerschießt. Die Last verteilt sich auf viele treffsichere Spieler. So haben insgesamt drei Spieler doppelt getroffen, insgesamt fünf Spieler einmal.

Es verspricht ein Spiel für die Zuschauer zu werden: Ein schnelles offensives, mit vielen kurzen Ballkontakten und schnellen Pässen in die Spitze, samt vieler Torchancen. Wer nicht einschaltet, ist selbst schuld.

Kanga für Zwei – oder Drei?

Bisher ohne Tor in dieser Saison blieb Neuzugang Wilfried Kanga. Aber auch ohne eigenen Treffer weiß der Franko-Ivorer bisher zu überzeugen. „Ich empfinde, dass er für die Mannschaft viel arbeitet und dass er sehr fleißig ist“, sagte Trainer Sandro Schwarz kürzlich über ihn. Und tatsächlich: Auch Kanga ist ein Grund dafür, warum Hertha diese Saison spielerisch so stark auftritt.

Bisher ist Kanga auch ohne Tore wichtig für Hertha. Schießt er sich gegen Hoffenheim warm?

Bisher ist Kanga auch ohne Tore wichtig für Hertha. Schießt er sich gegen Hoffenheim warm? (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

So weiß er genau, den Ball fest zu machen, damit seine Mitspieler nachrücken können. Gleichzeitig hat er kluge Verlagerungen auf die Flügel in Petto, die dort oftmals eine Überzahl schaffen. Nur eben der eigene Treffer fehlt ihm noch.

Und nicht selten, schießen sich glücklose Stürmer den Frust in einem einzigen Spiel von der Seele. Und treffen dann gerne mehrmals. Geht die erste These auf, wird es sehr offenes und offensives Spiel: Die perfekte Gelegenheit für Kanga, den Hoffenheimern ein paar Tore ins Netz zu legen.

Chef auf dem Platz: Boateng übernimmt die Führung

Viele Herthaner warten sehnlichst auf den „Durchbruch“ von Boateng. So wichtig er neben dem Platz für die Mannschaft ist – auf dem Feld konnte er sich in der laufenden Spielzeit noch nicht nachhaltig auszeichnen. Glücklicherweise muss Jean-Paul Boetius sich keiner Chemotherapie unterziehen, sein Comeback wird dennoch wohl ein paar Wochen in Anspruch nehmen.

Für Boateng kann das die Chance sein, zu zeigen, was er auf dem Platz kann: Ein Spiel an sich reißen, mit klugen Bewegungen das Spiel ordnen und mit direkten Pässen in die Spitze schnell gestalten. Und womöglich gelingt ihm dann auch bald sein „erstes“ Hertha-Tor.

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Auch auf dem Platz kann Boateng zum Leader werden. (Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Insofern sein Körper mitmacht, kann er in dieser Saison ein wichtiger Faktor werden: Und ein Leader auch auf dem Platz.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Pascal Grimm zu seiner Stadion-Petition: Anstoß für konstruktivere Gespräche

Pascal Grimm zu seiner Stadion-Petition: Anstoß für konstruktivere Gespräche

Vor über einem Jahr hat Hertha BSC seine konkreten Pläne für einen Stadionneubau veröffentlich – effektiv bewegt hat sich seitdem nichts. Die Verantwortlichen und der Berliner Senat finden einfach nicht zusammen, sodass aktuell Stillstand herrscht. Das angepeilte Datum der Stadioneröffnung am 25. Juli 2025 scheint sich momentan eher als weiteres Symbol für das Berliner Fingerspitzengefühl bei Großbauprojekten einzureihen, als dass es tatsächlich realisiert werden könnte. Eine Situation, die den Verein, die Politik, aber auch das Umfeld frustriert.

So sehr, dass nun gehandelt wird – und zwar in Person von Pascal Grimm. Der Hertha-Fan hat sich die Stadion-Thematik, wie viele andere, nicht mehr tatenlos mit ansehen können und startete daher am 15. August die Petition “Schluss mit der Hinhhaltetaktik – Neues Stadion für Hertha BSC!”, in der konkrete Forderungen an den Berliner Senat stellt, sich konstruktiv mit den Plänen der “Alten Dame” auseinanderzusetzen. Wir haben mit Pascal gesprochen, um uns erklären zu lassen, was die Intention seines Eingreifens ist, welche Vorwürfe er Senat wie Hertha selbst macht und ab wann er die Petition als Erfolg ansehen würde.

Herthas Plan für den Stadionneubau auf dem Olympiagelände (Foto: Hertha BSC / AS+P)

Hallo Pascal. Bevor wir uns mit deiner Petition auseinandersetzen – stell doch bitte dich und deine Beziehung zu Hertha BSC kurz vor.

Ich bin in Minden (Nordrhein-Westfalen) geboren, also nicht gerade im klassischen Hertha-Gebiet. Mit acht Jahren bin ich nach Berlin gekommen – das war 1999, eine für Hertha sehr erfolgreiche Zeit (Teilnahme an der Champions League). Ich bin damals das erste Mal ins Stadion mitgenommen worden, meine Großeltern hatten mir ein Hertha-Trikot geschenkt und damit war es dann entschieden. Ich habe selten wirklich in Berlin gewohnt, das tue ich jetzt das erste Mal so richtig. Seitdem versuche ich, so oft wie möglich im Stadion zu sein. Zudem bin ich sehr Foren-aktiv, vor allem auf transfermarkt.de. Ich bin aber an keinen Fanclub gebunden.

In deiner Petition erklärst du, welche Grundproblematiken es mit dem Olympiastadion als Spielstätte gibt. Warum siehst du einen Auszug Herthas als unvermeidlich an?

Da gibt es zwei Arten der Begründung. Das eine, das die Fans direkter anspricht, ist die Atmosphäre im Olympiastadion. Dazu gehört Dinge wie die große Entfernung der Zuschauerränge zum Spielfeld, aber auch die Witterungsbedingungen im Winter – also all das, was das Olympiastadion zu keiner modernen Fußballarena macht. Jeder, der mal eine Auswärtsfahrt in ein anderes Bundesliga-Stadion gemacht hat, wird diesen Unterschied gemerkt haben. Auch die Ostkurve würde in einem modernen Stadion noch imposanter zur Geltung kommen, da sich die Stimmung, die sie macht, nicht in der schlechten Stadion-Akustik verlieren würde. Es wird seitens des Vereins mit “Steil, nah, laut” geworben – darauf habe ich große Lust!

Die andere Begründung ist finanzieller Natur. Man ist als Verein langfristig besser aufgestellt, wenn man ein eigenes Stadion besitzt. Wie ich in der Petition angerissen hatte, würden bei einer eigenen Arena die Mietkosten, die aktuell beim Olympiastadion zu bezahlen sind, entfallen. Natürlich hat man bei einem Stadionbau Kredite abzuzahlen usw., aber man kann auch Nebeneinkünfte generieren, wie durch das Verkaufen der Namensrechte, dem Veranstalten von Konzerten und anderen Möglichkeiten. Wenn man im modernen Fußball mithalten will, muss man da einfach mitspielen.

Du sprichst zudem die Versäumnisse der Berliner Politik im Rahmen der Verhandlungen mit Hertha an, nennst hier beispielsweise den Vorschlag von Sport- und Innensenator Andreas Geisel (SPD), Flughafen Tegel als Standort zu nehmen. Welche konkreten Vorwürfe machst du dem Senat?

Ich habe den Eindruck, dass der Berliner Senat überhaupt kein Interesse daran hat, dieses Stadionthema voranzubringen. Es ist teilweise nachvollziehbar, warum die Politik Hertha nicht aus dem Olympiastadion ziehen lassen will, gleichzeitig muss der Senat aber einsehen, dass dieses Thema für den größten Sportverein der Stadt ein sehr bedeutsames ist. Man hat das Gefühl, der Senat wolle die Stadionfrage so lange hinauszögern, bis Hertha gezwungen wäre, einen neuen Mietvertrag für das Olympiastadion zu unterzeichnen, sodass sich das Thema zunächst einmal wieder erledigt hätte. Ohne Politik-Bashing betreiben zu wollen: in dieser Thematik frustriert mich der Senat schon sehr! Ganz unabhängig von der Frage, ob Hertha in seiner Kommunikation alles richtig machen würde. Bei dem kleinsten Hindernis knickt der Senat ein und spricht davon, dass das Ganze wohl nicht mehr machbar sei. Ich vermisse daher eine konstruktive Herangehensweise, eine gemeinsame Lösung zu finden.

“Herthas Taktik war zu offensiv”

Auch die Herthaner Verantwortlichen haben sich in der Vergangenheit nicht unbedingt mit Ruhm bekleckert. Ist auch Schuld beim Verein zu suchen? Was hätte in der Kommunikation besser laufen müssen?

Meiner Meinung nach war die Taktik Herthas ein wenig zu offensiv. Man hat den Senat bei der Veröffentlichung der Pläne ein Stück weit vor vollendete Tatsachen gestellt und behaart nun auf dieser Extremposition. Ich würde mir auch eine Lösung auf dem Olympiagelände wünschen, weil sie in meinen Augen die beste wäre. Wie Hertha nach außen kommuniziert, ist aber nicht ideal und lädt den Senat zu seiner Trotzreaktion ein. So wird der “schwarze Peter” gerne zurück zu Hertha geschoben, obwohl ich den Senat in der Pflicht sehe, da auf Hertha zuzukommen. Die Parteien haben sich nun in eine gewisse Pattsituation hineinmanövriert und ich hoffe, dass die Petition ein Anstoß sein kann, um aus dieser wieder herauszukommen

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Am 16. August hatte sich Herthas Vereinspräsident Werner Gegenbauer mit einem Brief an die Mitglieder gewendet, in dem er u.a. scharfe Kritik am Berliner Senat geäußert hatte. Einmal mehr nutzte man den Weg der Öffentlichkeit, um seinen Standpunkt klarzumachen. Welche Form des Dialogs würdest du dir von beiden Parteien wünschen?

Ich finde, auch das man sich das, was Präsident Gegenbauer öffentlich an Senat gerichtet hat, sparen kann. Man muss wieder mit- und weniger übereinander reden. Es könnte natürlich sein, dass im Hintergrund viel gesprochen wird, doch der Eindruck wird nicht gerade vermittelt, wenn Herr Geisel in Medien Interviews gibt und die Hertha-Verantwortlichen auf selbigem Wege darauf antworten. Ich würde mir daher von beiden Seiten einen konstruktiveren Umgang miteinander wünschen, aber auch vom Senat die Einsicht, dass eine Lösung her muss und man nicht auf Zeit spielen sollte.

“Sollte dies im Olympiapark nicht möglich sein, dann soll endlich aktiv und mit ernsthaftem Interesse eine realistische Alternative innerhalb der Stadtgrenzen gesucht und gefunden werden”, schreibst du in deiner Petition. Warum kann Brandenburg keine Option sein?

Meine absolute Wunschlösung liegt in Berlin, ich bin aber niemand, der das dogmatisch einfordern und damit Brandenburg grundsätzlich ausschließen würde. Ich könnte es mir unter gegebenen Umständen als Notlösung vorstellen, wenngleich ich es sehr schade fände, denn allein die Wege nach Brandenburg wären sehr weit, weshalb viele Hertha-Fans über eine Stunde zum Stadion bräuchten. Brandenburg würde auch nicht in Bezug auf die Identifikation mit Hertha als Berliner Verein helfen.

Hertha hat deinen Tweet zur Petition geteilt – wie fällt die Resonanz auf deine Petition bislang aus?

Es ist eben nicht nur der Verein selbst, der ein eigenes Stadion haben will. Auch die Fans setzen sich dafür ein und sind von dem derzeitigen Status frustriert, weshalb sie nicht länger zusehen wollen. Ich hatte die Petition zunächst im Hertha-Forum von transfermarkt.de und bei immerhertha.de gepostet, zusätzlich auf Twitter geteilt. Von dort aus ging es sehr schnell los, sich zu verbreiten und auch die ersten Einladungen zu ähnlichen geplanten Fan-Initiativen kamen rein. Aktuell ist ein Drittel des Quorums erreicht, was für die erste Woche echt ordentlich ist. Auch aus dem Umland gibt es viele UnterstützerInnen, knapp 1.000 Menschen aus Brandenburg haben unterschrieben. Die Petition ist noch über zweite Monate offen, sodass ich zuversichtlich bin, dass das Quorum erreicht wird – auch wenn das nicht das primäre Ziel ist. Es geht vielmehr um das Zeichen, das die Hertha-Fans sich nun auch engagieren und nicht nur an der Seitenlinie stehen.

Die sprichst die Zielsetzung deiner Petition an. Was kann mit den Unterschriften erreicht werden und ab wann gilt die Petition für dich selbst als erfolgreich?

Es ist wie folgt: bei 11.000 UnterzeichnerInnen aus Berlin würde die Petition in das Abgeordnetenhaus eingehen, welches sich dann mit dieser befassen müsste. Wie diese Prüfung der Thematik abläuft, kann ich auch nicht sagen, der Prozess ist nicht wirklich klar. Der viel größere Effekt ist die Aufmerksamkeit, die das Thema dadurch wieder bekommt. Daher freue ich mich auch über jede/n UnterstützerInnen, der/die nicht aus Berlin kommt, aber mit der Intention übereinstimmt. Der leichte öffentliche Druck, den die Petition auf den Senat ausüben könnte, hätte wohl den größeren Effekt als der rein bürokratische Prozess.

Danke für deine Zeit und viel Erfolg für deine Petition, Pascal!