Tränen flossen bei Präsident Kay Bernstein, über 60.000 Fans verfolgten am Sonntagabend das Spiel von Hertha BSC und am Ende ließ sich die Mannschaft feiern, wie eigentlich seit Jahren nicht mehr. Dass es sich dabei lediglich um einen Sieg gegen den Tabellenletzten am 11. Spieltag handelte, kann man sich ob der vorangegangen Tatsachen eigentlich kaum vorstellen. Doch es war der erste Heimsieg der Hertha seit April, als man gegen den VfB Stuttgart in der letzten Saison eigentlich kurz vor dem Klassenerhalt stand. Der Rest ist bekannt. Gegen den FC Schalke 04 spielte Hertha eines der schlechtesten Spiele der Saison. Doch Arbeit und ein wenig Glück zahlten sich am Ende aus und brachten Hertha BSC zum zweiten Mal in dieser Saison drei Punkte ein.
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Sandro Schwarz setzt auf den Doppelsturm
Hertha-Trainer Sandro Schwarz stellte seine Mannschaft im Vergleich zur knappen Niederlage in Leipzig offensiv ein wenig um. Im 4-4-2 spielten Stevan Jovetic und der in die Startelf zurückgekehrte Wilfried Kanga im Doppelsturm. Ließ sich der Montenegriner ins offensive Mittelfeld fallen, entwickelte sich das Hertha-Spiel in ein 4-2-3-1-System. Im Tor stand wie üblich Oliver Christensen, auch in der Verteidigung sah sich Schwarz nicht gezwungen etwas zu ändern. Marvin Plattenhardt auf links, Marc-Oliver Kempf und Agustin Rogel in der Innenverteidigung und Jonjoe Kenny auf der rechten Seite, bildeten diese. Für die Rückkehr Kangas musste Ivan Sunjic im defensiven Mittelfeld weichen. Der Kroate musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Lucas Tousart und Suat Serdar bildeten das zentrale Mittelfeld. Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio sollten den Angriff über die Außen unterstützen.
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Mit geballter Offensivpower ins Spiel gegen ein FC Schalke 04, welches als direkter Konkurrent tief im Keller steckt, unter der Woche im Pokal in Hoffenheim unter die Räder kam, nun aber auf den ominösen Trainer-Effekt hoffen durfte, nachdem Frank Kramer die Koffer packen musste und Matthias Kreutzer als Interimstrainer installiert wurde.
In unserer Analyse schauen wir auf arbeitende Spieler, einen Mr. Alibi, ein neues solides Innenverteidiger-Duo, ein laufendes, körperliches Wunder und die Torschützen.
Dodi Lukebakio: Arbeit ohne Ertrag
Die bisherige Saison war die Spielzeit des Dodi Lukebakios. Seit seiner Rückkehr aus Wolfsburg zeigt sich der Belgier wie ausgewechselt, sprüht vor Spielfreude und ist mit fünf Treffern aktuell Herthas Top-Torjäger. Auch ein Verdienst der ganzen Mannschaft. Zum Vergleich, letzte Saison war Stevan Jovetic am Ende der Spielzeit mit sechs Treffern Herthas Top-Torschütze. Doch so gut die Saison Lukebakios war, so unglücklich und etwas überspielt wirkend, war seine Vorstellung gegen den FC Schalke 04. Und dabei ist trotzdem zu betonen, dass es keinesfalls ein schlechtes oder gar lustloses Spiel vom Wirbelwind war, wie man es in der Vergangenheit öfter mit ansehen musste. Er spielte fast über die volle Distanz, eher er in den Schlussminuten für Marton Dardai ausgewechselt wurde. Beim Zeitschinden bettelte er förmlich um die gelbe Karte, die aber keine weiteren Konsequenzen hatte.
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Insgesamt war Lukebakio an 50 Aktionen beteiligt. Immer wieder suchten seine Mitspieler ihn und im Vergleich zum deutlich blasseren Chidera Ejuke auf der anderen Seite, konnte er sich zumindest ansatzweise immer wieder ins Angriffsspiel einschalten. 22 seiner 31 Pässe fanden die Mitspieler, immerhin 71 Prozent. Drei Torchancen bereitete er vor. In der 5. Minute setzte er Wilfried Kanga im Strafraum in Szene. Dieser scheiterte jedoch aus kurzer Entfernung und spitzem Winkel an Alexander Schwolow im Tor. In der 26. Minute setzte sich Lukebakio gegen die Schalker Verteidigung sehenswert durch. Sein Zuspiel konnte Stevan Jovetic im Sturmzentrum allerdings nicht verwerten. Auch Marco Richter konnte nach Lukebakios Zuspiel in der 70. Minute unter Bedrängnis stehend den Ball nur am Tor vorbeischießen.
Doch beim Blick auf die weiteren Zahlen fällt das Problem auf, welches Lukebakio am Sonntagabend hatte. Er gewann nur vier seiner elf Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten sich gegen die aggressiven Schalker Verteidiger durchzusetzen und musste 19 Ballverluste hinnehmen. Oftmals fehlte ihm das Tempo, welches die Gegner durch geschicktes Zustellen verhindern konnten. Konnte er sein Tempo nutzen, fehlten allerdings auch schnell die Konzentration und die Präzision im Passspiel, wie in der 80. Minute, als sein Konter zum vorentscheidenden 2:0 hätte verwandelt werden müssen.
Es war nicht das beste Spiel Lukebakios, wenn auch kein schlechtes. Aber die Mannschaft scheint Fortschritte gemacht zu haben. Man ist nicht mehr gänzlich von den individuellen Leistungen einzelner Spieler abhängig, sondern weiß gemeinsam Lösungen zu finden. Dennoch, ein gut gelaunter Lukebakio in Topform hilft jeder Mannschaft enorm weiter.
Marvin Plattenhardt: Mr. Alibi
Über die vollen 90 Minuten plus Nachspielzeit war Marvin Plattenhardt gegen den FC Schalke 04 als Linksverteidiger und vor allem Hertha-Kapitän dabei. Und irgendwie auch nicht. Hätte er auf dem Spielberichtsbogen gefehlt, hätte das womöglich keinen großen Unterschied gemacht. Viel zu sehen gab es bei dem Auftritt von Plattenhardt nicht. Er war zwar 64 Mal im Ballbesitz, spielte 24 von 33 Pässe erfolgreich, aber konnte nicht wirklich etwas zum Spiel der Hertha beitragen. Offensiv setzte er keine Akzente, seine etlichen Halbfeldflanken gingen durchgehend ins Lehre oder wurden von der Schalker Verteidigung frühzeitig abgefangen. Seine Standards konnten keine Gefahr ausrichten und war etwas mehr Wiese vor ihm, versuchte er erst gar nicht mal einen Angriff über die Außen zu starten.
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Er gewann nur vier seiner neun Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten mit der Verteidigung der – mit Verlaub – für Bundesligaverhältnisse höchstens durchschnittlichen Schalker Offensivspieler und ließ wieder zu viele Flanken zu. Es war alles mehr Alibi, als ernsthafte Hilfe für das Team. Ein Kapitän muss mitreißen können und seine Mitspieler trotz späten Gegentors weiter pushen. Diese Aufgabe übernahmen andere wie Lucas Tousart. Ein Kapitän sollte genauso die Situation und Emotionen nach dem Spiel lesen können und sich nicht in einem langweiligen Interview nach dem Spiel verlieren, was mehr wie die Einordnung eines unwichtigen Unentschiedens wirkte. Plattenhardt fehlt so viel um ein starker Kapitän zu sein. Genauso fehlt ihm viel um ein guter Linksverteidiger zu sein. Der Ersatz, Maximilian Mittelstädt, stünde bereit und hat schon lange mehr Chancen verdient.
Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf: Solide Innenverteidigung
Bekanntlich gab es bei Hertha BSC in den letzten Jahren viele Duos oder Trios in der Innenverteidigung, die oftmals eine Baustelle war. Aktuell scheint sich ein recht solides Pärchen gefunden zu haben. Auch wenn Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf zu Beginn der Partie gegen die Königsblauen Schwierigkeiten hatten, spielten sie sich zunehmend ein und strahlten im Laufe des Spiels immer mehr Sicherheit aus. Beide spielten am Ende durch.
Agustin Rogels wichtigste Aktion war wohl in der 78. Minute, als er im Strafraum zu einer risikoreichen Monstergrätsche gegen Schalkes Kenan Karaman ansetzte und diese auch erfolgreich durchführte. Allgemein weiß er mit seiner enormen körperlichen Präsenz zu gefallen. Insgesamt war er 72 Mal im Ballbesetzt, spielte 57 Pässe, von denen 44 bei seinen Mitspielern ankamen.
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Viele Aktionen fanden dabei in der eigenen Verteidigung statt. Die waren meist clever und sinnvoll getimt, um der Mannschaft gegen eine aggressive Schalker Truppe Ruhe zu geben. Zweimal musste Rogel den Angriff des Gegners mit Fouls unterbinden. Für seinen Schubser gegen Marius Bülter wurde er in der 81. Minute mit gelb verwarnt. Rogel wirkt wie der säubernde LKW neben Abwehrchef Kempf. Insgesamt klärte er fünf Aktionen, lief drei Bälle von den Gegnern ab und setzte zwei erfolgreiche Tacklings.
Marc Oliver Kempf bemühte sich viel, beackerte seine Gegenspieler Simon Terodde und Sebastian Polter, hatte auch seine Probleme mit den Gegnern, aber wusste wie Rogel Ruhe ins Spiel der Mannschaft zu bringen. Insgesamt klärte er fünf Bälle aus dem Strafraum, setzte zu zwei Tacklings an und war 62 Mal im Ballbesitz. 69 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, ebenso viel Prozent Zweikämpfe entschied er für sich.
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Marc Oliver Kempf entwickelt sich immer mehr zum Abwehrchef und ersten Verteidiger. Auch wenn er immer wieder Probleme mit direkten Gegenspielern hat, weiß er die Abwehr zusammenzuhalten, ist kommunikativ und zeigt unermüdlichen Einsatz. Aus dem etwas überhastet und übermotiviert wirkenden Kempf ist ein verlässlicher Führungsspieler geworden. Vielleicht auch, weil er auf sich und seine Psyche genau hört und sich in schwierigen Zeiten Hilfe gesucht hat, wie er unter der Woche erzählte.
Stevan Jovetic: Das gewisse Etwas für Hertha
Einen extrem „schlauen“ Spieler nannte ihn Sandro Schwarz im Interview nach dem Spiel. Stevan Jovetic erlebt gerade so etwas wie seinen dritten Frühling. Der Offensivspieler hat bekanntlich immer wieder mit seinem Körper zu kämpfen, fällt gerne mal mit dem ein oder anderen Wehwehchen aus, doch seine spielerische Klasse ist für diese Mannschaft Gold wert. Während Jovetic in der ersten Halbzeit glücklos blieb, konnte er in der zweiten Hälfte seinen Beitrag leisten. Und zusätzlich entwickelt er sich zunehmend zum Laufwunder auf Darida-Niveau. Gegen Schalke wurde er kurz vor Schluss für dem wiedergenesenen Jean-Paul Boetius ausgewechselt und brachte es auf fast 12 km Laufleistung.
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59 Mal war Jovetic im Laufe der Partie am Ball. Er spielt 29 seiner 44 Pässe erfolgreich. 66 Prozent in der Offensive lassen sich dabei definitiv sehen. Insbesondere spielte er vier von fünf langen Bällen erfolgreich. Seine Zweikampfwerte von nur 36 Prozent fallen dagegen allerdings etwas ab. Er zeigte sich immer wieder in der Offensive, ohne, dass sich die ganz großen Chancen ergeben sollten. Die größte Möglichkeit hatte er in der 26. Minute, doch letztendlich schoss er sich relativ kläglich selbst an. Zusätzlich bereitete er zwei Torschüsse vor. Entscheidend dabei die 88. Minute, als er das Zuspiel von Lukebakio direkt weiterleitete und Wilfried Kanga auf die Reise schickte, der das Siegtor erzielen durfte.
Lucas Tousart: Der Hertha-Kämpfer mit dem Sonntagsschuss
Lucas Tousart spielen zu sehen, macht ja mittlerweile seit Monaten Spaß. Ein Spieler, der sich unermüdlich in jeden Zweikampf wirft, der Leidenschaft ausstrahlt und sich in Berlin mittlerweile wohl zu fühlen scheint. Auch wenn ihm die Berliner Currywurst leider nicht zusagt. Gegen Schalke ackerte er sich durchs Mittelfeld. Am Ende lief der Franzose wieder gute 12 km. 46 Mal war Tousart am Ball, verteilte seine Pässe 22 Mal erfolgreich. Insgesamt kamen 76 Prozent seiner Pässe an, zusätzlich entschied er 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Er pushte und motivierte seine Mitspieler, gestikulierte viel und nahm die Mannschaft taktisch mit. Auch in der Defensive half er mit Tacklings, Klärungsaktionen und abgelaufenen Bällen aus. Seinen größten Moment hatte er kurz nach dem Seitenwechsel. In der 49. Minute zimmerte er mit einem wuchtigen Schuss aus der Distanz in die Maschen.
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Sein Sonntagsschuss war ehrlicherweise alles andere als unhaltbar, doch mit Alexander Schwolow haben die Schalker aktuell einen schwer verunsicherten Torhüter in ihren Reihen, der nicht in der Lage war, den Ball festzuhalten. Lucas Tousart knüpfte gegen Schalke genau an seinen starken Leistungen der Vorwochen an.
Wilfried Kanga: Befreiungsschlag zum perfekten Zeitpunkt
Endlich! Der Knoten ist endlich geplatzt. Dem nimmermüden Wilfried Kanga gelang endlich der Befreiungsschlag. Kanga war seit Saisonbeginn bemüht und hat sich nicht aufgegeben, doch in den letzten Wochen wurden die Stimmen lauter, dass ein abschlussstarker Stürmer der Mannschaft fehlen würde. Und wie die Saison begann, so startete auch für Kanga das Spiel.
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Der Ivorer zeigte sich immer wieder angriffslustig. Allein in den ersten fünf Minuten kam er bereits zweimal zum Abschluss, fand da allerdings jedes Mal in Schwolow nach schwachen Abschlüssen seinen Meister. Die hundertprozentigen Chancen sollten allerdings lange fehlen. Auch seine Durchsetzungskraft ließ ein ums andere Mal zu wünschen übrig. Nur vier seiner vierzehn Zweikämpfe gewann er. Neun von 16 Pässen kamen beim Mitspieler an, auch auf diese Weise versuchte er immer wieder das Angriffsspiel anzukurbeln. Seine Robustheit sollte letztendlich ausschlaggebend für den Siegtreffer sein. Fein von Jovetic in Szene gesetzt kämpfte er sich gegen Henning Matriciani durch und schob flach ins linke untere Toreck ein. Es folgte ein explodierender Jubel in der blau-weißen Menge der Ostkurve. Hoffen wir, dass es sich um einen Knotenlöser für die kommenden Aufgaben handelte.
Ein Pflichtsieg für die Hertha-Moral
Gut und sehenswert gespielt, am Ende aber nur einen Punkt gesammelt oder sogar verloren. Hertha konnte in den ersten Wochen der Saison nur eine geringe Menge an Punkten sammeln, von denen, die möglich gewesen wären. Gegen die Schalker spielte man weniger für die Galerie, sondern für die Punkte. Und das war wichtig. Denn ein Punktverlust hätte gegen den Tabellenletzten durchaus für einen Kipppunkt der Stimmung, sowohl innerhalb der Mannschaft, als auch bei den Fans sorgen können. Schließlich steht man trotz aller Schönheit im Abstiegskampf und ist auf jeden Sieg angewiesen. Kangas erstes Tor, der späte Zeitpunkt des Siegtreffers und insbesondere die Reaktion auf den späten Schalker Ausgleichstreffer, sind große Punkte für die Moral.
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Die Hertha muss sich nun auf das Auswärtsspiel in Bremen am Freitag vorbereiten und hat die große Möglichkeit sich weiter von den Abstiegsplätzen abzusetzen. Die Stimmung ist gut, Bernstein, Bobic und co. ist es gelungen, neben dem Platz eine angenehme Ruhe im Verein einkehren zu lassen, die Spieler und Trainer können in Ruhe arbeiten und die kommenden Chancen nutzen.
Gegen Borussia Dortmund kam eine Mannschaft ins Berliner Olympiastadion, die sich zum Saisonbeginn schwergetan hat, weshalb sich Herthas Team mit seinem Offensivspiel nicht zu verstecken brauchte. Im mit 62.142 gut gefüllten, aber bei Weitem nicht ausverkauften Olympiastadion, in dem Frank Zander mal wieder die Hymne “Nur nach Hause” live performte, wurde der BVB allerdings seiner Favoritenrolle gerecht, erarbeitete sich zahlreiche Chancen und konnte dank des ersten Tors von Antony Modeste im schwarz-gelben Trikot nach 32 Minuten als Sieger vom Platz gehen.
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Sandro Schwarz stellte sein Team wieder im 4-3-3-System auf und änderte zum Teil gezwungenermaßen, zum Teil gewollt auf drei Positionen das Personal. Das Tor sollte wieder Oliver Christensen hüten, auf der linken Seite der Verteidigung ersetzte Kapitän Marvin Plattenhardt Maximilian Mittelstädt, der sich mit seinem unglücklichen Auftritt in Mönchengladbach beim Trainer zunächst nicht für weitere Startelfeinsätze empfehlen konnte. In der Innenverteidigung ersetzte Marton Dardai den gesperrten Filip Uremovic, neben ihm verteidigte Abwehrchef Marc Oliver Kempf. Als Rechtsverteidiger lief wieder Jonjoe Kenny auf. Im defensiven Mittelfeld agierte der in den vergangenen zwei Spielen als Kapitän aufgelaufene Lucas Tousart, vor ihm Suat Serdar und der für Ivan Sunjic in die Startelf rotierte Jean-Paul Boetius. In der Offensive vertraute das Trainerteam wieder auf Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio auf den Flügeln und Wilfried Kanga in der Sturmspitze.
In unserer Analyse schauen wir heute auf die etwas alleingelassene Offensive, zwei Enttäuschungen, ein Duo für die nächsten Spiele und die getätigten Wechsel.
Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio: Ohne sie geht’s nicht
Die beiden Außenspieler machen aktuell einfach Spaß. Viel zu lange mussten Hertha-Fans auf geeignete Flügelspieler im Team der Hertha warten. Doch noch gelingt es ihnen nicht, ihre guten Leistungen auch in Zählbares umzumünzen. Gegen die Dortmunder gelang es Ihnen neben ihrer Schnelligkeit noch ein wenig mehr Flexibilität einzubringen, in dem sie sich auf ihren Flügelseiten abwechselten. Chidera Ejuke spielte sogar sein erstes Spiel für Hertha BSC über die komplette Distanz.
Der Nigerianer war mit Wucht, Wendigkeit und Schnelligkeit unterwegs, setzte zu ganzen zehn Dribblings an, von denen er acht erfolgreich beendete. Allgemein war Ejuke 64 Mal am Ball. Er verteilte 39 davon, 32 fanden den Adressaten. Er ging in 16 Zweikämpfe, von denen er neun für sich entscheiden konnte. Der 24-Jährige versuchte, so gut es ging, das Offensivspiel anzukurbeln und in die Hände bzw. an die Füße zu nehmen.
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Mit Hilfe der zu kurz klärenden Dortmunder Verteidigung konnte er bereits in den frühen Anfangsminuten die erste große Chance der Hertha einleiten. Jonjoe Kennys Schuss lenkt der am jenen Samstagnachmittag glänzend aufgelegte Gregor Kobel um den Pfosten. Doch in der 21. Minute sah man auch bei Ejuke, Kanga und Lukebakio, dass die Abstimmung noch nicht optimal funktioniert. Die Überzahlsituation gegen die Dortmunder Verteidigung vertändelten sie leichtfertig. Generell musste sich Ejuke den Verteidigern zu häufig geschlagen geben. Ganze 20 Ballverluste musste er hinnehmen.
Dodi Lukebakio war gegen den BVB bemüht, aber weniger gefährlich und spritzig als noch eine Woche zuvor gegen Mönchengladbach. Auch er musste 16 Ballverluste verzeichnen, hatte im Vergleich zu seinem Partner Ejuke mit 38 Aktionen deutlich weniger Beteiligungen am Spiel und konnte auch nur einen Torschuss beitragen. Immerhin beendete er vier seiner sechs Dribblings erfolgreich, konnte sieben seiner dreizehn Zweikämpfe für sich entscheiden und spielte zwölf von neunzehn Pässen erfolgreich. So fungierte er immerhin in einigen Situationen als Ballverteiler. Der Belgier zeigte trotz fehlenden Glücks aber eine engagierte Leistung. Nach 75 Minuten musste er Platz machen für Marco Richter.
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Ihnen zusprechen muss man, dass die Verteidigung der Dortmunder zu den Besseren der Liga gehört. Nicht jede Partie können sie ihr Spiel entfalten. Wichtig wird allerdings in den nächsten Wochen sein, dass ihre Mühe belohnt wird. Doch dafür muss gearbeitet und das Glück erzwungen werden. Ohne die beiden Spieler erlahmt das Offensivspiel aktuell zu sehr, durch das Zentrum funktioniert nur selten etwas und die verteidigenden Gegner können sich immer mehr auf die beiden Schlüsselfiguren der Berliner einstellen. Wilfried Kanga ist bemüht, doch auch ihm fehlt noch sehr das Glück im Abschluss oder überhaupt die Chance sich in gefährliche Positionen zu spielen. Herthas Mittelstürmer hängt aktuell noch zu sehr in der Luft.
Jean-Paul Boetius: Enttäuschendes Startelfdebüt für Hertha
Der niederländische Neuzugang durfte nach zwei Einwechslungen sein erstes Spiel von Anfang an absolvieren und ersetzte Ivan Sunjic. Doch die Spieler der Borussia konnten Boetius praktisch durchgehend kaltstellen.
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Er konnte gegen Dortmund weder für produktiven Ballbesitz sorgen, noch die Offensive mit seiner Kreativität unterstützen. Dinge, die dringend nötig gewesen wären, um das Angriffsspiel flexibler zu gestalten. Insgesamt spielte er 23 Pässe, von denen 15 ankamen. Die Hälfte seiner sechs Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden. Doch 14 Ballverluste sprechen eine deutliche Sprache. Auch defensiv gelang es ihm nicht eine Hilfe für das Team zu sein. Ein enttäuschendes Startelfdebüt endete nach 55 Minuten, als er für Stevan Jovetic ausgewechselt wurde.
Marc Oliver Kempf und Marton Dardai: Ein Duo mit Zukunft
Marton Dardai durfte sich auf seinen ersten Startelfeinsatz in dieser Saison freuen. Er ersetzte den gesperrten Filip Uremovic. Der Youngster und Marc Oliver Kempf zeigten, dass sie in der Lage sind, die Abwehr zusammenzuhalten, auch wenn der BVB oftmals auch an sich selbst scheiterte. Kempf avanciert immer mehr zum Abwehrchef. Gegen Dortmund spielte er eines seiner besten Spiele im Dress der Hertha.
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Er entschied fünf Tacklings für sich, klärte drei Bälle zum Teil in höchster Not, blockte vier Dortmunder Versuche und lief noch dazu dreimal dem Gegner den Ball ab. Er gewann acht seiner vierzehn Zweikämpfe. Für Kempfs Verhältnisse eine durchaus vernünftige Quote. Die wichtigste Aktion hatte er in der 72. Minute, als er nach Bellinghams Schuss den Ball hinter den bereits geschlagenen Oliver Christensen von der Linie kratzte. Kempf versuchte so gut es ging den Spielaufbau zu gestalten. Er spielte 32 von 34 Pässen erfolgreich zu seinen Mitspielern und versuchte sich mit zahlreichen langen Bällen, von denen immerhin vier ankamen. Doch ihm muss man eine Mitschuld am Gegentreffer zusprechen. Zum wiederholten Mal war er nicht nahe genug an seinem Gegenspieler – in diesem Fall Modeste – und konnte ihn entscheidend am Kopfball hindern. Nach 80 Minuten machte er aus taktischen Gründen Platz für Davie Selke.
Marton Dardai dagegen spielte über die gesamte Spielzeit. Zugegeben, seine Leistung kam nicht an die von Kempf ran, doch er unterstützte in der Defensive mutig und engagiert. Insgesamt rettete er in der Defensive dreimal. Im Aufbauspiel brachte er sich mit 30 erfolgreichen Pässen gut ein. Generell war er mit 53 Aktionen sehr aktiv. Seine Zweikampfleistung ließ arg zu wünschen übrig. Nur einen seiner drei konnte er für sich entscheiden. Und auch er leistete sich einen Schnitzer, der beinahe bestraft wurde. In der 25. Minute unterlief ihm ein übler Fehlpass, der schnelle Gegenangriff mitsamt Torschuss von Antony Modeste ging nur knapp nicht in die Torstatistik ein.
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Dennoch, Marton Dardais und insbesondere Marc-Oliver Kempfs Leistungen, lassen sich sehen. Die Dortmunder waren ihnen zwar extrem häufig überlegen, aber zeigen sie diese Leistungen gegen Mannschaften, mit geringerer Offensivpower, kommt die noch mehr benötigte Sicherheit auch in deren Spiel an.
Marvin Plattenhardt: Ein großes Fragezeichen
Nach dem er verletzungsbedingt zuletzt zwei Spiele ausgefallen war und Maximilian Mittelstädt ihn nicht von seinem Stammplatz verdrängen konnte, durfte Marvin Plattenhardt wieder als Linksverteidiger auflaufen. Zurecht, schließlich ist er der Kapitän der Mannschaft. Aber dieser Punkt scheint auch das einzige valide Argument zu sein, weshalb er in der Hierarchie über Mittelstädt steht. Zugegeben, auch Mittelstädt brillierte nicht, doch passt er nachweislich wesentlich besser ins System von Sandro Schwarz. Marvin Plattenhardt hatte gegen Borussia Dortmund enorme Probleme. Insbesondere im Defensivbereich. Und sein direkter Gegenspieler war niemand Geringeres als sein ehemaliger Mitspieler Marius Wolf. Ein – mit Verlaub – Fußballer mit, abseits seiner Dynamik, beschränkten Fähigkeiten. Jemand, der von einem soliden Bundesligaverteidiger zumindest phasenweise unter Kontrolle gekriegt werden sollte. Doch Plattenhardt erstarrte regelrecht in einigen Aktionen vor Verzweiflung, weil er kaum Licht in der Verteidigung und Aufbauspiel sah.
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Mit 71 Ballberührungen war der WM-2018-Teilnehmer einer der aktivsten Herthaner. Immerhin konnte er das Angriffsspiel dank seiner Stärke – Flanken – ein wenig ankurbeln. Vier Torschüsse bereitete er vor. Doch für viel Gefahr konnte er nicht sorgen. Immerhin schaffte er defensiv vier Klärungsaktionen und entschied zwei Tacklings für sich. Doch 17 Ballverluste auf so einer wichtigen Position sind ein Hilferuf. Plattenhardt ist es nicht gelungen, die Ausstrahlung eines Kapitäns zu verkörpern, für Sicherheit zu sorgen oder voranzugehen. Er schwimmt zu sehr mit, weil er aufgrund von Verletzungen und der eigenen Leistung viel zu viel mit sich selbst beschäftigt ist. Ein Umstand der vor der Saison bekannt hätte sein müssen.
Allgemein muss sich der Verein bezüglich der Position des Linksverteidigers stark selbst hinterfragen. Wie kann es sein, dass man über zwei Linksverteidiger verfügt, die sich seit etwa sieben Jahren in feiner Regelmäßigkeit abwechseln, nie aber so etwas wie einen Konkurrenzkampf beginnen? Auch Verpflichtungen, die jenen provozieren hätten können, schlugen fehl. Fredrik André Björkan verlässt nach nur einer halben Saison aufgrund fehlender Qualität wieder den Verein.
Kevin Prince Boateng, Marco Richter und Stevan Jovetic: Die Wechsel sorgen für Erfrischung
Sandro Schwarz wechselte während der Partie viermal. Bis auf Davie Selke konnten sie auch auf sich aufmerksam machen. Sie brachten Frische und Torgefahr mit und wurden gezielt, intelligent und nahezu ohne Verzweiflungstaten ins Spiel gebracht. Gerade Stevan Jovetic gelang es, wie schon in den Spielen zuvor, das Offensivspiel an sich zu reißen. Doch auch er scheiterte am starken Gregor Kobel. Man merkt Jovetic die Spielfreude an und sieht, welche Qualitäten noch in ihm stecken. Gegen Dortmund kam der letztjährige mit sechs Toren teaminterne Torschützenkönig nach 55 Minuten für Boetius in die Partie. Es kommt auf den körperlichen Zustand Jovetics an, wie viele Minuten er in der Lage ist, in den nächsten Wochen abzuspulen. Jede Sekunde, die er auf dem Feld steht, kann helfen. Bleibt zu hoffen, dass er entspannt bleibt und nicht wie letzte Saison in Frust verfällt.
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Kevin-Prince Boateng wurde nach 75 Minuten für Suat Serdar eingewechselt. Sein Beitrag war vor allem das Zerstören der Dortmunder Offensive. In seinen paar Minuten zog er vier Fouls. Er pushte seine Mitspieler, wusste das Spiel in der Schlussphase anzuheizen und war immerhin noch zehnmal am Ball. Er spielt neun Pässe, von denen sieben den Mitspieler fanden. Auch wenn er offensiv nichts ausrichten konnte, merkt man ihn die Lust und Leidenschaft an. Sein Herz brennt für Hertha. Doch wie bei Jovetic stellt sich jedes Spiel die Frage, wie viel der Körper noch mitmachen kann. Allein bei seinen Kurzeinsätzen verzichtet er auf lange Läufe. Seine Qualitäten erfrischen das Spiel der Hertha enorm. Doch für die Punkte kann er allein nicht mehr sorgen.
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Für Marco Richter hätte es zum großen „Ausgerechnet-Moment“ kommen können. Es wäre eine beinahe kitschige, aber so wunderschöne Geschichte gewesen. Nach 75 Minuten betrat er das Spielfeld für Dodi Lukebakio. Der vor wenigen Wochen vom Hodentumor genesene Richter betrat unter tosenden Applaus das Spielfeld und hatte in der 79. Minute die Möglichkeit seinen Nachmittag zu vergolden. Doch Richters Schuss aus der Distanz wurde einmal mehr vom hervorragend reagierenden Kobel an die Latte gelenkt. Marco Richter zeigte, wie viel er dem Offensivspiel geben kann. Es kann allen Beteiligten nur guttun, wenn er für einen gewissen Konkurrenzkampf in der Offensive sorgt. Bei seinem Kurzauftritt war er neunmal am Ball, spielte drei von vier erfolgreichen Pässen und gewann 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Es war toll ihn wieder auf dem Platz stehen zu sehen.
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Die wichtigen Spiele für Hertha kommen jetzt
Der Saisonstart ist, betrachtet man die Punkteausbeute, misslungen. Nur ein Punkt aus vier Spielen, ein Torverhältnis von 2:6, Derbyniederlage und das Aus im Pokal beim Tabellenletzten der 2. Bundesliga. Hertha steht nach vier Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz. Doch ohne es schönreden oder nach Ausreden suchen zu wollen – die Niederlage gegen Dortmund hätte aufgrund des Chancenwuchers der Gäste viel höher ausfallen können – ist bis auf das Pokal-Aus nicht mit viel mehr zu rechnen gewesen. Im Gegenteil, der Punkt gegen Eintracht Frankfurt muss als Bonus gewertet werden.
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Und die Fans, Spieler und Trainer scheinen genau das auch zu erkennen. Die Mannschaft musste im Sommer den dritten Umbruch in den letzten Jahren hinnehmen, ist noch in manchen Teilen in der Findungsphase, doch zeigt in vielen Bereichen mittlerweile Fortschritte. Herthas Konkurrenten sind in diesem Jahr nicht Union Berlin, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach oder Borussia Dortmund. Die wichtigen Spiele, in denen gepunktet werden muss, folgen jetzt. In Augsburg kann die Mannschaft nächsten Sonntag beginnen die Tabelle von hinten aufzurollen und den Fans, die sie seit Wochen großartig unterstützen, etwas zurückgeben. Nun zählen keine Ausreden mehr.
Es geht doch. Hertha BSC schafft es endlich, einem denkwürdigen Tag einen Stempel aufzudrücken und zu punkten – und das verdient. Gegen die Eintracht aus Frankfurt boten nämlich nicht nur die Berliner Fans mit einer wundervollen und sehenswerten Choreographie anlässlich des 130. Geburtstags von Hertha BSC ein Spektakel, sondern auch die Mannschaft konnte mit einer deutlichen Leistungssteigerung phasenweise aufblühen. Die Spieler zeigten eine Reaktion auf den schwachen Auftritt in Köpenick, das Aus im Pokal gegen Braunschweig und in einigen Mannschaftsteilen Fortschritte. Insbesondere in der Offensive. Doch während es vorne mittlerweile besser läuft, zeigen sich in der Defensive weiterhin altbekannte Schwächen. Dennoch ein Spiel, das vorsichtig Mut für die nächsten Wochen macht.
Hertha mit vier Neuen: Sandro Schwarz rotiert auf einigen Positionen
Doch um all das zu ermöglich, rotierte Sandro Schwarz auf einigen Positionen, zum Teil auch gezwungener maßen. Dabei blieb er seinem 4-3-3-System aber treu. Im Tor stand wieder einmal Oliver Christensen, die Verteidigung bestand aus Jonjoe Kenny, der die rechte Seite bespielen sollte und den beiden Innenverteidigern Filip Uremovic und Marc Oliver Kempf. Bis hierhin sollte sich also in der Verteidigung nicht viel ändern im Vergleich zum Derby. Doch auf der Position des Linksverteidigers ersetzte Maximilian Mittelstädt den kurzfristig ausgefallenen Kapitän Marvin Plattenhardt.
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Als Abräumer auf der Sechs durfte wieder Ivan Sunjic ran, vor ihm Suat Serdar und Lucas Tousart, der den bisher schwach und langsam spielenden Kevin-Prince Boateng ersetzte und nach seiner gelb-roten Karte im Relegationsspiel gegen Hamburg erstmals in der Bundesliga wieder spielberechtigt war. Zusätzlich lief der Franzose als Kapitän der Mannschaft auf. Offensiv vertraute Schwarz wieder auf die Dienste Dodi Lukebakios auf der rechten Seite und vor allem den beiden Neuzugängen Chidera Ejuke auf der linken Seite und Wilfried Kanga im Mittelsturm, die Myziane Maolida und Davie Selke ersetzten.
In unserer heutigen Analyse schauen wir auf unseren vielseitigen Sturm, die noch immer Sorgen bereitende Verteidigung und die Führungsspieler im Team.
Dodi Lukebakio: Wenn er will einer der Besten bei Hertha
Der Belgier macht es vor jedem Spieltag spannend. Wie ist seine Form? Wie viel Lust hat er auf das Spiel? Wie viel ist er bereit zu investiere? Auch nach drei Minuten wusste man das nicht so richtig einzuordnen. Eben gelang ihm eine punktgenaue Flanke in den Strafraum auf Suat Serdar, der damit die Hertha früh in Führung köpfen konnte, doch die Art und Weise wie Lukebakio zum Ball eher joggte als rannte, machte zunächst stutzig. Allerdings konnte man es ihm auch nicht verübeln, die Frankfurter Verteidiger machten es ihm zugegebener Maßen auch nicht schwer.
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Doch Dodi Lukebakio lieferte Antworten. Er war einer der besten Herthaner auf dem Platz, wusste sich und seine Mitspieler häufig in Szene zu setzen und machte der Abwehr das Leben schwer. Sein Zusammenspiel mit Jonjoe Kenny ist weiterhin alles andere als ausgereift, doch es wird zunehmend besser. In der Offensive hatte er mit Wilfried Kanga und Chidera Ejuke zwei Mitspieler, die wesentlich vielseitiger und schwerer zu verteidigen sind, als zuletzt Myziane Maolida und Davie Selke. 44 Mal war Lukebakio am Ball, drei Torschüsse gab er ab, drei Schlüsselpässe fügte er hinzu. Sechs Dribblings beendete er erfolgreich.
Seine Vorlage auf Stevan Jovetic per Heber über die gesamte Verteidigung in der 72. Minute hätte einen Treffer verdient gehabt. Zusätzlich gewann er 69 Prozent seiner Zweikämpfe. Keine schlechte Quote für einen Offensivspieler. Zusätzlich brachte er 16 seiner 23 Pässe an den Mann. Auch hierbei sind 70 Prozent für einen Offensivspieler eine vernünftige Quote. Gelingt es ihm noch mehr am eigenen Abschluss zu arbeiten und seine Effizienz auszubauen, kann Dodi Lukebakio für zahlreiche Tore sorgen. Die Hoffnung, den besten Lukebakio bei Hertha noch zu bekommen, könnte höher kaum sein. Es liegt an ihm, diese zu erfüllen.
Suat Serdar: Der Antreiber hat endlich bessere Mitspieler
Dem zentralen Mittelfeldspieler konnte gegen Frankfurt das gegeben werden, was ihn in seinem ersten Jahr bei Hertha meistens fehlte. Starke und mitspielende Kollegen. Zu oft versuchte er es in der Vergangenheit allein mit dem Kopf durch die Wand. Gegen die Hessen spielte sein Kopf wieder einmal eine Rolle. Dieses Mal aber eine sehenswerte. Nach Lukebakios feiner Flanke von der rechten Seite lief er perfekt in den Strafraum und wusste sich gegen Ansgar Knauff durchzusetzen. Das frühe 1:0 sorgte für eine Art Rückkehr der Sicherheit und des Selbstverständnisses im Spiel der Berliner. Serdar war im Laufe des Spiels einer der aktivsten. 56 Mal war er am Ball, vier seiner fünf Dribblings wusste er erfolgreich zu beenden.
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Er konnte 20 seiner 27 Pässe bei den Mitspielern unterbringen, nur seine Zweikampfquote von 43 Prozent ließ etwas zu wünschen übrig, doch seine Kollegen Ivan Sunjic und Lucas Tousart konnten ihn meist den Rücken freihalten oder zur Hilfe kommen. Suat Serdar sprüht aktuell vor Einsatzfreude und hatte es zumindest in jenem Spiel nicht nötig, auf Einzelaktionen zurückzugreifen. Zusammen mit den Offensivspielern konnte er das Angriffsspiel ordentlich ankurbeln, er kam insgesamt zu drei Abschlüssen. Neben seinem Tor war Serdar insbesondere in der 83. Minute im Mittelpunkt, als er in aussichtsreicher Position von Jonjoe Kenny in Szene gesetzt wurde. Doch sein Schuss, der aller Wahrscheinlichkeit nach im Tor gelandet wäre, wurde ausgerechnet vom eigenen Mann, nämlich Stevan Jovetic geblockt. Das Glück ist bekanntlich mit den Tüchtigen. Suat Serdar ist tüchtig und sollte er bei seinem Engagement bleiben, stehen die Chancen gut, dass er den Siegtreffer vielleicht auch mal erzwingen kann.
Lucas Tousart: Der wahre Hertha-Kapitän
Lucas Tousart entwickelt sich immer mehr zu dem Spieler, der einen bei Hertha BSC versprochen wurde. Gegen Eintracht Frankfurt führte er das Team das erste Mal in einem Pflichtspiel als Kapitän auf. Und er verhielt sich auch wie einer. Er kämpfte im Mittelfeld wo es ging, hielt insbesondere Suat Serdar den Rücken frei, bemühte sich der wackligen Innenverteidigung Unterstützung zu bieten und kommunizierte so oft es ging und nötig es war mit seinen Mitspielern und suchte wann immer es nötig oder praktisch war das Gespräch mit dem Schiedsrichter. 11,76 km lief er, Höchstwert auf dem Platz. Allgemein spulte die Mannschaft fünf Kilometer mehr ab, als gegen Union und zeigte auch daran gemessen einen höheren Einsatz.
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38 Mal war der Franzose am Spielgerät, gewann sieben seiner zwölf Zweikämpfe und brachte 18 seiner 26 Pässe beim Mitspieler unter. Wichtig war zudem, wie ballsicher er agierte, er verlor im Zentrum – anders als seine Mitspieler in Halbzeit zwei – kaum Bälle. Zusätzlich brachte er sich defensiv mit zwei erfolgreichen Tacklings ein. Sein großes Manko ist zweifelsohne sein Tempodefizit, was er mit robusten Zweikämpfen ausgleichen muss. Doch mit seiner starken und kämpferischen Haltung ist er des Kapitänsamts absolut würdig. Zumindest vertrat er Marvin Plattenhardt hervorragend und stand ihm in nichts nach. Ein wahrer Kapitän, der auch via Social Media sich sehr glücklich mit seiner Rolle zeigte und auch dahingehend für einen möglichen Konkurrenzkampf sorgen könnte.
Maximilian Mittelstädt: Seine Vielseitigkeit wird fast belohnt
Ohne Marvin Plattenhardt hier schlecht schreiben zu wollen, aber gegen Eintracht Frankfurt konnten gleich zwei Spieler Argumente liefern, weshalb Plattenhardt nicht unumstritten ist. Während Lucas Tousart als durchaus geeigneter Kapitän gelten könnte, schaffte es Maximilian Mittelstädt mit seinem ersten Saisoneinsatz Punkte zu sammeln. Der Wurf ins kalte Wasser aufgrund des kurzfristigen Ausfalls des normalerweise gesetzten Linksverteidigers Plattenhardt, tat dem Hertha-Eigengewächs zumindest nicht schlecht. Mit 10,2 gelaufenen Kilometern war er viel unterwegs. 77 Mal war er am Ball und damit einer der aktivsten der Hertha. Er zeigte sich als vielseitiger Linksverteidiger, wirkte wach, engagiert und mutig und vor allem motiviert. Auch er scheint körperlich und spielerisch im Vergleich zur letzten Saison zugelegt zu haben.
Zusätzlich war er kommunikativ, suchte seine Mitspieler, 22 seiner 31 Pässe kamen an. Mit sechs erfolgreichen Tacklings, zwei Klärungen und vier Aktionen, in denen er dem Gegenspieler den Ball ablaufen konnte, lieferte er einen sehenswerten Beitrag in der Verteidigung. Doch auch bei ihm ist das Tempo ein Manko. Ansgar Knauff und er lieferten sich zwar lange einen sehenswerten Zweikampf, doch zweimal musste er den Tempodribbler per Foul stoppen. Beim zweiten Foul in der 34. Minute sah er von Schiri Willenborg zurecht die gelbe Karte. Auch weitere Faride Alidou und Rendal Kolo Muani machten ihm das Leben schwer. Offensiv hatte Mittelstädt die Möglichkeit dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken. In der 23. Minute setzte er Wilfried Kanga im Sturm sehenswert in Szene. Hätte der Angreifer seine Torchance vergolden können, hätte also auch Mittelstädt seine erste Torbeteiligung in dieser Saison verzeichnet.
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Insgesamt konnte Mittelstädt deutlich machen, dass er Ambitionen hat, auf mehr Einsätze zu bekommen. Durch seine Vielseitigkeit als Schienenspieler gelingt es ihm mehr als Plattenhardt, Offensive und Defensive im Blick zu halten. Gibt Sandro Schwarz ihm eine ehrliche Chance, ist ein offener Konkurrenzkampf um den Posten des Linksverteidigers möglich.
Wilfried Kanga und Stevan Jovetic: Potential zu gefährlichen Waffen
Wilfried Kanga und Stevan Jovetic sind Spieler, die einer Offensive extrem viel geben können. Beide kurbeln das Offensivspiel an und sind taktisch, spielerisch und technisch in der Lage, für viel Wirbel und Gefahr zu sorgen. Neuzugang Kanga durfte über 70 Minuten agieren und wusste vor allem in der ersten Halbzeit für Gefahr zu sorgen und auch phasenweise zu überzeugen. Allgemein zeigte sich der Franzose ballsicherer und vielseitiger als Konkurrent Davie Selke. Sein Engagement hätte er in der 23. Minute krönen können, als er Mittelstädts gefährlichen Pass im Strafraum empfing. Doch sein Schussversuch misslang – vermutlich wegen einer mangelhaften Rasenstelle – vollkommen. Aus nächster Nähe schoss der Stürmer deutlich über das Tor.
Es hätte das 2:0 sein können, ja vielleicht sogar müssen, womit das Spiel einen spannenden Verlauf hätte annehmen können. Im Zusammenspiel mit dem Rest des Teams gibt es sicherlich noch Luft nach oben, doch der erste Startelf-Einsatz ließ für die Zukunft gutes vermuten. Er gewann die Hälfte seiner Zweikämpfe, außerdem brachte er acht seiner sechzehn Pässe bei den Mitspielern unter. Kanga scheint gute Chancen zu haben, auch beim nächsten Spiel in der Startformation zu stehen. Vielleicht gelingt dann auch noch mehr Zählbares.
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Stevan Jovetic löste Kanga nach 70 Minuten ab und auch er hatte die Möglichkeit die Hertha auf die Siegesstraße zu bringen. Doch nur zwei Minuten nach seiner Einwechslung scheiterte er, nach sehenswerter Lukebakio-Vorlage, an seiner eigenen Hast und verzog freistehend vor Kevin Trapp. Seine Passqualitäten stellte er in der 83. Minute unter Beweis, als er Jonjoe Kenny auf der rechten Seite mitnahm. Die Hereingabe des Briten und der Abschluss Suat Serdars hätten für den goldenen Moment des Nachmittags sorgen können, doch ausgerechnet Jovetic selbst, der die Aktion kurz zuvor noch einleitete stand im Weg. Der Montenegriner zeigte in den wenigen Minuten wieder viel Qualität, sollte er körperlich in der Lage sein mehr Spielminuten zu absolvieren, wäre er für den Sturm eine enorme Waffe.
Filip Uremovic und Marc-Oliver Kempf: Solide, aber wenn es schnell wird, brennt es
Das Innenverteidiger-Duo scheint erst einmal zu stehen. Wie schon in Köpenick sollten Filip Uremovic und Marc Oliver Kempf die defensive Zentrale dicht machen. Beide konnten mit soliden Leistungen auf sich aufmerksam machen, hatten aber auch große Schwierigkeiten.
Filip Uremovic war direkt früh gefordert. Bereits in der ersten Minute versuchten die Frankfurter in Person von Mario Götze Gefahr über Standards zu sorgen. Den Freistoß des WM-Helden von 2014 konnte Uremovic vor der Frankfurter Offensive klären. Der Kroate wusste eine solide Partie zu spielen, 16 seiner 18 Pässe kamen beim Mitspieler an, vier von fünf Zweikämpfen entschied er für sich. Sieben Mal klärte der Innenverteidiger zum Teil in höchster Not, drei Bälle schafft er den Gegenspielern abzulaufen. Doch den größten und entscheidenden Fehler beging er kurz nach der Pause. Die Frankfurter setzten ihn in der 48. Minute zu sehr unter Druck. Keine Chance dem Pressing zu entkommen, verlor er den Ball, der schnelle Angriff der Gäste führte zum Ausgleich durch Kamada. Sein Verhalten in dem Moment war alles andere als sehenswert und hilfreich, doch genauso wenig konnten seine Mitspieler ihn in der Situation unterstützen. Ihm also allein den Fehler zuzuschreiben, wäre zu einfach. Allgemein gelang es ihm aber auch nicht den schnellen Sturm der Frankfurter zu stoppen. Insbesondere Randal Kolo Muani, Lucas Alario und Rafael Borré wirbelten die Verteidigung der Hertha extrem durch. Das ein oder andere Tor mehr für die Eintracht wäre in manchen Phasen möglich gewesen. In der 83. Minute machte er nach Wadenkrämpfen Platz für Marton Dardai.
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Marc Oliver Kempf spielte unauffälliger als in Köpenick. Eine Tatsache, die bei dem meist aufopferungsspielenden Innenverteidiger besonders, aber keinesfalls schlecht ist. Wie Uremovic spielte er recht solide, gewann vier von sieben Zweikämpfen, lief zwei Bälle ab, klärte zwei weitere Aktionen und brachte 26 seiner 35 Pässe beim Mitspieler unter. Insbesondere mit langen Bällen gelang es ihm ein ums andere Mal das Offensivspiel anzukurbeln. Drei seiner fünf Versuche kamen an. Doch ein allseits bekanntes Problem konnte er nicht abstellen. Durch sein schwaches Stellungsspiel, das dringend von Nöten ist bei seinem Tempodefizit, konnte er der Verteidigung nur selten die notwendige Stabilität geben. Gegen die schnellen Offensivspieler des amtierenden Europa-League-Siegers sah er ein ums andere Mal sehr alt aus. Sowohl im Zusammenspiel mit Uremovic, als auch in den letzten Minuten mit Marton Dardai kamen die selben Fehler zustande.
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Bereits in der ersten Hälfte hätte Alario ins leere Tor einschieben können, in der zweiten Halbzeit konnten Kempf und die gesamte Hintermannschaft von Glück sprechen, dass Kamada, Kolo Muani und Co zu wenig Zielwasser getrunken zu haben schienen. Auch in der für den Schiedsrichter kniffligsten Situation in der 90. Minute, konnten er und Dardai Rafael Borré weder ins Abseits stellen, noch ihn anderweitig verteidigen. Er und Uremovic sind zwei grundsolide Verteidiger, ein spielerisch aktiverer Marton Dardai würde dem Spiel aber wahrscheinlich noch mehr Flexibilität verleihen. Die gute Nachricht für die Verteidiger ist, dass solch ein schneller Angriff nicht jedes Spiel gegen sie aufgestellt sein wird. Nicht jeder Angriff besteht aus Sheraldo Becker, Kolo Muani oder im schlimmsten Fall Sadio Mané. Aber auch für einen Spieler wie Marcus Thuram, der am kommenden Freitag das schwere Brett sein wird, müssen sich Sandro Schwarz und die Verteidigung Gedanken machen.
Eine Leistungssteigerung sorgt für Zuversicht
Nach dem wilden Kick in Braunschweig und der enttäuschenden Derby-Niederlage folgte nun die erste sehenswerte Vorstellung der Hertha in dieser Saison. Die Mannschaft hat bewiesen, wettbewerbsfähig zu sein, auch wenn man in der Defensive mit viel Glück gesegnet war. Andererseits muss man aber auch von Pech in der Offensive sprechen. Der Aufreger des Spiels ist bis heute natürlich Streitthema in den sozialen Medien. War die Berührung von Christensen an Borré ein straffälliger Elfmeter? War die Entscheidung Willenborgs korrekt? War der Eingriff des VAR korrekt? Es sind Fragen, die überemotionale Fans nicht beantworten können. Selbst geschultes Personal tut sich dabei schwer. Im Sinne des fairen Fußballs scheint es die richtige Entscheidung gewesen zu sein, den Elfmeter zurückzunehmen.
(Photo by Gerald Matzka/Getty Images)
Auf einigen Szenen des Spiels lässt sich aufbauen. Die Offensive wirkt sehr viel eingespielter und lebhafter als zuletzt, genauso die Verbindung zum Mittelfeld. Die Rollen scheinen klarer verteilt zu werden und für einige Positionen entwickelt sich ein echter Konkurrenzkampf, der dem Team nur guttun kann. Dass hartnäckige Probleme, wie individuelle Aussetzer oder dass man vom Gegner nur so überrannt wird, noch vorhanden sind und nicht innerhalb weniger Tage abzustellen sind, sollte jedem klar sein. Das im Endeffekt leistungsgerechte Unentschieden, die traumhafte Choreographie der Hertha-Fans und eine deutliche Leistungssteigerung hätten für einen zufriedenstellenden Sonntag und eine angenehme folgende Woche sorgen können. Doch Hertha wäre nicht Hertha, wenn es nicht irgendwelche Probleme gäbe. Die Suspendierung Rune Jarsteins, egal weshalb und warum und wem dabei die Schuld zuzuweisen ist, kommt zu Unzeiten.
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Eine Hertha-Legende droht aus dem Verein geworfen zu werden, der Torwarttrainer ist mehr als angezählt und die Torhüter-Position stellt nun wieder eine Baustelle dar. Oliver Christensen benötigt einen Herausforderer, im Optimalfall einen gestandenen Bundesliga-Torhüter. Dieses Problem zu lösen wird nicht einfach werden, aber was ist dieser Tage schon einfach bei Hertha BSC? Bei Hertha sind bis zum Ende der Transferperiode noch viele Personalfragen zu klären, nun wohl oder übel eine weitere.
Das Finale der Europa League ist vorbei – an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch an Eintracht Frankfurt und seine Fans – die Relegation steht an. Also vom Himmel zur Hölle. Es geht um eines der beiden wichtigsten Spiele der jüngeren Vereinsgeschichten für Hertha BSC und den Hamburger SV. Das Relegations-Hinspiel wird am heutigen Abend im Berliner Olympiastadion ausgetragen und die beiden größten Städte Deutschlands elektrisieren. Für das Spiel haben wir drei Thesen aufgestellt.
Das Olympiastadion wird zum Hexenkessel
Sie wird wieder zuschlagen. Die Macht des Olympiastadions. Das Stadion wird ausverkauft sein, die Fans beider Lager werden für eine enorme Stimmung sorgen und das Stadion zu einem Hexenkessel verwandeln und einen entscheidenden Einfluss auf das Spiel haben. Es handelt sich um zwei extrem leidgeprüfte Fangruppen von Vereinen, mit riesiger Tradition und Strahlkraft. Die Aufgabe der Mannschaften wird es sein, die Stimmung auf das eigene Spiel zu übertragen.
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Das Team, welches das gelingt, steht dem Sieg deutlich näher. Um sich durch die Stimmung aber nicht lähmen zu lassen, gilt es einen freien und fokussierten Kopf zu bewahren und das Spiel als Geschenk und Chance anzunehmen. Trotz der schlechten Saison könnten einzelne Herthaner zu Legenden aufsteigen und bis in alle Ewigkeiten als große Retter angesehen werden.
Das Endergebnis wird mehr als nur eine Tendenz zeigen
Das Hinspiel der Relegation wird das entscheidende Spiel. Der Sieger wird mit mindestens zwei Toren Vorsprung, eher drei Toren Vorsprung den Platz verlassen. Angetrieben von der Stimmung und sich in einen Rausch spielend wird die in Führung gehende Mannschaft einen Zusammenbruch des Gegners ausnutzen und mit Leidenschaft das Spiel an sich reißen und für ein klares Ergebnis sorgen. Die beiden Mannschaften werden spielerisch und mental perfekt eingestellt sein, doch Nuancen und kleinste Fehler werden entscheidend sein.
Herthas individuelle Klasse wird entscheidend sein
Die Mannschaft, die eben jene Nuancen und Fehler nutzen wird, ist Hertha BSC. Die Teamleistung ließ in dieser Saison über die meiste Zeit zu wünschen übrig, erst in den letzten Wochen wuchs die Mannschaft zu einem Team zusammen und bildete eine Achse. Gegen die Hamburger werden individuelle Momente entscheidend sein. Kevin Prince Boateng wird Steckpässe spielen, Ishak Belfodil, Stevan Jovetic und Suat Serdar werden mit dem Ball und ihrer individuellen Klasse für enorme Torgefahr sorgen. Vladimir Darida, Dedryck Boyata und Peter Pekarik werden mit ihrer Erfahrung für Ruhe und Stabilität in der Defensive sorgen. Hertha wird zeigen, wer seit neun Jahren Bundesligist ist und wer seit vier Jahren Zweiligist.
Zu aller erst: Wir befinden uns in Zeiten, in denen es schwer ist, sich auf die schönen Dinge im Leben zu konzentrieren. Es fühlt sich nicht richtig an, Fußball zu schauen und die Spiele zu analysieren, während ein paar hundert Kilometer entfernt ein Krieg in Europa wütet, der Menschenleben kostet. Ich denke ich kann für die gesamte Redaktion sagen, dass wir uns mit der Ukraine und den dort lebenden Menschen solidarisch zeigen. Und auch wenn es schwerfällt, wollen wir alle versuchen unser Leben normal zu gestalten und uns wie euch die Freude machen, weiter Texte zu schreiben.
Das Spiel gegen den SC Freiburg stand ganz im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Vor dem Spiel gab es, wie in jedem Bundesligastadion, eine Minute, in der an den Schrecken und den Menschen in Osteuropa gedacht wurde.
Hertha: Vieles neu und dann doch das Alte
Sportlich scheint die Talfahrt für die Hertha kein Ende zu nehmen. Auch im Breisgau konnte sich die Mannschaft nicht aus der schweren Krise befreien und verlor letztendlich verdient mit 0:3. Wie schon gegen Leipzig schickte Trainer Tayfun Korkut seine Mannschaft im 4-3-3 aufs Feld. Aufgrund der roten Karte für Marc Oliver Kempf gegen Leipzig war er wieder einmal gezwungen die Innenverteidigung umzustellen. Und um es vorweg zu nehmen, möglicherweise muss er nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Linus Gechter auch im nächsten Spiel auf eine neue Innenverteidigung bauen. Kapitän Dedryck Boyata startete neben dem Youngster. Außerdem begann Suat Serdar an Stelle von Santiago Ascacibar, der sich 90 Minuten lang mit der Bank zufriedenstellen musste.
Während Hertha wieder einmal nur schleppend in die Gänge kam, viel Energie für normalerweise einfachste Schritte aufbringen musste und auch vom Trainer und den Jokern keinerlei nennenswerten Aufschwung erlangen konnte, musst man sich auch mit kritischen Schiedsrichterentscheidungen auseinandersetzen. Das Spiel war zwölf Minuten alt, als Linus Gechter anscheinend Rolland Sallai zu Fall brachte, entscheidend aufklären konnte man die Situation nicht. Die Entscheidung des Schiris war Elfmeter. Lange war das Spiel offen, doch selbst eine durchschnittliche Freiburger Mannschaft war am Ende der relativ deutliche Sieger, gegen eine einfach qualitativ schwache Berliner Mannschaft.
Aber sei es drum. Wir schauen heute auf ein trotz drei Gegentoren gelungenes Debüt, auf eine überraschend gute Leistung, wer anscheinend zu viel mit Starallüren beschäftigt ist und wie sich die Winter-Neuzugänge im Team einfügen konnten. Und ab wann darf man eigentlich die Trainerfrage stellen?
Marcel Lotka: Die gesuchte Nummer eins für Hertha?
Der 5. Torhüter in der Hierarchie im Verein ist 20 Jahre alt und spielt sonst in der 2. Mannschaft von Hertha BSC. Wie in der gesamten Mannschaft ist die Torhüter-Situation extrem prekär. Doch möglicherweise war diese Notsituation ein zukünftiges Glück für Hertha. Nachdem Alexander Schwolow sich mit Corona abgemeldet hatte und Rune Jarstein sowieso seit Monaten nicht einsatzfähig ist und seit letzter Woche auch Oliver Christensen mit muskulären Problemen ausfällt, sollte nun eigentlich die Zeit von Eigengewächs Nils-Jonathan Körber schlagen. Doch es scheint so, als würde er weiter auf sein Bundesliga-Debüt warten müssen, denn auch für dieses Spiel wurde er nicht rechtzeitig fit und musste wieder einmal nur auf der Bank sitzen.
Also stand recht überraschend mit Marcel Lotka ein noch jüngerer Mann zwischen den Pfosten und wurde praktisch ins kalte Wasser geworfen. Und er machte es gut. Sogar sehr gut. Auch wenn er drei Tore kassierte, an denen er herzlich wenig ausrichten konnte, wurde er zu zwei Weltklasse-Paraden gezwungen. Den Freistoß von Vincenzo Grifo in der 6. Minute lenkte er mit den Fingerspitzen über die Latte, in der 34. Minute parierte er spektakulär nach einem wuchtigen Abschluss von Maximilian Eggestein. Zusätzlich kam er auf 77 Prozent Passquote, konnte viele Bälle verteilen und hatte eine starke Ausstrahlung. Er pushte seine Mitspieler, kommandierte, motivierte, war emotional. In der 49. Minute unterlief ihm ein Fehlpass, bei einem Ausflug aus dem Strafraum raus, der glücklicherweise unbestraft blieb. Es war sein größter Fehler im Spiel.
Möglicherweise haben wir Herthaner hier einen Torhüterwechsel auf längere Zeit mit ansehen können. Verdient hätte es sich Lotka allemal, wo doch Schwolow seit Wochen im Formtief steckt.
Lucas Tousart: Einer der wenigen Ausreißer nach oben
Der Franzose hatte gegen die Freiburger tatsächlich einen guten Tag. Ein Ausreißer, den man nur selten von ihm bekommt. Zu oft wurde er positionsfremd eingesetzt oder konnte dem Team nicht die gewünschte Stabilität geben. Und auch wenn er ein gutes Spiel zeigte, befinden wir uns immernoch auf einem recht mäßigen Niveau.
Aber er bemühte sich. Mit zwei Torschüssen und einer Torschussvorlage konnte er sich zum Teil ins Offensivspiel einbinden, verteilte dazu 44 Bälle, von denen immerhin 84 Prozent den Mitspieler fanden. Mit acht langen Bällen versuchte er von hinten Druck aufzubauen, sieben davon kamen an. Und auch hinten konnte er ein ums andere Mal aushelfen, klärte vier Situationen und fing dreimal den Ball von seinen Gegenspielern ab.
Seine Passsicherheit verhalf dem Team lange zu Stabilität und Sicherheit, doch auch er konnte in den Schlussminuten nur noch wenig Gegenwehr leisten, als die Mannschaft aufmachte und das 0:2 und 0:3 kassierte. Kann Tousart an diese Leistung anknüpfen und sie konstant aufs Feld bringen, wäre er die gewünschte Zentrale des Teams.
Stevan Jovetic: Zu wenig Jovetic, zu viel Cunha
Es ist frustrierend. Stevan Jovetic ist der wohl beste Spieler des Teams und immer für einen genialen Moment gut, noch dazu Herthas bester Torschütze der Saison mit sechs Bundesligatreffern. Gegen Freiburg erarbeitete er sich vier Torschüsse, bereitete drei Torschüsse zusätzlich vor. Insbesondere sein traumhafter Pass auf Peter Pekarik in der 38. Minute zeigte wieder einmal seine Genialität, Übersicht und Technik am Ball. Der Rechtverteidiger scheiterte am herausstürmenden Keeper Mark Flekken. Ein Tor hätte der Mannschaft zu dem Zeitpunkt sicherlich gutgetan.
Doch Jovetics Genialität hat auch ihre Kehrseiten. Der Montenegriner wirkt seit Wochen schwer frustriert, lamentiert, diskutiert, wirkt zu oft demotiviert und nicht wie ein Teil des Teams. In der 24. Minute sah er schon von Schiri Jablonski die gelbe Karte, wollte die Entscheidung nicht wahrhaben, diskutierte und stand oft nahe einer weiteren Karte, die einen Platzverweis bedeutet hätte.
In der 80. Minute verlor er in der eigenen Hälfte nach einem schwachen Zweikampfverhalten den Ball, ermöglichte den Freiburgern so eine riesige Torchance. Er selbst setzte nicht nach, sondern blieb bis Ende der Aktion einfach frustriert auf dem Rasen sitzen.
Seine Verhalten hat viel von dem, was in der letzten Saison über weite Strecken das Dilemma mit Matheus Cunha war, der ebenfalls der Star der Mannschaft war. Mental schien der dem Abstiegskampf nicht gewachsen, die Mannschaft war nur leider zu abhängig von seinem spielerischen Talent. Ähnlich wie aktuell mit Jovetic.
Fredrik-André Björkan und Donjun Lee: Noch kein Bundesliganiveau
Die beiden Winter-Neuzugänge sind sicherlich interessante Spieler und haben Talent. Doch sie sind, so muss man nach einigen Wochen feststellen, keine direkte Hilfe. Sie haben das Potential mit viel Training und Integration zur nächsten Saison eine wichtige Rolle im Team einzunehmen, doch aktuell fehlen die Spieler, die sie ersetzen sollen, extrem.
Björkan spielte über die gesamte Spielzeit als Linksverteidiger. Stammkraft Maxi Mittelstädt stand nach überstandener Corona-Infektion wieder im Kader, war aber wohl noch nicht bereit für einen Einsatz. Björkan versuchte seinen kompakten Körper so gut es ging einzusetzen, gewann zwei Tacklings, klärte zwei Aktionen der Freiburger und hatte mit 88 Prozent Passquote ein durchaus hohen Anteil am Aufbauspiel. Allerdings gewann er nur sechs seiner zehn Zweikämpfe, hatte sieben Ballverluste und musste drei Fouls ziehen. Er schien häufig überfordert und zeigte sowohl beim 0:2 als auch beim 0:3 ein schwaches Zweikampfverhalten.
Dong-Jun Lee wurde in der 70. Spielminute für Vladimir Darida eingewechselt. Beim Stand von 0:1 war es seine Aufgabe von den Außen für Gefahr zu sorgen. Doch seine Schnelligkeit ist zwar oftmals hoffnungsvoll und nett anzusehen, sonderlich viel Einfluss hatte er am Spiel nicht. Immerhin hatte der Südkoreaner neun Ballkontakte und lange versucht mit seinen Mitspielern das Ruder rumzureißen, doch viel ausrichten konnte er nicht. Seine beste Chance hatte er im Abseits stehend, als er aus wenigen Metern aus spitzen Winkel am Tor vorbeischoss. Er scheint noch nicht in der Bundesliga angekommen zu sein und wird sicherlich noch eine ganze Weile dafür brauchen. Aktuell scheint er nicht die erhoffte Hilfe im Abstiegskampf zu sein.
Tayfun Korkut und Fredi Bobic: Bitte in der Realität ankommen!
Man sucht nach Argumenten für die aktuelle Situation, wo man nur kann. Und man hat sie auch. Corona, Verletzungen, der Umbruch im Umbruch, sechs Trainer seit 2019. Aber zwei Punkte und 19 Gegentore aus den bisher sieben Rückrundenspielen, mit 54 Gegentoren die zweitschwächste Verteidigung der gesamten Saison und tief im Abstiegskampf steckend ist schwer besorgniserregend.
Zusätzlich kommt eine bedenkliche Entwicklung, die Trainer Tayfun Korkut und Hertha-Sportvorstand Fredi Bobic gerade nehmen. Die Versuche, die brutalen Niederlagen, wie gegen Leipzig und in Freiburg, schönzureden geht nicht nur an der Realität vorbei, als Fan fühlt man sich auch zunehmend veralbert. Wer weiß wie intern über die aktuellen Leistungen gesprochen wird, aber die Außendarstellung lässt vermuten, dass der Ernst der aktuellen Lage nicht erkannt wird.
Korkut hat kaum noch Argumente auf seiner Seite und scheint taktisch so extrem limitiert zu sein, dass er nicht einmal in der Lage ist, seine Antritts-Aussage – die Taktik nach Stärken der Spieler auszurichten – zu bestätigen. Der Trainerwechsel von Dardai zu Korkut ist im großen Stil gescheitert. Fredi Bobic muss sich die Frage gefallen lassen, die er seit Wochen gestellt bekommt. Weshalb Tayfun Korkut? Was ist der Plan? Denn der wird bei Hertha aktuell händeringend gesucht.
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