In Zeiten des Coronavirus gibt es nicht viel, über das man sich freuen kann. Eigentlich hätte unsere Hertha am vergangenen Wochenende in Leipzig spielen müssen – ob uns das dortige Ergebnis einen schöneren Wochenstart als die Corona-Mattheit beschert hätte, ist zu bezweifeln. Und so bleibt uns nichts anderes übrig, als ab und an zurückzuschauen – auf besondere Momente, Spiele und Akteure der Alten Dame. Hierfür haben wir das Rückblicksformat “Weeste noch?” ins Leben gerufen. Ein Spiel dieser Kategorie fand am 7. April 1997 im Olympiastadion statt. Mit dem damaligen 2:0 gegen ein weltmeisterlich besetztes Kaiserslautern legte Hertha nicht nur den Meilenstein für den Wiederaufstieg in die Bundesliga. Auch wir Hertha-Fans setzten mit einer Rekord-Kulisse ein dickes Ausrufezeichen.
Die Geschichte des Spieles Hertha BSC gegen den 1. FC Kaiserslautern beginnt schon ein knappes Jahr vorher, nämlich im Juni 1996. Damals standen sich am letzten Spieltag der 2. Bundesliga in Wattenscheid vor etwa 1000 Zuschauern die SG Wattenscheid 09 und Hertha BSC gegenüber. Die Tabellensituation für Hertha war brisant: Man brauchte unbedingt einen Punkt, um den Abstieg in die Regionalliga zu vermeiden. Hertha schaffte es nicht, gegen schon abgestiegene Wattenscheider in Führung zu gehen und dann kam es, wie es kommen musste: In der letzten Spielminute tauchte der Mittelstürmer der SG alleine vor dem Hertha-Tor auf. Dieser Stürmer war Michael Preetz – und er vergab seine Chance kläglich. Das Spiel ging 0:0 aus, Hertha blieb aufgrund des besseren Torverhältnisses in der Liga. Nur wenige Wochen später wechselte Preetz nach Berlin.
Vor diesem Hintergrund ging Hertha in die besagte Zweitligasaison 1996/1997 – als krasser Außenseiter. Mit dem aktuellen Pokalsieger Kaiserslautern, Eintracht Frankfurt und dem KFC Uerdingen waren zudem Mannschaften aus der Bundesliga abgestiegen, die einen berechtigten Anspruch auf den direkten Wiederaufstieg hatten. Insbesondere der FCK stellte mit Weltmeister Andy Brehme, dem Brasilianer Ratinho, Nationalstürmer Olaf Marschall oder Miro Kadlec wohl eine der am besten besetzten Zweitliga-Mannschaften aller Zeiten. Doch Hertha startete stabil in die Saison und konnte sich immer besser behaupten. Schon nach der Hinrunde stand das Team von Jürgen Röber auf Platz 3, hinter Mainz 05 und Kaiserslautern.
Hertha musste sich seinen Fans beweisen
Trotzdem – es war keine einfache Zeit damals. Der Oberring des Olympiastadions, das damals noch 75.000 Zuschauer fasste, war grundsätzlich gesperrt. Zu den Heimspielen kamen in der Regeln zwischen 5000 und 20.000 Zuschauern. Kurzum: Das Misstrauen war nach der verkorksten Vorsaison groß. So richtig hatte fast keiner Bock auf Hertha. Doch Hertha überraschte auch seine eigenen Fans. Stürmer Axel Kruse spielte eine begeisternde Saison und traf gefühlt in jedem zweiten Spiel. Und mit spannenden Eigengewächsen wie Michael Hartmann und Ante Covic im Mittelfeld sowie einem starken Jolly Sverrisson in der Abwehr stand das Team auch hinten stabil und erreichte schon in der Hinrunde einige Achtungserfolge – wie beispielsweise ein 2:3-Auswärtssieg bei Absteiger Uerdingen.
Auch die Rückrunde startete mit einigen Siegen und am 23. März 1997 übernahm Hertha die Tabellenführung nach einem 5.2-Kantersieg gegen Gütersloh, weil `Lautern in Mainz nur unentschieden spielte. Zwischen Hertha und Kaiserslautern entwickelte sich in den kommenden Wochen ein spannender Zweikampf um die Tabellenspitze, der dann am 7. April 1997 seinen Höhepunkt fand: Lautern hatte sich gerade wieder die Tabellenführung zurückerobert, Hertha mit zwei Punkten Abstand dahinter. Schon vor dem Spiel war klar: Wer gewinnt, hat gute Chancen auf den Aufstieg ins Oberhaus.
Noch viel spannender als die Tabellensituation war aber das Vorverkaufsgeschehen in den Tagen vor dem Spiel. Denn Hertha war auf einmal wieder sexy: Schon vor dem Spiel waren mehrere zehntausend Plätze vergeben und an den Tageskassen wurden immer mehr Karten verkauft. Vor dem U-Bahnhof entwickelte sich ein richtiger Schwarzmarkt, die Preise der Tickets stiegen dort in die Höhe, am Ende mussten sogar ein paar hundert Fans draußen bleiben. Mit 75.000 Zuschauern war das Olympiastadion das erste Mal seit Jahrzehnten ausverkauft – und das obwohl das Spiel an einem Montagabend stattfand und live im DSF übertragen wurde.
“Nie mehr zweite Liga!”
Und nicht nur auf den Rängen sollte Blau-Weiß an diesem Abend Geschichte schreiben. Auf dem Platz kontrollierte Hertha von Anfang an das Spiel. Und dann kam die 25. Spielminute: Aus dem Mittelfeld spielte Marc Arnold einen überragenden Pass zwischen drei rot-weiße Verteidiger. Axel Kruse rannte von Links ein, umdribbelte auf Strafraumhöhe den herauseilenden Torwart Gerry Ehrmann und schoss aufs Tor. Der Ball rollte sehr, sehr langsam in Richtung Torlinie, konnte von den Pfälzern aber nicht mehr geklärt werden. 1:0. Nur ein paar Minuten später dann ein kleine Schrecksekunde für Hertha: Kruse, der eben noch das Tor gemacht hatte, humpelte über die Seitenauslinie. Neu ins Spiel kam ein junger Ungar, von dem damals so gut wie keiner etwas gehört hatte, weil er zuvor nur wenige Spiele für Hertha gemacht hatte und erst im Januar 1997 nach Berlin gekommen war: Pal Dardai.
Dardai für Kruse – damit war klar: Röber wollte das Ergebnis verwalten und auf sicher spielen. Nach einer gespielten halben Stunde! Konnte das gut gehen? Es ging gut. Denn Lautern wurde eigentlich nie so richtig gefährlich in diesem Spiel, selbst in der zweiten Hälfte mit dem dann eingewechselten Ratinho nicht. Den Knock-out für die Pfälzer gab es dann schon nach etwa zwölf Minuten Spielzeit in der zweiten Halbzeit: Ecke für Hertha, Gerry Ehrmann fängt den Ball zunächst, lässt ihn dann aber auf den Fuß eines Mitspielers fallen, von da aus rollte der Ball zum 2:0 ins Tor.
Dabei blieb es dann auch, Hertha war Tabellenführer. Die Ostkurve bebte und sang: „Nie mehr zweite Liga!“ Der Berliner Tagesspiegel schrieb am nächsten Tag von einer neuen „Fußball-Euphorie“ in der Hauptstadt. In den Spielen darauf verlor Hertha die Tabellenführung zwar wieder an Kaiserslautern. Aber auch Wolfsburg und Mainz schwächelten, sodass dann am 22. Mai feststand: Nach sieben Jahren Trostlosigkeit in der 2. Liga ist Hertha wieder erstklassig.
(Das Kruse-Tor gegen ‘Lautern seht ihr in diesem Best-of ganz als letztes Tor):
Der Grundstein für die Folgejahre
Der Sieg am 7. April 1997 war so etwas wie der Grundstein für erfolgreiche Hertha-Jahre, die dann folgen sollten. Einerseits schaffte es Röber in dieser Saison, ein funktionierendes Team zusammenzubauen. Mit Routiniers wie Michael Preetz, Steffen Karl, Jolly Sverrisson und Axel Kruse sowie Nachwuchstalenten wie Ante Covic, Pal Dardai und Michael Hartmann hatte Röber auch in der folgenden Erstliga-Saison eine gut gemischte, schlagkräftige Truppe zusammen.
Andererseits wurde aber auch die Fußball-Leidenschaft in vielen Berlinern wieder erweckt: Das volle Berliner Olympiastadion war ein tolles Erlebnis – schon am ersten Spieltag der neuen Bundesliga-Saison war das Stadion erneut ausverkauft. Der Gegner hieß dann Borussia Dortmund. Die Dortmunder hatten kurz zuvor gegen Juventus Turin die Champions League gewonnen. Gegen Hertha kamen sie aber über ein 1:1 nicht hinaus. Torschütze für Blau-Weiß damals: Ante Covic.