Herthaner im Fokus: Matchball vergeben

Herthaner im Fokus: Matchball vergeben

Hertha BSC spielt in Bielefeld 1:1. Und man muss angesichts der schwachen Bielefelder Offensive von „nur“ 1:1 sprechen. Die Berliner haben mit dem Remis in Ostwestfalen ihren ersten Matchball im Kampf um den Klassenerhalt vergeben. Doch die Chancen nächstes Jahr in der Bundesliga zu spielen, stehen weiterhin gut, weshalb nach dem Spiel absolut keine Trübsal geblasen, sondern die kämpferische Ausstrahlung der letzten Wochen weiterhin nach außen gezeigt wurde.

Auf der Bielefelder Alm hielt Felix Magath so gut es ging an seiner Startelf fest, die sich mittlerweile festgespielt hat. Im Tor Marcel Lotka, die Viererkette bestehend aus Marvin Plattenhardt, Dedryck Boyata, Marc Oliver Kempf und Peter Pekarik und die davor spielende Doppelsechs um Lucas Tousart und Santiago Ascacibar. Kevin Prince Boateng durfte wieder die Zügel im offensiven Mittelfeld halten, auf der linken Seite agierte Suat Serdar und auf der rechten Seite kam es zum einzigen Wechsel in der Startelf. Marco Richter ersetzte den gelbgesperrten Vladimir Darida, nachdem er selbst seine Gelbsperre abgesessen hatte. Vorne im Sturm vertraute Magath auf die Stärken von Davie Selke.

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf die Garanten im Abstiegskampf, eine Hertha-Legende und Magaths gefährlichen Ritt auf der Rasierklinge.

Marvin Plattenhardt und Lucas Tousart: Die einfachen Tugenden müssen es sein

Marvin Plattenhardt und Lucas Tousart zeigen seit Wochen worauf es im Abstiegskampf ankommt. Nicht auf das schöne Spiel, sondern auf das geringste Spiel. Es geht um Einsatzwillen, um kluge Entscheidungen und im Endeffekt auch ganz nüchtern um Standardsituationen. Zusammen waren sie gegen Bielefeld das Duo, welches für den wichtigen Berliner Führungstreffer zuständig war.

Marvin Plattenhardt durfte wie üblich als Linksverteidiger agieren und dabei fast schon als Schienenspieler fungieren, während der auf dem Papier als linker Mittelfeldspieler eingesetzte Suat Serdar immer wieder in die Mitte zog. Gegen Bielefeld reichte über 71 Minuten eine durchschnittliche Leistung, um für Gefahr zu sorgen. Zunächst hätte es in der 23. Minute zur selben Kombination wie schon gegen Stuttgart kommen können. Die hervorragende Flanke Plattenhardts konnte Selke allerdings nicht verwerten. Seinen Kopfball aus kürzester Distanz hielt Torhüter Stefan Ortega stark per Fußabwehr.

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(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Plattenhardt war an 48 Aktionen beteiligt, bemühte sich, gewann zwei seiner vier Zweikämpfe. Sein Aufblühen in den letzten Wochen liegt natürlich vor allem daran, dass er an seinen Stärken aus früheren Tagen anknüpft. Aktuell scheinen seine Leistungen für den Klassenerhalt am Ende zu reichen, doch muss man anmerken, dass die letzten Spiele vor allem gegen individuell schwächere Gegner absolviert wurden. Es wird spannend zu sehen sein, wie sich das Spiel Plattenhardts gegen das scheinbar wiedererstarkte Mainz 05 entfaltet. Aber bekanntlich reicht manchmal schon nur eine gelungene Flanke.

Lucas Tousart war nach 55 Minuten der Nutznießer einer eben solchen gelungenen Flanke. Die Ecke von Marvin Plattenhardt konnte er aus wenigen Metern Entfernung einnicken, nachdem er sich im Strafraum von Patrick Wimmers Deckung befreien konnte. Der Franzose, der die komplette Spielzeit über auf dem Feld ackern durfte, lief wieder einmal seine obligatorischen zwölf km.

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(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Er war 57 Mal am Ball, verteilte diesen so gut es ging. 73 Prozent, also 22 seiner 30 Pässe fanden den richtigen Mitspieler. Eine durchaus vernünftige Quote, die ihn als ballverteilenden Akteur bezeichnen lässt. Wie schon gegen Stuttgart war seine Zweikampfquote nicht die beste. Nur 48 Prozent gewann er – es waren aber meist die entscheidenden. Zweimal zog er ein Foul, auch er selbst wurde zweimal unfair vom Ball getrennt. Er kämpfte und arbeitete, ging gegen seine Gegenspieler dreimal ins Tackling und zeigte seine Motivation, im Abstiegskampf zu helfen. Da scheint jemand in Berlin und im Team angekommen zu sein.

Peter Pekarik: Dauerbrenner und Mr. Hertha BSC

Peter Pekarik spielt mittlerweile seit 10 Jahren in Berlin. Der Slowake gilt als Hertha-Legende. Inklusive des einen Jahres, welches er damals noch in der 2. Bundesliga für die „Alte Dame“ absolvierte, war der Auftritt gegen Arminia Bielefeld sein 200. Liga-Einsatz für Hertha BSC. Wettbewerbsübergreifend kommt er sogar auf 217 Spiele für die Blau-Weißen. Auch am Samstag lief er über 90 Minuten die rechte Seite hoch und runter. Es war bereits sein 25. Einsatz in dieser Saison.

In der Rückrunde hatte er nur am 19. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg auf Grund einer Corona-Infektion gefehlt. Seitdem Felix Magath an der Seitenlinie das sagen hat, spielte der Rechtsverteidiger alle Spiele durch. Erstaunlich für einen 35 jährigen. Es ist natürlich auch ein riesen Großer Mangel im Kader der Hertha, dass man uneingeschränkt auf die Leistungen Pekariks angewiesen ist, doch der zeigt eben jene auch mit seiner üblichen Verlässlichkeit.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Zwar hat er mit dem Alter deutlich an Schnelligkeit eingebüßt, ist weniger wendig, tut sich oftmals im direkten Duell schwer, doch auch auf der Alm lief er stolze 11,5 km. Er gewann vier seiner neun Zweikämpfe, brachte 67 Prozent, also 22 von 33 Pässen an den Mann und behielt nach 24 Minuten die Übersicht, als er Davie Selke in Szene setzte, dessen Flachschuss auf das rechte Toreck aber von Ortega gehalten wurde.

Das Gegentor in der ersten Minute der Nachspielzeit muss aber auch er sich ankreiden lassen. Seine Zweikampfhaltung war in dieser Situation viel zu passiv. Die Folge war, dass ihm Joakim Nilsson entlief, der die Flanke von Robin Hack sehenswert einköpfte. Generell stand dieses Duell unter keinem guten Stern für Pekarik. Nach 58 Minuten hatte er Glück, dass Schiedsrichter Deniz Aytekin den Kontakt Pekariks an Nilssons Ferse nach VAR-Eingriff nicht als Foul wertete. Es wäre allerdings auch eine sehr harte, aber eben nicht falsche Entscheidung gewesen.

Fredrik André Bjørkan und Maximilian Mittelstädt: Zu kompliziert

Fredrik André Bjørkan und Maximilian Mittelstädt haben gegen Arminia Bielefeld praktisch mit ihren eigenen Aktionen gezeigt, weshalb es aktuell richtig ist, dass Felix Magath auf Marvin Plattenhardt setzt.

Bjørkan kam nach 71 Minuten für eben jenen Plattenhardt. Sein Auftritt war solide, mehr aber auch nicht. Die Bielefelder machten es ihm eigentlich nicht schwer, doch einfaches zustellen, ließ den Norweger schnell ins Schwitzen kommen. Immerhin gewann er zwei seiner vier Zweikämpfe und konnte elf von dreizehn Pässen an den Mann bringen. Doch der Großteil der Pässe waren eher sichere Bälle über wenige Meter.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In der Defensive fing er immerhin noch drei Bälle ab. Gerade in der Offensive gelang ihm allerdings einfach zu wenig. Er brachte zu wenig Tempo ins Spiel, agierte zu kompliziert, traute sich im eins gegen eins zu wenig und schien zu viel nachzudenken. Immer wieder konnte er sich auf der linken Seite durchsetzen, brach dann allerdings seine Aktion ab oder brauchte zu lange den Anspielpartner zu finden. Sein Auftritt verpuffte letztendlich wirkungslos.

Maximilian Mittelstädt kam erst nach 85 Minuten für Suat Serdar ins Spiel. Felix Magath sieht Mittelstädt weniger auf der linken Seite in der Verteidigung, sondern mehr eine Position weiter vorne. Doch leider zeigte Mittelstädt in den wenigen Einsatzminuten, warum er die meiste Zeit seiner Karriere eher hinten eingesetzt wird.

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(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Die offensive Routine fehlte ihm bei der riesigen Möglichkeit in der 88. Minute zusammen mit Luca Wollschläger. Auch sein Eckball kurz vor Schluss war ein schwacher Versuch nochmal in der Offensive etwas auszurichten. Mittelstädt ist in dieser Saison klar zum Führungsspieler herangewachsen und hat persönlich und spielerisch einen großen Schub gemacht, doch im Abstiegskampf geht es letztendlich um andere spielerische Aspekte, die ihm aktuell einen Stammplatz und Einsatzminuten kosten.  

Luca Wollschläger vs. Ishak Belfodil: Magaths gefährlicher Tanz auf der Rasierklinge

Felix Magath ist dafür bekannt bei seinen Stationen immer wieder jungen Spielern Chancen zu geben. Gegen Leverkusen durfte Marten Winkler Einsatzminuten sammeln, im Derby gegen Union Berlin feierte Julian Eitschberger sein Profidebüt in der Verteidigung, Anton Kade kam unter dem neuen Trainergespann auch schon dreimal zum Einsatz. Gegen Bielefeld kam ein weiterer Jungspund zu seinem Profidebüt. Der 19-jährige Stürmer Luca Wollschläger, der gegen den VfB Stuttgart in der letzten Woche bereits auf der Bank saß, bekam auf der Alm seine ersten zwölf Bundesligaminuten

Und er zeigte sich engagiert, lief viel, machte Bälle fest und ließ ohne Zweifel sein enormes Potential aufhorchen. Als Wollschläger in der 78. Minute für Davie Selke eingewechselt wurde und zuvor mit Niklas Stark, Fredrik André Bjørkan und Linus Gechter drei defensive Spieler bereits aufs Feld kamen, war die Devise relativ klar. Die knappe 1:0-Führung sollte über die Zeit gebracht werden. Um auf die letzten Minuten noch ein wenig Schwung in den Sturm zu bringen, setzte Magath auf das Talent Wollschlägers.

In der 88. Minute hätte Wollschläger dieses Vertrauen direkt mit einem Tor zurückzahlen und seinem Trainer mit dieser risikoreichen Entscheidung Recht geben können. Die riesige Möglichkeit zum 2:0 vergaben er und Maximilian Mittelstädt relativ kläglich. Vermutlich wäre ein Schuss aufs Tor direkt durch Wollschläger die richtige Entscheidung gewesen. So kam es wie es kommen musste. Wenige Minuten später erkämpfte sich Bielefeld den späten Ausgleich.

Die Kritik soll dabei keinesfalls an Luca Wollschläger und Maximilian Mittelstädt gehen. Eher an Felix Magath. Warum wird in einem solchen Spiel auf einen 19-jährigen Debütanten gesetzt und nicht auf einen erfahrenen Stürmer wie Ishak Belfodil, der über das gesamte Spiel nur auf der Bank saß? Wenn Belfodil nicht in Magaths System passt oder er ihm möglicherweise charakterliche Defizite unterstellt, warum ist er dann im Kader? Wie gesagt, wenn Wollschläger trifft, ist Magath der gefeierte Jugendförderer, so hat er sich leider verzockt. Der Treffer wäre wahrscheinlich der wichtigste der Saison gewesen.

Konzentration und Party gegen Mainz

Die Hertha hat den Matchball vergeben, allerdings wäre man auch bei einem Sieg auf Grund des Remis des VfB Stuttgarts gegen den VfL Wolfsburg nicht gänzlich gerettet gewesen. Die Situation im Abstiegskampf hat sich für die Berliner keinesfalls verschlechtert, sie ist genau gleich geblieben. Gegen den FSV Mainz 05 kann die Mannschaft aus eigener Kraft den Klassenerhalt feiern. Der VfB Stuttgart muss am folgenden Tag beim FC Bayern München antreten. Sollten die Bayern nach ihrem Meistertitel und der Niederlage in Mainz das Spiel ernst nehmen, dürfte dem Klassenerhalt am nächsten Wochenende nichts mehr im Wege stehen.

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(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Doch schöner, als auf der Couch in der Liga zu bleiben, wäre eine bundesligataugliche Leistung im 18:30-Uhr-Spiel am Samstag. Das Spiel gegen die Mainzer wird enorme Konzentration und höchste Disziplin erfordern. Im entscheidenden Spiel der Saison brauch es keine personellen oder taktischen Experimente, die Leitlinie der letzten Wochen sollte nicht verlassen werden. Ein gut gefülltes und lautes Olympiastadion wird wie gegen den VfB Stuttgart entscheidend beim Klassenerhalt mithelfen. Es ist alles angerichtet. Ein Sieg gegen Mainz und einer großen Party und der endgültigen Versöhnung mit den Fans steht nichts mehr im Wege.

[Titelbild: Christof Koepsel/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Es wird immer dunkler

Herthaner im Fokus: Es wird immer dunkler

Zu aller erst: Wir befinden uns in Zeiten, in denen es schwer ist, sich auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren. Es fühlt sich nicht richtig an, Fußball zu schauen und die Spiele zu analysieren, während ein paar hundert Kilometer entfernt ein Krieg in Europa wütet, der Menschenleben kostet. Ich denke ich kann für die gesamte Redaktion sagen, dass wir uns mit der Ukraine und den dort lebenden Menschen solidarisch zeigen. Und auch wenn es schwerfällt, wollen wir alle versuchen unser Leben normal zu gestalten und uns wie euch die Freude machen, weiter Texte zu schreiben.

Das Spiel gegen den SC Freiburg stand ganz im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Vor dem Spiel gab es, wie in jedem Bundesligastadion, eine Minute, in der an den Schrecken und den Menschen in Osteuropa gedacht wurde.

Hertha: Vieles neu und dann doch das Alte

Sportlich scheint die Talfahrt für die Hertha kein Ende zu nehmen. Auch im Breisgau konnte sich die Mannschaft nicht aus der schweren Krise befreien und verlor letztendlich verdient mit 0:3. Wie schon gegen Leipzig schickte Trainer Tayfun Korkut seine Mannschaft im 4-3-3 aufs Feld. Aufgrund der roten Karte für Marc Oliver Kempf gegen Leipzig war er wieder einmal gezwungen die Innenverteidigung umzustellen. Und um es vorweg zu nehmen, möglicherweise muss er nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Linus Gechter auch im nächsten Spiel auf eine neue Innenverteidigung bauen. Kapitän Dedryck Boyata startete neben dem Youngster. Außerdem begann Suat Serdar an Stelle von Santiago Ascacibar, der sich 90 Minuten lang mit der Bank zufriedenstellen musste.

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(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Während Hertha wieder einmal nur schleppend in die Gänge kam, viel Energie für normalerweise einfachste Schritte aufbringen musste und auch vom Trainer und den Jokern keinerlei nennenswerten Aufschwung erlangen konnte, musst man sich auch mit kritischen Schiedsrichterentscheidungen auseinandersetzen. Das Spiel war zwölf Minuten alt, als Linus Gechter anscheinend Rolland Sallai zu Fall brachte, entscheidend aufklären konnte man die Situation nicht. Die Entscheidung des Schiris war Elfmeter. Lange war das Spiel offen, doch selbst eine durchschnittliche Freiburger Mannschaft war am Ende der relativ deutliche Sieger, gegen eine einfach qualitativ schwache Berliner Mannschaft.

Aber sei es drum. Wir schauen heute auf ein trotz drei Gegentoren gelungenes Debüt, auf eine überraschend gute Leistung, wer anscheinend zu viel mit Starallüren beschäftigt ist und wie sich die Winter-Neuzugänge im Team einfügen konnten. Und ab wann darf man eigentlich die Trainerfrage stellen?

Marcel Lotka: Die gesuchte Nummer eins für Hertha?

Der 5. Torhüter in der Hierarchie im Verein ist 20 Jahre alt und spielt sonst in der 2. Mannschaft von Hertha BSC. Wie in der gesamten Mannschaft ist die Torhüter-Situation extrem prekär. Doch möglicherweise war diese Notsituation ein zukünftiges Glück für Hertha. Nachdem Alexander Schwolow sich mit Corona abgemeldet hatte und Rune Jarstein sowieso seit Monaten nicht einsatzfähig ist und seit letzter Woche auch Oliver Christensen mit muskulären Problemen ausfällt, sollte nun eigentlich die Zeit von Eigengewächs Nils-Jonathan Körber schlagen. Doch es scheint so, als würde er weiter auf sein Bundesliga-Debüt warten müssen, denn auch für dieses Spiel wurde er nicht rechtzeitig fit und musste wieder einmal nur auf der Bank sitzen.

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(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Also stand recht überraschend mit Marcel Lotka ein noch jüngerer Mann zwischen den Pfosten und wurde praktisch ins kalte Wasser geworfen. Und er machte es gut. Sogar sehr gut. Auch wenn er drei Tore kassierte, an denen er herzlich wenig ausrichten konnte, wurde er zu zwei Weltklasse-Paraden gezwungen. Den Freistoß von Vincenzo Grifo in der 6. Minute lenkte er mit den Fingerspitzen über die Latte, in der 34. Minute parierte er spektakulär nach einem wuchtigen Abschluss von Maximilian Eggestein. Zusätzlich kam er auf 77 Prozent Passquote, konnte viele Bälle verteilen und hatte eine starke Ausstrahlung. Er pushte seine Mitspieler, kommandierte, motivierte, war emotional. In der 49. Minute unterlief ihm ein Fehlpass, bei einem Ausflug aus dem Strafraum raus, der glücklicherweise unbestraft blieb. Es war sein größter Fehler im Spiel.

Möglicherweise haben wir Herthaner hier einen Torhüterwechsel auf längere Zeit mit ansehen können. Verdient hätte es sich Lotka allemal, wo doch Schwolow seit Wochen im Formtief steckt.

Lucas Tousart: Einer der wenigen Ausreißer nach oben

Der Franzose hatte gegen die Freiburger tatsächlich einen guten Tag. Ein Ausreißer, den man nur selten von ihm bekommt. Zu oft wurde er positionsfremd eingesetzt oder konnte dem Team nicht die gewünschte Stabilität geben. Und auch wenn er ein gutes Spiel zeigte, befinden wir uns immernoch auf einem recht mäßigen Niveau.

Aber er bemühte sich. Mit zwei Torschüssen und einer Torschussvorlage konnte er sich zum Teil ins Offensivspiel einbinden, verteilte dazu 44 Bälle, von denen immerhin 84 Prozent den Mitspieler fanden. Mit acht langen Bällen versuchte er von hinten Druck aufzubauen, sieben davon kamen an. Und auch hinten konnte er ein ums andere Mal aushelfen, klärte vier Situationen und fing dreimal den Ball von seinen Gegenspielern ab.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Seine Passsicherheit verhalf dem Team lange zu Stabilität und Sicherheit, doch auch er konnte in den Schlussminuten nur noch wenig Gegenwehr leisten, als die Mannschaft aufmachte und das 0:2 und 0:3 kassierte. Kann Tousart an diese Leistung anknüpfen und sie konstant aufs Feld bringen, wäre er die gewünschte Zentrale des Teams.

Stevan Jovetic: Zu wenig Jovetic, zu viel Cunha

Es ist frustrierend. Stevan Jovetic ist der wohl beste Spieler des Teams und immer für einen genialen Moment gut, noch dazu Herthas bester Torschütze der Saison mit sechs Bundesligatreffern. Gegen Freiburg erarbeitete er sich vier Torschüsse, bereitete drei Torschüsse zusätzlich vor. Insbesondere sein traumhafter Pass auf Peter Pekarik in der 38. Minute zeigte wieder einmal seine Genialität, Übersicht und Technik am Ball. Der Rechtverteidiger scheiterte am herausstürmenden Keeper Mark Flekken. Ein Tor hätte der Mannschaft zu dem Zeitpunkt sicherlich gutgetan.

Doch Jovetics Genialität hat auch ihre Kehrseiten. Der Montenegriner wirkt seit Wochen schwer frustriert, lamentiert, diskutiert, wirkt zu oft demotiviert und nicht wie ein Teil des Teams. In der 24. Minute sah er schon von Schiri Jablonski die gelbe Karte, wollte die Entscheidung nicht wahrhaben, diskutierte und stand oft nahe einer weiteren Karte, die einen Platzverweis bedeutet hätte.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

In der 80. Minute verlor er in der eigenen Hälfte nach einem schwachen Zweikampfverhalten den Ball, ermöglichte den Freiburgern so eine riesige Torchance. Er selbst setzte nicht nach, sondern blieb bis Ende der Aktion einfach frustriert auf dem Rasen sitzen.

Seine Verhalten hat viel von dem, was in der letzten Saison über weite Strecken das Dilemma mit Matheus Cunha war, der ebenfalls der Star der Mannschaft war. Mental schien der dem Abstiegskampf nicht gewachsen, die Mannschaft war nur leider zu abhängig von seinem spielerischen Talent. Ähnlich wie aktuell mit Jovetic.

Fredrik-André Björkan und Donjun Lee: Noch kein Bundesliganiveau

Die beiden Winter-Neuzugänge sind sicherlich interessante Spieler und haben Talent. Doch sie sind, so muss man nach einigen Wochen feststellen, keine direkte Hilfe. Sie haben das Potential mit viel Training und Integration zur nächsten Saison eine wichtige Rolle im Team einzunehmen, doch aktuell fehlen die Spieler, die sie ersetzen sollen, extrem.

Björkan spielte über die gesamte Spielzeit als Linksverteidiger. Stammkraft Maxi Mittelstädt stand nach überstandener Corona-Infektion wieder im Kader, war aber wohl noch nicht bereit für einen Einsatz. Björkan versuchte seinen kompakten Körper so gut es ging einzusetzen, gewann zwei Tacklings, klärte zwei Aktionen der Freiburger und hatte mit 88 Prozent Passquote ein durchaus hohen Anteil am Aufbauspiel. Allerdings gewann er nur sechs seiner zehn Zweikämpfe, hatte sieben Ballverluste und musste drei Fouls ziehen. Er schien häufig überfordert und zeigte sowohl beim 0:2 als auch beim 0:3 ein schwaches Zweikampfverhalten.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Dong-Jun Lee wurde in der 70. Spielminute für Vladimir Darida eingewechselt. Beim Stand von 0:1 war es seine Aufgabe von den Außen für Gefahr zu sorgen. Doch seine Schnelligkeit ist zwar oftmals hoffnungsvoll und nett anzusehen, sonderlich viel Einfluss hatte er am Spiel nicht. Immerhin hatte der Südkoreaner neun Ballkontakte und lange versucht mit seinen Mitspielern das Ruder rumzureißen, doch viel ausrichten konnte er nicht. Seine beste Chance hatte er im Abseits stehend, als er aus wenigen Metern aus spitzen Winkel am Tor vorbeischoss. Er scheint noch nicht in der Bundesliga angekommen zu sein und wird sicherlich noch eine ganze Weile dafür brauchen. Aktuell scheint er nicht die erhoffte Hilfe im Abstiegskampf zu sein.

Tayfun Korkut und Fredi Bobic: Bitte in der Realität ankommen!

Man sucht nach Argumenten für die aktuelle Situation, wo man nur kann. Und man hat sie auch. Corona, Verletzungen, der Umbruch im Umbruch, sechs Trainer seit 2019. Aber zwei Punkte und 19 Gegentore aus den bisher sieben Rückrundenspielen, mit 54 Gegentoren die zweitschwächste Verteidigung der gesamten Saison und tief im Abstiegskampf steckend ist schwer besorgniserregend.

Zusätzlich kommt eine bedenkliche Entwicklung, die Trainer Tayfun Korkut und Hertha-Sportvorstand Fredi Bobic gerade nehmen. Die Versuche, die brutalen Niederlagen, wie gegen Leipzig und in Freiburg, schönzureden geht nicht nur an der Realität vorbei, als Fan fühlt man sich auch zunehmend veralbert. Wer weiß wie intern über die aktuellen Leistungen gesprochen wird, aber die Außendarstellung lässt vermuten, dass der Ernst der aktuellen Lage nicht erkannt wird.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Korkut hat kaum noch Argumente auf seiner Seite und scheint taktisch so extrem limitiert zu sein, dass er nicht einmal in der Lage ist, seine Antritts-Aussage – die Taktik nach Stärken der Spieler auszurichten – zu bestätigen. Der Trainerwechsel von Dardai zu Korkut ist im großen Stil gescheitert. Fredi Bobic muss sich die Frage gefallen lassen, die er seit Wochen gestellt bekommt. Weshalb Tayfun Korkut? Was ist der Plan? Denn der wird bei Hertha aktuell händeringend gesucht.

[Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Der nächste Offenbarungseid

Herthaner im Fokus: Der nächste Offenbarungseid

Nachdem am Samstag bereits Herthas Zweite (1:2 bei Chemie Leipzig) und Herthas U17 (1:1 gegen RaBas U17) gegen Leipziger Teams Federn lassen mussten, kamen Herthas Bundesligakicker zum Abschluss des Leipzig-Wochenendes ordentlich unter die Räder. Trotz acht coronabedingter Ausfälle wollte man die 0:6-Hinspielniederlage, höchste Pleite in Herthas Bundesliga-Historie, sowie die Schlechtleistung und Nullnummer gegen den Tabellenletzten Fürth in der letzten Woche nun vor 10.000 Zuschauer:innen im heimischen Olympiastadion vergessen machen. Das klappte dann aber eher mäßig.

Wir blicken auf einige Herthaner bei dieser 1:6-Heimpleite.

Innenverteidigung – 8 x 2 = 6 ?

Nachdem Marc Oliver Kempf nach überstandener Corona-Infektion ins Mannschaftstraining zurückkehren konnte, fiel neben sieben anderen Corona-Fällen auch Herthas Vize-Kapitän Niklas Stark mit einem positiven Test aus, sodass der Winterneuzugang Kempf gemeinsam mit Youngster Linus Gechter bereits das achte Innenverteidiger-Duo der Saison bildete. Dennoch funktionierte das Zusammenspiel der beiden zunächst ordentlich. Blieben sie im Aufbau eher glanzlos und unauffällig, zeigte sich das neuformierte Pärchen defensiv aufmerksam, klärte einige Hereingaben von den Seiten und zeigte eine ordentliche Zweikampfführung.

So eigentlich auch in der 20. Minute, als Gechter RaBa-Stürmer Yussuf Poulsen den Ball im Strafraum zunächst noch wegspitzelte, Vladimir Darida aber nicht in den folgenden Zweikampf kam und Poulsen so auf der rechten Berliner Abwehrseite den freien Benjamin Henrichs bediente. Dessen scharfer zweiter Versuch nach Parade von Alexander Schwolow fälschte Gechter so unglücklich ab, dass der Ball ins eigene Tor gelenkt wurde. Dem 17-Jährigen ist dabei kein Vorwurf zu machen, nichtsdestotrotz ist die Situation bezeichnend für den Herthaner Abstiegskampf. Neben Unvermögen kommt auch noch Pech dazu.

In der Folge stabilisierte sich Hertha zusehends, zu Beginn der zweiten Hälfte folgte eine Druckphase, in der Hertha zum Ausgleich kam und auch defensiv überzeugte. Und dann kam die 62. Spielminute. Einen Moment unaufmerksam ließ Kempf den antrittstarken Christopher Nkunku an sich vorbeidrehen, hängte sich im wahrsten Sinne des Wortes an ihn und brachte ihn schließlich im Strafraum zu Fall – klare Sache: Elfmeter und rote Karte.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Mit dem erneuten Rückstand und der Unterzahl waren die Berliner gebrochen. Auf den vakanten Platz in der Innenverteidigung rückte Lucas Tousart, der bis dahin ein eher unauffälliges Spiel gezeigt hatte und in der Folge mächtig Probleme mit der Leipziger Offensive hatte. Beim 1:4 klärte er hart angegangen den Ball direkt in den Fuß eines Leipzigers, hob dann noch mit den Folgen des Zweikampfes beschäftigt das Abseits auf und kam nicht hinterher, als der Ball zu seinem Gegenspieler kam. Auch abseits dieser Szene wirkte Tousart im Abwehrzentrum völlig verloren, was sicherlich auch an generellen Auflösungserscheinungen im Berliner Mittelfeld lag. Jedenfalls bewarb sich der Franzose nicht für den freigewordenen Platz in der Innenverteidigung für nächste Woche.

Und dann wird wieder gepuzzelt, denn das Personal ist knapp. Rotsünder Kempf wird dank des verwandelten Elfmeters nur ein Spiel fehlen. Kapitän Dedryck Boyata und Márton Dárdai fallen noch länger aus, Lukas Klünter ist frisch positiv getestet und in der Viererkette ohnehin nicht als Innenverteidiger vorgesehen. Die Hoffnungen liegen also darauf, dass sich Niklas Stark rechtzeitig freitesten kann. Ansonsten könnte Trainer Tayfun Korkut tatsächlich auf Tousart zurückgreifen müssen oder einem der beiden kaderauffüllenden Amateurspieler Cimo Röcker oder Christalino Atemona zum Bundesliga-Debüt verhelfen.

Die Konstante in dieser Rechnung heißt Linus Gechter. In wenigen Einsätzen hat sich der junge Berliner mit unaufgeregten soliden Leistungen zu einem Stabilitätsfaktor entwickelt. Seine Entwicklung erinnert an jene von Márton Dárdai  in der letzten Saison. Nichtsdestotrotz sollte man einem 17-Jährigen nicht die Hoffnung im Abstiegskampf aufbürden, zumal auch er sich in der Vergangenheit verletzungsanfällig gezeigt hat und man das große Talent weder körperlich noch mental verheizen darf.

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(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Immerhin dürften Stark und Kempf nach dem nächsten Spiel wieder zur Verfügung stehen, sodass sich die Personallage dann leicht entspannt. Aber bis dahin muss noch das wichtige Spiel in Freiburg überstanden werden…

Fredrik André Bjørkan – Eine Nummer zu groß

Der norwegische Winterneuzugang gab nach den coronabedingten Ausfällen des formstarken Maxi Mittelstädt sowie Marvin Plattenhardt sein Startelfdebüt als Linksverteidiger in Herthas Viererkette.

Gegen spielstarke Leipziger wirkte er dabei aber von Beginn an überfordert. So rückte er häufig etwas zu zentrumsorientiert in die Mitte ein und ließ auf außen Platz für den hoch aufrückenden Nordi Mukiele, der so in der 9. Minute bereits zu einer Großchance kam. Auch in der Folge kamen immer wieder gefährliche Angriffe über Bjørkans Seite, der dabei kaum Flanken oder Hereingaben zu verhindern wusste und auch im Dribbling das ein oder andere Mal zu einfach ausgespielt wurde. So verlor er beim 1:3 Vorlagengeber Dani Olmo aus den Augen und leitete auch das 1:5 in der 81. Minute mit einer unzureichenden Klärungsaktion ein.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Offensiv konnte Bjørkan keine nennenswerten Aktionen initiieren, er brachte ab und an den Ball aus der Defensivreihe zu Ishak Belfodil oder Stevan Jovetić, startete selbst aber kaum einmal eigene Offensivläufe, was im Spiel gegen den bis dato Rückrunden-Zweiten mit einem Fokus auf die Defensive allerdings verständlich ist.

Kein gutes Spiel des Norwegers, aber auch kein katastrophales. Bjørkan braucht noch Zeit, um in der Bundesliga und bei Hertha anzukommen. RaBa war da eine Nummer zu groß für den Anfang. Sofern Mittelstädt sich bis zum nächsten Wochenende noch nicht freitesten kann, wird Bjørkan eine weitere Bewährungschance erhalten und sich gegen Freiburg beweisen können. Auch mit Mittelstädt wäre ein Einsatz nicht ausgeschlossen, dann vermutlich hinter dem Berliner Eigengewächs, das Bjørkan defensiv mehr Unterstützung bieten dürfte als er im 4-3-3 gegen Leipzig erhielt.

Tayfun Korkut – Wo bleiben die Lösungen?

Herthas Trainer stellte nach den wenig überzeugenden Auftritten zuletzt und den zahlreichen coronabedingten Ausfällen rückte er von seiner üblichen 4-2-2-2–Formation ab und stellte diesmal in einem 4-3-3 auf. Der Plan schien, die Leipziger Dreierkette im Aufbau unter Druck zu setzen und diese durch die drei Offensivspieler gemeinsam anzulaufen.

Was bei Erfolg als guter „Matchplan“ hätte gelten können, ging allerdings nicht wirklich auf, weil sich die Leipziger insgesamt ziemlich problemlos aus dem gelegentlichen Pressing lösen konnten und bei überspielen der ersten Pressingreihe kein Konzept der restlichen Mannschaft für diese Situation ersichtlich war und sich dort große Räume insbesondere zwischen Dreiermittelfeld und Abwehrkette ergaben.

Und so war es kein Zufall, dass genau aus einer solchen Situation das erste Tor fiel. Nachdem die Pressinglinie überspielt war, bekam Hertha im Mittelfeld keinen Zugriff und der Ball konnte in gefährlicher Position in den Strafraum gespielt werden, wo Gechter zunächst noch aufmerksam den Ball wegspitzeln konnte, das Kunstleder dann aber über Umwege doch noch im Tor landete. Nachdem Hertha dann etwas mehr vom Ball sah, plätscherte das Spiel bis zur Pause etwas vor sich hin. Korkuts Halbzeitansprache fruchtete dann offenbar, kurz vor Betreten des Platzes holte er die Mannschaft sogar noch einmal für eine kurze Ansprache zusammen.

Jovetić ließ sich etwas tiefer fallen und holte sich die Kugel häufig auf der Zehnerposition ab, um ihn dann ins Angriffsdrittel zu treiben, wo sich Belfodil als Anspielstation in vorderster Linie anbot. Aus einer solchen Situation fiel auch der glückliche Ausgleich. Und plötzlich war Hertha wie verwandelt. Während die Leipziger leichte Unsicherheiten zeigten, spiele Hertha mit Selbstbewusstsein und Selbstverständnis und wusste den Platz im Zentrum endlich zu nutzen. Über gut vorgetragene Angriffe kam man so plötzlich zu zwei ordentlichen Chancen auf den Führungstreffer durch Jovetić, die aber nicht verwertet werden konnten.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Und so kam es wie es kommen musste, die individuelle Qualität der Leipziger schlug gepaart mit Kempfs Unaufmerksamkeit zu. Nach einem Ballgewinn war Gechter mit über die Mittellinie gegangen, die Hertha-Abwehr daraufhin schlecht formiert und unsicher, Kempf unaufmerksam und das Unheil nahm seinen Lauf. Nach dem Spiel zeigte sich Korkut wie auch Fredi Bobic im Interview mit der Leistung bis zur Elfmeterszene um Kempf zufrieden. Doch auch in der ersten Hälfte war Hertha lange sehr passiv und wartete im Grunde nur auf das Gegentor. Sicherlich ist eine Niederlage gegen Leipzig kein Beinbruch, nichtsdestotrotz ist ein Beschönigen der Leistung Augenwischerei. Zehn ordentliche Minuten nach der Pause reichen in der Bundesliga einfach nicht.

Dass man dann in Unterzahl einbricht, ist nachvollziehbar, aber auch der taktischen Herangehensweise geschuldet. Natürlich hatte Korkut nur unerfahrene defensive Alternativen auf der Bank, dennoch entschloss er sich aktiv dafür, ausschließlich in der Dreier-Sturmreihe zu wechseln und diese auch nicht aufzulösen oder deutlich defensiver zu formieren, sodass das Zentrum in Herthas 4-2-3 zur Spielwiese der Leipziger Ballkünstler wurde und man sich die Tordifferenz weiter verhagelte und auch mental nochmal einen ordentlichen Knacks mitnahm. Die Punkte müssen in anderen Spielen geholt werden, aber die Analyse der gestrigen Partie lässt nicht hoffen, dass der Ernst der Lage erkannt ist und man Lösungsansätze für die kommenden Partien hat.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Gut sah man unter Korkut fast nur gegen stärkere Gegner aus, wenn Herthas individuell starke Offensivspieler phasenweise gefährliche Konter fahren konnten. Diese Herangehensweise wird aber nur selten zu Punktgewinnen reichen. Gegen direkte Konkurrenten oder Mannschaften, die vermeintlich auf Augenhöhe mit Hertha sind, reicht es bisher nicht – eine fatale Mischung im Abstiegskampf. Bei aller spielerischen Limitation des Kaders muss Korkut schnell Ergebnisse liefern. Sonst wird es nicht nur für ihn, sondern insbesondere für Hertha ganz eng.

Und dann war da noch:

Jovedil, die ein weiteres Mal zeigten, dass sie Herthas beste Fußballer sind. Die beiden ballsicheren und dribbelstarken Aktivposten konnten über Einzelaktionen in Herthas guten zehn Minuten nach der Pause mehrmals Gefahr für das Leipziger Tor erzeugen. Nach Jovetićs Tor in der 48. Minute verpasste der Montenegriner nach schönen Kombinationen in den Folgeminuten gleich zwei Mal den Führungstreffer.

Anton Kade, der in der 76. Minute zu seinem Bundesliga-Debüt kam. Der 18-jährige Bruder von Julius Kade, der mit Hertha 2019 Deutscher A-Jugend-Meister wurde, hatte in der 83. Minute noch die große Chance auf ein Erfolgserlebnis zum Debüt, scheiterte mit seinem zu zentralen Schuss aber am Leipziger Schlussmann. Gerade mit Blick auf die dünne Personallage auf den Außenbahnen dürfte er schon in dieser Saison zu weiteren Minuten kommen.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Marco Richter, der in der 25. Minute bei seiner Grätsche gegen den Leipziger Kapitän mit Gelb noch gut bedient war und sonst wie immer viel unterwegs war, diesmal aber wenig Zählbares erreichte. In der 34. Minute tauchte er nach schöner Ballstafette und Pass von Darida beinahe gefährlich vor dem Leipziger Tor auf und konnte nur durch ein Foul von Joško Gvardiol gebremst werden.

[Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images]

Herthaner im Fokus: Minischritt für Minischritt

Herthaner im Fokus: Minischritt für Minischritt

Das Glück ist des Tüchtigen. Nach dem Spiel gegen den VfL Bochum konnten sich Fans von Hertha BSC mal wieder tief im Phrasendreschen ausprobieren. Vorangegangen war eine Mannschaftsleistung, die ob der grundverschiedenen Halbzeiten kaum zu erklären war. Auf eine der besten Halbzeitleistungen der letzten Wochen oder gar Saison folgte eine ziemlich ernüchternde zweite Hälfte gegen den Aufsteiger, die wie ein Schritt zurück wirkte.

Trainer Tayfun Korkut rotierte kräftig gegenüber der Niederlage gegen den FC Bayern München vor zwei Wochen. Zunächst stellte er das System zurück auf das alte 4-2-2-2. Die Innenverteidigung bildeten wie zu erwarten Neuzugang Marc Oliver Kempf und Kapitän Niklas Stark. Santiago Ascacibar und Vladimir Darida waren für die Zentrale zuständig, während Jurgen Ekkelenkamp und Myziane Maolida auf den Außen wirkten. Im Doppelsturm fanden sich Ishak Belfodil und Stevan Jovetic wieder. Dementsprechend brachte Korkut fünf neue Spieler im Vergleich zum Spiel gegen die Bayern.

Wir schauen heute auf die Neuzugänge, den Sturm, was sich für Alternativen gefunden zu haben scheinen und welche alten Probleme der Mannschaft immer und immer wieder das Genick brechen.

Marc Oliver Kempf: Niklas Starks gesuchter Partner

Tayfun Korkut hat mal wieder das getan, was er am liebsten tut. Ein Pärchen gebildet. Nämlich aus Neuzugang Marc Oliver Kempf und dem gestrigen Mannschaftskapitän Niklas Stark. Die rohen Zahlen des Innenverteidigers, der vor nicht einmal zwei Wochen vom VfB Stuttgart nach Berlin kam, lesen sich eigentlich eher mittelmäßig. 19 seiner 47 Pässe kamen nicht beim Mitspieler an, seine Zweikampfquote von 56 Prozent ist ausbaufähig.

Doch ordnet man diese Zahlen ein, lässt sich ein durchaus gelungenes Debüt sehen. Er konnte drei Aktionen klären und zweimal seine Gegner abfangen. Gerade in der ersten Halbzeit hatten er und Niklas Stark die Offensive der Bochumer gut im Griff, ließen nur sehr wenig zu.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Die Kommunikation in der Verteidigung war höher als in den letzten Spielen. Kempf koordinierte zusammen mit Stark die Defensive und zeigte, dass er ein routinierter Bundesliga-Verteidiger ist. Er klärte etliche Bälle, die die Bochumer mit langen hohen Pässen in den Strafraum zu spielen versuchten. Das Innenverteidiger-Duo konnte sich gegenseitig Sicherheit verschaffen.

Doch wie die gesamte Mannschaft ließen auch sie in der 2. Halbzeit nach. Das Gegentor in der 48. Minute war auch eine Folge ihres inkonsequenten Handelns nach dem Seitenwechsel. Gerade Sebastian Polter machte der Verteidigung nach seiner Einwechslung das Leben schwer und konnte mit seiner ersten Aktion eine Fehlerkette der Berliner ausnutzen. Doch auch im nächsten Spiel gegen Fürth ist von diesem Innenverteidiger-Duo in der Startelf auszugehen.  

Stevan Jovetic und Ishak Belfodil: Jovedil in guten wie in schlechten Zeiten

Ein Pärchen was sich bekanntlich seit vielen Monaten gefunden hat, ist das Sturmduo, bestehend aus Stevan Jovetic und Ishak Belfodil. Und nachdem dieses Duo aufgrund des verletzungsbedingten Fehlens von Jovetic und einer Corona-Infektion von Belfodil einige Wochen auseinandergerissen war, konnten sie gegen den VfL Bochum endlich wieder harmonieren.

Höhepunkt war selbstverständlich das Tor in der 23. Minute, als Jovetic einen Freistoß von der linken Seite in den Strafraum flankte und Belfodil mit dem Kopf ins Tor verlängerte. Doch viel mehr konnte der Algerier dem Spiel nicht beitragen. Er wurde von den Bochumern konsequent verteidigt, hatte kaum Möglichkeiten sein kreatives Spiel zu entfalten oder mit Torschüssen das gegnerische Tor wirklich in Gefahr zu bringen. Er gewann nur einen seiner sechs Zweikämpfe und verlor 16 Mal den Ball. 57 Prozent seiner Pässe fanden den Mitspieler. Nach 75 Minuten war für ihn Feierabend. Sein Tor half der Mannschaft entscheidend weiter, mehr konnte er leider nicht beitragen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Jovetic dagegen war im Sturm ein ständiger Unruheherd. Doch seine Abschlüsse wirkten oft überhastet oder mit zu viel Frust beladen. Nach 55 Minuten versuchten er und Ekkelenkamp sich mit einem Doppelpass, nach einer Stunde wurde der Schuss des Montenegriners von Soares blockiert. In der 64. Minute verzog er um einige Meter, eine weitere Minute später scheiterte er am Bochumer Torhüter Riemann.

Es war die aktivste Phase des Stürmers, dem im Abschluss allerdings klar das Glück fehlte. Auch er verzweifelte an der gut gestaffelten Verteidigung und gewann nur 36 Prozent seiner Zweikämpfe. Immerhin konnte er 71 Prozent seiner Pässe an den Mann bringen und damit viele Bälle im Angriffsspiel verteilen. Auch dieses Duo werden wir sehr wahrscheinlich in Fürth wiedersehen.

Vladimir Darida und Santi Ascacibar: Pärchenbildung in der Zentrale

Und auch bei den beiden zentralen Mittelfeldspielern scheint Tayfun Korkut ein Duo gefunden zu haben. Durchaus überraschend verzichtete der Trainer auf Suat Serdar und vertraute dem Tschechen und dem Argentinier. Beide spielten 90 Minuten durch, bewegten sich unfassbar viel und waren nahezu überall auf dem Platz zu finden.

Vladimir Darida spulte wieder einmal mit seiner unvergleichbaren Pferdelunge 13,34 km ab und zeigte vor allem zu Beginn der Partie seine Qualitäten in der Offensive. Nach vier Minuten prüfte er mit einem wuchtigen Schuss nach zu kurzer Klärung von Verteidiger Bella-Kotchap das erste Mal Keeper Riemann. Auch in den nächsten Minuten bemühte sich der Routinier das Offensivspiel anzukurbeln. 78 Ballkontakte zeigen sein aktives Spiel, zusätzlich brachte er 80 Prozent seiner Pässe an den Mann.

Doch auch seine Konzentration nahm im Laufe des Spiels immer mehr ab. 13 Fehlpässe unterliefen ihm, nur die Hälfte seiner Zweikämpfe konnte er gewinnen. Gerade am Ende der Partie wirkte er müde und ausgelaugt und dadurch unkonzentriert. Somit konnte er seiner Mannschaft in den späteren Minuten kaum noch den gewünschten Halt geben.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Santiago Ascacibar dagegen machte das übliche: Kratzen, kämpfen, beißen. Er grätschte Gegenspieler ab, unterband Angriffe, aber auch er musste sich gerade wegen seiner Größe öfter geschlagen geben. Gerade die zweiten Bälle im Angriffsspiel konnte er selten in Kopfballduellen festmachen und somit wenig Druck von hinten aufbauen.

Nichtsdestotrotz hatte er mit 78 Ballkontakten ebenfalls einen enormen spielerischen Anteil, konnte 81 Prozent seiner Pässe zu seinen Mitspielern bringen und gewann sieben Tacklings. Sein Kampfgeist und unermüdlicher Einsatz sind immens wichtig für das Team. Auch wenn sein Offensivspiel nicht immer Früchte trug, konnte er sich nach 15 Minuten mit einem Volleyschuss, der denkbar knapp über das Tor flog, ausprobieren. Zusätzlich bereitete er zwei Torchancen vor.

Während auch die beiden gute Chancen haben gegen Fürth zu spielen, fiel die Leistung Jurgen Ekkelenkamps, der gegen Bochum etwas glücklos agierte, ab. Womöglich die Chance für Suat Serdar, zurück in die Startelf zu rücken.

Dongjun Lee und Fredrik André Björkan: Noch überfordert, aber mit Sturm und Drang

Neben Marc Oliver Kempf durften sich auch zwei weitere Wintertransfers zeigen. Dongjun Lee, der als einziger Spieler aus dem Kader Reisestrapazen und Spiele der Nationalmannschaft in den Knochen hatte, konnte sich auf Grund guter Trainingsleistungen für den Kader empfehlen. Er kam früher als gedacht für den unauffälligen Jurgen Ekkelenkamp nach 58 Minuten.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Man merkte seine Motivation, er zeigte viel Engagement, doch Herthas erstem Südkoreaner der Vereinsgeschichte war anzumerken, dass die Bundesliga eine Umstellung für ihn bedeuten würde. Mehr als Ansätze gelangen ihm nicht. Immerhin bracht er vier seiner sieben Pässe an den Mann und gewann zwei Tacklings. Doch er verlor auch neun Bälle und konnte nur selten sein Tempo ausnutzen.

Als ihm eben jenes zu nutzen gelang, dribbelte er sich in der 80. Spielminute in den Bochumer Strafraum. Doch sowohl sein Zögern als auch seine mangelhafte Entscheidungsfindung in dieser Aktion beendeten den Angriff recht schnell. Es war ein Auftritt, der Neugier auf mehr weckt. Doch Lee wird noch einige Spiele benötigen, um mit dem körperlichen Spiel in der Bundesliga zurechtzukommen.

Fredrik André Björkan, der bereits gegen den FC Bayern München sein Debüt für Hertha BSC feiern durfte, bekam gegen Bochum nach 75 Minuten die Möglichkeit, sich auszuzeichnen. Ein spannender Spieler, der einen Offensivdrang hat und viele müde Abwehrketten vor Probleme stellen kann.

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(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Mit Wucht und Schnelligkeit auffallend, fehlt ihm aber häufig noch die Übersicht, um eine Aktion sauber zu Ende zu spielen. Neunmal war er am Ball, drei seiner sechs Pässe kamen an, er versuchte sich mit Flanken und gestikulierte und gab erste Kommandos. Es scheint, als hätte er gute Chancen, noch mehr Minuten zu bekommen.

Alex Schwolow: Es stehen unruhige Zeiten bevor

Er macht es sich immer wieder selbst kaputt. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern München regnete es Lobeshymnen für Schwolow, der endlich seine gewünschte Form gefunden zu haben schien. Doch trotz seiner 14 Paraden gegen den Rekordmeister, versaute er sich das Spiel mit einem kapitalen Bock. Und nun selbiges gegen den VfL Bochum.

Sein Abklatscher vor die Füße von Stürmer Polter war sicherlich nicht so ein großer Bock wie vor dem Gegentor des abstaubenden Leroy Sanés, doch wieder einmal sah der Ex-Freiburger alles andere als gut aus. Auch beim Schuss von Pantovic nur wenige Minuten nach dem Ausgleichstreffer konnte er die Situation nur im Nachfassen beruhigen. Man muss ihm zugestehen, dass der Regen ihm das Spiel schwer machte und Torhüter allgemein bei solchen Wetterbedingungen ihre Probleme haben.

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Seine beste Aktion hatte er, als er gegen Sebastian Polter wach blieb und mit einem Ausflug aus dem Strafraum die Gefahr frühzeitig im Keim ersticken konnte. Doch Schwolow entwickelt sich immer mehr zum Unsicherheitsfaktor im Team. Es ist fraglich, wie lange sich das Trainerteam diese Fehler noch mit anschaut. Schwolow wäre es zu wünschen, Rückendeckung zu erhalten.

Doch ihm fehlen zunehmend die Argumente. Denn auch zum Aufbauspiel der Hertha konnte er nur wenig beitragen. Nur 42 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an. Sollte sich die Verletzungssituation bei Herthas Torhütern unter der Woche entspannen, könnte die Torhüterdebatte ein weiteres Mal entfacht werden.

Fazit: Zu wenig – der Druck wächst

Die 3.000 Zuschauer:innen im verregneten Berliner Olympiastadion sahen eine der besten ersten Halbzeiten Herthas in dieser Saison. Gerade der sich seit Wochen in guter Form befindende Maximilian Mittelstädt, der auch körperlich extrem gereift zu sein scheint, und der oft auch zurecht schwer kritisierte Myziane Maolida konnten über die Außen mit Hilfe eines technisch starken Stevan Jovetic für ein sehenswertes Angriffsspiel zu sorgen.

Doch sowohl bei den temporeichen Gegenstößen der Bochumer, als auch beim druckvollen Spiel der Westfalen im zweiten Durchgang zeigten sich Herthas Defizite im Defensivspiel. Die erste Halbzeit hätte eine große Entwicklung für die nächsten Spiele bewirken können. Einen riesigen Schritt in ruhigere Fahrgewässer.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Doch die zweite Halbzeit war Ernüchterung pur und wieder einmal passt eine klassische Fußballphrase. Denn ein Spiel hat 90 Minuten und eben nicht nur 45. Die Leistung der Hertha zeigt leider auch, dass aktuell wenig über nicht-einstudiertes geht. Die Wechsel Korkuts, der hauptsächlich Offensivkräfte von der Bank aus brachte, fruchteten kaum, brachten wenig neue Ideen und verfielen schnell in den allgemeinen Trott des Teams. Sie sorgten nahezu für etwas Unsicherheit, da die Defensive durch das Verstärken der Offensive zunehmend an Stabilität verlor.

Was bleibt, ist ein Remis gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Sollte auch gegen Fürth kein Sieg errungen werden, kann es in wenigen Wochen in Anbetracht des Spielplans in Berlin lichterloh brennen.

[Titelbild: Stuart Franklin/Getty Images]