Herthaner im Fokus: SV Werder Bremen – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: SV Werder Bremen – Hertha BSC

Mit einem 1:1-Unentschieden hat sich Hertha BSC aus Bremen verabschiedet – ein Auswärtspunkt, mit dem die Berliner aufgrund des Spielverlaufs wohl zufrieden sein können. Zwar zeigten die Blau-Weißen phasenweise wieder guten Fußball, den man bereits gegen Fortuna Düsseldorf gesehen hatte, doch waren es die Werderaner Gastgeber, die über 90 Minuten gesehen mehr vom Spiel und die besseren Torgelegenheiten hatten. Die Einzelkritik zu einem Ergebnis und einer Leistung, die jeweils in Ordnung gehen.

Rune Jarstein – den Punkt festgehalten

“Einen Ball habe ich gut gehalten, das war natürlich schön. Ich fühle mich fit und gut, habe auch durch die Nationalmannschaft zuletzt viele Spiele gemacht”, so die Worte von Rune Jarstein am Morgen nach dem 1:1 im Weserstadion. Der Berliner Torhüter bewahrte seine Mannschaft wie bereits gegen den 1. FC Köln vor einer Niederlage, indem er den ein oder anderen gefährlichen Schuss noch parierte.

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Beim Bremer Führungstreffer durch Sargent war der norwegische Schlussmann allerdings noch machtlos, der Schuss des US-Amerikaners wurde unhaltbar von Vordermann Dedryck Boyata abgefälscht, sodass er sich über Jarstein hinweg ins Tor senkte. Daraufhin war jedoch keinerlei Vorbeikommen mehr, Herthas Keeper brachte die Gastgeber teilweise zur Verzweiflung.

Seine wohl auffälligste Szene verbuchte der 35-Jährige in der 64. Minute, als er beim Abschluss von Rashica blitzschnell ins rechte Toreck hechtet und diesen noch abwehrt, um anschließend noch einmal nach vorne zu springen und so den Nachschuss bzw. die Ecke zu verhindern. Nur zwei Minuten zuvor war Jarstein bereits auf dem Posten, auch in dieser Szene verhinderte er das Tor von Rashica. Insgesamt vier Paraden zeigte Herthas Nummer 22 am Samstagnachmittag und sicherte seinem Team somit einen Punkt.

Eine einmal mehr hervorhebenswerte Darbietung des Berliner Schlussmanns, der sich in einer guten Form befindet.

Maxi Mittelstädt – Stammplatz verteidigt

Zwar zeigte Hertha im Weserstadion sicherlich keine schlechte Leistung, doch wirklich viele Feldspieler ließen sich individuell nicht positiv herausheben – einer der wenigen war Maxi Mittelstädt, der gegen Bremen seine wohl beste Saisonleistung präsentierte und sowohl defensiv als auch offensiv einer der prägenden Spieler war.

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Vor der Partie bestand noch die Frage, welchen Linksverteidiger Trainer Ante Covic aufs Feld stellen würde: den wiedergenesen Marvin Plattenhardt oder Mittelstädt, der die vergangenen drei Partien bestritt? Herthas Chefcoach entschied sich für Mittelstädt und sollte damit eine vorzügliche Wahl getroffen haben, denn das Berliner Eigengewächs unterstrich in Bremen seine Ambition, in der laufenden Spielzeit endgültig zum Stammspieler zu reifen. Diesen Anspruch untermauerte er zunächst einmal mit den Grundtugenden eines Abwehrspielers: dem Verteidigen. Der 22-Jährige wirkte über 90 Minuten hoch fokussiert und war jederzeit sehr nahe an seinem Gegenspieler zu finden, dem er den Schneid abkaufte und für immer in einer robusten Truhe verstaute. Zehn seiner elf Zweikämpfe gewann Mittelstädt, dazu alle fünf seiner Kopfballduelle. Zusätzlich sicherte er zwölf Bälle ab, klärte fünf Aktionen und fing vier Bälle ab – allesamt überdurchschnittliche Werte, die seine glänzend aufgelegte Form an diesem Tag nur unterstreichen. Mittelstädt bestach durch äußerst abgeklärtes Zweikampfverhalten und intelligentes Positionsspiel.

Aber auch im Spiel mit dem Ball wusste Herthas Nummer 17 zu überzeugen. Mit 94 Ballkontakten verbuchte Mittelstädt mit großem Abstand (Darida hatte 75) die meisten aller Herthaner, doch ist reiner Ballbesitz noch kein Argument für eine gute Vorstellung, man muss auch etwas mit diesem anzufangen wissen – und das tat Mittelstädt. Es ging stets konstruktiv nach vorne, hatte der ehemalige Juniorennationalspieler den Ball, mit einer 76%igen Passquote waren die meisten seiner Zuspiele hinzukommend auch präzise. Insgesamt drei Torschüsse bereitete der Herthaner am Samstag vor, auch der Assist für das Tor von Lukebakio ging auf sein Konto. In der 16. Minute hätte Mittelstädt sogar beinahe sein erstes Saisontor erzielt, doch sein beherzter Distanzschuss nach einer Ecke touchierte nur die Latte.

Es war ein insgesamt sehr intelligenter und fehlerfreier Auftritt von Mittelstädt, der im Defensivverhalten keine seiner durchaus bekannten kopflosen Aktionen produzierte und im Spiel nach vorne eine prägende Figur abgab. Er war stets Herr der Lage und ein absoluter Aktivposten seiner Mannschaft. In dieser Form ist Mittelstädt nicht aus der Startelf wegzudenken.

Vedad Ibisevic – glücklos

“Die Situation mit Pavlenka war für mich ein klarer Elfmeter. Es ist schade, dass der Schiedsrichter das nicht gepfiffen hat. Wenn es kein Elfmeter war, hätte er mir die Gelbe Karte für eine Schwalbe geben müssen”, zeigte sich Vedad Ibisevic nach dem Schlusspfiff sichtlich erzürnt über den nicht-gegebenen Elfmeter. Der Berliner Kapitän sähe sich in einer Schublade und aufgrund dessen würden viele Entscheidungen im Zweifel gegen ihn gepfiffen werden.

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Gemeint ist die Szene aus der 12. Minute, in der Ibisevic perfekt bedient von Marius Wolf auf Bremens Tor zulief und in letzter Sekunde von SVW-Keeper Pavlenka von den Beinen geholt wurde. Schiedsrichter Dr. Felix Brych entschied, dass Bremens Schlussmann den Ball gespielt habe und es somit kein Strafstoß war – eine eindeutig diskutable Entscheidung, die vor allem dadurch an Brisanz gewann, dass der Videobeweis nicht eingriff und zumindest Herrn Brych zum Monitor am Spielfeldrand bemühte, um sich diese Szene noch einmal anzuschauen. Anzumerken ist auch, dass daraufhin nicht einmal einen Eckball für Hertha gab – kurios, da Pavlenka ja den Ball gespielt haben soll, der daraufhin ins Torlinienaus rollte. Ohne weiter ausholen zu wollen: über einen Elfmeter hätten sich die Bremer wohl nicht beschweren dürfen.

Zum einen wurde hiermit Hertha die Chance auf einen sehr frühen Ausgleichstreffer genommen, zum anderen Ibisevic die Möglichkeit, sich auf dem Spielzettel zu verewigen – sei es durch den herausgeholten Elfmeter an sich oder durch ein Tor, wäre er der Schütze gewesen (nicht unwahrscheinlich). Von der Szene abgesehen zeigte Herthas Kapitän eine durchaus zufriedenstellende Leistung. Zwar kam er selbst in keine Abschlusspositionen, doch arbeitete der 35-Jährige viel für seine Mannschaft. Regelmäßig ließ sich der Bosnier in die eigene Hälfte fallen, um als Anspielstation zu dienen und Bälle festzumachen – das klappte mal mehr und mal weniger gut. Es gab allerdings einige gute Dribblings und Seitenverlagerungen des “Vedators” zu sehen, der sichtlich bemüht war, das Spiel seiner Mannschaft anzukurbeln. Mit der Zeit verflachte dieser Aufwand jedoch, sodass Trainer Covic sich dazu entschied, Ibisevic nach 77 Minuten für den frischen Davie Selke auszuwechseln.

Ein ordentlicher Auftritt von Ibisevic, der zunächst an der Elfmeter-Szene zu knabbern hatte, sich jedoch aufraffte und daraufhin ein wichtiger Bestandteil des Berliner Aufbauspiels wurde.

Dodi Lukebakio – Edeljoker

So langsam wird es zur Gewohnheit: wechselt Trainer Covic seinen Flügelspieler Dodi Lukebakio ein, kann sich der Gegner auf eine Torbeteiligung seinerseits einstellen. Bereits im dritten Spiel infolge ist Herthas Rekordneuzugang nun als Einwechselspieler an einem Treffer beteiligt gewesen, dieses Mal traf der Edeljoker selbst.

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“Der Trainer hat mir vor der Einwechslung gesagt, dass ich alles geben soll, was ich drauf habe. Das hat gut geklappt und der Punkt ist nicht unbedeutend für uns”, zeigte sich Lukebakio nach seinem erneut mehr als gelungenen Joker-Einsatz zufrieden. Der Belgier wurde in 56. Minute für den wirkungslos gebliebenen Javairo Dilrosun eingewechselt und sollte dessen Position auf dem linken Flügel übernehmen. Dort hielt es ihn die ersten Minuten jedoch nicht, immer wieder zog der 22-Jährige in den “Achterraum”, um dort die Anspiele zu fordern. Eine Maßnahme, die zwar Lukebakios Motivation unterstrich, allerdings nicht dem Plan von Covic folgte. Herthas Trainer beorderte Lukebakio daraufhin wieder auf die linke Außenbahn, dort sollte Herthas Nummer 28 die Breite halten, Bremen auseinanderziehen und durch sein Tempo und seine Dribbelstärke in direkte Duelle verwickeln.

In der 57. Minute legte Lukebakio sogleich eine Chance auf, nachdem er auf dem linken Flügel durchgebrochen war und Ibisevic bedienen wollte. Dieser konnte sich allerdings nicht im Strafraum durchsetzen, wodurch die Chance verpuffte. In der 70. Minute fasste sich der belgische U21-Nationalspieler dann selbst ein Herz, ließ drei Bremer durch zwei Haken stehen und schloss seine großartige Einzelaktion mit einem wuchtigen wie präzisen Schuss ins rechte Toreck zum 1:1-Ausgleich ab. Der Plan Covics, Lukebakio in Eins-gegen-Eins-Duelle zu schicken, ging damit hervorragend auf, der Joker zeigte in dieser Szene all seine Fähigkeiten: Tempo, Dribbelkünste, der Riecher für die besondere Aktion und der starke Abschluss.

Mit seinem zweiten Saisontor und dritten Scorerpunkt in Serie sicherte Lukebakio Hertha den Auswärtspunkt und etabliert sich allmählich zum absoluten Edeljoker. “Die Aktion zum 1:1 war eine geile Aktion von Dodi Lukébakio. Er hat schon gegen Düsseldorf einen starken Assist gehabt, jetzt war es für ihn wichtig, dass er trifft”, lobte ihn Mannschaftskollege Per Skjelbred nach dem Spiel. Nun steht Trainer Covic vor der wenig beneidenswerten Aufgabe, sich in der kommenden Woche für Dilrosun oder Lukebakio zu entscheiden, wenn es um die Startelf gegen die TSG Hoffenheim geht.

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Fortuna Düsseldorf

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Fortuna Düsseldorf

Drei Siege infolge – das gab es für Hertha BSC zuletzt zwischen dem ersten und dritten Spieltag der Saison 2016/17. Und was das für ein Sieg am Freitagabend gegen Fortuna Düsseldorf war: die Berliner Fans sahen im Olympiastadion das bislang beste Saisonspiel ihrer Mannschaft, die zwar drei Tore schoss, mit insgesamt 17 Schüssen jedoch Chancen für ein weitaus höheres Ergebnis hatte. Dies resultierte aus einem attraktiven Ballbesitzspiel, sauberer Defensivarbeit und auffällig großem Aufwand seitens der Blau-Weißen. Nach langer Zeit ist der Herthaner wieder voll des Lobes – so fällt auch diese Ausgabe der Einzelkritik aus.

Per Skjelbred – Mister Stabilität

“Ich soll Balance in unser Spiel bringen, zwischen Offensive und Defensive. Meine Hauptaufgaben sind mehr Kontrolle und die Defensivarbeit”, beschrieb Per Skjelbred seine aktuelle Rolle in der Mannschaft. Diese Funktion macht den Norweger seit nun ein paar Spielen unentbehrlich für die Mannschaft und Trainer Ante Covic – gegen Düsseldorf gelang “Schelle” sein wohl bester Auftritt seit langer Zeit.


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Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images

“Der Ansatz war, einen Spieler mehr im Aufbauspiel zu haben, damit wir flach rauskommen, ohne permanent den Torwart einbeziehen zu müssen“, erklärte Covic nach der Partie dem Tagesspiegel. „Wir hatten viele gute Passagen aus dem hinteren Bereich, ohne lange Bälle spielen zu müssen.“ Der Berliner Coach ließ Skjelbred eine besondere Rolle im Ballbesitzspiel zukommen. Der 32-Jährige agierte als Libero, schob sich im Spielaufbau stets zwischen die beiden Innenverteidiger, Niklas Stark und Dedryck Boyata, um so mehr Anspielstationen zu schaffen und das Spiel zu verbreitern. War Skjelbred am Ball, konnten die Innenverteidiger weiter rausrücken, sodass Herthas Flügelspieler noch weiter noch vorne stießen – dadurch ergab sich eine sehr dynamische Spieleröffnung, die durch Skjelbreds Ruhe am Ball und Passsicherheit getragen wurde. Niemand auf dem Feld war öfter am Ball als Herthas Nummer drei (76 Mal), niemand spielte mehr Pässe (63) – allein diese Werte zeigen, welch große Bedeutung Skjelbred für das Spiel hatte. Dass der defensive Mittelfeldspieler dann auch noch eine 97%ige Passquote und zwölf Ballsicherungen verbucht, ist pure Klasse.

Hinzu kommt die gewohnt starke Arbeit gegen den Ball. Skjelbred spulte nach Vladimir Darida mal wieder die besten Laufwerte aller Herthaner ab, lief knapp zwölf Kilometer und zog 84 intensive Läufe an. Dieses Pensum erlaubte Skjelbred eine ungeheure Dominanz im Mittelfeld, das er zusammen mit Marko Grujic beherrschte. Nahezu kein Umschaltmoment seitens der Düsseldorfer konnte erfolgreich durch die Mitte ausgespielt werden, da Skjelbred und Grujic diesen durch intelligentes Positionsspiel und Zweikampfverhalten im Keim erstickten. Skjelbred war über 90 Minuten hellwach, gewann Zweikampf um Zweikampf und verarbeitete den Ballgewinn sauber in den eigenen Reihen. Aufgrund seiner Leistung war Hertha am Freitagabend so erdrückend dominierend, sowohl mit als auch gegen den Ball. Seine vielleicht auffälligste Szene hatte Skjelbred vor dem 1:1-Ausgleichstreffer in der 36. Minute: er eroberte einen Düsseldorfer Fehlpass, rannte mitsamt Ball weit in die gegnerische Hälfte, um so Fortuna-Spieler an sich zu binden und dann den freistehenden Marius Wolf anzuspielen, der Ibisevic zum Tor bediente.

Es ist beeindruckend, wie Skjelbred innerhalb von ein paar Wochen vom Bankdrücker zum Leistungsträger geworden ist. Er bringt große Stabilität in das Spiel seiner Mannschaft, ist eine echte Stütze und in dieser Form nicht aus der Mannschaft herauszudenken.

Marko Grujic – mehr Regisseur als Hauptrolle

Gegen Düsseldorf glänzten Spieler wie Wolf, Dilrosun, Darida oder Ibisevic. Einer, der sich hingegen im Hintergrund aufhielt, war Marko Grujic. Der 23-Jährige gehörte in den vergangenen Wochen zu den Spielern, die sich im Formtief befinden. Indem er sein Spiel umstellte, zeigte der Serbe gegen Düsseldorf jedoch still und leise seine bislang beste Saisonleistung.

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Das hatte vor allem mit seinem Aufgabenbereich am Freitagabend zu tun. Grujic, normalerweise ein Box-to-Box-Player, also jemand, der das gesamte Feld beackert und sowohl offensiv als auch defensiv die besonderen Momente sucht, agierte gegen die Fortuna als absoluter Fixpunkt im zentralen Mittelfeld. Nach Skjelbred war die Liverpooler Leihgabe am öftesten am Ball (73 Mal) und spielte die drittmeisten Pässe (50). Bei nahezu jedem Angriff diente Grujic als Übergangsstation zwischen eigener Hälfte und letztem Angriffsdrittel. Sei es durch sehenswerte Dribblings (fünf erfolgreiche – Bestwert zusammen mit Wolf), mit denen er tief in Düsseldorfer Hälfte vorstieß oder präzise gespielte Pässe in Lücken oder als Seitenverlagerungen. Insgesamt 90% der Zuspiel von Berlins Nummer 15 kamen, 83% fanden in der gegnerischen Hälfte ihr Ziel – jeweils sehr starke Zahlen. Da sich Skjelbred bei eigenem Ballbesitz sehr tief fallen ließ und Darida weit nach vorne drückte, war Grujic oftmals alleine im zentralen Mittelfeld, doch aufgrund seiner enormen Ballsicherheit und gutem Passspiel war das gar kein Problem. Vielmehr war es so, dass der großgewachsene Zentrumsspieler selbst gegen mehrere Gegenspieler seelenruhig das Spiel aufzog (sechs Ballsicherungen) und so eine sichtbare Tiefe wie Breite kreierte. Grujic konzentriert sich also eher auf die unspektakuläreren aber mindestens ebenso wichtigen Aufgaben eines zentralen Mittelfeldspielers und ließ dadurch andere im Rampenlicht stehen. Es gab kaum Läufe in den Strafraum oder Abschlüsse, die man Grujic gewohnt ist, dafür aber ein wirklich intelligentes Aufbau- und Positionsspiel.

Letzteres bewies Grujic auch gegen den Ball. Wie bereits erwähnt, fungierten er und Skjelbred bei Düsseldorfer Konterversuchen als Berliner Türsteher und jeder, der in der Hauptstadt schon einmal feiern war, weiß, wie hart es sein kann, an solchen vorbeizukommen. So war Grujic kaum zu überwinden, gewann zehn seiner 16 Zweikämpfe und klärte vier Situationen. Hinzu kommen clever eingestreute Fouls, die Düsseldorf den Spielfluss nahmen. Dafür nahm Grujic ein beachtliches Laufpensum auf sich und riss 11,6 Kilometer ab. Zwar verzeichnete er am Freitag nicht eine Glanzszene nach der anderen, jedoch war er eminent wichtig für das die Mannschaft und ließ andere Spieler im Rampenlicht stehen.

Dodi Lukebakio – angekommen

Die Düsseldorfer Gegenspieler werden ernüchtert durchgeschnauft haben, als sie 30 Minuten vor Spielende an den Spielfeldrand blickten und sahen, dass Ex-Mannschaftskamerad Dodi Lukebakio aufs Feld gesprintet kam. Zum einen, weil sie seine Qualitäten bestens kennen, zum anderen, weil Hertha-Coach Covic ihnen gerade einen nach einstrengenden 60 Minuten und einem 1:2-Rückstand den Prototypen eines Konterspielers vor die Nase stellte.

Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images

Und Covic sollte einmal mehr ein goldenes Händchen bei einer seiner Einwechslungen beweisen. Bereits mit seinen ersten Ballkontakten zeigte Lukebakio seine Spielfreude und Dynamik. Sobald der Belgier an den Ball kam, ging es schnurstracks nach vorne und das in einem atemberaubenden Tempo. Nur 90 Sekunden nach seiner Einwechslung sollte Lukebakio bereits seinen großen Auftritt haben: zunächst gewann er ein Kopfballduell, sodass der Ball nach einem Düsseldorfer Angriff sofort zur Umschaltaktion führen konnte. Darauf folgend sprintete der 21-Jährige mit irrem Tempo in die gegnerische Spielhälfte, wurde von Ibisevic perfekt bedient, heizte unaufhaltsam bis zum gegnerischen Strafraum, um dann den Ball perfekt zwischen zwei Gegenspieler hindurch auf Darida zu spielen, der den 3:1-Schlusstreffer markierte.

Eine unwiderstehliche Szene von Lukebakio, der alle seine Fähigkeiten, für die man im Sommer 20 Millionen bezahlte, auf einmal aufblitzen ließ: Schnelligkeit, Dribbelstärke, das Gespür für die besondere Aktion. “Ich wollte meinem Team helfen, das hat ganz gut geklappt und fühlt sich gut an. Ante Covic hilft mir, mich hier Schritt für Schritt zu verbessern”, sagte der Neuzugang, nachdem er ja bereits in Köln als Einwechselspieler einen Treffer aufgelegt hatte. Nachdem durch das 3:1 alles entschieden war und er seinen Beitrag geleistet hatte, spielte Lukebakio befreit auf, unterhielt das Stadion sogar mit dem einen oder anderen Kabinettsstückchen. Drei Torschussvorlagen, darunter der Assist für Darida, sind für 30 Minuten Spielzeit ein herausragender Wert und werden Herthas Nummer 28 eine breite Brust für die kommenden Wochen bescheren.

Vladimir Darida – 10/10 auf der 10

Es hatte sich bereits in der Vorbereitung angedeutet und im Auswärtserfolg gegen den 1.FC Köln bestätigt. Jetzt gegen Fortuna Düsseldorf war es nicht mehr zu übersehen: Vladimir Darida ist zurück zu alter Stärke. Dass der Tscheche der Mann des Spiels war, ist unumstritten. Ein Treffer, eine Vorlage, dazu acht Torschussbeteiligungen und eine 90%ige Passquote sprechen eine klare Sprache. Er war auf dem Platz am Freitagabend omnipräsent und überzeugte erneut auf der „Zehner“-Position.

Dabei war er nicht einmal der Spieler mit den meisten Ballbesitzphasen. Wenn er den Ball hatte, wusste er so gut wie immer wohin er diesen spielen sollte, doch sein Spiel in Düsseldorf ist ein Musterbeispiel dafür, wie man als Spieler ohne Ball arbeiten muss. Durch intelligente und taktisch sinnvolle Läufe war er oft in guten Aktionen anspielbar, konnte Räume für seine Mitspieler frei machen und war auch ein wichtiger Faktor in den Defensivphasen der „alten Dame“.

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Auch wenn der 29-Jährige dafür bekannt ist viel zu laufen, sind seine Laufwerte gefühlt nicht mehr von dieser Welt: 13,6 Kilometer ist Darida gelaufen, fast zwei Kilometer mehr als der zweitbeste Läufer, Per Skjelbred (11,95 Kilometer). Dazu weist er die meisten Sprints (38) sowie die meisten intensiven Läufe (113) auf. Eine solche Laufleistung ist vor allem deshalb so wertvoll, weil diese Läufe wie angesprochen auch sehr effektiv waren. Immer wieder war Herthas Nummer sechs in den Zwischenräumen und auf den Außen zu finden, sodass er eklatant wichtig für das Kombinationsspiel und die Durchsetzungskraft der Berliner war. So verwundert es auch nicht, dass er beim Treffer zum 2:1 plötzlich an der Grundlinie den Ball bekam und perfekt in den Rückraum für Dilrosun auflegte. Dass er derjenige ist, der beim 3:1 nach der schönen Vorbereitung von Dodi Lukebakio zum einnetzen bereit steht, ist die Krönung seiner hervorragenden Leistung.

Darida bestätigt seine Hochform auch gegen Düsseldorf und ist in einer solchen Verfassung gar nicht mehr von der Startelf von Ante Covic wegzudenken. Kein Wunder also, dass es auch Lob vom Cheftrainer gab. So kann er die momentane Formschwäche eines Ondrej Dudas ausnutzen. Es bleibt abzuwarten, wie sich Vladimir Darida nach der Länderspielpause macht, wenn es gegen, auf dem Papier zumindest, qualitativ stärkere Gegner geht.

Marius Wolf – Mit großen Schritten zum Stammspieler

Hertha kann Last-Minute Neuzugänge – das wurde in den vergangenen Spielzeiten klar. Auch Marius Wolf scheint keine Ausnahme zu sein, zumindest zeigte er auch gegen Düsseldorf, warum ihn damals Borussia Dortmund verpflichtet hatte. Auf seiner rechten Seite harmonierte der 24-Jährige herausragend mit dem ebenfalls starken Lukas Klünter und war sowohl offensiv als auch defensiv wertvoll für das Berliner Spiel. Seine Gegenspieler auf der linken Abwehrseite von Fortuna Düsseldorf spielte er zeitweise schwindelig, setzte sich oft durch starke Dribblings und Beschleunigungen im eins gegen eins durch. Durch diese vielen direkten Duelle ist seine Zweikampfquote von 54% absolut ansehnlich.

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Auch in seinen ersten Einsätzen deutete er an, dass er sich in solchen Situationen gut durchsetzen kann. Oft gelang ihm jedoch der letzte Pass oder die letzte Geste nicht. Am Freitagabend aber war er deutlich erfolgreicher in diesen Anschlussaktionen. Ein gutes Beispiel ist da seine schlaue Flanke aus dem Halbfeld auf Vedad Ibisevic zum 1:1-Ausgleich für Hertha. Im ganzen Spiel schlug er drei Flanken, was zusammen mit Lukas Klünter der höchste Wert im Kader der Hauptstädter darstellt. An dem 2:1 Führungstreffer war der Leihspieler aus Dortmund erneut direkt beteiligt: mal wieder konnte er sich im direkten Duell sehenswert durchsetzen und leitete den Angriff ein, den Javairo Dilrosun dann per Volley vollendete. Seine Laufwerte können sich ebenfalls sehen lassen: Wolf lief in 80 Minuten 9,79 Kilometer und wies nach Vladimir Darida die meisten Sprints auf (31).

Es zeigt sich immer mehr, dass Marius Wolf in dieser Saison noch wichtig sein könnte. Seine Fähigkeit, durch ein Dribbling oder eine Beschleunigung die Linie des Gegners zu durchbrechen, könnten sich als sehr wertvoll erweisen. Dadurch, dass er auch zur defensiven Stabilität seines Teams beitragen kann, ist auch er unmittelbar eine große Verstärkung und eine feste Säule in der Mannschaft von Ante Covic geworden.

Herthaner im Fokus: 1. FC Köln – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: 1. FC Köln – Hertha BSC

Was das 2:1 gegen den SC Paderborn nicht zu sein vermochte – ein Befreiungsschlag für Hertha BSC – gelang der Mannschaft am Sonntagabend in Köln. Zugast beim “effzeh” gewannen die Blau-Weißen überraschend mit 4:0 – vermutet wurde eine deutlich engere und umkämpftere Partie, doch das Überstehen der ersten Kölner Drangphase, der Platzverweis für effzeh-Verteidiger Meré (40. Minute) und ein paar personelle wie taktische Kniffe von Trainer Ante Covic führten zum zweiten Berliner Sieg infolge. Die Einzelkritik zu einer zwar nicht perfekten, aber im Vergleich zu den letzten Wochen deutlich verbesserten Vorstellung Herthas.

Rune Jarstein – der heimliche Held

Während viele Herthaner seit Saisonbeginn mit ihrer Form zu kämpfen haben/hatten, besticht Herthas Torhüter durch beständig gute Vorstellungen. Bislang gehört Jarstein zu den stabilsten Blau-Weißen der laufenden Spielzeit, doch stachen seine Leistungen (auch aufgrund der vielen Niederlagen) nicht wirklich heraus. das änderte sich am Sonntag.

Foto: Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images

Dass Hertha die angesprochene Kölner Drangphase der ersten 15 Minuten des Spiels schad- bzw. gegentorlos überstand, hatten wesentlich mit Jarstein zu tun. Das Geburtstagskind entschärfte mehrere brandgefährliche Abschlüsse der Gastgeber und hielt Hertha somit im Spiel. In Minute sieben war er bei einem platzierten Freistoß von Kainz auf dem Posten und klärte zur Ecke. Sieben Minuten später fischte der 35-Jährige den Kopfball Cordobas, der zwar nicht sonderlich platziert war, aber aus fünf Meter Entfernung auf ihn zukam, hellwach weg.

Jarstein fiel jedoch nicht nur durch starke Paraden auf, sondern leitete in der 35. Minute geistesgegenwärtig fast das 2:0 ein. Nach einer abgefangenen Ecke Kölns erspähte Herthas Schlussmann den gestarteten Javairo Dilrosun, um diesem einen technisch überragenden Abschlag direkt in den Fuß abzuliefern. Der Niederländer konnte seinem Keeper allerdings keinen Assist schenken, sein Lupfer landete am Querbalken. Dennoch eine spektakuläre Szene, eingeleitet von Norwegens Nummer eins.

Im Laufe der Partie konnte sich Jarstein immer seltener bis gar nicht mehr auszeichnen, doch war es ihm zu verdanken, dass Hertha die Null hielt und darauf aufbauend den Sieg einfuhr. Eine starke Vorstellung der Nummer 22.

Dedryck Boyata – There’s a new Abwehrchef in Town

Sowohl auf dem Feld als auch in dieser Einzelkritik ist kein Vorbeikommen an Boyata. Der Neuzugang überzeugte gegen Köln einmal mehr auf ganzer Linie und etabliert sich als echter Anker für Herthas Defensive. “Wir können sehr zufrieden sein, jeder hat eine gute Leistung abgerufen”, sagte der Belgier nach der Begegnung – er insbesondere.

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Auch wenn sich Kapitän Niklas Stark scheinbar langsam wieder in seinen Leistungen stabilisiert, kann man seitens Hertha von Glück reden, mit Boyata einen herausragenden Interims-Abwehrchef in seinen Reihen zu haben. Gegen Köln gelang dem 28-Jährigen seine bislang stärkste Vorstellung, über 90 Minuten brachte er die Kölner Offensivakteure zum verzweifeln.

Hierzu lohnt sich bereits der klinische Blick auf die Zahlen: der Innenverteidiger gewann sechs seiner sieben Zweikämpfe, sämtliche der vier Luftduelle und verbuchte zudem ein erfolgreiches Tackling. Hinzu kommen ein Block, drei abgefangene Bälle und zehn (!) klärende Aktionen. Kurzum: die Nummer 20 erlebte einen hervorragenden Fußballabend in Köln. Boyata war stets auf der Höhe und überzeugte einmal mehr durch sein so resolutes wie dynamisches Zweikampfverhalten, das in den seltensten Fällen die Grenze zur Unfairness (nur ein Foul) überschreitet. Es war beeindruckend zu sehen, wie fokussiert Boyata agierte und wie eng er stets an seinen Gegenspielern dran war. So vereint der ehemalige Spieler Celtic Glasgows Souveränität und Leidenschaft.

Darüber hinaus ist der 16-fache belgische Nationalspieler wichtig für das Aufbauspiel der “Alten Dame”. Er verbuchte die zweitmeisten Ballkontakte und meisten Pässe seiner Mannschaft. 90,7% seiner Zuspiele kamen am Sonntagabend beim Mitspieler an – besonders angesichts des Kölschen Pressings ein sehr starker Wert. Abgerundet wurde Boyatas Auftritt durch dessen erstes Bundesligator in Minute 83, als er bei Lukebakios Ecke am höchsten sprang und wuchtig zum 4:0 einnickte. Ein rundum gelungener Abend für den Abwehrmann, der nach drei Startelfeinsätzen bereits nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken ist.

Maxi Mittelstädt – wenig Eigenwerbung

Kurzfristig hatte Hertha am Sonntag bekanntgegeben, dass Marvin Plattenhardt aufgrund von Sprunggelenksproblemen in Berlin bleiben musste. Sein Ersatz stand somit bereits fest: Maxi Mittelstädt übernahm und sollte das intensive Kölner Flügelspiel eindämmen. Wirklich gelingen sollte es dem Berliner Eigengewächs allerdings nicht.

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Geplant war, dass Mittelstädt es mit Kölns Dominik Drexler aufnehmen sollte, doch der verletzte sich bereits nach zwei Minuten muskulär. Mit Kingsley Schinder kam ein deutlich athletischerer und dynamischerer Flügelstürmer in die Partie, der Herthas Linksverteidiger immer wieder vor Probleme stellte. Mit seiner Wucht und den schnellen Bewegungen schaffte es Schindler immer wieder, an Mittelstädt vorbeizuziehen und damit sofort Gefahr entstehen zu lassen.

Als Außenverteidiger direkte Duelle zu verlieren, kann schwerwiegende Folgen haben, da meist niemand mehr für einen absichert – so auch in einigen Fällen am Sonntag. Dabei gab es immer wieder Phasen, in denen Mittelstädt den Eindruck machte, sich nun auf Schindlers Spiel eingestellt zu haben. In diesen Szenen agierte der 22-Jährige deutlich kompromissloser und wacher, schaffte es einige Male, den Kölner Flügelspieler durch starke Tacklings und gutes Stellungsspiel vom Ball zu trennen – nur um wenige Minuten später wieder überlaufen zu werden. So war eine defensiv insgesamt durchwachsene Darbietung des Plattenhardt-Ersatzes, der nie über weite Strecken einen sonderlich sicheren Eindruck machte.

Hinzu kamen zahlreiche Abspielfehler in der eigenen Hälfte, die Kölns Pressing in die Karten spielten. Mittelstädt war nur selten auf ganzer Höhe, wenn auch in eben jenen Momenten mit auffällig guten Szenen. Eine Leistung, die nicht wirklich zufrieden stellen kann und Mittelstädt wohl nicht näher an die Stammelf herangebracht haben sollte.

Vladimir Darida – “Das hat gut geklappt”

Am Sonntagabend entschied sich Trainer Covic erstmals gegen Ondrej Duda in der Startelf. Stattdessen ließ der 43-Jährige Vladimir Darida als zentral-offensiven Mittelfeldspieler spielen. “Ich sollte als Zehner einen Kölner Innenverteidiger konsequent anlaufen und somit ihr Aufbauspiel stören – das hat gut geklappt. Wir haben immer wieder Lücken gefunden und den Ball in guten Positionen erobert”, erklärte der Tscheche diese personell-taktische Maßnahme nach dem Spiel.

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Und wie das gut geklappt hat. Darida war einer präsentesten Herthaner am vergangenen Sonntag. Gegen den Ball (wie oben erklärt) agierte der 29-Jährige als zweiter Stürmer neben Davie Selke, sodass Herthas Formationen zu einem 4-4-2 wurde. Dadurch übte er deutlichen Druck auf das Kölner Aufbauspiel aus, welches in Zuge dessen weniger kreativ und zielgerichtet wirkte. Wurde Köln gefährlich, dann beinahe ausschließlich durch hohe Ballgewinne und nicht aus dem eigenen Ballbesitz heraus – durchaus ein Verdienst Daridas, der einmal ein unglaubliches Pensum abspulte. 12,98 Kilometer lief der Mittelfeldspieler gegen Köln, 36 Sprints und 100 intensive Läufe zog er an – jeweils Bestwerte aller in Köln eingesetzten Spieler. Er lief nicht nur viel, sondern auch klug.

Hinzu kommt sein spielerischer Wert für das Team. Im eigenen Ballbesitz ließ sich Darida immer wieder recht tief fallen, um als Anspielstation bereitzustehen und seine Kollegen, die von den Gastgebern intensiv angelaufen wurden, zu entlasten. So verzeichnete Darida die drittmeisten Ballkontakte und (zusammen mit Boyata) die meisten Pässe aller Berliner. Er wirkte in seinen Aktionen deutlich aufgeräumter und zielorientierter als Duda in den vergangenen Spielen. Meist wusste der tschechische Nationalspieler etwas konstruktives mit dem Ball anzufangen, auch seine Passquote von 86% lässt sich absolut sehen. Über allem stehen natürlich die zwei Assists der Nummer sechs, einmal legte er für Dilrosun (1:0) und einmal für Ibisevic (3:0) auf. Dabei kann man von Glück sagen, dass Darida überhaupt noch auf dem Feld stand, denn hätte Kölns Verteidiger Meré bei seiner mit Rot geahndeten Aktion dessen Schienbein getroffen, wäre die Hinrunde für ihn wohl vorzeitig vorbei gewesen.

So aber konnte Darida durchspielen und sich am Ende von den mitgereisten Fans zurecht feiern lassen. Ob als Pressingmaschine oder als Entlastung für den eigenen Spielaufbau – Darida hatte gegen Köln zahlreiche Jobs und erledigte alle mit Bravour.

Javairo Dilrosun – der Unterschiedsspieler

So langsam gehen einem die Superlative für Dilrosuns Leistungen aus. Erneut machte der Niederländer den Unterschied zugunsten Herthas aus, erneut war er der Dosenöffner, erneut auf spektakuläre Weise.

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“Ich will meine Leistung in der gesamten Saison beibehalten und viele Tore und Assists beitragen”, definierte Dilrosun seine Ziele. Er ist auf dem besten Wege, diese zu erreichen. Gegen Paderborn waren es zehn Minuten, bis es Hertha durch seine Extraklasse in Führung brachte, gegen Köln waren es 23. Der 21-Jährige erhielt den Ball von Darida außerhalb des Strafraums, fackelte nicht lang und drosch das Leder mit einer verrückten Flugkurve ins linke Eck – 1:0. Im zweiten Spiel infolge ließ Dilrosun der gesamten Liga vor Erstaunen die Kinnlade herunterrauschen.

In der 35. Minute (siehe in der Jarstein-Kritik) hätte die Nummer 16 beinahe nachgelegt, sein unwiderstehlicher Sprint und das Durchsetzen gegen Kölns letzten Verteidiger wurde allerdings nicht belohnt – sein frecher Lupfer küsste nur die Latte. In Minute 45+3 konnte Kölns Torhüter Horn einen Schuss von Dilrosun noch gerade so zur Ecke abwehren. Im zweiten Durchgang konnte Dilrosun dem Spiel zwar nicht mehr seinen Stempel aufdrücken und wurde in der 73. Minute für Lukebakio ausgewechselt, aber dennoch lässt sich erneut von einer herausragenden Vorstellung sprechen. Dilrosun hat aktuell einen unschätzbaren Wert für die Mannschaft.

Vedad Ibisevic – Plopp!

Ewig wollte der Knoten bei Torjäger Ibisevic nicht platzen, doch gegen Köln war es endlich soweit – der erlösende Knall war bis in die Hauptstadt zu hören. Mit seinen beiden Treffern binnen weniger Minuten machte Herthas eigentlicher Kapitän alles klar am Sonntagabend.

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“Natürlich ist es nicht alltäglich, dass man direkt nach einer Einwechslung gleich direkt trifft. Ich bin aber immer heiß darauf, Tore zu schießen, mache die Wege – und manchmal hat man dann auch das Glück, dass die Bälle so gut kommen, wie es dieses Mal der Fall war”, zeigte sich der 35-Jährige nach dem Spiel deutlich erleichtert, dass seine Torlos-Serie endlich gerissen ist. Gerade einmal 43 Sekunden nach seiner Einwechslung in der 58. Minute knipste der “Vedator” das erste Mal – mit einer mustergültigen Stürmerbewegung verschaffte er sich genügend Platz, um das Zuspiel Klünters eiskalt einzuschieben. Doch der Routiniert hatte noch nicht genug, vier Minuten später schnürte er sogar den Doppelpack. Bei Daridas Hereingabe lauerte Ibisevic in bekannter Stürmermanier, hatte genau das Timing, das ihm zuletzt gefehlt hatte und netzte schlitzohrig zum 3:0 ein. Er schien Köln im Alleingang den Stecker gezogen zu haben.

Mit seinen zwei ersten Bundesliga-Toren der laufenden Spielzeit ist Ibisevic nun auf Platz 29 der Ewigen Bundesliga-Torjägerliste gezogen. Mit nun 122 Bundesliga-Toren hat er Miroslav Klose, Lothar Matthäus und Herbert Laumann überholt. “Das ist natürlich schön für mich, aber viel wichtiger für die Mannschaft. Wir haben uns in den letzten Spielen schwergetan. Eine junge Mannschaft wie unsere steckt so etwas nicht so leicht weg – das hat man gespürt. Die vergangenen Spiele haben gutgetan und können uns wieder auf den richtigen Weg bringen”, erklärte er danach in unaufgeregter Kapitänsmanier. Eins steht fest: Ibisevic ist zurück.

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – SC Paderborn

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – SC Paderborn

Gewonnen und doch stellt sich nicht wirklich das Gefühl von Erleichterung ein. Der 2:1-Heimsieg über den SC Paderborn am Samstagnachmittag brachte Hertha BSC zwar die ersten drei Punkte der Saison ein, wusste spielerisch aber einmal mehr nicht zu überzeugen. Fast schon ängstlich agierten die Blau-Weißen, einzig dem unbekümmerten Javairo Dilrosun war eine gewisse Leichtigkeit zu attestieren. Er war es auch, der die Partie durch einen einen Treffer und einen Assist zu Gunsten der Berliner entschied. Die Einzelkritik zu Lichtblicken und Sorgenkindern der “Alten Dame”.

Javairo Dilrosun – eins mit Sternchen

Kommen wir ohne Verzug zum Mann, dessen Tor um die Welt ging. Sogar der US-amerikanische TV-Sender Fox schnitt sich Dilrosuns unglaublichen Treffer zum 1:0 aus und teilte diesen über Twitter – “Introducing Javairo Dilrosun”. Der Niederländer trumpfte bei seinem Startelf-Comeback ähnlich auf, wie bei seinen allerersten Auftritten im blau-weißen Trikot.

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Nach seinen auffälligen Joker-Einsätzen gegen Schalke 04 und den 1. FSV Mainz 05 (gab dort den Assist zum zwischenzeitlichen 1:1) stellte Trainer Ante Covic Dilrosun einen Startelfeinsatz in den kommenden Spielen in Aussicht. Lange darauf warten musste der 21-Jährige letztendlich nicht, bereits am Samstag gehörte er zu den elf Glücklichen, die gegen Paderborn beginnen durften. Es brauchte nur zehn Minuten, um das Vertrauen von Covic zurückzahlen – und wie! Dilrosun erhielt den Ball auf der linken Seite des letzten Angriffsdrittels, fasste sich ein Herz und dribbelte sich kurzerhand an fünf (!) Gegenspielern vorbei, um dann zum Führungstor einzuschieben. Eine Weltklasse-Aktion des Flügelspielers, der genau das zu sein schien, was die Mannschaft dringend brauchte.

Mit seinem Tempo, dem Gespür für besondere Aktionen und einer großen Unbekümmertheit war Dilrosun der mit Abstand stärkste Berliner Offensivakteur an diesem Tag. Niemand im Team verbuchte mehr erfolgreiche Dribblings (fünf) als der Niederländer, niemand schlug mehr Flanken. Sobald Dilrosun an den Ball kam, herrschte Unruhe bei den Paderborner Gästen. Zurecht, denn das Offensivjuwel kann nicht nur Tore schießen, sondern auch auflegen. In der 52. Minute erhielt Dilrosun den Ball von Marko Grujic, sprintete bis an den linken Strafraumrand und hatte dann das Auge für Marius Wolf. Dieser verarbeitete die perfekte Hereingabe Dilrosuns zum zwischenzeitlichen 2:0.

Mit einem Tor und einer Vorlage avancierte Dilrosun bei seinem ersten Startelfeinsatz seit November 2018 zum absoluten Matchwinner. “Es war lange her, dass ich in der Startelf stand, deshalb war ich besonders motiviert. Auch die Ergebnisse der letzten Wochen haben dazu geführt, dass ich der Mannschaft mit Toren und Vorlagen unbedingt helfen wollte”, erklärte er nach dem Spiel. Geholfen hat er eindeutig.

Ondrej Duda – ein Schatten seiner selbst

Vom auffälligsten zum unauffälligsten Spieler des vergangenen Spiels – Ondrej Duda wird seiner Berufsbezeichnung “Spielmacher” in der laufenden Saison noch keinesfalls gerecht und konnte seiner Mannschaft auch gegen Paderborn nicht helfen.

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Es ist bislang nicht die Runde von einigen Spielern im Hertha-Kader, doch sticht Duda aufgrund seiner starken Vorsaison besonders heraus. Der Slowake hatte gegen Paderborn die Chance, das Ruder für sich und die Mannschaft herumzureißen, doch warf sein Auftritt vielmehr weitere Fragen auf. Eine einfache Antwort: Duda befindet sich in einem Formloch der Marke Marianengraben. Gegen den SCP wollte dem 24-Jährigen absolut nichts gelingen. Er verlor die deutliche Mehrzahl seiner Zweikämpfe, konnte kaum konstruktives zum Berliner Angriffsspiel beitragen und legte nicht eine einzige Torchance auf – kurzum: Duda war ein kompletter Fremdkörper im Hertha-Spiel.

Das lässt sich auch an konkreten Zahlen ablesen. Während der SC Paderborn ganze 47 Pässe im letzten Angriffsdrittel (34 davon erfolgreich) zustande brachte, waren es bei Hertha lediglich 13 (acht erfolgreich). 14 Paderborner Zuspiele (acht erfolgreich) wurden in den Strafraum gespielt, dem gegenüber stehen acht Herthaner Pässe (vier erfolgreich). Auch wenn diese Statistiken auch mit der grundsätzlichen Spielausrichtung beider Teams und dem zusätzlichen derzeitigen Formtief von Mittelfeldkollege Grujic zusammenhängen, ist abzulesen, wie sehr ein gut aufgelegter Duda dem Berliner Offensivspiel fehlt. Auch 6:18 Schüsse sind ein Indiz dafür. Herthas Nummer zehn strahlt aktuell keinerlei Gefahr und Kreativität aus, vielmehr fehlenden Mut, etwas Besonderes zu kreieren. Auch wenn sich über die Einwechslung von Vladimir Darida streiten lässt, war es nur folgerichtig, den völlig neben sich stehenden Duda am Samstag nach 45 Minuten rauszunehmen.

Per Skjelbred – die nötige Seriosität

Aufgrund der Formkrisen von Duda und Grujic ist das einstige Prunkstück Herthas, die Mittelfeldzentrale, zum Sorgenkind geworden. Einzig Routinier Per Skjelbred, der sich zuletzt in die Mannschaft gespielt hat, überzeugt auf seiner Position als Balleroberer und Antreiber.

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“Mir ist klar, dass ich ein defensiver Spieler bin, der Bälle abfängt und weiterleitet, kein Usain Bolt. Ich schaffe es nicht, den Ball hinten zu erobern und vorne anzugreifen”, erklärte Skjelbred seine Spielweise noch vor dem Spiel gegen Paderborn, fügte aber an: “Ich gebe in jedem Spiel alles, was ich habe. Manchmal reicht das, manchmal nicht. Aber ich werde mich immer bis zum Schluss für die Mannschaft zerreißen. Das ist meine Mentalität, ich bin ein Mannschaftsspieler.” Exakt diese Attribute waren auch am Samstag zu beobachten, aber auch ein wenig mehr.

Dass die Ostwestfalen meist über die Seite angreiften, lag mitunter auch an der äußerst engagierten Vorstellung Skjelbreds. Der Norweger fungierte als Staubsauger vor der Viererkette, um das gegnerische Offensivspiel durch die Mitte lahmzulegen. Gewohnt lauffreudig und vor keinem Zweikampf flüchtend biss sich der 32-Jährige in die Partie. So lief er die zweitgrößte Strecke aller Herthaner, zudem verbuchte niemand in blau-weiß mehr intensive Läufe als der defensive Mittelfeldspieler. Es war einmal mehr imponierend, wie mannschaftsdienlich “Schelle” auftrat, wie er sich in jedes Duell warf und dem Gegner keinen Zentimeter Raum schenkte. Ganze fünf Tackles brachte Skjelbred durch, so viel wie sonst nur Dedryck Boyata.

Darüber hinaus war der Mittelfeldwühler für das Umschaltspiel von großer Bedeutung, da er seine Balleroberungen äußerst gedankenschnell in Angriffe umwandelte. Zwar waren seine Zuspiele nicht ohne Risiko (66,7% Passquote), doch kamen sie an, waren sie mit großem Raumgewinn verbunden. Zudem zeichnete sich der Routinier durch eine extrem hohe Ballsicherheit aus – ganze 13 Bälle sicherte er. Skjelbred bewies in diesem Spiel, dass es ungenügend ist, ihn als reinen Kämpfer ohne spielerischen Mehrwert einzuordnen. Stattdessen war er der benötigte Antreiber mit viel Dynamik und Tatendrang. In dieser Form ist Skjelbred nicht aus der Anfangsformation wegzudenken.

Dedryck Boyata – wie einst Rekik

Es gibt einen neuen Chef in der Berliner Abwehr – Neuzugang Dedryck Boyata überzeugte wie schon gegen Mainz 05 auf ganzer Linie und hat seinen Startelfplatz erst einmal sicher.

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Karim Rekik im größten Formloch seiner Hertha-Zeit, Jordan Torunarigha zu unbeständig in seinen Leistungen und auch (Vize-)Kapitän Niklas Stark ist aktuell eher mit sich selbst beschäftigt – da braucht es dringend zumindest einen Innenverteidiger, der die Defensive zusammenhält. Sommertransfer Boyata wird dieser Aufgabe vollends gerecht, wie schon in Mainz gehörte der Belgier am Samstag zu den Lichtblicken in einem sonst schwachen Team. Seine ersten beiden Einsätze für Hertha erinnern stark an die Anfangszeit von Karim Rekik, da er keinerlei Anlaufzeit brauchte, um direkt bei 100 Prozent zu sein und eine besondere Aura der Souveränität und Willensstärke auszustrahlen.

Während Nebenmann Stark seine Probleme mit den agilen Paderborner Angreifern hatte, wirkte Boyata durchgängig auf der Höhe des Geschehens zu sein. Der 28-Jährige verbuchte fünf Tackles, sechs abgefangene Bälle, fünf geklärte Situationen und zwei geblockte Schüsse – jeweils Mannschaftsbestwerte. Es war ein beruhigendes Gefühl, mit Boyata einen für alle Situationen gewappneten Abwehrspieler in den eigenen Reihen zu haben. Er war stets sehr nahe an seinem Gegenspieler dran, griff Mitspielern unter die Arme und verfügte darüber hinaus über ein mehr als solides Aufbauspiel. Zwar ist es recht unmöglich, durch nur einen einzigen Spieler Sicherheit in der gesamten Vierer-Abwehrkette herzustellen, doch herrschte zumindest in Boyatas Wirkungsbereich wenig Gefahr. Bereits nach zwei Spielen strahlt Boyata ein ungeheure Präsenz aus, die der Mannschaft sichtlich hilft und gegen Paderborn mit verantwortlich für den Sieg war.

Davie Selke – stets bemüht, aber …

Zum zweiten Mal infolge erhielt Davie Selke den Vorzug vor Kapitän Vedad Ibisevic im Sturmzentrum, zum zweiten Mal konnte der Angreifer seine Chance(n) nicht nutzen.

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Mehrere Male setzte Selke am Samstag zum Jubeln an – einmal in der 68. Minute, als er zunächst an SCP-Keeper Huth gescheitert war, Darida den Nachschuss zum vermeintlichen 3:1 verwandelte, aber (korrekterweise) auf Abseits entschieden wurde. In der 75. Minute schob der Mittelstürmer den Ball dann selbst über die Linie, doch auch diese Szene wurde aufgrund einer Abseitsstellung abgepfiffen. Zwei Momente, die Selkes Spiel treffend zusammenfassten: er war zwar ins Spiel integriert, doch das Glück ging ihm gänzlich ab.

Steht Davie Selke auf dem Platz, merkt man das. So war er auch gegen Paderborn einer der auffälligeren Protagonisten, da er sich in viele Angriffe einschaltete und keinen Ball verloren gab. Der 24-Jährige bestach einmal mehr durch seinen hohen Aufwand, so sprintete kein Herthaner mehr als er, bei den intensiven Läufen belegte er Team-intern immerhin Platz drei. Hinzu kommen sehr viele (Luft-)Zweikämpfe, die auch er auch mehrheitlich für sich entschied. Doch ist Aufwand das eine und Ertrag das andere – bei letzterem schnitt Selke einmal mehr kläglich ab. Sobald die Nummer 27 den Ball in einer aussichtsreichen Position bekam, flatterten seine Nerven sichtlich. So versagte er beispielsweise in der 61. Minute dabei, den im Zentrum völlig freistehenden Marius Wolf zu bedienen. Auch sonst wollte ihm nichts gelingen, so blieb er viele Male im letzten Moment an Gegenspielern hängen oder machte sich gute Situationen durch Abseitsstellungen und Offfensivfouls selbst zunichte. Während man bei einem Dilrosun, wenn er an den Ball kommt, stets gefährliche Offensivaktionen erwartet, geht man bei Selke aktuell davon aus, dass es sowieso nichts wird.

Es bleibt eine äußerst glücklose Saison für Davie Selke, dem man zwar stets 100 Prozent Engagement attestieren kann, aber irgendwann wird ein Mittelstürmer eben doch an Toren gemessen. Bleiben diese weiter aus, ist er seinen Startelfplatz bald wieder los.

Leihgabe Wolf: eine gesunde Portion Wucht

Leihgabe Wolf: eine gesunde Portion Wucht

In den vergangenen Jahren war es bei Hertha BSC am “Deadline Day”, also dem letzten Tag des Sommer-Transferfensters, stets ruhig geblieben. Während der Rest Europas und der Bundesliga noch hektisch überprüfte, ob denn das Stromkabel des Fax-Gerätes auch wirklich eingesteckt ist, damit nichts mehr schiefgehen kann, war es an der Hanns-Braun-Straße ein Tag wie jeder andere.

In diesem Jahr hat aber auch die “Alte Dame” die Möglichkeit gesehen und genutzt, ihren Kader noch zu verstärken. Mit Marius Wolf haben die Berliner einen flexiblen Flügelspieler von Borussia Dortmund an die Spree gelockt. Der 24-Jährige wird ein Jahr auf Leihbasis in blau-weiß spielen, anschließend besitzt Hertha eine Kaufoption, die laut Bild bei 20 Millionen Euro liegen soll. Die Leihgebühr soll zwei Millionen Euro betragen, hinzu kommt das Übernehmen von Wolfs Gehalt, welches laut Bild bei 4,5 Millionen, doch laut kicker bei 2,5 Millionen Euro liegen soll. Kein billiger Deal also, doch das der finanziell nicht allzu schlecht aufgestellte BVB einen Spieler am letzten Tag der Transferperiode nicht verschenkt, ist auch zu erwarten.

Es stellen sich nun die Fragen zu der Qualität und den Einsatzmöglichkeiten Wolfs, wie auch, ob er potenziell 20 Millionen Euro wert sein könnte. Um diese Dinge herauszufinden, haben wir mit BeobachterInnen seiner Ex-Vereine, Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund, geredet.

Nachholbedarf auf rechts

“Wir haben immer betont, dass wir den Markt beobachten und noch aktiv werden, sollte sich eine gute und sinnvolle Option ergeben. Mit Marius Wolf bekommen wir einen Spieler, der mit seiner nachgewiesenen Dynamik, Flexibilität und Mentalität unsere Möglichkeiten noch erhöhen wird”, kommentierte Manager Michael Preetz den Transfer Wolfs. Medial wurde in den vergangenen Wochen immer wieder davon berichtet, dass sich Hertha nach Möglichkeit noch auf der rechten Außenbahn verstärken wollen würde.

Foto: Matthias Kern/Bongarts/Getty Images

Der Verlust von Valentino Lazaro wiegt schwer und wurde bislang nur offensiv durch die Verpflichtung von Dodi Lukebakio kompensiert. Defensiv haben Michael Preetz und Trainer Ante Covic dem letztjährigen Lazaro-Backup Lukas Klünter das Vertrauen geschenkt, doch sowohl für den 23-Jährigen als auch Lukebakio fehlte es noch an Alternativen bzw. einem gesunden Konkurrenzkampf. Rechts offensiv ist der Hauptstadtverein mit Mathew Leckie, der auch als Verteidiger aushelfen sollte, und Alexander Esswein als Reserve zu dünn besetzt gewesen. Palko Dardai und Maurice Covic scheinen fürs erste auch keine ernstzunehmenden Alternativen zu sein. Der verletzungsanfällige und in die Jahre gekommene Peter Pekarik stellt ebenfalls keine allzu große Konkurrenz für Klünter dar.

Es herrschte somit noch Bedarf, der nun mit Wolf gedeckt wurde. Für den beim 1. FC Nürnberg und 1860 München ausgebildeten Flügelspieler spricht u.a. seine große Polyvalenz. In seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund wurde Wolf als Rechtsverteidiger, Rechtsaußen und Schienenspieler einer Dreier/Fünferkette eingesetzt. “Ich würde ihm taktisch auf jeden Fall Freiheiten nach vorne lassen. Gerne auch mit einem Rechtsverteidiger im Rücken, sprich Viererkette und ihn dann als Rechtsaußen davor einsetzen. Er kann gute Impulse setzen und ist mir persönlich eher als Offensivkraft im Kopf geblieben (was ja auch seine Hauptposition ist), als als defensiver Fixpunkt. Praktisch ist aber natürlich, dass er auch als Verteidiger eingesetzt werden kann, da es auch taktisch gewisse Freiheiten lässt”, erklärte uns Frankfurt-Bloggerin Patricia. 2017 wechselte der gebürtige Coburger ebenfalls leihweise von Hannover 96 zu den Hessen, ehe die Eintracht ihn 2018 für die irrwitzige Summe von 500.000 Euro fest verpflichtete. In 38 Partien für die SGE gelangen Wolf sechs Tore und elf Vorlagen.

Athletisch, aber technisch limitiert

Nur wenige Tage nach dem festen Wechsel zur Eintracht zog es Wolf sofort weiter zu Borussia Dortmund – Ablösesumme: fünf Millionen Euro. Dort wurde der 1,87m große Außenbahnspieler jedoch nicht glücklich – nur 23 Einsätze, 15 von Anfang verbuchte der Franke. “Ich denke, dass man einfach eine günstige Gelegenheit sah, einen deutschen Kaderspieler zu holen, dessen Talent man vielleicht etwas falsch (zu hoch) eingeschätzt hat. Schließlich war er in der Anschaffung sehr günstig. Man musste früh einsehen, dass er als Winger nicht geeignet ist, weil die technischen Fähigkeiten zu sehr fehlen, um bei einem Team wie Dortmund zu spielen. Als sehr athletischer Flügelverteidiger hätte er sicher Platz gefunden, wenn man da nicht mit Piszczek, Hakimi und Morey sehr gut besetzt wäre”, resümierte Journalist und Dortmund-Experte Lars Pollmann die Zeit von Wolf beim BVB. “Seine Schwächen sind ganz klar die technischen Fähigkeiten in allen Bereichen: Ballan- und -mitnahme, Pass-Repertoire. Ich weiß auch nicht, ob er sonderlich spielintelligent ist. Wenn er bei Hertha einen recht simplen Auftrag bekommt, über die rechte Seite Alarm zu machen, wird er das sicher gut hinbekommen”, erklärte uns Pollmann.

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“Er ist ein sehr agiler, schneller Spieler, der perfekt für die Außenbahn ist. Bringt Frische ins Spiel und war bei uns vor allem offensiv wichtig. Er dribbelt sich da gerne seinen Weg durch. Sein Kumpel Prince (Boateng) erzählte auch, dass er sich vor Spielen gerne Videos von seinem Idol Cristiano Ronaldo anschaut. Ich finde, das merkt man seinem Spielstil an, wenn auch selbstverständlich auf deutlich niedrigerem Niveau”, bescheinigt ihm auch Patricia athletische Stärken, jedoch auch eine nicht allzu ausgeprägte Technik, “Aber dass er sich in Sachen Dribblings und Zug nach vorne gerne was von ihm abschaut, merkt man. Dass das dann nicht immer so gut klappt, da er technisch auch limitiert ist, ist die Kehrseite. Trotzdem ist er immer wieder für die ein oder andere Torvorlage gut.” Für sie stehen die Schnelligkeit, Beweglichkeit und der Zug zum Tor bei Wolf im Vordergrund. “Als Schwäche sehe ich seinen Körper, denn er ist nicht so robust und keiner, an dem die Gegenspieler jetzt unbedingt abprallen. Wolf ist groß, aber eben auch relativ schmal gebaut. Zudem leider auch anfällig für muskuläre Probleme.”

Der benötigte “Drecksack”?

“Die Kombination aus seinen sportlichen Fähigkeiten und seiner hervorragenden Mentalität macht ihn zu einem perfekten Spieler für Borussia Dortmund“, sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc bei Wolfs Vorstellung vor etwas mehr als einem Jahr. Immer wird von mehreren Stellen betont, welch zielstrebiger und kampflustiger Spieler Wolf sei. “Ich bin ein hungriger Spieler, der sich immer voll in den Dienst der Mannschaft stellt und in jeder Situation 100 Prozent gibt”, stimmte Wolf in seine Charakterisierung mit ein.

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So sehen auch nicht alle Seiten den Abgang des 24-Jährigen aus Dortmunder Sicht für positiv an, da mit diesem ein dringend benötigter Kämpfer den Verein verlassen würde. So heißt es in einem Artikel von 90.min.de: “Wenn du nur Starköche in der Küche rumstehen hast, aber keinen, der die Kartoffeln schält oder das Huhn rupft, kann aus dem geplanten Sterne-Menü nichts werden – Wolf wäre eben einer aus der Kartoffelschäler-Kategorie. Da müssen sich auch die Bosse um Watzke, Zorc und Co. hinterfragen.” Auch Frankfurt-Experte Christopher Michel attestiert Wolf “Mentalität und Fleiß”.

Hertha scheint also einen eher geradlinigen Spieler zu bekommen, der sich durch seine Athletik, Vielseitigkeit und Mentalität auszeichnet, jedoch technische Mängel aufweist – also ein ähnliches Profil wie Lukas Klünter hat, jedoch offensiver und spielerisch etwas stärker. Taktisch schafft Wolf durch die vielen Positionen, die er bekleiden kann, neue Möglichkeiten für Trainer Ante Covic, der nun beispielsweise Dodi Lukebakio auf die linke Außenbahn oder ins Sturmzentrum stellen kann. Auch eine Dreierkette mit Klünter, der diese Rolle in München bravourös ausfüllte, in der Innenverteidigung ist nun eine Option, da Neuzugang Wolf als rechter Außenspieler fungieren könnte.

Es ist aber vor allem die Art Wolfs, die Hertha gut tun könnte. Zwar bekommt der Hauptstadtverein keinen so technisch beschlagenen Spieler wie es Lazaro ist, jedoch einen mit echtem Kämpferherz. Wolf zerreißt sich auf dem Feld, gibt sich nicht zufrieden und will auch mal mit dem Kopf durch die Wand, ähnlich wie ein Davie Selke. Diese Mentalität hat in den vergangenen zwei Liga-Partien bei Hertha gefehlt, als sich die Mannschaft nach Rückständen aufzugeben schien und nicht mehr den unbedingten Willen zeigte, den Spielverlauf zu ihren Gunsten zu drehen. “Den kriegst du nicht tot”, sagte Frankfurts Vorstandschef Fredi Bobic einst über Wolf, der für seine Attribute als ständiger Antreiber und großer Teamplayer geschätzt wird. Einen gesenkten Kopf wird man bei der neuen Nummer 30 nicht so schnell erleben. “Ich denke, er kommt überall dort gut zurecht, wo er seine “Buddies” hat. Bei uns war das z.B. vor allem Kevin Prince Boateng. Die beiden haben sich hervorragend verstanden”, beschreibt Patricia die damalige Integration Wolfs in Frankfurt, “Er hängt sich gern an die “coolen Kids”. Alles in allem hat er sich aber schnell gut eingefunden, Kontakte geknüpft und als Teamplayer auch mit allen anderen an einem Strang gezogen.” Bereits in seinem ersten Interview für Hertha ließ der DFB-Pokalsieger von 2018 seine Einstellung durchklingen: “Ich möchte der Mannschaft so schnell wie möglich helfen – auf welcher Position, entscheidet der Trainer. Nach Mainz werden wir fahren, um dort zu kämpfen und unser Ding durchzuziehen. Unabhängig von der Tabellensituation: Als Fußballer willst du ohnehin jedes Spiel gewinnen!”

Wie bei jedem Transfer muss auch bei Wolf abgewartet werden, wie schnell er sich integrieren kann, doch aufgrund seiner starken Vorbereitung beim BVB, seiner Vertrautheit mit der Bundesliga und bereits bekannten Gesichtern wie Kumpel Pascal Köpke und Niklas Stark sollte die Eingewöhnung recht fix gehen. Aufgrund seiner Athletik und Mentalität könnte der Flügelspieler ein wichtiges Puzzleteil für die laufende Spielzeit sein. Kein Schönspieler, aber jemand mit einer gesunden Portion Wucht, um das eigene Spiel durchzudrücken. “Hertha bekommt einen deutschen potenziellen Stammspieler, der ja bei Eintracht gezeigt hat, dass er bei einer Mannschaft, die aus dem Mittelfeld den Schritt nach vorn machen will, funktionieren kann. Dortmund spart sich eine Menge Gehalt und erzielt womöglich ein saftiges Transferplus 2020”, skizziert Pollmann einen möglichen positiven Verlauf dieses Leihgeschäfts.