Gábor Király – Der verrückte Ungar und seine graue Schlabberhose

Gábor Király – Der verrückte Ungar und seine graue Schlabberhose

Gabor Kiraly war von 1997 bis 2006 Teil von Hertha BSC, 108-facher ungarischer Nationalspieler, hat knapp 700 Profi-Spiele absolviert und gab erst mit 43 Jahren sein Karriereende bekannt. Kurzum: Der ehemalige Torhüter ist eine echte Legende des Fußballs. Unser Text zum Mann mit der Schlabberhause.

Was war ich traurig, als er uns damals nach England verließ. Ich hatte all die Jahre gehofft, wenigstens einmal seinen selbst ersehnten Abwurf gegen die eigene Latte zu sehen. Er wollte den Ball so hart und platziert gegen die eigene Torlatte schleudern, dass es wie ein „normaler“ Abwurf gewesen wäre. Von 100 Versuchen im Training gelang ihm dies 99 Mal. Das Restrisiko schien trotzdem zu hoch. 

Wegen solcher Geschichten musste man ihn einfach lieben. Der Abwurf blieb auf das Training beschränkt. Er wurde vehement daran gehindert, in einem Spiel den Ball so ins Feld zu bringen. Wahrscheinlich wurde er auch privat von Jürgen Röber oder Falko Götz bedroht, sollte er das Kunststück einmal in einem Punktspiel vollführen.

Als Unbekannter gekommen, doch schnell eine Ikone

Der ungarische Rekordnationaltorhüter spielte von 1997 bis 2004 in Berlin. Er kam mit 21 als unbekannter Spieler zur Hertha. Den Zweikampf im Tor mit dem ziemlich genau ein Jahr älteren Christian Fiedler entschied er schnell für sich. Er wurde direkt in seiner ersten Saison 1998/1999 zum besten Keeper der Bundesliga gewählt.

Foto: Elisenda Roig/Bongarts/Getty Images

Gabor Király ist kein neumodischer Torhüter, der technisch beschlagen ist und mitspielt. Man hatte dennoch nie das Gefühl der Unsicherheit, wenn der letzte Mann am Ball war. Er strahlte große Ruhe am Ball aus und das schon in jungen Jahren. Hinzu kamen seine Verletzungen – er hatte keine. Während seiner gesamten Karriere fiel er ein Spiel aus. Wegen einer Wadenverhärtung. Mit 35 Jahren.   

National in den Fokus rückte er nicht durch seine überdurchschnittlichen Leistungen, sondern durch ein spezielles Kleidungsstück: Er trug bei Wind und Wetter, Sommer und Winter immer eine Graue Baumwolljogginghose. Egal, ob sie von Wasser, Schnee oder Matsch vollgesogen war, oder ob die Außentemperatur bei 36 Grad lag. Man sah Gabor Király immer mit der grauen Baumwoll-Jogginghose durch den Strafraum hechten.

Die Jogginghose

Die Jogginghose wurde schnell zur Kulthose. Eigenen Angaben zufolge trug er die Hose erstmals 1994 in Szombathely. Der Zeugwart hatte die schwarzen Hosen vergessen und nur noch graue lange Hosen für den Keeper. Mit den Hosen im Kasten startete der Verein eine Siegesserie von 9 Spielen in Folge. Seitdem trennte Király sich nicht mehr von Schlabberhosen. Mythen besagen, er transportierte die Jogginghose in einem eigenen Koffer. Oder er trug die Hose nur, weil man ihn schlechter tunneln konnte. So oder so. Diese Hose ist auf ewig mit dem Torhüter und dem Namen Gábor Király verbunden.

Foto: Sandra Behne/Bongarts/Getty Images

Doch was machte die Hose und ihre Ausstrahlung so besonders? Wahrscheinlich, weil die Fans einen „normalen“ Menschen in Gábor sahen. Einen von ihnen. Einen, der kurz vor dem Spiel mit seiner Jogginghose von der Couch aufgestanden, aufs Klo und dann auf den Platz gegangen ist. Im Geschäft Fußball war und ist das nicht selbstverständlich.

Hertha-Ausstatter Nike jedenfalls erkannte das Potenzial um die graue Schlabberhose und nahm sie für jedermann käuflich in die Hertha-Kollektion auf. Király und seine Jogginghose waren auch über Berlin und Hertha hinaus Kult.

2004 zog der Publikumsliebling seine Trainingshose das letzte Mal für Hertha an. Unter Tränen verließ er den Verein Richtung England. Von all seinen Stationen als Torhüter war Hertha mit Abstand seine längste. Warum er Berlin damals verließ, hatte verschiedene Gründe. Seine Leistungen wurden durchwachsen. Er verlor zeitweise seinen Stammplatz und schien nicht mehr ganz frei im Kopf zu sein. Er litt an Depressionen wie es damals hinter vorgehaltener Hand hieß.

Kindheitstraum England

Király selbst klärte in einem Pressegespräch auf: „Wir hatten mit Hertha eine schlechte Hinrunde gespielt. Am Morgen nach dem letzten Spiel gegen Köln, es war der 19. Dezember, wollte ich nicht mehr aufstehen. Ich hatte Angst. Ich wollte die Leute nicht enttäuschen. Von einer Depression sollte man nicht sprechen, es war eine sportliche Krise. Ich war nie bei einem Arzt, ich habe auch nie eine Tablette genommen.“ 

Zur Überwindung der Krise sagte er: „Ganz entscheidend war meine Frau. Sie hat mir damals gesagt, ich solle doch zum jährlichen Weihnachts-Treffen der ehemaligen Nationalspieler nach Budapest fahren. Das war am 21. Dezember. Dort habe ich zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute getroffen, mich lange mit Sandor Grosics (Ungarns WM-Torwart von 1954) und Peter Disztl (Nationaltorwart 1986) unterhalten. Das hat mir sehr geholfen.“

Dann bekam Király ein Angebot von Crystal Palace aus der englischen Premier League. Ein Kindheitstraum! Also zog er mit 28 nach London. Sein sympathisches und offenes Wesen kam hervorragend bei den Briten an und so avancierte er auch in England innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling. Bereits nach einer Saison galt er als einer der besten Torhüter der Liga. Leider konnte er den Abstieg des Londoner Clubs nicht verhindern.

Ihm gefiel es in der Premier League so gut, dass er sich 2006 zu West Ham United verleihen ließ, 2007 dann zu Aston Villa und 2009 wurde er vom FC Burnley dann fest verpflichtet.

Die Rückkehr nach Deutschland

2012, im Alter von 32 Jahren kehrte er das Kind der Bundesliga zurück nach Deutschland. Genauer genommen verpflichtete ihn Bayer Leverkusen als Ersatztorwart für René Adler. Die Rückkehr von Király wurde zunächst belächelt. In der Folgesaison schwang er sich jedoch in Liga zwei bei 1860 München zum unumstrittenen Stammspieler auf. Bis 2014 sollte er noch das Tor der Löwen hüten, bevor er 2015 bei seinem Heimatverein Haladás Szombathely anheuerte und sich ein Kreis schloss.  

Foto: JEAN-PHILIPPE KSIAZEK/AFP via Getty Images

Seine internationale Karriere hat Király mit 40 Jahren und nach 108 Länderspielen für Ungarn beendet. Bei der EM 2016 in Frankreich avancierte er zum ältesten Teilnehmer einer Europameisterschaft und löste Lothar Matthäus ab.

Schon vor Karriereende war Király Besitzer und Betreiber eines großen Sportzentrums. Es umfasst Hallen, Plätze, eine kleines Rehazentrum und natürlich eine Torwartschule. Insgesamt beschäftigt er 20 Trainer. Außerdem besitzt er einen eigenen Verein, den Kiraly Szabadidösport Egyesület, welcher in der 4. Liga spielt, der Regionalliga Ungarns.

Mittlerweile vermarktet der tüchtige Ungar auch seine Merchandising-Artikel selbst. Von T-Shirts über Pullover und Trikots gibt es natürlich auch Torwartzubehör wie Handschuhe, Trikots und – natürlich – seine graue Schabberhose. Das Label heißt „K1raly“ mit einer 1 als i.

Einer von uns

Kontakt nach Berlin hat Gábor Király auch noch. Er telefoniert oft mit Landsmann Pál Dárdai und Torwarttrainer Zsolt Petry. Auch mit Nello di Martino und seinem alten Torwarttrainer Enver Maric hält er Kontakt. Gabor selbst sagte über seine Zeit bei Hertha: „Ich bin mit 21 Jahren nach Berlin gekommen und mit 28 gegangen. Das war meine erste Station im Ausland, die ich nie vergessen werde. Ich habe viel gelernt bei Hertha und mit tollen Profis gespielt. Hertha war ganz wichtig für mich.“ Das ist Musik in den Ohren aller Berliner Fans.

Als Herthaner blickt man immernoch wehmütig auf unsere ehemalige Nummer 1 zurück. Nicht nur wegen seiner glanzvollen Leistungen. Er war eine Attraktion. Er war immer ehrlich. Auf und neben dem Feld. Er war einer von uns.

Weeste noch? Als Salomon Kalou mit einem blau-weißen Turban in Hannover dreimal traf

Weeste noch? Als Salomon Kalou mit einem blau-weißen Turban in Hannover dreimal traf

Auswärtsspiele in Hannover waren für mich drei Jahre lang keine. Das Studium brachte mich zwischenzeitlich aus Berlin-Moabit nach Hannover-List und bevor ihr mit der Hauptstadt-Arroganz, die auch mir noch beim Umzug anhaftete, in die Tasten haut: Hannover ist eine geile Stadt. Viele urige Kneipen, im Stadtteil Linden die größte Späti-Dichte Deutschlands, dazu ein ganz schickes Stadion.

Am 6. November 2015 bekam ich Besuch aus Berlin von einem meiner besten Freunde seit Kindertagen, mit dem ich, sofern nicht die Arbeit ruft, alle Heimspiele gemeinsam in der Ostkurve besuche. Ein Freitagstermin, Hertha bei 96, ach, du schöne, graue Bundesliga. Aber sei’s drum. Mit einem Auswärtssieg winkt der Sprung in die Champions-League-Ränge und das lokale Herrenhäuser Pils schmeckt eh und spült die Zweifel ob der 1:4-Heimniederlage gegen Borussia Mönchengladbach am Vorspieltag runter, super Bedingungen also.

Ziemlich Hannover gegen Hertha

Wir kommen vor den Toren des Auswärtsblocks an und die Stimmung ist typisch Freitagsspiel. Anstoßtermin 20:30, ergo: Mehr Zeit zum Vorglühen. Ergo: Alles nochmal einen Zacken kerniger. „Wir sind alle Friedenauer Jungs“, grölen sich vier Herthaner gegenseitig ins Gesicht, die vor geschätzten 40 Jahren letztmals Jungs waren aber es beim Fußball halt doch noch sind. Wenig später treffen wir zwei Endzwanziger im allerbesten Modus. Die Augen angerötet, die Stimme geölt. Sie schenken uns zwei kleine Jägermeister, wir nehmen dankend an. Spannend und fraglich zugleich, dass das Gefühl von Heimweh in solchen Moment besonders reinkickt.

Aber weiter, rein ins Stadion. Wir stehen im Oberrang recht weit unten, das Spiel geht los. Schon beim Anpfiff auffälligster Mann: Salomon Kalou, der mit einem blau-weißen Verband auf dem Kopf spielt, nachdem er sich gegen Gladbach eine dicke Platzwunde zuzog. Pal Dardai bezeichnete ihn später als „Badekappe“. Das Spiel ist zu Beginn ziemlich Hannover gegen Hertha. Es folgt Liveticker-Poesie vom Kicker aus der neunten Minute: „Bech macht Druck auf Plattenhardt, der Außenverteidiger lässt sich aber nicht verunsichern. Es folgt der ruhige Rückpass zu Torwart Jarstein.“ Der Auswärtsblock singt seine Lieder.

Drei Tore, zwei Fläschchen

Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

Hertha ist in der Folge nicht wirklich gut, aber besser, und dann schlägt Sala erstmals zu. Genki Haraguchi (es sei nochmal daran erinnert, dass Michael Preetz es fertiggebracht hat, diesen Mann nach vier durchwachsenen Jahren mit einem Transferplus von vier Millionen Euro an 96 zu verkaufen) bedient Kalou, der flach ins linke Eck einschiebt. Es ist ein typisches Kalou-Tor: Ansatzlos und gekonnt. Dann ist Halbzeit. Die Jägermeister-Jungs erblicken uns aus dem Unterrang und werfen uns aus Freude am Leben zwei weitere kleine Fläschchen nach oben, wir greifen sicher zu. Der Stadionverweis bleibt glücklicherweise aus.

Hannover startet besser in die zweite Halbzeit und dann kontert Hertha. Über Lustenberger, Weiser und Darida landet der Ball bei Kalou, der rennt und rennt und das Eins-gegen-Eins gegen Zieler ganz sicher für sich entscheidet.

Das Spiel ist damit eigentlich im Sack. Hiroshi Kiyotake verkürzt zwar per Elfmeter, aber kurz vor Schluss wird auch Hertha ein Strafstoß zugesprochen. Kalou tritt an und trifft wie Kalou eben oft trifft: Ansatzlos und gekonnt. Drei Schüsse, drei Tore, das siebte Saisontor nach dem 12. Spieltag. Kalou auf dem Peak.

Nach der Partie spielt sich eine dieser Szenen ab, anhand derer die Anhänger anderer, manche würden sagen „kultiger“, Vereine so oft gelobt und romantisiert werden, die bei der Betrachtung von Hertha aber nicht selten einfach hintenüberfallen. „Wir spielen im Europacup, Power von der Spree!“ singt ein euphorisierter Auswärtsblock noch 50 Minuten nach Abpfiff ins leere Stadion, bis die Mannschaft in Trainingsanzügen aus den Katakomben zurück vor den Mob schlufrt. „Olé, Salomon Kalou!“ und Sala setzt, sich vor der Szenerie selbst filmend, sein breitestes Lächeln auf.

Kalou, die Legende

Sollte es das nach dieser Saison mit Hertha BSC und Salomon Kalou gewesen sein, zählt dieses Spiel zu den besten, die der Mann in bald sechs Jahren für Blau-Weiß gemacht hat. Mit den Vereinsfarben auf dem Kopf einen Hattrick zu erzielen, immer im richtigen Moment zu treffen, das Spiel oftmals nur passiv beobachten, um sich den perfekten Moment zur bestmöglichen Interaktion mit dem Ball rauszusuchen – so oft in der Ostkurve oder in den Auswärtsblocks des Landes nach einem misslungenen Dribbling auch auf Salomon Kalou geflucht sein mochte, so genial war dieser Typ in vielen Spielen einfach auch.

Foto: Boris Streubel/Bongarts/Getty Images

53 Tore in 173 Spielen erzielte Kalou bislang für Hertha. Wenige der Marke Traumtor, umso mehr durch die pure Erfahrung und Abgezocktheit. Von den Qualitäten, die der Mann als mannschaftsinternes Bindeglied mitgebracht hat, ganz zu schweigen. Salamon Kalou kam als Champions-League-Sieger und einstiger Stammspieler beim FC Chelsea. Er wird als Vereinsikone und treuer Herthaner gehen.

Mal ehrlich: Nur wenige Transfers von vermeintlichen Stars, die ihren Zenit eventuell schon überschritten haben, nehmen so ein gutes Ende. Olé, Salomon Kalou![Titelbild: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images]

Weeste noch? Europapokal-Sieg gegen Brøndby – Höhenflug vor dem Absturz

Weeste noch? Europapokal-Sieg gegen Brøndby – Höhenflug vor dem Absturz

Wichtiger Sieg in einem K.O.-Spiel, tanzende Spieler vor dem Fanblock, totale Ekstase bei allen Hertha-Fans vor dem Fernseher und im Stadion. Oft erleben wir Herthaner*innen so etwas nicht. Der 27. August 2009 war aber so ein Tag. Durch einen spektakulären Last-Minute-Sieg gegen Brøndby IF aus Kopenhagen sicherte sich Hertha die Teilnahme an der Europa League Gruppenphase. Weil sich eine gut eingespielte Mannschaft aber schon zu diesem Zeitpunkt in Auflösung befand, sollte dieser begeisternde Sieg aber für eine sehr lange Zeit der letzte schöne Moment für Hertha BSC bleiben.

Um zu verstehen, warum ein Einzug in die Europa-League-Gruppenphase eine solche Freude erzeugen kann, muss man einige Monate zurückblicken, nämlich auf die letzten Spieltage der Saison 2008/2009. Hertha spielte mit seinem Trainer Lucien Favre gerade im Frühjahr 2009 eine wahnsinnig gute Saison. Marko Pantelic und Andrij Voronin waren ein extrem effektives Sturmduo, an Arne Friedrich und Joe Simunic in der Innenverteidigung war nur schwer vorbeizukommen und Pal Dardai und Cicero waren das spielmacherische Gehirn einer Mannschaft, die von Favre wie ein Schweizer Uhrwerk zusammengebaut wurde. Am 22. Spieltag, also Ende Februar, rückte Hertha an die Tabellenspitze der Bundesliga vor, wo das Team drei Wochen lang verweilte.

Ein enttäuschendes Ende einer überragenden Saison

Doch dann kam das Saisonende 2008/2009. Hertha verlor ein Spiel nach dem anderen. Am letzten Spieltag hatte Hertha die Chance, mit nur einem Punkt (!) gegen schon abgestiegene Karlsruher die Teilnahme an der Champions League noch festzuhalten. Man verlor mit 0:4. In den folgenden Wochen wurde es dann eigentlich noch schlimmer. Denn diese toll eingespielte Mannschaft brach komplett auseinander: Mit Pantelic und Voronin verlor der Verein mit einem Schlag ein gefürchtetes Sturmduo. Artur Wichniarek sollte die beiden in seiner zweiten Hertha-Amtszeit ersetzen, was kläglich scheiterte. In der Abwehr verlor Hertha mit Simunic viel Stabilität, der Schweizer Steve van Bergen konnte diese nie wieder herstellen.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Und so musste man sich im Spätsommer 2009 mit der Europa-League-Qualifikation zufriedengeben. Das erste Spiel im Kopenhagener Stadtteil Brøndby bestätigte dann auch leider das Gefühl, mit dem man im Frühling aus der Vorsaison gegangen waren. Hertha spielte schlecht und verlor 1:2 gegen ein dänisches Team, das nicht einmal viel unternahm, um das Spiel zu gewinnen. Am 27. August 2009 sprach also schon im Vorfeld leider wieder sehr viel gegen einen Hertha-Sieg. Hinzu kam, dass das Spiel im Jahn Sportpark im Prenzlauer Berg stattfand – ein Stadion, das nicht bei vielen Hertha-Fans Heimatgefühle auslöst.

Es brauchte ein Wunder

Doch das Spiel begann besser als erwartet. Hertha hatte schon in der ersten Halbzeit einige Chancen. Insbesondere der junge Serbe Gojko Kacar machte eine unglaublich gutes Spiel und war gefühlt an jedem Kopfball-Zweikampf im gegnerischen Strafraum beteiligt. Der größte Ärger zum Halbzeitpfiff bestand eigentlich darin, dass Hertha noch kein Tor geschossen hatte – schließlich brauchten die Berliner derer mindestens zwei. Jegliche Hoffnung wurde kurz nach Wiederanpfiff dann aber im Keim erstickt. Nach einer unglücklich geklärten Ecke blieb der Ball im Hertha-Strafraum, wo er vor die Füße von Morten Rasmussen fiel, der ohne Gegenwehr einnetzte. 39 Minuten auf der Uhr, drei Tore benötigt.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Die Gefühlslage nach diesem Tor war klar: Für eine in weiten Teilen neu zusammengestellte Mannschaft, die übrigens von den ersten drei Bundesligaspielen auch schon zwei verloren hatte, konnte man eine Rückkehr nicht mehr erwarten. Doch das Gegenteil sollte passieren. Hertha spielte sich in einen Rausch, angeführt von einem genialen Gojko Kacar. Nach einer Ecke in der 74. Spielminute ging dann endlich mal einer der zig Trilliarden Kacar-Kopfbälle rein. Nur fünf Minuten später bekam Dardai etwa 20 Meter vor dem Tor den Ball, legte ihn sich kurz zurecht und schmetterte ihn dann zum 2:1 ins Tornetz. Kein langer Jubel, es ging sofort weiter, denn es brauchte noch ein Tor und auf der Uhr waren nur noch zehn Minuten. Es sollte erneut Kacar sein, der Hertha in der 87. Minute erlöste. Nemanja Pejcinovic schlug eine hohe Flanke von links hinein, der Serbe sprang auf den ersten Blick einen halben Meter höher als sein Gegenspieler, ein Kopfball wie ein Schuss, Tor. 3:1. Innerhalb von zwölf Minuten hatte Hertha das Spiel gedreht.

Wie schon beschrieben, folgte dann die totale Ekstase. Die Spieler rannten nach Abpfiff Richtung Fanblock, wo schon hunderte Hertha-Fans – wegen der Hitze in vielen Fällen nur noch spärlich bekleidet – die Spieler jubelnd empfingen. Ein gewisser Patrick Ebert kletterte am Zaun hoch und sang gemeinsam mit den angereisten Anhänger*innen, der Rest des Teams tanzte davor. Es war so schön.

Der tiefe Fall

Leider allerdings war es zu schön, um wahr zu sein. In der Europa League überstand Hertha zwar die Gruppenphase, um dann im ersten K.O.-Spiel auszuscheiden. In der Bundesliga folgte auf das Brøndby-Spiel aber eine beispiellose Negativserie. Nach der Hinrunde stand Hertha mit sagenhaften sechs Punkten da, Favre wurde noch während der Hinrunde gefeuert, Friedhelm Funkel übernahm. Aber auch in der Rückrunde konnte Hertha das Ruder nicht mehr herumreißen, Hertha stieg mit 24 Punkten sang- und klanglos aus der Bundesliga ab.

Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images

Falls ihr dennoch einmal in die Emotionen des 27. August 2009 im Jahnsportpark eintauchen wollt, gibt es eine kurze Zusammenfassung des Spiels auf Youtube.

Weeste noch als Tor-Panther Marko Pantelic den Bundesliga-Dschungel unsicher machte?

Weeste noch als Tor-Panther Marko Pantelic den Bundesliga-Dschungel unsicher machte?

Weeste noch…als Marko Pantelić, der Berliner Tor-Panther den Bundesliga-Dschungel unsicher machte? Der langhaarige Stürmer mit Pocahontas-Gedächtnis-Haarband? Der serbische Starstürmer, der für Hertha in 114 Spielen durch die Strafräume schlich? Der, mit dem unvergleichlich lässigen und technisch anspruchsvollen Außenristschuss? Er war von 2005 bis 2009 bei unserer alten Dame der Stürmerstar. Einer, wegen dem man gerne ins Stadion ging. Nicht nur, weil er Tore versprach (es waren exakt 45 Tore und 21 Torvorlagen). Er war ein Schlitzohr und brachte die Zuschauer auf den Rängen das ein ums andere Mal zur Weißglut oder zum Lachen.

Die Legende

Eine der Lieblingsszenen vieler Fans, ist Pantelics legendäre Auswechslung beim Spiel gegen den HSV (damals noch Bundesliga-Dino) in Hamburg: Wir schrieben erst den 3. Spieltag der Saison 2006/2007. In der 88. Minute wollte Hertha-Trainer Falko Götz ein paar Minuten von der Uhr des Schiedsrichters nehmen und wechselte Abwehrspieler Christopher Samba für Pantelić ein. Kurz vor dem Ende des Spiels, beim Spielstand von 1:1. Der Serbe erblindete kurz, als der vierte Offizielle das Schild mit seiner Rückennummer 9 in die Luft hielt. Erst als er von den Mannschaftskollegen lächelnd darauf aufmerksam gemacht wurde, machte er sich gemächlich in Richtung Seitenlinie auf. In feinster Pantelić-Manier beklatsche er langsam und ausgiebig das gellend pfeifende Publikum in Hamburg. Als dann der damalige Schiedsrichter Herbert Fandel eine Gelbe Karte wegen Zeitspiel zeigte, verbeugte sich das serbische Schlitzohr vor ihm und verließ den Platz. Wer damals bei dieser Szene nicht schmunzeln musste, war entweder humorlos oder ein HSV-Fan.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Der Panther polarisierte. Eines kann man ihm jedoch nicht vorwerfen: Langeweile und fehlende Motivation. Er gab immer alles, war giftig und lebte den Verein. Er fühlte sich wohl an der Berliner Luft und bei Hertha, das merkte man. Er spielte zu der Zeit, als die Ära von Marcelinho bei Hertha langsam endete. Als die hoffnungsvollen Talente Kevin-Prince-Boateng und Patrick Ebert in die erste Mannschaft rückten und im Mittelfeld wirbelten. Als der technisch beschlagene Yildiray Bastürk das Spiel lenkte, unterstützt vom brasilianischen Nationalspieler Gilberto.

Damals sicherte Pál Dardai das Spiel vor der Abwehrreihe ab. Auch diese war mit den Routiniers Josip šimunić und Nationalverteidiger Arne Friedrich hervorragend bestückt. Die Eigengewächse Malik Fathi und Sofian Chahed komplettierten den Defensivriegel. Er war die bislang vielleicht letzte große Attraktion Herthas. Der Serbe brachte es von 2005 bis 2009 auf 66 Torbeteiligungen in 114 Spielen. Er war im Schnitt also im mindestens jedes zweite Spiel an einem Tor beteiligt. Das ist eine überragende Quote!

“I have a pain in my back”

In einem Interview mit rbb24aus dem vergangenen Dezember verriet Marko Pantelić: „Ich schaue jedes Spiel der Hertha und bedauere es sehr, in welcher Situation sie sich momentan befinden, spielerisch und was den Tabellenplatz angeht. Hertha verdient auf jeden Fall eine bessere Platzierung und bessere Ergebnisse, wenn man sich die Struktur des Klubs anschaut. Aber es ist nicht einfach in dieser Saison … Der Klub verdient es, an der Spitze der Bundesliga mitzumischen. Mit einer klaren Vision und einer Idee kann es die Hertha zu einem der Top-Vier-Klubs der Bundesliga bringen. Ich bin mir sogar sicher, dass der Klub mit einer klaren Strategie und Vision innerhalb von vier Jahren sogar den Meistertitel holen könnte.“

Für diesen augenzwinkernden Größenwahn lieben wir unseren Marko noch immer. Berlin war besonders für ihn und mit vier Jahren die mit Abstand längste Profi-Station von Pantelić. „Ich habe viele Freunde in Berlin und verbringe gerne Zeit in der Stadt. Es ist ein bisschen so, als wäre ich nie weg gewesen.“Man nimmt ihm diese Aussage ab. So schlitzohrig er einem vorkam, so ehrlich war er auch. Ein Stück Marko Pantelić ist bis heute bei Hertha geblieben. Fabian Lustenberger plauderte aus, dass Marko Montags manchmal nicht die größte Lust hatte, zu trainieren. Deshalb meldete er sich mit Rückenschmerzen ab. “Trainer, I have a pain in my back” ist seither bei Hertha ein geflügeltes Wort …

Eine ungewöhnliche Karriere

Dabei nahm seine Karriere so gar nicht den Verlauf, wie man es für einen Spieler seiner Klasse gedacht hätte. Im Alter von 21 Jahren hatte er schon drei Mal seine aktive Karriere beendet. Erstmals hing er die Schuhe an den Nagel, weil er vor dem heimischen Bürgerkrieg nach Griechenland flüchtete. Dort sollte das große Talent nach kurzer Zeit die griechische Staatsbürgerschaft annehmen. Die Idee dahinter war es, ihn für die griechische Nationalmannschaft spielen zu lassen. Er lehnte ab. Das war das erste Mal, als er mit dem Fußball aufhören wollte.

Na, wer entdeckt den jungen Pantelic? (Foto: JACQUES DEMARTHON/AFP via Getty Images)

Dann rief plötzlich ein Berater aus Paris an. Er bekam ein Probetraining bei PSG angeboten! Er unterschrieb kurz darauf einen Vertrag. Jedoch durfte er nach einem Rechtstreits mit seinem Verein in Griechenland erst nach zehn Monaten spielen. In Paris fand er nicht das erhoffte Glück und stand vor einem Wechsel zum FC Porto.

Ein unschöner Zwischenfall verhinderte jedoch ein Engagement in Portugal: Seine alte Liebe und Jugendverein Roter Stern Belgrad rief nach Markos Hilfe. Man brauchte seine fußballerischen Qualitäten direkt! Er überlegte nicht lange, sagte Porto ab und machte sich direkt auf nach Belgrad. Nun war plötzlich eines der Vorstandsmitglieder gegen ein Engagement von Pantelić. Marko war vollkommen gedemütigt. Er saß niedergeschlagen in Belgrad und wollte erneut dem Profigeschäft den Rücken kehren.

Einmal Spanien und zurück

Nur sein Vater trieb ihn weiter an, nicht aufzugeben. Dann kam ein Angebot aus der Schweiz. Ein Kontakt von Roter Stern brachte ihn beim FC Lausanne unter. Bei dem Club am Genfer See wusste Marko dann erneut zu überzeugen. Ihm gelangen 14 Tore in 21 Spielen. Diese imposante Quote brachte ihn bei Celta Vigo auf den Zettel. Er folgte dem Angebot und wechselte im Jahr 1999 nach Vigo an die Atlantikküste. Er kam aber aufgrund der Ausländerregelung in Spanien nicht zu einem einzigen Einsatz. Ein Leihgeschäft nach Österreich platzte und so wurde nach nur einem Jahr von Celta Vigo entlassen. Erneut ging er enttäuscht und desillusioniert nach Serbien zurück. Er wollte seine Karriere nun ein für alle Mal beenden. Zum dritten Mal. Mit gerade einmal 21 Jahren. Er fing an, ein wenig Futsal zu spielen und ging ab und an als Zuschauer ins Stadion.

Doch wie läuft es bei jungen Spielern – Er konnte dem Geruch von nassem Rasen und dem rollenden Leder nicht widerstehen und fing wieder an Fußball zu spielen. Über kleinere Vereine wie Smederevo ging es dann letztendlich 2003 wieder zu seinem Jugendverein und seiner großen Liebe Roter Stern Belgrad, die ihn einst so enttäuschte. Das alles schien eine Runde Geschichte zu werden. Dann flatterte 2005 das Angebot von Hertha BSC hinein. Der Rest ist Geschichte.

Adrian Ramos – als Niemand gekommen, als Liebling gegangen

Adrian Ramos – als Niemand gekommen, als Liebling gegangen

Adrián Ramos war fünf Jahre lang für Hertha am Ball, stieg zwei Mal mit ab und wieder auf, ehe er sein Glück später beim BVB und beim FC Granada suchte. 65 Treffer gelangen dem Kolumbianer in seiner Berliner Schaffenszeit – Grund genug, einmal einen Blick zurück zu werfen.

21. November 2009, Berliner Olympiastadion. Vor 39.000 Zuschauern trifft der Europa-League-Teilnehmer und gleichzeitig Tabellenletzte Hertha BSC auf den VfB Stuttgart. Auch die Schwaben, der Sechste der Vorsaison, hinken mit dem 15. Tabellenplatz ihren Ansprüchen hinterher. Das Spiel zwischen zwei kriselnden Klubs geht torlos in die Pause, der VfB dominiert die erste Hälfte. Hertha-Trainer Friedhelm Funkel nutzt die Halbzeitpause für seinen ersten Wechsel: Für den Bulgaren Valeri Domovchiyski kommt der vor der Saison von CD América de Cali verpflichtete Adrián Ramos. Bereits 3 Minuten später trifft der Kolumbianer – zum ersten Mal überhaupt in der Bundesliga. Dem VfB gelingt noch der späte Ausgleich in der 81. Minute, Hertha hilft der Punkt nicht wirklich weiter – die Mannschaft schafft es bis zum Saisonende nicht mehr, den letzten Tabellenplatz zu verlassen und steigt somit ab.

Hohe Erwartungen an den Königstransfer

Sommer 2009. In der vorangegangen Saison ist Hertha dem Bundesliga-Titel sehr nahe gekommen, lag bis kurz vor Schluss gut im Rennen – um dann sogar noch die Qualifikation für die Champions League zu verpassen. Die Folge sind schmerzhafte Abgänge: Neben Innenverteidiger Josip Simunic verlassen auch die beiden Stürmer Andriy Voronin und Marko Pantelic Berlin. In der Vorsaison haben beide zusammen immerhin 25 Tore erzielt.

Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images

Ersatz muss her. Das Problem: Hertha hat kaum Geld für Neuzugänge. Einzig Simunic spült im Sommer ordentlich Geld in die Kassen, während Pantelic ablösefrei nach Amsterdam wechselt und Voronin nach seiner Leihe zum FC Liverpool zurückkehrt. Not macht ja bekannterweise erfinderisch und so verpflichtet Hertha neben dem Polen Artur Wichniarek (13 Tore für Arminia Bielefeld in der Bundesliga-Saison 2008/2009) Adrián Ramos von CD América de Cali aus Kolumbien. Stolze zwei Millionen Euro kostet der kolumbianische Neuzugang insgesamt und wird damit zum blau-weißen Königstransfer des Sommers.

Zum Zeitpunkt der Verpflichtung ist Ramos 23 Jahre alt, steht an der Schwelle zwischen Talent und Profi im besten Fußballalter. Favre beschreibt den Kolumbianer kurz nach der Verpflichtung als „Stürmer mit viel Charakter, der gut läuft und dahin geht, wo es auch mal weh tut“. Zum Beispiel in die zweite Liga.

Ramos Tore reichen nicht

Dabei zeigt Ramos bereits in seiner ersten Saison bei Hertha, dass man sich auf ihn verlassen kann. Zehn Tore und fünf Vorlagen in 29 Bundesliga-Spielen gelingen ihm in seiner Debütsaison in Blau-Weiß, damit ist er an fast der Hälfte der mickrigen 34 Tore beteiligt, die Hertha in dieser Seuchensaison erzielt. Im Gegensatz zu anderen Fan-Lieblingen wie Arne Friedrich oder Lukasz Pisczek geht Ramos nach seiner überzeugenden Bundesliga-Debütsaison mit Hertha den schwierigen Weg in die zweite Liga mit – und das trotz angeblicher Angebote von Ajax, Twente oder Hoffenheim.

Ramos besticht vor allem durch seine Flexibilität und seine vielen Stärken: Der Kolumbianer kann neben der Position im Sturmzentrum auch als linker oder rechter Flügelspieler auflaufen. Für einen Mittelstürmer bringt er alles mit, was einen Spieler auf dieser Position idealerweise asuzeichnet: Ramos ist dank seines Tempos ein guter Konterspieler, mit seinen technischen Fähigkeiten und seiner Spielintelligenz kann er Hertha aber auch im Ballbesitzspiel helfen. Durch seine Physis und Kopfballstärke ist er zudem ein guter Abnehmer für Flanken und Standards. Auch in der Defensivarbeit ist Ramos fleißig und mit viel Einsatz dabei, er verfügt über ein insgesamt sehr komplettes Skillset, das man bei Stürmern eher selten findet.

Abstieg, Aufstieg, repeat

Als bester Hertha-Torschütze hat Ramos in der Folgesaison großen Anteil daran, dass den Berlinern der direkte Wiederaufstieg gelingt. Mit 15 Toren reicht es zwar nicht für Platz eins in der Torjägerliste (ein gewisser Nils Petersen lief ihm mit 25 Toren den Rang ab), aber mit zusätzlichen zehn Assists ist Ramos einmal mehr der blau-weiße Topscorer. Bereits in seiner zweiten Saison bestätigt der Kolumbianer seine Leistungen und wird zu einem der Aushängeschilder für dem Hertha-Kader.

Foto: Thomas Starke/Bongarts/Getty Images

Spätestens als Hertha ein Jahr darauf nach der Relegation in Düsseldorf ein zweites Mal in drei Jahren absteigt, rechnen eigentlich alle mit einem Ramos-Abgang. Einmal mehr war er über die Saison gesehen Herthas bester Offensivakteur – in diesem Transfersommer wird unter anderem Werder Bremen, Schalke und dem FC Fulham Interesse an Kolumbiens Nationalspieler nachgesagt. Doch dieser entscheidet sich anders, geht ein weiteres Mal mit in Liga zwei und wird spätestens jetzt zu einem der Berliner Fanlieblinge schlechthin. 

Die Saison 2012/2013 ist bereits Ramos’ vierte Saison in Blau-Weiß, bisher war er in jeder Spielzeit Herthas Topscorer. Doch das ändert sich nun: Mit 11 Toren und 9 Vorlagen liefert Ramos zwar einmal mehr und hilft mit, das Ziel Wiederaufstieg zu erreichen – allerdings nur im Schatten von Ronny, der in dieser Saison alles überragt und 18 Tore erzielt. In vier Jahren hat Adrián Ramos seinen Arbeitgeber eigentlich nur von der schlechtesten Seite kennengelernt: Als Fahrstuhlmannschaft, die permanent den eigenen Ansprüchen hinterherhinkt. Turbulenzen, Unruhe und Ungeduld sind ständige Begleiter, nur wenige Spieler bleiben Hertha über diese Jahre treu – diese wenigen sind dafür umso beliebter bei den Fans (neben Ramos u. a. Fabian Lustenberger).

Das Meisterstück – und der Abschied

Unter Trainer Jos Luhukay ist Hertha nach dem zweiten Wiederaufstieg ein unangenehmer Gegner für jeden anderen Bundesligisten – dass der Kolumbianer mit der Nummer 20 seit Jahren an Herthas größeren und kleineren Erfolgen immer beteiligt ist, ist auch international zur Kenntnis genommen worden: Neben Arsenal gelten auch Atlético Madrid und die AS Monaco zeitweise als an einer Verpflichtung Ramos interessiert. Doch eine letzte Saison verbringt der treue Stürmer noch in Berlin, für ihn persönlich soll es eine Rekordsaison werden. 16 Treffer verbucht er in 32 Bundesligaspielen – und erregt das Interesse des BVB, wo er nach dem Klassenerhalt mit Hertha ab Sommer 2014 gemeinsam mit Ciro Immobile den zum FC Bayern abgewanderten Robert Lewandowski ersetzen soll. 9,7 Millionen Euro ließen sich die Schwarz-Gelben die Dienste des Kolumbianers kosten, der in 79 Spielen für sie 19 Tore erzielen sollte.

Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Die Highlights aus Ramos letzter (und bester) Hertha-Saison noch einmal zum Erinnern: https://www.youtube.com/watch?v=41qjads7Pho

Am Ende seiner Berliner Zeit ist der Stürmer – ähnlich wie wohl auch die meisten Fans – wehmütig und verabschiedet sich emotional: “Ich möchte allen sagen, dass Hertha BSC mein Herz gehört, auch wenn ich bald woanders spiele.” Mit seinen insgesamt 65 Pflichtspieltreffern für die Blau-Weißen ist Ramos bis heute der siebtbeste Torschütze der Hertha-Geschichte. Als Nachfolger verpflichtet Hertha neben Julian Schieber, der im Tausch vom BVB kommt, im August 2014 einen Champions-League-Sieger aus der Elfenbeinküste: Salomon Kalou. Dieser sollte ebenfalls eine kleine Ära bei der “alten Dame” prägen.

Ramos ist mit nun 34 Jahren übrigens zu seinem Jugendverein CD América de Cali in Kolumbien zurückgekehrt. Sein Europa-Abenteuer endete somit nach zehn Jahren und insgesamt drei Stationen (Hertha, BVB, Granada in Spanien) – bei jeder einzelnen hat Ramos seine Spuren hinterlassen.

Weeste noch? 7. April 1997 – Die Geburtsstunde der „neuen“ Hertha

Weeste noch? 7. April 1997 – Die Geburtsstunde der „neuen“ Hertha

In Zeiten des Coronavirus gibt es nicht viel, über das man sich freuen kann. Eigentlich hätte unsere Hertha am vergangenen Wochenende in Leipzig spielen müssen – ob uns das dortige Ergebnis einen schöneren Wochenstart als die Corona-Mattheit beschert hätte, ist zu bezweifeln. Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als ab und an zurückzuschauen – auf besondere Momente, Spiele und Akteure der Alten Dame. Hierfür haben wir das Rückblicksformat “Weeste noch?” ins Leben gerufen. Ein Spiel dieser Kategorie fand am 7. April 1997 im Olympiastadion statt. Mit dem damaligen 2:0 gegen ein weltmeisterlich besetztes Kaiserslautern legte Hertha nicht nur den Meilenstein für den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Auch wir Hertha-Fans setzten mit einer Rekord-Kulisse ein dickes Ausrufezeichen.

Die Geschichte des Spieles Hertha BSC gegen den 1. FC Kaiserslautern beginnt schon ein knappes Jahr vorher, nämlich im Juni 1996. Damals standen sich am letzten Spieltag der 2. Bundesliga in Wattenscheid vor etwa 1000 Zuschauern die SG Wattenscheid 09 und Hertha BSC gegenüber. Die Tabellensituation für Hertha war brisant: Man brauchte unbedingt einen Punkt, um den Abstieg in die Regionalliga zu vermeiden. Hertha schaffte es nicht, gegen schon abgestiegene Wattenscheider in Führung zu gehen und dann kam es, wie es kommen musste: In der letzten Spielminute tauchte der Mittelstürmer der SG alleine vor dem Hertha-Tor auf. Dieser Stürmer war Michael Preetz – und er vergab seine Chance kläglich. Das Spiel ging 0:0 aus, Hertha blieb aufgrund des besseren Torverhältnisses in der Liga. Nur wenige Wochen später wechselte Preetz nach Berlin.

Vor diesem Hintergrund ging Hertha in die besagte Zweitligasaison 1996/1997 – als krasser Außenseiter. Mit dem aktuellen Pokalsieger Kaiserslautern, Eintracht Frankfurt und dem KFC Uerdingen waren zudem Mannschaften aus der Bundesliga abgestiegen, die einen berechtigten Anspruch auf den direkten Wiederaufstieg hatten. Insbesondere der FCK stellte mit Weltmeister Andy Brehme, dem Brasilianer Ratinho, Nationalstürmer Olaf Marschall oder Miro Kadlec wohl eine der am besten besetzten Zweitliga-Mannschaften aller Zeiten. Doch Hertha startete stabil in die Saison und konnte sich immer besser behaupten. Schon nach der Hinrunde stand das Team von Jürgen Röber auf Platz 3, hinter Mainz 05 und Kaiserslautern.

Hertha musste sich seinen Fans beweisen

Trotzdem – es war keine einfache Zeit damals. Der Oberring des Olympiastadions, das damals noch 75.000 Zuschauer fasste, war grundsätzlich gesperrt. Zu den Heimspielen kamen in der Regeln zwischen 5000 und 20.000 Zuschauern. Kurzum: Das Misstrauen war nach der verkorksten Vorsaison groß. So richtig hatte fast keiner Bock auf Hertha. Doch Hertha überraschte auch seine eigenen Fans. Stürmer Axel Kruse spielte eine begeisternde Saison und traf gefühlt in jedem zweiten Spiel. Und mit spannenden Eigengewächsen wie Michael Hartmann und Ante Covic im Mittelfeld sowie einem starken Jolly Sverrisson in der Abwehr stand das Team auch hinten stabil und erreichte schon in der Hinrunde einige Achtungserfolge – wie beispielsweise ein 2:3-Auswärtssieg bei Absteiger Uerdingen.

(Foto: Gunnar Berning/Bongarts/Getty Images)

Auch die Rückrunde startete mit einigen Siegen und am 23. März 1997 übernahm Hertha die Tabellenführung nach einem 5.2-Kantersieg gegen Gütersloh, weil `Lautern in Mainz nur unentschieden spielte. Zwischen Hertha und Kaiserslautern entwickelte sich in den kommenden Wochen ein spannender Zweikampf um die Tabellenspitze, der dann am 7. April 1997 seinen Höhepunkt fand: Lautern hatte sich gerade wieder die Tabellenführung zurückerobert, Hertha mit zwei Punkten Abstand dahinter. Schon vor dem Spiel war klar: Wer gewinnt, hat gute Chancen auf den Aufstieg ins Oberhaus.

Noch viel spannender als die Tabellensituation war aber das Vorverkaufsgeschehen in den Tagen vor dem Spiel. Denn Hertha war auf einmal wieder sexy: Schon vor dem Spiel waren mehrere zehntausend Plätze vergeben und an den Tageskassen wurden immer mehr Karten verkauft. Vor dem U-Bahnhof entwickelte sich ein richtiger Schwarzmarkt, die Preise der Tickets stiegen dort in die Höhe, am Ende mussten sogar ein paar hundert Fans draußen bleiben. Mit 75.000 Zuschauern war das Olympiastadion das erste Mal seit Jahrzehnten ausverkauft – und das obwohl das Spiel an einem Montagabend stattfand und live im DSF übertragen wurde.

“Nie mehr zweite Liga!”

Und nicht nur auf den Rängen sollte Blau-Weiß an diesem Abend Geschichte schreiben. Auf dem Platz kontrollierte Hertha von Anfang an das Spiel. Und dann kam die 25. Spielminute: Aus dem Mittelfeld spielte Marc Arnold einen überragenden Pass zwischen drei rot-weiße Verteidiger. Axel Kruse rannte von Links ein, umdribbelte auf Strafraumhöhe den herauseilenden Torwart Gerry Ehrmann und schoss aufs Tor. Der Ball rollte sehr, sehr langsam in Richtung Torlinie, konnte von den Pfälzern aber nicht mehr geklärt werden. 1:0. Nur ein paar Minuten später dann ein kleine Schrecksekunde für Hertha: Kruse, der eben noch das Tor gemacht hatte, humpelte über die Seitenauslinie. Neu ins Spiel kam ein junger Ungar, von dem damals so gut wie keiner etwas gehört hatte, weil er zuvor nur wenige Spiele für Hertha gemacht hatte und erst im Januar 1997 nach Berlin gekommen war: Pal Dardai.

(Foto: Frank Peters/Bongarts/Getty Images)

Dardai für Kruse – damit war klar: Röber wollte das Ergebnis verwalten und auf sicher spielen. Nach einer gespielten halben Stunde! Konnte das gut gehen? Es ging gut. Denn Lautern wurde eigentlich nie so richtig gefährlich in diesem Spiel, selbst in der zweiten Hälfte mit dem dann eingewechselten Ratinho nicht. Den Knock-out für die Pfälzer gab es dann schon nach etwa zwölf Minuten Spielzeit in der zweiten Halbzeit: Ecke für Hertha, Gerry Ehrmann fängt den Ball zunächst, lässt ihn dann aber auf den Fuß eines Mitspielers fallen, von da aus rollte der Ball zum 2:0 ins Tor.

Dabei blieb es dann auch, Hertha war Tabellenführer. Die Ostkurve bebte und sang: „Nie mehr zweite Liga!“ Der Berliner Tagesspiegel schrieb am nächsten Tag von einer neuen „Fußball-Euphorie“ in der Hauptstadt. In den Spielen darauf verlor Hertha die Tabellenführung zwar wieder an Kaiserslautern. Aber auch Wolfsburg und Mainz schwächelten, sodass dann am 22. Mai feststand: Nach sieben Jahren Trostlosigkeit in der 2. Liga ist Hertha wieder erstklassig.

(Das Kruse-Tor gegen ‘Lautern seht ihr in diesem Best-of ganz als letztes Tor):

Der Grundstein für die Folgejahre

Der Sieg am 7. April 1997 war so etwas wie der Grundstein für erfolgreiche Hertha-Jahre, die dann folgen sollten. Einerseits schaffte es Röber in dieser Saison, ein funktionierendes Team zusammenzubauen. Mit Routiniers wie Michael Preetz, Steffen Karl, Jolly Sverrisson und Axel Kruse sowie Nachwuchstalenten wie Ante Covic, Pal Dardai und Michael Hartmann hatte Röber auch in der folgenden Erstliga-Saison eine gut gemischte, schlagkräftige Truppe zusammen.

(Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Andererseits wurde aber auch die Fußball-Leidenschaft in vielen Berlinern wieder erweckt: Das volle Berliner Olympiastadion war ein tolles Erlebnis – schon am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison war das Stadion erneut ausverkauft. Der Gegner hieß dann Borussia Dortmund. Die Dortmunder hatten kurz zuvor gegen Juventus Turin die Champions League gewonnen. Gegen Hertha kamen sie aber über ein 1:1 nicht hinaus. Torschütze für Blau-Weiß damals: Ante Covic.