Herthaner im Fokus: VfL Wolfsburg – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: VfL Wolfsburg – Hertha BSC

Dass der VfL Wolfsburg eigentlich keine richtige Torchance im Heimspiel gegen Hertha hatte und trotzdem gewinnt, ist nicht nur Pal Dardai negativ aufgefallen. Es ist einfach unfassbar, wie viel Hertha richtig gemacht hat und das Spiel trotzdem wegen einiger unglücklicher Aktionen verliert. Allerdings hat auch das Wolfsburg-Spiel wieder gezeigt, welche strukturellen Probleme Hertha hat. Die Herthaner im Fokus.

Lukas Klünter – Pechvogel und Leistungsträger zugleich

Lukas Klünter steht symbolisch für das, was Hertha am heutigen Samstag in Wolfsburg passiert ist. Erneut hat Klünter insbesondere durch seine Schnelligkeit für extrem viel Stabilität in Herthas Abwehr gesorgt. Wolfsburgs Konterspiel war auch und vielleicht gerade wegen Klünter quasi tot. Renato Steffen, Weghorst und Ottavio wurden auf dem Weg zum Tor mehrfach von Klünter eingeholt und gestoppt. Im Gegensatz zum Leipzig-Spiel setzte Klünter am heutigen Samstag sogar einige wenige Akzente nach vorne.

Foto: IMAGO

Und trotzdem wird der Ex-Kölner mit einem schlechten Gefühl in den ICE Richtung Heimat steigen, weil er in der 38. Minute ein extrem unglückliches Eigentor erzielte. Ohne jeglichen Gegnerkontakt lief Klünter bei einem Tempo-Gegenstoß der Wolfsburger wieder einmal in den Strafraum ein und lenkte eine Flanke von der rechten Angriffsseite unhaltbar ins Tor. Dass Klünter auch beim 2:0 unter dem Ball durchsprang und Lacroix nach einer Ecke so ein Tor ermöglichte, befleckt seine eigentlich sehr gute Leistung. Es hat Symbolcharakter.

Maxi Mittelstädt – Es wird langsam

Grundsätzlich wünschen wir natürlich allen Hertha-Spielern Erfolg. Aber bei Maxi Mittelstädt freut man sich in diesen Tagen ganz besonders über Positivmeldungen. Nach teils schlechten Leistungen unter Bruno Labbadia wurde der gebürtige Potsdamer in den „sozialen“ Netzwerken teils widerlich beleidigt. In dieser Woche meldete er sich mit anderen Fußballprofis in einem bewegenden Video-Statement zu Wort, in dem die Spieler auf das Hatespeech-Problem im Internet aufmerksam machten.

Mittelstädts Leistungen sind unter Pal Dardai in den vergangenen Wochen konstant besser geworden – im Wolfsburg-Spiel war Maxi heute einer der besten Herthaner. Ähnlich wie Klünter war Mittelstädt in einigen wichtigen Situationen einfach immer einen Tick vor dem grün-weißen Angreifer am Ball – wie beispielsweise kurz vor dem ersten Gegentreffer, als Yannick Gerhardt einen gefährlichen, öffnenden Pass in Richtung Weghorst spielte. Maxi war allerdings vor Weghorst am Ball und klärte. Ganze sechs Bälle fing der 23-Jährige ab – Topwert aller in dem Spiel eingesetzten Spieler. Hinzukommen drei Klärungen und zwei erfolgreiche Tacklings. Mittelstädt war stets auf der Höhe und damit ein absoluter Sicherheitsfaktor.

Foto: IMAGO

Auch bei Mittelstädt wäre es aber schön, wenn mehr Offensivszenen kämen. Eines von Herthas größten Problemen ist der Mangel an Flanken – mit Cordoba und Piatek hatte Hertha in der zweiten Hälfte zwei klassische Strafraumstürmer auf dem Feld, es kamen aber nur sehr wenige Flanken in den 16er. Mittelstädt darf in den kommenden Spielen gerne helfen, das zu ändern. Schafft sich Mittelstädt auch das noch drauf, ist er nicht mehr wegzudenken.

Vladimir Darida – Fehlende Genauigkeit

Ebenfalls symbolisch stand Vladimir Darida heute Nachmittag für ein weiteres Problem, das Hertha seit Wochen plagt: die fehlende Präzision. Insbesondere in der ersten Halbzeit – ab der gegnerischen Hälfte – kamen so unglaublich viele Bälle wegen schlampig gespielter Pässe nicht an.

(Photo by Focke Strangmann – Pool/Getty Images)

Dass Darida mit einer Passquote von nur 52 Prozent fast 20 Prozent unter der Quote des gesamten Teams liegt, zeigt zudem, wie viel beim Tschechen heute daneben ging. Selbst bei Herthas größter Chance in der 58. Minute kann man Darida ankreiden, dass er nicht genau genug vorgegangen ist. Denn seine Flanke von der linken Seite auf einen eigentlich komplett freistehenden Zeefuik wird nur gefährlich, weil der Wolfsburger Pongracic diese unglücklich umleitet.

Und dann war da noch …

Matheus Cunha und Sami Khedira: Es passt leider zu diesem Spiel, dass sich mit Cunha und Khedira heute zwei wichtige Herthaner verletzt haben. Khedira machte sein erstes Spiel von Anfang an im Hertha-Dress und half dabei, die Defensive zu stabilisieren. Dass er nun eine muskuläre Verletzung hat, weist möglicherweise darauf hin, dass er nach seiner langen Fußballpause körperlich noch nicht auf Bundesliganiveau ist.

Auch Cunha blieb in der 2. Halbzeit ohne Gegnereinwirkung auf dem Boden sitzen und fasste sich an den Oberschenkel. Beide werden, wie bereits bestätigt, gegen den FC Augsburg fehlen. Die einzig positive Botschaft: Auch ohne Cunha schaffte es Hertha in der zweiten Halbzeit Druck auf Wolfsburg auszuüben.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP via Getty Images)

Jhon Cordoba: Dieser Druck in Halbzeit zwei geht eigentlich alleine auf das Konto von Jhon Cordoba. Wurde es gefährlich, war Cordoba in fast allen Fällen irgendwie mit dabei. Schön ist, dass Cordoba mit einigen gefährlichen, tiefen Bällen aus dem zentralen Mittelfeld versorgt wurde. Klar ist aber, dass der Kolumbianer mehr Bälle braucht, insbesondere über die Außen. Auf den Mittelstürmer wird es gegen Augsburg ankommen.

Fazit: „Ohne große Torchance gewinnen die 2:0“

Es klingt komisch, aber auch im fünften Spiel unter Pal Dardai hat Hertha wieder einen Fortschritt gemacht. Die Mannschaft hat also in den letzten Spielen den Top drei der Bundesliga zumindest phasenweise Paroli bieten können und hätte sich eigentlich Punkte aus diesen Spielen verdient gehabt.

Insbesondere die Defensive steht mit Niklas Stark, Marton Dardai und Lukas Klünter derzeit recht stabil. Sowohl bei der Zweikampfquote (51 Prozent) als auch bei der Laufleistung (114 Kilometer) lag Hertha vor Wolfsburg. Und dass die Blau-Weißen mit neun Torschüssen nur zwei Mal weniger aufs gegnerische Tor geschossen haben als der Sieger dieser Partie, zeigt, wie nah die Leistung der Herthaner an der von Wolfsburg war. Und so trifft Dardais Zitat aus der Überschrift leider voll zu – das Ergebnis spiegelt wieder einmal nicht das Spiel wieder.

Neben den oben beschriebenen Problemen mit Flanken und Fehlpässen hat das heutige Spiel aber eine weitere Schwäche Herthas weiter zementiert: die Standardsituationen. Hertha ist nicht nur die einzige Mannschaft der Liga, die im Angriff in dieser Situation noch kein Tor nach einem Standard erzielt hat. Hinzu kommt, dass man mit 18 Gegentreffern nach ruhenden Bällen Vorletzter ist in der Tabelle der Standard-Tor-Empfänger. All das wäre an sich nicht schlimm, wenn die Mannschaft aus dem Spiel heraus treffen würde, doch auch das passiert seit Wochen nicht wirklich. Gerade deswegen sollte Pal unter der Woche dringend an den Ecken und Freistößen arbeiten. Denn wenn Mainz morgen gegen Augsburg gewinnt, Bielefeld im Nachholspiel gegen Bremen punktet und wir in der kommenden Woche keinen Dreier gegen Augsburg holen, wird es dunkel im Tabellenkeller.

[Titelbild: IMAGO]

VfL Wolfsburg – Hertha BSC: Im Duell bei den Unüberwindbaren

VfL Wolfsburg – Hertha BSC: Im Duell bei den Unüberwindbaren

Die Luft am Tabellenende wird zunehmend dünner. Durch den Sieg von Mainz 05 in Mönchengladnach am vergangenen Samstag trennt Hertha nur noch ein mickriger Zähler vom direkten Abstiegsplatz. Die punktgleichen Arminen haben zudem noch das Nachholspiel gegen Bremen in der Hinterhand, durch das sie demnach im schlimmsten Fall auf drei Punkte davonziehen können. Für Hertha, die nunmehr seit acht Spielen sieglos sind, wird es allerhöchste Zeit, dieser Serie ein Ende zu setzen. Doch der Spielplan meint es bei dieser Mission gerade alles andere als gut mit der „Alten Dame“. Nach Leipzig bekommt es die Mannschaft von Pal Dardai am Samstag mit dem hinter Frankfurt formstärksten Team der Liga zu tun – dem VfL Wolfsburg.

Um einen Einblick in die Situation beim VfL zu bekommen, haben wir mit Wolfsburg-Experte Dennis gesprochen, der uns unter anderem erzählt, was der große Trumpf der Wolfsburger in dieser Saison ist.

Die Null muss stehen

Neuzugang Lacroix hat großen Anteil an Wolfsburgs stabiler Defensive. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Bei der Suche nach Gründen, wieso es aktuell angenehmere Gegner als den VfL gibt, muss man nicht allzu tief graben. Kein einziges Mal musste Koen Casteels in den zurückliegenden sechs Partien hinter sich greifen. Was Wolfsburg aktuell so stark macht und auf Platz Drei in der Tabelle rangieren lässt, liegt also auf der Hand. Lediglich Leipzig kann mit einem Gegentor weniger eine noch stabilere Defensive aufweisen.

Für Dennis hängt dieser Umstand auch ganz stark mit einem ehemaligen Herthaner zusammen: „Das sind mehrere Faktoren, die da reinspielen. Einerseits die große Eingespieltheit – wir spielen seit einigen Spielen mehr oder weniger durchgängig mit derselben Startaufstellung, was sich ja gegen die Hertha jetzt erstmals wieder ändern wird. Jay Brooks, der wirklich eine beeindruckende Entwicklung gemacht hat, ist leider gelbgesperrt.

Anderseits ist es die Einsatzbereitschaft der ganzen Mannschaft. Man ist in den Bereichen der Lauf- und Sprintbereitschaft ligaweit vorne mit dabei, alle wissen genau, wo sie hinlaufen müssen, die Mechanismen innerhalb der Mannschaft funktionieren blind, Schlager und Arnold im Verbund mit der Innenverteidigung machen das Zentrum sehr, sehr gut dicht. Die Außenspieler in beiden Reihen sind zweikampfstark, einsatzfreudig und auch da funktioniert die Abstimmung richtig, richtig gut.“

Auch Neuzugang Lacroix, den man im Sommer für mittlerweile läppisch wirkende 5 Millionen Euro aus der zweiten französischen Liga geholt hat, spielt dabei eine wichtige Rolle und sei “brutal eingeschlagen“, wie Dennis sagt. Der Franzose drängte sich von Beginn an auf und stand bislang in 19 von 22 Ligaspielen in der Startelf.

Nur Wout Weghorst ist unverzichtbar

Die Ausgewogenheit des Kaders ist Wolfsburgs großer Trumpf. (Photo by Friedemann Vogel – Pool via Getty Images)

Doch auch fernab der Defensivabteilung fällt es aktuell schwer, eine Schwäche im von Jürg Schmadtke zusammengestellten Kader ausfindig zu machen. Zwar gab es im November letzten Jahres Dissonanzen zwischen dem Geschäftsführer Sport Jörg Schmadtke und Oliver Glasner, da Letzterer öffentlich seinen Unmut bekundete, keinen weiteren, temporeichen Außenspieler bekommen zu haben. So musste Oliver Glasner improvisieren und den eigentlich für die eine Position weiter hinten vorgesehenen Baku auf die rechte Offensivseite beordern. Dieser macht seine Sache seitdem zwar äußerst überzeugend. Dennoch sagt Dennis: „[…] ich finde nach wie vor, dass [Glasner] da nicht unrecht hat. Klar, letzte Woche hat Renato Steffen zwei wichtige Tore gemacht, auch Ridle Baku hat schon 4 Saisontreffer, so dass das gut abgefangen wird, aber es würde wirklich nicht schaden, diesen Wunsch umzusetzen. Ich gehe auch davon aus, dass dieser Wunsch des Trainers im Sommer sicher bedacht wird.“

Aber selbst für diese nach VfL-Maßstab unzureichend besetzte Position haben die „Wölfe“ mit „Brekalo, Victor, Philipp und Mehmedi starke Alternativen“. Optionen, von denen Hertha auf der Außenposition nur träumen könnte. Auch in den weiteren Mannschaftsteilen ist es den Verantwortlichen beeindruckend gelungen, sowohl in der Spitze als auch in der Breite Qualität zu holen: „Auf den Aussen hinten spielen momentan Mbabu und Otavio, die das wirklich gut machen“  

Auch im zentralen Mittelfeld muss sich Wolfsburg nicht vor allzu vielen Vereinen in der Bundesliga verstecken: „Spieler wie Arnold und Schlager (endlich, endlich komplett fit, nach dem Knöchelbruch in der letzten Saison) sind sicher nicht zu ersetzen – aber mit Gerhardt und dem Kapitän Guilavogui stehen hervorragende Ersatzspieler parat.“ Einzig das Sturmzentrum, in dem man mit Wout Weghorst an der Spitze der Nahrungskette einen der treffsichersten Spieler der Liga hat, würde bei einem Ausfall des Niederländers wohl Bauchschmerzen bereiten: „Hier ist der Qualitätsverlust sicher am höchsten“, ordnet Dennis ein.

Kein Spiel für Ballbesitzfanatiker

Doch trotz dieser Ausgewogenheit im Kader zeigt ein Blick auf die erzielten Tore, dass der Ruf von Glasner nach weiteren Verstärkungen durchaus seine Berechtigung hat. Hinter Wout Weghorst, der auf starke 14 Treffer in dieser Spielzeit kommt, ist Renato Steffen mit fünf Toren bereits der zweitgefährlichste Akteur im Kader. Gerade, wenn der VfL das Spiel machen muss, fiel es in der letzten Spielzeit oft schwer, sich Chancen herauszuspielen. Laut Dennis hat sich das Team in dieser Hinsicht weiterentwickelt: „Deutlich ist, dass die Mannschaft durch den hohen Einsatz und das Pressing auch gegen tiefstehende Gegner, Chancen kreieren kann. Das war letzte Saison noch ein klares Problem, das ist wesentlich besser geworden.“

Gleichzeitig bemerkt er aber auch, dass in der Offensive noch Luft nach oben besteht: „Es sind aber trotzdem nur 35 Tore – nicht die Welt für eine Mannschaft, die in den Europapokal will. Die Abläufe und Mechanismen werden besser, die Ruhe und das Bewusstsein, dass die Abwehr aktuell dicht hält, machen es aber leichter und gegen Bielefeld beispielsweise wurden ja auch wirklich schöne Tore erzielt. Es ist noch reichlich Potential da, aber die Mannschaft arbeitet daran.“

Da Hertha auf der anderen Seite sein Heil unter Pal Dardai in erster Linie im Umschaltspiel sucht, ist keine Partie mit langen Ballbesitzphasen zu erwarten. Aus blau-weißer Sicht wird es vor allem darauf angekommen, sich aus dem hohen Pressing der Wolfsburger zu befreien. Wie man das nicht macht, zeigten Guendouzi und Co. am letzten Sonntag schon sehr eindrucksvoll gegen Leipzig. An genügend Videomaterial dürfte es Pal Dardai also nicht mangeln.

Herthas Hoffen auf den „Krieger“

Nach dem zwar engagierten, aber letztlich einmal wieder punktlosen Auftritt gegen Leipzig, ruht die Last der Hoffnungen im blau-weißen Lager vor allem auf dem nach Muskelfaserriss wiedergenesenen Jhon Cordoba. Angesprochen auf den „Krieger“, wie ihn Pal Dardai in der jüngsten Pressekonferenz nannte, kam der Ungar aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Ob es aber für einen Startelfeinsatz reicht, ließ Dardai noch offen. Wieviel zusätzlichen Schub Jhon Cordoba dem Team geben kann, war eindrucksvoll am 14. Spieltag gegen Schalke zu beobachten, als der Angreifer, ebenfalls nach Verletzungspause, in die Startelf zurückkehrte und prompt seinen Treffer zum 3:0-Sieg beisteuerte. Dies war im Übrigen gleichzeitig der letzte Sieg der „Alten Dame“. Wenn das kein gutes Omen ist.

Quelle Titelbild: Photo by Odd Andersen – AFP via Getty Images

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – VfL Wolfsburg

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – VfL Wolfsburg

Nun, was macht man in Herthas Situation aus einem Unentschieden gegen Wolfsburg? Auf der einen Seite haben die Berliner ohne Zweifel eines ihrer besten Spiele in dieser Saison bestritten und spielerisch gegen eine Mannschaft überzeugt, die sich eigentlich durch eine starke Stabilität auszeichnet. Auf der anderen Seite wurden aufgrund der schwachen Chancenverwertung eher zwei Punkte liegen gelassen und ein Punkt hilft Hertha zumindest tabellarisch kaum weiter. Unterm Strich war das 1:1 am Sonntagabend aber wohl wieder ein Schritt nach vorne und dann müssen die drei Zähler halt gegen den FC Augsburg geholt werden.

Wir wollen auch am 6. Spieltag wieder auf die Leistungen einzelner Herthaner blicken.

Matheus Cunha – Alle für einen, einer für alle

Der Brasilianer Matheus Cunha ist Herthas einzige Konstante im Moment. Während sich die Spieler der Abwehrreihe in den ersten Saisonspielen immer wieder durch unglücklich verursachte Elfmeter, Fehlpässe und falsches Stellungsspiel auszeichneten und auch der Rest der Mannschaft nicht gerade glänzt, liefert Cunha ab.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Und das auch heute gegen den VfL Wolfsburg. Schon zu Beginn fiel auf, dass der Brasilianer auf der linken Abwehrseite immer wieder eingriff, um sich dort die Bälle für sein Offensivspiel abzuholen. Nach dem Abseitstor der Wolfsburger sorgte Cunha in der 6. Spielminute dann dafür, dass Hertha nach vier Niederlagen in Folge heute mal wieder einen Punkt mitnimmt. Nach einem tollen Pass von Lucas Tousart geht Dodi Lukébakio über rechts in den Strafraum, legt auf Cunha zurück zur Strafraumgrenze. Der will schießen, rutscht aber aus, lenkt den Ball im Fallen aber trotzdem noch ins linke untere Toreck. 1:0. Natürlich war da etwas Glück dabei und Cunha müsste lügen, wenn er sagte, dass er diesen Ball genauso vollenden wollte. Aber klar ist: Einmal mehr hatte der Brasilianer sich in eine für den Gegner gefährliche Situation gebracht, stand richtig und sah die Lücke zum Abschluss.

Dass Hertha ohne Cunha derzeit wohl noch schlechter dran wäre, zeigten aber diverse Situationen im Mittelfeld. Wenn Cunha dort Zweikämpfe und Dribblings angeht, geht es meistens gut für Hertha aus. Und oft sind genau diese Mittelfeld-Situationen Momente, aus denen anschließend ein gefährlicher Angriff entsteht. Bestes Beispiel: Kurz nach Wiederanpfiff wittert Cunha nach einem schlechten Eröffnungspass von Jonathan Brooks seine Chance, fängt den Ball ab, hat dann durch einen Abpraller aber etwas Glück. Trotzdem behält er den Ball und treibt ihn nach vorne.

Ohnehin war Cunha mal wieder der auffälligste Spieler bei der “alten Dame”. Nach Maxi Mittelstädt hatte der 21-Jährige mit 70 Ballkontakten die meisten aller Herthaner, hinzu kommen drei Schüsse (zusammen mit Jhon Cordoba die meisten) und fünf Schlüsselpässe (Bestwert). Darüber hinaus spielte Cunha äußerst mannschaftsdienlich und weniger egoistisch als noch in den vorherigen Partien. Er ging deutlich seltener ins Dribbling und kombinierte stattdessen lieber – also weniger “Kopf durch die Wand”-Mentalität. Außerdem beteiligte er sich wie bereits erwähnt aktiv am Spiel gegen den Ball, machte ordentlich Meter zurück. So war es vielleicht nicht das spektakulärste Spiel Cunhas, seitdem er bei Hertha spielt, aber ein sehr gewinnbringendes.

Fazit zu Cunha: Wenn nur die Hälfte der Herthaner das Spiel so gut lesen könnten, mit so viel Einsatz in jede Aktion gingen und einen so guten Torriecher hätten, wären wir in einer anderen Tabellensituation.

Jhon Cordoba – Glücklos, aber nicht unsichtbar

Zunächst einmal etwas Ungewöhnliches: An dieser Stelle geht ein Kompliment an Michael Preetz. Denn nachdem Hertha mit Vedad Ibisevic seinen torgefährlichsten Stürmer verloren hatte, war zu befürchten, dass im Sturm eine große Leistungslücke entsteht. Doch mit Jhon Cordoba hat Preetz einen Strafraumstürmer nach Berlin geholt, der sogar noch präsenter in Zweikämpfen ist, technisch auf einem sehr hohen Niveau agiert und immer wieder anspielbar ist.

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Auch am heutigen Sonntagabend gegen den VfL Wolfsburg hatte Cordoba mehrere klare Chancen. Schon kurz vor Cunhas Tor schraubte sich der Kolumbianer nach einer Flanke in Höhe, setzte den kraftvollen Kopfball aber leider deutlich neben das Tor. Mitte der zweiten Hälfte bekommt Cordoba an der rechten Strafraumseite von Cunha angespielt, wartet aber etwas zu lange, sodass die Wolfsburger noch verteidigen können. Drei Tore hat Cordoba schon für Hertha erzielt (in sechs Spielen).

Gegen die Gäste aus Niedersachsen wäre das vierte Tor in blau-weiß bei drei Abschlüssen auch durchaus möglich gewesen, andererseits hatte Cordoba gegen Wolfsburgs Innenverteidigung keinen leichten Stand, die ihm körperlich durchaus auf Augenhöhe begegnen konnten. Mit zwei Schlüsselpässen und einer im letzten Drittel guten Passquote von 80% stellte sich der Sturmtank dennoch in den Dienst der Mannschaft.

Heute hatte Cordoba kein Glück. Spielt er weiter so, wird es nicht bei diesen drei Treffern bleiben. Sein großer Vorteil: Im Gegensatz zu Krzysztof Piatek ist Cordoba bestens ins Spiel eingebunden und spielt gut mit den anderen Offensivkräften zusammen.

Matteo Guendouzi – Sofort präsent

Nachdem er seine COVID-19-Erkrankung gut überstanden hatte und in vergangene Woche erstmals mit seinen neuen Teamkameraden trainieren konnte, kam Matteo Guendouzi in der 57. Minute zu seinem ersten Einsatz für Hertha. Und man hatte nicht den Eindruck, dass Guendouzi da in eine Mannschaft kommt, deren Abläufe ihm absolut unbekannt seien.

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Im Gegenteil: Der 21-jährige Franzose strahlte sofort eine große Präsenz und Sicherheit aus. Guendouzi eroberte einige Bälle, setzte sich gut durch und noch viel erfreulicher war, dass er sich in vielen Situationen für die offensivere Körperdrehung entschied und Richtung gegnerisches Tor „öffnete“. So verzeichnete der Mittelfeldmotor gleich zwei erfolgreiche Dribblings und eine fast 95%ige Passquote – mit weitem Abstand Bestwert in diesem Spiel.

“Ein guter Einstand”, fand auch Bruno Labbadia. “Man hat gesehen, dass er ein sehr ballsicherer Spieler ist, der uns eine Note bringt, die wir brauchen: Ballsicherheit, einfache klare Pässe über vier, fünf Meter. Das hat uns gutgetan. Er muss jetzt natürlich erst in einen Rhythmus kommen, das ist etwas, das er gar nicht haben kann, das wissen wir, aber das ist jetzt eben so.” Tatsächlich verhalf Guendouzi durch seine Passsicherheit dazu, dass Hertha die Spielkontrolle und den Druck auf Wolfsburg in der zweiten Halbzeit auf ganz natürliche Weise aufrecht erhalten konnte.

Ein Debüt, auf dem sich aufbauen lässt. Guendouzi bringt offensichtlich die Fähigkeiten mit, die dem Kader bislang gefehlt hatten. Lucas Tousart, den Guendouzi ersetzte, musste übrigens aufgrund von Knieproblemen ausgewechselt werden – auf seine Leistung war der Tausch also nicht bezogen, schließlich zeigte auch dieser Franzose ein gutes Spiel und leitete 1:0 mit einem sehenswerten Diagonalball ein.

Und dann war da noch:

Dodi Lukébakio – Lukébakio hatte Mitte der zweiten Halbzeit die wohl beste Chance für Hertha im gesamten Spiel, als er alleine vor dem Wolfsburger Torhüter Casteels auftauchte, dann aber vergab. Der Belgier war gerade in der zweiten Halbzeit an vielen guten Aktionen beteiligt, in der ersten Hälfte verlor er aber auch einige Bälle und tauchte zwischenzeitlich komplett ab. Durchwachsen.

Omar Alderete – Ein weiterer erfreulicher Neuzugang. Komischerweise waren es bei dem Innenverteidiger aus Paraguay am heutigen Sonntag gar nicht die Defensivsituationen, die positiv auffielen. Vielmehr war Alderete mehrfach im Wolfburger Strafraum aktiv und scheint bei Ecken und Freistößen vorne für Unruhe zu sorgen. Hinzu kommt ein sehr gutes Aufbauspiel, bei dem er die Bälle sehr mutig nach vorne verteilt. Wenn er es dazu noch schafft, die Abwehrt zu stabilisieren, ist Alderete ein echter Zugewinn. Es war bereits jetzt eine Leistungssteigerung zum Leipzig-Spiel zu erkennen.

Fazit:

Hertha hätte dieses Spiel gewinnen müssen. Nicht nur, dass wir diesen Sieg unbedingt gebraucht hätten. Hertha hat auch besser gespielt als Wolfsburg. Cunha, Cordoba aber auch Lukebakio haben insbesondere in der zweiten Hälfte eine stetige Torgefahr ausgestrahlt und dauerhaft Druck ausgeübt. Positiv zu bewerten ist also die Leistungssteigerung nach den vergangenen Spielen. Obwohl die Zweikampfquote, die Anzahl der Sprints und auch die Ballbesitzquote von Hertha vergleichbar mit den Wolfsburger Werten waren, wirkte Hertha im Gegensatz zu den vergangenen Spielen wach und präsent.

Doch was hilft uns das? Nach sechs Spielen stehen da vier Punkte und Platz 14 in der Tabelle. Ein schlechter Saisonstart. Schließlich muss Labbadia endlich für Stabilität in der Abwehr sorgen. Die Entstehung des 1:1 war sinnbildlich für die Situation in Herthas Verteidigung. Nach einer recht harmlosen Situation kommt eine Flanke in den Strafraum, bei der der Ball an mehreren Herthaner vorbeiläuft. Dann wird der Ball auch noch schlecht geklärt, sodass der Gegner am Strafraum ungehindert zum Abschluss kommt. Stellt Hertha dieses Verhalten nicht ab, kann die Saison böse enden. So bleiben positive wie negative Erkenntnisse.

[Titelbild: IMAGO]