Die große Chance einen Albtraum zu beenden

Die große Chance einen Albtraum zu beenden

Die Stimme weg, Tränen in den Augen und vollkommen am Ende mit den eigenen Kräften. Am Montagabend um 22:25 Uhr traf das wohl auf den größten Teil aller Hertha-Fans zu. Das Team der Berliner hatte soeben mit einem Riesenspiel in der Relegation in Hamburg den Klassenerhalt gesichert. Ein Kraftakt einer Mannschaft, deren Charaktere zum Teil die Spiele ihrer Karriere absolvierten.

hertha

(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Es war das passiert, was sich ein jeder im blau-weißen Trikot gewünscht hatte – Hertha produzierte Szenen für die Ewigkeit. Eine Initialzündung für die nächste Saison ist möglich. Die Fans und der Verein haben die einmalige Chance, aus einem schier endlos laufenden Albtraum zu erwachen. Eine Einordnung, was dieser Klassenerhalt bedeutet.

Drei Jahre Albtraum – die Chance zu erwachen

Ich vermute, dass viele Menschen einen Albtraum haben, der sich in irgendeiner Form gerne in schlechten Nächten in den Schlaf schleicht und einen das Leben erschwert. Bei mir zum Beispiel gibt es das sich gerne wiederholende Szenario, dass mir Menschen, die mir lieb sind, sagen, dass sämtliche Prüfungen aus Schul – und Unizeiten nachträglich als ungültig erklärt wurden und mir dementsprechend auch die Abschlüsse wieder entzogen wurden. Was mir diese Träume sagen sollen, weiß ich nicht, darum geht es jetzt glücklicherweise aber auch nicht. Als Hertha-Fan erwacht man gerade zum dritten Mal aus einem Albtraum, der sich seit drei Jahren in feiner Regelmäßigkeit wiederholt. Die Sommerpause ist wieder einmal des Herthaners bester Freund.

In den letzten drei Jahren ist so viel rund um Hertha BSC passiert, dass ein Buch nötig wäre, um all das aufzuzählen und einzuordnen. Wieder einmal gelingt der Klassenerhalt und wieder einmal in einer hochdramatischen Art und Weise. Während man 2020 unter Bruno Labbadia fast schon unspektakulär über dem Strich blieb und sich letztendlich im Tabellenmittelfeld stehend in die Sommerpause verabschiedete, war das Szenario 2021 von der Spannung und Dramatik her kaum zu toppen. Die Corona-bedingte Pause, sechs Spiele in wenigen Wochen und am Ende ein feierndes Team um Pal Dardai. Doch was dieses Jahr passieren sollte, ist definitiv unvergleichbar und hätte knapper kaum sein können. Wieder einmal kann die Hertha im buchstäblich letzten Moment dem Tod von der Klinge springen.

hertha

(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Doch was in den jeweiligen Momenten Freude und Erleichterung bringt und eine Form von Glückseligkeit, die sich nicht einmal der aktuelle DFB-Pokalsieger erkaufen kann, freisetzt, folgt erst auf eine dramatische und nervenaufreibende Leidenszeit. Da sind wir wieder beim Albtraum. Die Zeit, in der man nachts wach wird bzw in der das Team in der Sommerpause ist, scheint die genießbarste Zeit auf Erden zu sein. Sobald man die Augen schließt und die Mannschaft in die Saison startet, geht der Schrecken von vorne los. Doch das Potential und die Chance sind da, dass man dieses Mal keine Angst vor einem Albtraum haben braucht.

Hertha BSC braucht Ruhe und Führung   

Um das möglich zu machen, braucht Hertha BSC vor allem Ruhe. Sämtliche Nebenkriegsschauplätze müssen geklärt werden. Aktuell wird der Verein in seinen Grundfesten erschüttert und treibt relativ führungslos daher. Nach dem Spiel gegen den HSV wurde bekanntgegeben, dass Finanzvorstand Ingo Schiller seine Koffer packen würde. Damit zieht der zweite große Chef nach Carsten Schmidt zum Ende dieser Saison die Reißleine. Die Tage von Präsident Werner Gegenbauer sind gezählt, sein Rücktritt scheint ebenfalls beschlossene Sache. Auch das Präsidium steht auf der Kippe. Zusätzlich wird ein neuer Trainer gesucht und viele Vertragssituationen von Personalien im sportlichen Bereich, wie Marcel Lotka, Kevin-Prince Boateng und vielen weiteren Akteuren sind bisher ungeklärt. Weiterhin ist der starke Mann Sportvorstand Fredi Bobic, dem ein Gegenspieler oder zumindest eine ernsthafte Kontrollinstanz im Verein fehlt.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Vereinslegenden wie Pal Dardai, Zecke, Michael Hartmann und zuletzt Arne Friedrich wurden unwürdig aus dem Verein entlassen bzw. getrieben. Auch das Verhältnis zur Ultraszene ist nach den vielen Auseinandersetzungen in dieser Saison nicht komplett geklärt. Ebenso muss eingehend besprochen werden, wie man sich zukünftig gegenüber dem Investor Lars Windhorst und seiner Tennor-Holding verhalten möchte. Die Mitgliederversammlung am Sonntag wird richtungsweisend sein, was die Führung des Vereins betrifft. Ein riesen großer Scherbenhaufen muss aufgefegt werden. Und eigentlich nicht nur den dieser Saison. Sondern den der letzten drei Jahre. Denn Transfer-Altlasten wie Dodi Lukebakio, Eduard Löwen oder Deyovaisio Zeefuik gilt es ebenso zu klären.

Man muss sich in gewisser Weise eingestehen, dass die legendären Tagebücher von Jürgen Klinsmann Einblicke gewehrt haben, die anscheinend wirklich zutreffend waren. Mittlerweile wurde zu großen Teilen in die damals geforderte Richtung gehandelt. Weiterhin befindet sich der Verein in einem Umbruch. Ebenso der Kader. Am Ende werden nur wenige Spieler den dritten Umbruch im Verein überlebt haben. Auf die handelnden Personen und insbesondere Fredi Bobic kommt ein Berg an Arbeit zu. Doch nun ist Sommerpause und sie haben die Zeit, all die Baustellen anzugehen. Was das alles für Hertha BSC bedeutet, wird in den nächsten Tagen und Wochen eingeordnet werden.

Ein Genuss legendärer Erlebnisse – Und die Jahre der Mahnung

In der Retrospektive wird man in einigen Wochen, Monaten und Jahren auf die Zeit schauen und wieder einmal unvergessliche Szenen und Erlebnisse ausgraben und besprechen. Es werden schlechte dabei sein, das ist klar. Drei Derbys zu verlieren, nagt am Selbstverständnis eines Jeden, der es mit der Hertha hält. Die schwarze Zeit mit Tayfun Korkut als Trainer. Die Geschichten um Pal Dardai und Arne Friedrich wirken bis heute unfair und machen betroffen. Doch beide sind dank ihrer Vergangenheit mit Hertha positiv verbunden. Dardai war vor wenigen Wochen im Amateurstadion zu Besuch um seinen Sohn Bence im U17-Halbfinale gegen den VfB Stuttgart spielen zu sehen. Arne Friedrich kommentierte den Klassenerhalt auf Twitter mit blau-weißen Herzen.

Der Saisonendspurt hat sich in die Köpfe eingebrannt. Ob es der Befreiungsschlag gegen Hoffenheim war, der frenetische Jubel im Olympiastadion nach dem 2:0 gegen den VfB Stuttgart, die drei verpassten Matchbälle oder junge Spieler, wie Marcel Lotka, Oliver Christensen oder Linus Gechter, die sich für die Hertha begeistern konnten und einen riesigen Beitrag zum Klassenerhalt leisteten. Die Leistungsexplosion längst aufgegebener Leistungsträger, wie Kevin-Prince Boateng und Marvin Plattenhardt, die das Rückspiel gegen den HSV auf phänomenale Art und Weise an sich rissen und ein Tor für die Ewigkeit schossen.

hertha

(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Der Abschied vom langjährigen Herthaner Niklas Stark, der nicht wie verdient gewesen im Olympiastadion stattfand, sondern in abgespeckter, aber nicht minder emotionaler Art und Weise vor den mitgereisten Fans in Hamburg. Die Geschichten wurde geschrieben und nun gilt es sie in irgendeiner Form einzuordnen und zu verstehen.

Es darf selbstverständlich kein „Weiter so“ geben. Das wird es auch nicht, das zeigen die vielen personellen Konsequenzen in den letzten Stunden. Die letzten drei Jahre müssen ein Mahnmal sein. Nicht nur für Hertha, sondern für den gesamten deutschen Fußball. Erfolg lässt sich nicht einfach so kaufen. Mit keinem Geld der Welt. Es gehören gut arbeitende Menschen dazu, die auch mit den vielen Millionen etwas sinnvolles anstellen und daran ist der Verein seit dem Einstieg von Lars Windhorst krachend gescheitert. Beinahe so deutlich, dass der Abstieg kaum noch abzuwenden gewesen wäre. Nach 34 Spieltagen hätte sich kein Mensch beschweren können, wenn es dazu gekommen wäre. Es gilt mit Bedacht und klaren und freien Köpfen zu handeln. Keiner fordert Wunderdinge. Schon gar nicht, dass nächste Saison das Ziel Europa ausgerufen wird. Wenn man sich in den sozialen Medien so umschaut, reicht eigentlich schon eine entspannte, ja fast schon langweilige Mittelfeld-Saison. Und daran sollte man sich orientieren. Es geht nicht um den Wunsch und das Image eines windigen Investors, der von dem Geschäft rein gar keine Ahnung hat. Es geht um die vielen, zehntausenden Fans, die mit dem Verein durch jedes noch so übel lodernde Feuer gehen und ihm die Treue bis in alle Ewigkeiten schwören. Ein Verein und die Fans müssen gemeinsam wachsen, die Ansprüche ebenso. Und das braucht Zeit. Die Sinnkrise und Selbstfindungsphase des Vereins ist noch lange nicht vorbei, doch mit dem Klassenerhalt konnte ein großer Schritt in die richtige Richtung gegangen werden, um diese Phase irgendwann zu beenden.

Aufwachen und die Chancen nutzen

Die Chancen für einen Neuanfang sind da, nie waren sie größer und sie dürfen dieses Mal nicht vergeben werden. Die Reaktionen der Spieler nach dem Spiel zeigen, was solche Abstiegsschlachten psychisch mit Menschen machen. Ein weiteres Jahr in diesen Tabellengefilden wäre schwerer denn je. Fredi Bobic und co. müssen nun einen schlagkräftigen Kader zusammenbauen um Hertha nächste Saison ein ruhiges Jahr zu schenken und einen gesicherten Weg in die Zukunft zu ebnen.

Nur dann gelingt es endgültig aus einem jahrelangen Albtraum zu erwachen.

[Titelbild: RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images]

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Herthaner im Fokus: Herthas Abstieg nimmt Formen an

Nachdem Hertha BSC in den letzten Wochen drei Matchbälle im Kampf um den Klassenerhalt verspielt hatte, steht man nun genau da, wo man niemals hinwollte, am Abgrund. Es fehlt nicht mehr viel. Gegen den Hamburger SV zeigten 76.000 Fans im ausverkauften Olympiastadion, was ihnen der Fußball, die beiden Vereine und die Bundesligazugehörigkeit bedeuten. Doch lediglich die vielen Zuschauer*Innen zeigten sich an diesem Abend erstligatauglich. Auf dem Rasen präsentierten sich zwei klassische Zweitliga-Mannschaften.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Magath experimentiert mit Personal und System

Dass mit Santiago Ascacibar ein wichtiger Baustein der Achse, die sich bei Hertha im Schlussspurt der Saison gebildet hatte, gelbgesperrt fehlen würde und ersetzt werden müsse, war im Vorfeld klar. Doch Anstatt ihn 1:1 zu ersetzen, was in Anbetracht des restlichen Kaders möglich gewesen wäre, baute Felix Magath auch das System um. In einem 4-2-2-2-System, also in der Tayfun-Korkut-Gedächtnis-Formation, stellte er die Mannschaft auf.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Der mit einer Gehirnerschütterung und einem Nasenbeinbruch ausfallende Torhüter Marcel Lotka wurde durch Oliver Christensen ersetzt. Er war damit der dritte Torhüter, den die Berliner in dieser Saison aus Verletzungsgründen einsetzen mussten. Im Vergleich zum Spiel in Dortmund blieb gegen den HSV die verteidigende Viererkette unberührt. Marvin Plattenhardt, Marc Oliver Kempf. Dedryck Boyata und Peter Pekarik sollten wie üblich den Ball vom Tor fernhalten. Im zentralen Mittelfeld ersetzte Niklas Stark nach einigen Erkältungstagen den gesperrten Santi Ascacibar. Daneben Lucas Tousart, der im Vergleich der kreativere Spieler ist. Davor sollten auf den Außen Maximilian Mittelstädt und Suat Serdar agieren. Im Sturm setzte Magath auf eine Doppelspitze um Ishak Belfodil und Jungspund Luca Wollschläger. Davie Selke fiel weiterhin mit muskulären Problemen aus.

Wir schauen in unserer heutigen Analyse auf die schwache Innenverteidigung, den ebenso schwachen Sturm, den dritten Torhüter der Saison, die Kämpfer in dieser schweren Situation, einen Streit von Alphatieren, der letztendlich genickbrechend ist und was noch ein letzten Fünkchen Hoffnung bietet.

Marc Oliver Kempf und Dedryck Boyata: Die gute Form ist weg

Das Innenverteidiger-Duo zeigte gegen den Hamburger SV aus welchem Grund auch immer eine Leistung, die an alte Korkut-Zeiten erinnerte. Beide waren stark überfordert mit den eigentlich ebenso zahnlosen Angriffen der Hanseaten.

Marc Oliver Kempf rutschte häufig in seine gefährlichen Aktionen ab, die ihn in der Vergangenheit schon negativ ausgezeichnet haben. Er hatte die meiste Zeit über deutliche Schwierigkeiten bei seinen Aktionen. Auch wenn er zwei Bälle klären und zwei weitere abfangen konnte, lieferte er kaum entlastende Momente. Dass er 44 Mal am Ball war und 34 seiner 38 Pässe beim richtigen Mann unter kamen, hat leider nichts mit Aktionen zu tun, die ein sehenswertes Angriffsspiel einleiten würden. Vielmehr handelte es sich um ideenloses Hintenrumgespiele mit seinen verteidigenden Kollegen. Immerhin brachte er drei von fünf langen Bällen an den Mann. Nennenswert für Aufsehen konnte er aber auch damit nicht sorgen. Ein neuer Unsicherheitsfaktor, der sich zwischendurch stabilisiert hatte.

Auch der Hertha-Kapitän Dedryck Boyata zeigte wieder altbekannte Schwächen. Auch er ging oft ungestüm zu Werke, ließ Kommunikation vermissen, lief viel dem Gegner hinterher und hatte in der 49. Minute sogar noch Glück bei seinem unnötigen Foul gegen Miro Muheim. Wäre sein Fuß bei der Aktion ein wenig höher oder tiefer gewesen, hätte sogar ein Platzverweis gedroht. So war der Belgier mit der gelben Karte gut bedient. Im Angriffskuddelmuddel des HSV schaffte er es oft noch irgendwie seine Füße dazwischen zu kriegen und schlimmeres zu verhindern. Er klärte fünf Bälle, fing vier weitere ab. Allerdings gewann er lediglich einen von drei Zweikämpfen. Eine schwache Quote, die er aber auch nicht zu verbessern im Stande war, da er kein Interesse an diesen Aktionen hatte. Wie Kollege Kempf hatte er massig Ballaktionen. 50 waren es bei ihm, 36 Pässe spielte er. 28 fanden den Mitspieler, auch hier wieder eher die Nebenmänner in der Verteidigung. Es war eine schwache Leistung eines untergehenden Kapitäns.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ishak Belfodil: Allein auf weiter Flur

Bayerns Trainer Julian Nagelsmann sagte vor einigen Monaten, Ishak Belfodil sei einer der unterschätztesten Stürmer der Bundesliga. Unter ihm hatte der Algerier einst ein prächtiges Jahr in Hoffenheim gespielt. Und auch bei Hertha zeigte er in dieser Saison oft seine Klasse. Immerhin kam er auf fünf Bundesliga-Treffer. Bei Herthas spielerisch nicht vorhandener Offensive ist das tatsächlich eine beachtliche Ausbeute. Ihn zeichnen Technik und Wille aus und beides zeigte er auch in diesem Spiel. Technisch war er der beste Herthaner, kämpfte um die Bälle, wusste sie zu behandeln und zu verwerten. Doch er war dabei allein auf weiter Flur. Das übliche Problem, dass er sich die Bälle aus der Tiefe oder von den Außen holen musste, bestand weiterhin und konnte unter der gesamten Saison nur sehr selten abgestellt werden. Die 44. Minute hätte sein goldener Moment werden können, als er Plattenhardts Flanke mit einem feinen Kopfball ins rechte Eck verwandelte. Leider stand er hauchzart im Abseits. In seinen 80 Minuten war er engagiert und motiviert, letztendlich aber glücklos.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Sehenswert war seine Aktion in der 61. Minute, als er sich ein Herz nahm und die Verteidiger Vuskovic und Schonlau auf der rechten Seite stehen ließ und mit Haken sich in den Strafraum dribbelte. Doch wie viele andere Spieler an dem Abend hatte auch er Probleme mit dem nassen Rasen und rutschte weg, was die Situation zusätzlich erschwerte. Trotzdem zwang er mit einem Schuss aufs rechte Eck Torhüter Heuer Fernandes zu einer Parade. Insgesamt gewann er allerdings auch nur zwei seiner sieben Dribblings. Doch die Mannschaft suchte ihn, 43 Aktionen hatte er. 16 Bälle verteilte er, zwölf kamen an. Seine 75 Prozent Passquote zeigen seine technischen Fähigkeiten und die hohe Konzentration, mit der er zu Werke ging. Doch auch er verlor 19 Mal den Ball und wurde mit zunehmender Spieldauer deutlich müder. Im Endeffekt sollten ihm und Stevan Jovetic im Rückspiel alle Freiheiten gelassen werden, um offensiv etwas zu Stande zu bringen.

Oliver Christensen: Einer für die Hertha-Zukunft

Oliver Christensen hatte gegen den HSV seinen ersten Profi-Einsatz für Hertha BSC. Viele Verletzungen und ein sich festgespielter Marcel Lotka hatten diesen Einsatz bisher verhindert. Und dafür, dass sein erster Einsatz in so einer Drucksituation stattfand, machte er seine Sache gut. Die Hamburger zwangen ihn zwar auch nur selten zu Paraden, doch das, was er auf sein Tor bekam, wurde von ihm verwertet. Dass ein Spieler, der noch nie auf diesem Niveau gespielt hatte, weiche Knie oder Anlaufschwierigkeiten haben würde, war klar. Doch auch die wusste er zu unterbinden.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Die Rot-Hosen liefen den Dänen immer wieder extrem an, er schaffte es die Situationen allesamt zu lösen. Er konnte 14 von 34 Pässen an den Mann bringen. 41 Prozent sind nicht viel, aber eine akzeptable Quote für einen Torhüter, der ständig unter Druck gesetzt wird. Zusätzlich wurde er zu zwei Paraden gezwungen, auch war sein Stellungsspiel einwandfrei. Bei weiteren Spielen bekommt auch Christensen die nötige Routine um dauerhaft auf einem Bundesliga- oder Zweitliganiveau mithalten zu können. Also egal in welche Richtung sich die Personalie Marcel Lotka entwickelt, auf der Torhüter-Position scheint die Hertha aktuell keine allzu großen Baustellen zu haben.

Lucas Tousart und Peter Pekarik: Immerhin mit Kampf und Leidenschaft

Sie sind sicherlich nicht die größten Zauberer am Ball, aber sie sind Kämpfer. Sie stellen sich gegen alles, was ihnen in den Weg kommt, ignorieren den entstehenden Schmerz und teilen auch selbst sehr gerne aus.

Lucas Tousart ackerte und mühte sich ab, ging in enorm viele Zweikämpfe. 13 seiner 20 Duelle gewann er. Er war praktisch überall zu sehen und wirkte, als würde er den Part seines sonstiges Partners Ascacibar einfach mitmachen. Am Ball war er über 50 Mal. 78 Prozent angekommener Pässe – 21 von 27 – sind ebenfalls eine sehenswerte Quote. Er ging zusätzlich in fünf Tacklings und lief über 11,7 km. Drei von drei Dribblings beendete er erfolgreich. Doch das sind zwar alles schöne Zahlen und die Leistung Tousarts darf man auch durchaus loben, doch was nützt es wenn auch er letztendlich keinen Funken Offensivpower ausstrahlt? Trotzdem einer der besten Herthaner auf dem Feld. Beim Treffer konnte er Ludovit Reis nicht mehr an der abrutschenden Flanke hindern. Ihm da aber eine wirkliche Mitschuld zu unterstellen, wäre hart.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Dauerbrenner Peter Pekarik ackerte ebenfalls über die volle Distanz. Mit 65 Aktionen war er einer der aktivsten Herthaner, gewann fünf seiner sieben Zweikämpfe. Und spielte 23 von 31 erfolgreichen Pässe. Viermal versuchte er es mit langen Bällen. Zwei kamen immerhin an. Außerdem fing er vier Bälle ab, doch auch 13 Ballverluste musste der nimmermüde Pekarik hinnehmen. In der 57. Minute konnte er den Pass auf der Außenbahn von Vorlagengeber Mulheim auf den Torschützen Ludovit Reis nicht verhindern. Zusätzlich hatte er großes Glück, dass bereits vor seinem Handspiel in der 32. Minute, welches einen Elfmeter zu Folge gehabt hätte, bereits der Hamburger Maximilian Rohr mit der Hand am Ball war.

Kevin Prince Boateng und Felix Magath: Kriegt euch (für Hertha) ein!

Während die Mannschaft mit jedem Spiel dem Abstieg näher entgegentaumelt, scheint nun wieder einmal ein Nebenschauplatz im Verein eröffnet zu sein. Die Kabinenfehde zwischen Kevin Prince Boateng und Felix Magath könnte durchaus schlimmeres angerichtet haben, als zunächst angenommen.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Und sie passt ins Bild. Felix Magath ist kein wirklicher Teil dieses Hertha-Teams, er wirkt nahezu so, als wäre ihm das Ergebnis seiner Arbeit gar nicht mal so wichtig. Mittlerweile hält er sich an Minihoffnungen und einfachen Glücksmomenten fest. Ihm fehlen sämtliche Argumente, die er in fehlenden Spielern, wie Santiago Ascacibar sucht. Seine Experimente mit jungen Spielern mögen gut gemeint sein, helfen im Abstiegskampf allerdings nicht weiter. Luca Wollschlägers Einsatz war ähnlich fragwürdig wie Julian Eitschbergers im Derby gegen Union Berlin. Seine Wechsel gegen Hamburg verpufften entweder relativ wirkungslos (Stevan Jovetic, Marco Richter, Myziane Maolida) oder sorgten in Form von Linus Gechter zunächst für extreme Unsicherheit in der Defensive. Möglicherweise wäre Vladimir Darida die sichere Wahl gewesen.

Boateng dagegen, der zumindest in der ersten Halbzeit noch motivierte und gestikulierte, saß spätestens ab der zweiten Hälfte gefrustet auf der Bank ohne jene Coaching-Elemente zu verkörpern, die ihn in dieser Saison ausgezeichnet haben. Will man die Hypothek aus dem Hinspiel in Hamburg noch umbiegen, braucht man ein intaktes Team und keine Alphatierschlacht. Aktuell scheinen individuelle Interessen aber größer zu sein.

Santiago Ascacibar und Davie Selke: Das letzte Fünkchen Hoffnung

Wenn die Hoffnungen von Hertha wirklich auf Santiago Ascacibar und Davie Selke liegen, brennt es wirklich. Ascacibar wird im Rückspiel ziemlich sicher seine Position im defensiven Mittelfeld zurückbekommen. Davie Selke wird ebenfalls große Chancen auf ein paar Minuten haben, sofern er fit ist. Beide stehen für Kampf und Leidenschaft. Beide motivieren, betreiben Psychotricks ob mental oder körperlich und beide können genauso individuelle Momente kreieren.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Aber das alles ist ein viel zu großes Fragezeichen. Aktuell bietet wenig Hoffnung, wenn die beiden in der Lage sein sollten, das Spiel der Mannschaft an sich zu reißen oder mit ihren Stärken den HSV vor ernsthafte Probleme zu stellen, gleicht das möglicherweise einem Wunder. Die Hoffnung bleibt trotzdem.

Der Abstieg naht – doch die Hoffnung bleibt bis zur aller letzten Sekunde

Diese Mannschaft kann es nicht. Sie ist weder spielerisch, körperlich noch psychisch dazu in der Lage ein großes Spiel in ihre Richtung zu lenken. Das hat sie in dieser Saison in drei Derbys, in drei Matchball-Spielen und gegen den HSV eindrucksvoll bewiesen. Ein vollkommen schief zusammengestellter Kader konnte von keinem Trainer in dieser Saison so aufgestellt werden, dass er ernsthaft wettbewerbsfähig ist. Unter Pal Dardai noch am ehesten, doch der ist bekanntlich seit einigen Monaten raus. Der Abstieg in die Zweitklassigkeit steht bevor, da braucht man sich nichts vormachen.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Doch am Montag sitzen wir wieder alle zusammen vor den TV-Geräten, lieben und hassen diesen Verein, verzweifeln oder jubeln oder stehen in Hamburg im Block und feuern die Mannschaft an. So lange auch nur der kleinste Funken Hoffnung besteht, müssen die Fans und die Mannschaft dran glauben und gemeinsam für den Klassenerhalt arbeiten.

[Titelbild: TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images]

Die nächste neue Hertha – Vorstellung der Neuzugänge

Die nächste neue Hertha – Vorstellung der Neuzugänge

Noch im Mai forderte Pál Dárdai, dass es keinen erneuten Umbruch geben dürfe. Zehn Zugänge, 13 Abgänge und einen enttäuschenden Deadline Day später steht Hertha mit einem rundum erneuerten Kader da. Zeit, die Gedanken zu sortieren und sich die neuen unbekannten Spieler einmal anzusehen.

Unser hausinterner Frankreich-Experte Christophe widmet sich demnächst in einem ausführlichen Artikel unserem Deadline Day  Neuzugang Myziane Maolida. Alle weiteren Neuzugänge des Sommers stellen wir hier in einem Kurzporträt vor

Jurgen Ekkelenkamp – Das fehlende Puzzleteil?

Herthas neue Nummer Zehn kam nach einigem Hin und Her von Ajax Amsterdam nach Berlin. Der 21-jährige Jurgen Ekkelenkamp war sich des Längeren mit Hertha über einen ablösefreien Transfer im Sommer 2022 einig, nun stößt er für etwa drei Millionen Euro schon in diesem Sommer zur Mannschaft.

Der Niederländer aus der Ajax-Jugend ist der sechste zentrale Mittelfeldspieler in Herthas Kader, dabei aber deutlich auf die offensiveren Positionen spezialisiert. Er kann als offensiver Achter in einem 4-3-3 oder als Zehner im bei Dárdai beliebten 4-2-3-1 agieren. Dabei ist er allerdings weniger der besonders kreative und dribbelstarke Offensivkünstler, als vielmehr ein passsicherer Ballverteiler, typisch für die Ajax-Schule.

hertha
Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx

Neben seiner Übersicht und Passsicherheit tut sich Ekkelenkamp insbesondere ohne Ball am Fuß durch seine Läufe in den gegnerischen Strafraum vor, um eine weitere Anspielstation zu bieten und die Zuteilung der Defensive durcheinanderzuwürfeln wie es etwa ein Ilkay Gündogan in der letzten Saison bei Manchester City sehr erfolgreich gehandhabt hat. Ekkelenkamp bringt somit auch eine gewisse Torgefahr aus dem Mittelfeld mit und kann durch seine Tiefenläufe Abwehrreihen aufbrechen und Räume für Mitspieler kreieren – beides Dinge, die Hertha in den letzten Jahren beinahe völlig abgingen.

Hertha-Base Redakteur Simon hat in einem Twitter-Thread seine Sichtweise auf den Neuzugang erläutert und mit einigen Spielszenen untermalt:

Dass Jurgen Ekkelenkamp direkt mit der symbolträchtigen Rückennummer Zehn auflaufen wird, zeigt welche Hoffnungen die Verantwortlichen in ihn legen. Gerade nach den vielen Abgängen in der Offensive wird es spannend, ob der niederländische U21-Nationalspieler schnell zum Zug kommt, wie er sich in das Offensivspiel der Mannschaft einbringt und welche taktische Rolle Pál Dárdai ihm zugedenkt. In jedem Fall erweitert Jurgen Ekkelenkamp die offensiven Möglichkeiten der Hertha.

Oliver Christensen – Druck für Schwolow

Nachdem sich Rune Jarsteins Reha nach der schweren Corona-Erkrankung  noch eine Weile in die Länge zieht und Hertha offensichtlich Nils Körber die Rolle der Nummer Zwei nicht zutraut, wurden die Verantwortlichen um Fredi Bobic und Arne Friedrich in der dänischen Liga bei Odense BK fündig. Der 22-jährige Oliver Christensen, dänischer U21-Nationalkeeper, kommt für kolportierte drei Millionen Euro in die Hauptstadt und komplettiert das Torwart-Team.

Foto: IMAGO

Keeper-Analyst Sascha hat in einem Twitter-Thread die Stärken und Schwächen des Berliner Neuzugangs aufgezeigt (als dieser noch beim HSV im Gespräch war):

Dem Dänen wird also viel Potenzial attestiert. Er könnte somit nach kurzer Eingewöhnungszeit direkt in einen Zweikampf mit Alexander Schwolow treten, dessen unglückliche Debütsaison sich fortzusetzen scheint. So sah Schwolow bei den Toren zum 1:1 der Wolfsburger wie auch beim 2:0 in München nicht gut aus.

Schon in der letzten Saison hatte Chefcoach Pál Dárdai Schwolow wegen fehlenden Spielglücks auf die Bank beordert und Rune Jarstein bis zu dessen Corona-Erkrankung zur Nummer Eins gemacht. Zwar hieß es damals, die Zukunft gehöre Schwolow – angesichts der Ankunft des jungen hungrigen Konkurrenten könnte diese aber schon bald wieder vorbei sein.

Ishak Belfodil – Das Experiment

Mit Ishak Belfodil zauberte Hertha für die Offensive einen alten Bekannten aus der Bundesliga aus dem Hut, der dennoch etwas aus dem Blickfeld geraten war.

Der Algerier konnte in bisher 74 Bundesliga-Spielen 20 Tore und sieben Vorlagen erzielen – klingt soweit ganz ordentlich. Davon entfallen aber bereits 16 Tore und fünf Vorlagen auf seine stärkste Saison 2018/2019 bei Hoffenheim, gleichbedeutend mit einer Ausbeute von vier Toren und zwei Vorlagen in den übrigen 46 Spielen – ausbaufähig.

Der 29-Jährige hatte zu seiner Hoffenheimer Zeit mit Andrej Kramaric ein kongeniales Duo gebildet, verpasste dann aber wegen einer schweren Knieverletzung die gesamte Spielzeit 2019/2020, erkrankte anschließend an Corona und wurde im letzten Jahr vom neuen Coach und Ex-Herthaner Sebastian Hoeneß kaum noch berücksichtigt.

Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx/IMAGO

Belfodil soll laut Pál Dárdai der Ersatz für Jhon Córdoba sein, ähnelt ihm in seiner Spielweise aber eigentlich kaum. Während Córdoba für den Prototyp bulliger Stürmer steht, ist Ishak Belfodil ein eher mitspielender Stürmer, der das Kombinationsspiel sucht, auch mal auf die Außen ausweicht, selbst Vorlagen geben kann, aber trotzdem einen ordentlichen Abschluss hat.

Mit einer Ablöse von 500.000 Euro geht man mit der Verpflichtung kaum ein finanzielles Risiko ein. Fraglich bleibt aber, ob Belfodil nach seiner schweren Verletzung und der langen Leidenszeit wieder das Level seiner starken Saison erreichen kann oder ob eher jene Saison ein Ausreißer nach oben war. Ein Eins-zu-Eins-Ersatz für Jhon Córdoba ist der Algerier mitnichten, er kann aber gerade im Zusammenspiel mit einem zweiten Stürmer Akzente in der Offensive setzen und ist als Option für die Kaderbreite in Ordnung.

Marco Richter – Herthas neuer Wirbelwind

Der 23-jährige Offensivallrounder kam vom FC Augsburg zu Hertha. Dabei ist er höchstwahrscheinlich insbesondere für die offensiven Außen rechts wie links eingeplant. Wenngleich sein übliches Einsatzgebiet die Außenpositionen sind, so ist er dennoch kein klassischer Flügelspieler.

Richter klebt nicht an der Linie, dribbelt sich dann bis zur Grundlinie durch und bringt reihenweise butterweiche Flanken in den Fünfer. Vielmehr stößt er gerne selbst neben einem zentralen Stürmer über die Halbpositionen vor, zieht zielstrebig zum Tor und sucht schnell den Abschluss. Trotz dieser latenten Torgefahr kam Richter beim FCA in vier Saisons allerdings noch nicht über vier Saisontore hinaus. Auch mit seinen Dribblings kann er durchaus mal den ein oder anderen Gegenspieler stehen lassen, um selbst zum Schuss zu kommen oder einen Mitspieler einzusetzen.

Foto: xkolbert-press/ChristianxKolbertx/IMAGO

In seinem Spielstil gleicht er somit trotz unterschiedlicher körperlicher Anlagen Dodi Lukébakio, der insgesamt etwas dribblingslastiger allerdings seinerseits häufig zu kopflos die falschen Entscheidungen traf. Richter bringt darüber hinaus mit einer gewissen Wucht in Zweikampf, Dribbling und Torschuss eine Komponente mit, die Lukébakio häufig abging.

Ebenso war an den ersten Spieltagen bei seinen Kurzeinsätzen Galligkeit, Einsatzwillen und Ehrgeiz zu erkennen, den die Mannschaft in den letzten Jahren so schmerzlich vermissen ließ. Bleibt zu hoffen, dass Richter nicht wie so manch anderer Neuzugang in den Hertha-Trott verfällt, sondern die Mannschaft mit seinem Elan mitreißen kann. Angesichts der weiteren Abgänge von Dodi Lukébakio und Javairo Dilrosun praktisch konkurrenzlos auf dem Flügel sollte Richter das nun in Zukunft häufig in der Startelf zeigen können.

Stevan Jovetic – Erfahren wie talentiert, aber auch fragil

Mit Stevan Jovetic wurde ein echter Bobic-Transfer an Land gezogen. Einst ein großer Name, zuletzt aber in der Versenkung verschwunden – und natürlich von der LIAN Sports Group vertreten.

Vor acht Jahren war Jovetic sowas wie das nächste große Ding und wechselte damals nach einigen starken Saisons bei der AC Florenz für 26 Millionen Euro zu Manchester City, die schon damals ein Starensemble waren und am Ende der Saison die Meisterschaft holen sollten. Damals auch mit im Kader der Citizens übrigens ein gewisser Dedryck Boyata. Über Inter Mailand, den FC Sevilla und die AS Monaco kam der Montenegriner nun diesen Sommer nach Berlin und möchte nun beweisen, dass er das Tore schießen über all die Jahre und Stationen nicht verlernt hat.

Foto: IMAGO

Der 31-Jährige ist ebenfalls nicht der „typische“ Strafraumstürmer, sondern in der Offensive variabel einsetzbar, technisch stark, ordentlich im Dribbling und Abschluss und kann so durchaus Alleinunterhalter sein. Auch ihm könnte es aber noch besser liegen, einem Zielspieler im Sturmzentrum zuzuarbeiten bzw. um diesen herum als kreierender Part der Offensive zu agieren.

Doch dafür müsste er verletzungsfrei bleiben – seine Verletzungshistorie auf transfermarkt.de füllt bereits zwei Seiten. In den letzten vier Jahren absolvierte Jovetic lediglich 61 Spiele, blieb aber immerhin in der letzten Saison vergleichsweise verletzungsfrei.

Insofern kam es leider nicht ganz überraschend, als sich der Montenegriner nach 20 Minuten im Bayern-Spiel mit Wadenproblemen auswechseln lassen musste. Es bleibt zu hoffen, dass er schnell fit wird und dann gesund bleibt, um die kreative Lücke zu füllen, die die Abgänge von Matheus Cunha, aber auch Dodi Lukébakio und Javairo Dilrosun gerissen hat. Sein Spielwitz hat Hertha bereit gut getan – man will ihn nicht lange missen.

Suat Serdar – Schon nicht mehr wegzudenken

Schon frühzeitig festgemacht wurde der Transfer von Suat Serdar. Der ehemalige deutsche Nationalspieler soll die zentrale Rolle im Hertha-Spiel ausfüllen, die in den letzten Jahren behelfsweise mit den Leihspielern Marko Grujic und Matteo Guendouzi besetzt wurde. Als Strippenzieher und Taktgeber im Hertha-Mittelfeld soll Serdar das Spiel der Hertha denken und lenken.

Und in der Vorbereitung klappte das nach kurzer Zeit schon erstaunlich gut. Serdar ließ dabei insbesondere immer wieder Torgefahr aufblitzen, wenn er sich selbst dribbelnd ins letzte Gegnerdrittel vorwagte oder sich in Tornähe an einigen schönen Kombinationen mit Mitspielern versuchte.

Foto: nordphotoxGmbHx/xTreese/IMAGO

Daneben ließ er als Box-To-Box-Spieler seine Qualitäten in der Schaltzentrale aufblitzen. Seine dynamischen Antritte, das gute Auge und die Offensivläufe ließen hoffen, dass Hertha die kreative und verbindende Stelle im Zentrum endlich ordentlich und nachhaltig besetzt hat.

Umso überraschender, dass Pál Dárdai ihn im ersten Saisonspiel gegen den 1. FC Köln als Rechtsaußen beginnen ließ. Serdar fand auf der ungewöhnlichen Position überhaupt nicht ins Spiel und konnte keine Impulse setzen. Diese positionsfremde Aufstellung aus Mangel an Alternativen wurde zwar in den folgenden beiden Spielen korrigiert, Serdar konnte das Spiel aber nicht derart an sich reißen wie noch in der Vorbereitung. Die Verunsicherung der Mannschaft färbte in Teilen auf ihn ab und weckte vermutlich Erinnerungen an die letzte Saison Serdars in Gelsenkirchen.

Nichtsdestotrotz konnte er bereits andeuten, warum Hertha ihn geholt hat. Sofern sich die Mannschaft in den nächsten Spielen wieder etwas stabilisiert, wird Serdar seine Qualitäten zeigen können. Schon jetzt ist er aus Herthas zentralem Mittelfeld nicht mehr wegzudenken.

Rückkehrer Boateng und Quasi-Neuzugänge

Heimkehrer Kevin-Prince Boateng wurde von uns in der Vorbereitung bereits mit einem ausführlichen Porträt bedacht. Mit seiner Erfahrung und Mentalität ist er ein wichtiger Führungsspieler in der Mannschaft. Ob sein Körper mitmacht und er sportlich mithalten kann, steht auf einem anderen Blatt.

Neben Dennis Jastrzembski kehrte auch Davie Selke von seiner Leihe zurück. Nach starker Vorbereitung, die wir zum Anlass genommen haben, ihn noch einmal genauer zu beleuchten, verletzte er sich im Spiel gegen Bayern und fällt vorerst aus.

Obwohl Pál Dárdai im Mai noch davon sprach, dass man nicht erneut einen großen Umbruch vornehmen dürfe, stehen am Ende der Transferphase zehn Zugänge 13 Abgängen gegenüber. Ob damit jetzt die geforderte Mentalität und geschlossene Mannschaftsleistungen erreicht werden können, bleibt abzuwarten.

[Titelbild: IMAGO]