Herthaner im Fokus: Ein Sieg für die Stimmung

Herthaner im Fokus: Ein Sieg für die Stimmung

Ein wirklich wildes Fußballjahr geht für Hertha BSC zu Ende. Wie schon 2021 beendet man das sehr durchwachsene Jahr letztendlich mit einem Sieg und sorgt damit für gute Stimmung in und um den Verein. Gegen den 1. FC Köln schaffte es das Team zwar nicht altbekannte Schwächen und Probleme abzustellen, doch neben dem vorhandenen Glück in der Defensive konnte man in der Offensive sich endlich für die vielen Mühen belohnen. Beim 2:0-Sieg, den über 60.000 Zuschauer und Zuschauerinnen im gut gefüllten Olympiastadion verfolgten, hatte man gleichzeitig auch einen extrem müden und unkonzentrierten Gegner gegen sich, der sich immer wieder selber im Wege stand.

Zwei Änderungen nach einer langen Englischen Woche

Gegenüber der bitteren Last-Second-Niederlage in Stuttgart änderte Sandro Schwarz seine Mannschaft auf zwei Positionen. Dafür verabschiedete er sich vom 4-4-2 und griff auf das zuvor bewährte 4-3-3 zurück.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Im Tor Dänemarks WM-Fahrer Oliver Christensen. In der Verteidigung stand zunächst Kapitän und Linksverteidiger Marvin Plattenhardt, der allerdings früh verletzungsbedingt Maximilian Mittelstädt Platz machen musste, in der Innenverteidigung Marc-Oliver Kempf und Agustin Rogel und als Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny. In der Zentrale vor der Verteidigung war wieder Startelfrückkehrer Ivan Sunjic zu finden. Vor ihm ackerten Lucas Tousart und Jean-Paul Boetius. Im Sturm sollten Dodi Lukebakio, Marco Richter und der vollständig wiedergenesene Wilfried Kanga, der Davie Selke aus der Startelf verdrängte, für Torgefahr sorgen

In unserer Analyse schauen wir heute auf die Torschützen, Herthas andauernde Linksverteidiger-Thema und eine gute Alternative im zentralen Mittelfeld.

Marco Richter: Im richtigen Moment zur Stelle

Gegen den VfB Stuttgart glänzte Marco Richter vor allem durch Diskussionen mit den Gegenspielern und dem Schiedsrichtergespann, Teil des Spiels war er allerdings nicht. Das änderte sich glücklicherweise gegen Köln. Er war wieder motiviert und wusste seine individuellen Qualitäten stets zu nutzen, auch wenn er häufig überhastet abschloss. In seinen 84 Minuten, die er auf dem Platz stand, erarbeitete sich Marco Richter vier Torschüsse. Der Sekundenzeiger hatte noch nicht einmal das erste Mal die ganze Uhr umrundet, da versuchte es der 24-Jährige schon das erste Mal. Wieder einmal begann Hertha ein Spiel hellwach und versuchte früh Druck aufzubauen. In der 14. Minute fehlte es Richter deutlich an Präzision und Ruhe. Sein Schussversuch, der sich eher überraschend für ihn ergab, setzte er deutlich über das Tor. Seinen goldenen Moment hatte er in der 54. Minute. Dodi Lukebakios Hereingabe wurde von Kölns Torhüter Marvin Schwäbe in die Mitte gelenkt, Richter knallte den Abpraller unter die Latte zum vorentscheidenden 2:0.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Der Angreifer hatte es nicht leicht. Vier Mal wurde er von den Kölnern unfair vom Ball getrennt, doch er war endlich wieder Teil der Mannschaft. 45 Ballaktionen zählen die Statistiken, 15 von 22 Pässen kamen an, 58 Prozent seiner Zweikämpfe entschied er für sich. Und auch in der Defensive half Richter ein ums andere Mal aus. Wieder einmal wird deutlich, wie wichtig ein Marco Richter in guter Form ist. Man sollte alles daran setzen, dass das im neuen Jahr so bleibt.

Maximilian Mittelstädt: Plattenhardts Pech wird zu Herthas Glück

Eine Never-ending-Story. Ja, Marvin Plattenhardt konnte sich mit einer Torvorlage – einer wirklich schönen Flanke aus dem linken Halbfeld – mal wieder in die Statistiken eintragen. Und damit hat er einen riesigen Anteil an dem sehr wichtigen Sieg der Hertha. Und verletzt ausgewechselt werden, wünscht man keinem Spieler. Doch mit der Einwechslung von Maximilian Mittelstädt nach 24 Minuten wurde wieder einmal deutlich, dass Herthas besserer Linksverteidiger die meiste Zeit in dieser Saison auf der Bank saß. Statistisch ist das sogar nachweisbar. Und weiterhin befinden wir uns bei einem Vergleich auf dieser Position bei Hertha BSC auf niedrigem Niveau, auch wenn Mittelstädt gegen die Kölner ein wirklich gutes Spiel zeigte.

Mittelstädt war praktisch mit der allerersten Szene mitten im Geschehen. Nachdem Sargis Adamyan Linton Maina in der 25. Minute auf die Reise geschickt hatte, fehlte nicht viel und der gebürtige Berliner – in diesem Fall ist Linton Maina gemeint – hätte den Ausgleich erzielt. Doch das nötige Zielwasser fehlte. Mittelstädt verpasste es, zusammen mit seinen Kollegen das Abseits aufzuheben und so hatte er keine Chance mehr entscheidend einzugreifen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Mittelstädt sammelte gegen die Kölner Top-Statistiken. 79 Prozent seiner Pässe kamen bei den Mitspielern an, stolze 92 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er. Zusätzlich beendete er fünf von sechs Dribblings erfolgreich. Dem gegenüber stehen trotzdem 13 Ballverluste und auch er hatte das ein oder andere Mal gegen die Kölner Offensive das Nachsehen. Seine Flankenqualität ließ oft zu wünschen übrig, doch manchmal war die gar nicht so wichtig. In der 77. Minute holte er mit seiner schwachen Flanke sogar noch einen Eckball heraus, etwas, was ihm in dem Spiel mehrmals gelang. Und am 2:0 hatte er mit einem Dribbling und einer Balleroberung entscheidenden Anteil.

Wie schon erwähnt, Das Linksverteidiger-Duell, welches seit vielen Jahren zwischen Mittelstädt und Plattenhardt besteht, befindet sich auf keinem hohen Niveau. Immer wieder wechselten sich die beiden ab, je nachdem wer sich gerade in einer besseren Phase befand. Zu Beginn dieser Saison sollte dieses Thema beendet werden, indem Marvin Plattenhardt zum Kapitän ernannt wurde.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Doch spielerische Argumente, in der Hierarchie vor Mittelstädt zu stehen, konnte er nicht liefern. Interessant wird die Lage im Winter werden. Beide Verträge laufen aus, um einen Abgang von Mittelstädt gibt es immer wieder Gerüchte und mit Lukas Ullrich steht ein heißbegehrtes Linksverteidiger-Talent in den Startlöchern.

Wilfried Kanga: Startelfambitionen untermauert

Auch im Sturm werden im Winter gewisse Entscheidungen getroffen werden müssen. Davie Selke steht vor dem Abschied und bis auf Dodi Lukebakio konnte sich in der Hinrunde kein Spieler als eiskalter Vollstrecker vor dem Tor herauskristallisieren. Umso besser, dass Wilfried Kanga sein Torekonto auf zwei aufstocken konnte. Der Ivorer stand nach seiner schwachen Torausbeute in den letzten Wochen immer mehr in die Kritik und wird sich nach der Winterpause weiter beweisen müssen, um Chancen für die Startelf zu bekommen. Gegen die Domstädter stand er bis zur 84. Minute auf dem Platz und seinen entscheidenden Beitrag leistete er bereits nach neun Minuten. Luca Kilian entwischend nickte er die wunderbare Flanke von Marvin Plattenhardt aus kurzer Distanz in die Maschen.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Er arbeitete, bemühte sich mit spielerischen Elementen am Offensivspiel teilzunehmen. Eine weitere große Chance eröffnete sich ihm in der 28. Minute. Die starke Vorlage von Lukebakio lenkte er Richtung Tor, doch landete lediglich am Außennetz. In der 69. Minute fand er in aussichtsreicher Position in Luca Kilian seinen Meister. Eine von verschiedenen Aktionen, in denen mehr drin gewesen wäre. Nicht nur in diesem Spiel. Die gesamte Saison schon. Doch auch Kanga war – anders als zuletzt – Teil der Mannschaft. 35 Aktionen hatte er am Ball, verteilte 22 Pässe, von denen 14 ankamen. 55 Prozent seiner Zweikämpfe gewann der Stürmer und defensiv klärte er sogar zwei Aktionen der Kölner. Wilfried Kanga untermauerte seine Startelfambitionen, doch es braucht weiter Zählbares vor dem Tor, um langfristig erster Stürmer von Hertha BSC zu bleiben.

Ivan Sunjic: Starkes Spiel und gute Alternative

Nachdem zuletzt Suat Serdar immer wieder den Vorzug vor den Kroaten bekommen hatte, aber selten etwas Zählbares erspielen konnte, stand gegen Köln Ivan Sunjic wieder einmal in der Startelf. Neben Lucas Tousart spielte er im zentralen Mittelfeld das gesamte Spiel durch. Vor allem defensiv wusste er immer wieder für Ruhe zu sorgen, aber auch offensiv hatte er seine Anteile am Spiel der Hertha.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

80 Prozent seiner Pässe waren erfolgreich. Sechs seiner acht Zweikämpfe entschied er für sich. Auch diese 75 Prozent sind eine wirklich starke Statistik für den Defensivspieler. Eine Aktion der Kölner klärte er im eigenen Strafraum, einen weiteren Schuss blockte er, sechs Tacklings entschied Sunjic für sich. Dem gegenüber stehen zwar sieben Ballverluste, doch insgesamt polierte er in diesem  Spiel seine Statistiken ordentlich auf. Offensiv wurde er nach 45 Minuten von Dodi Lukebakio in Szene gesetzt. Sein Torschuss wurde aber von Schwäbe stark gehalten, seinem nachfolgenden Kopfball konnte er nicht die nötige Kraft verleihen, um den Torhüter ein weiteres Mal herauszufordern.  Ein wirklich gutes Spiel von Ivan Sunjic, der damit auch den Konkurrenzkampf im zentralen Mittelfeld wieder ankurbelt.

Mit viel Glück für Ruhe gesorgt – Die Baustellen sind bekannt

Hertha konnte mit dem Sieg gegen den 1. FC Köln für etwas Ruhe sorgen und damit zumindest ohne Trübsal zu blasen in die Pause gehen. Das Spiel offenbarte allerdings auch, wie viel Glück die Mannschaft von Sandro Schwarz noch benötigt, um die Punkte mit nach Hause fahren zu können. Allein Sargis Adamyan hätte Hertha abschießen können, scheiterte letztendlich aber denkbar unglücklich an sich selbst und den anstrengenden vergangenen Wochen. Hertha hat auf vielen Mannschaftsteilen enorme qualitative Probleme, die im Winter besprochen und bearbeitet werden müssen. Die finanzielle Lage ermöglicht keine großen Handlungen auf dem Transfermarkt, auf Fredi Bobic und Sandro Schwarz kommt herausfordernde Arbeit zu. Die Saison könnte wieder einmal sehr lang werden, doch die Vorzeichen sind um einiges besser als noch vor einem Jahr. Während damals ein schwer gezeichneter Verein vorzufinden war, dessen gesamte Fanszene auch schwer zerrüttet war und die Lage dunkler und unterkühlter kaum sein konnte, ist dieses Mal der Verein geeint.

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

In und um den Verein herrscht trotz der schwierigen sportlichen Lage, eine seit Jahren nicht mehr so groß gelebte Einheit. Die Stimmung ist gut, über das Miteinander wird nicht nur gesprochen, es wird auch gelebt. Einen großen Anteil daran hat auch Präsident Kay Bernstein und damit Wunsch und Wohl der Fans. Im Übrigen eines der großen positiven Ereignisse dieses so verrückten Fußballjahres von Hertha BSC.

(Titelbild: Boris Streubel/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Mit Krampf ins Leid geschafft

Herthaner im Fokus: Mit Krampf ins Leid geschafft

Eine Frage: Welches dubiose und skrupellose Unternehmen bzw. Verband kam eigentlich auf die Idee eine Weltmeisterschaft in einen Schurkenstaat kurz vor Weihnachten zu vergeben? Diese miese Aktion, die insbesondere Menschenrechte und Menschenleben und auch die Fußballkultur mit Füßen tritt, sorgt ganz nebenbei dafür, dass die meisten Fußballer auf der Welt vollkommen überspielt sind, weil sie eine Englische Woche nach der nächsten spielen müssen, da sich jeder nationale Verband dieser Idee unterordnen musste. Die Folge von überspielten Spielern sind Unkonzentriertheit, Müdigkeit, Ungenauigkeiten, viel zu starke Übermotivation und ein enorm hohes Verletzungsrisiko. Jede noch so kleine Verletzung kann wenige Tage vor der WM, die ja nicht einmal eine ernsthafte Vorbereitung ermöglicht, das Ende der größten Träume eines Fußballers bedeuten. Allein im Spiel zwischen Hertha BSC und dem VfB Stuttgart, gab es Schreckmomente für drei Spieler. Während Herthas dänischer Torwart Oliver Christensen nach einem Sturz weiterspielen konnte und Herthas Kroate Ivan Sunjic fragwürdigerweise mit Turban nach einem Zusammenprall mit Stuttgarts Wataru Endo weiter auf dem Platz blieb, musste eben jener Japaner mit einer schweren Kopfverletzung und zwischenzeitlicher Ohnmacht vom Platz getragen werden und nun um seine WM-Teilnahme bangen. Wir wünschen schnelle und beste Genesung!

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Neben den bitteren Vorfällen wurde aber noch Bundesliga-Fußball gespielt. Die Hertha unterlag am 14. Spieltag in Stuttgart dem VfB in letzter Sekunde mit 1:2 und liegt nun mit 11 Punkten auf dem Relegationsplatz. Guirassys frühes Tor konnte noch in der ersten Halbzeit Lukebakio kontern, ehe Mavropanos den Ball in letzter Sekunde nach einer Ecke ins Netz köpfen konnte.

Sandro Schwarz ändert nichts

Beim Blick auf die Aufstellungen fiel direkt auf, dass Sandro Schwarz gegenüber dem Spiel gegen die Bayern auf Änderungen verzichtete.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Oliver Christensen, der einen Tag zuvor von Kasper Hjulmand in den dänischen WM-Kader berufen wurde, stand im Tor. Die Verteidigung bildeten, die sich als Stammverteidigung etablierten, Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Davor sollten im Zentrum Suat Serdar und Lucas Tousart schalten und walten. Auf den Außen Jean-Paul Boetius und Marco Richter. Im Sturm Davie Selke und Dodi Lukebakio. Das 4-3-3-System, welches Schwarz zu Beginn der Saison hatte einspielen wollen, scheint aktuell eher von einem 4-4-2-System abgelöst worden zu sein.

In unserer heutigen Analyse versuchen wir trotzdem Positives zu suchen. Wir schauen auf die Lichtblicke des Teams, müssen uns aber auch mit der erschreckend harmlosen Offensive auseinandersetzen, fehleranfälligen Verteidigern und wieder einmal stellt uns die Aufstellung unseres Kapitäns vor Fragen.

Jonjoe Kenny und Dodi Lukebakio: Aus Jovedil wird Joebakio

Vier Niederlagen in den letzten fünf Spielen. Auf dem Relegationsplatz angekommen. Die Hertha-Welt ist kurz vor der WM-Pause ganz dunkel. Doch an irgendwelchen Kleinigkeiten muss man sich festhalten und wenn es nur einzelne Aktionen sind. Letzte Saison waren die wenigen Lichtblicke das phasenweise tolle Zusammenspiel zwischen Stevan Jovetic und Ishak Belfodil, was dem Duo den liebenswürdigen Kosenamen „Jovedil“ durch die Fans ermöglichte. In den letzten Wochen fiel bei Hertha immer wieder auf, dass auf der linken Seite herzlich wenig zusammenläuft. Umso besser, dass die rechte Seite zumindest einigermaßen Leistung zeigt. Sommerneuzugang Jonjoe Kenny und Sozusagen-Neuzugang Dodi Lukebakio scheinen sich nach Anfangsschwierigkeiten endlich gefunden zu haben. Sie sind neben Herthas starken Keeper Oliver Christensen (fünf Paraden) die beiden einzigen Spieler, denen es regelmäßig gelingt, Leistung zu zeigen. Am Samstag machte es Kenny schon Sadio Mané und Kingsley Coman das Leben schwer, gegen den VfB Stuttgart glänzte er auch endlich als Vorlagengeber. Dodi Lukebakio drückte seine perfekte Halbfeldflanke in die Maschen. Das gute Miteinander des Rechtsverteidigers und Herthas diesjährigen Top-Torjägers ist einer der Lichtblicke dieser Bundesliga-Hinrunde. Vielleicht kann man ja bei entsprechendem Mannschaftserfolg mal über einen neuen liebevollen Namen sprechen. “Joebakio” zum Beispiel?

Doch wie gesagt, mehr als ein paar Lichtblicke waren das auch nicht. Das zeigen auch die Zahlen der beiden. Dodi Lukebakio war zwar wie üblich motiviert und zunächst auch gefährlich für die Verteidigung des VfBs. Nach etwa acht Sekunden war Hertha drauf und dran eines der frühesten Bundesligatore aller Zeiten zu erzielen. Doch Lukebakios entscheidender Pass in die Spitze wurde von Stuttgarts an diesem Tag hervorragend spielenden Mavropanos abgefangen. Besser machten es er und Jonjoe Kenny in der 19. Minute.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Ansonsten konnte Lukebakio kaum zählbare Momente erzeugen. Nur ein Dribbling von sechs Versuchen beendete er erfolgreich. 50 Mal war der Belgier, der auch noch auf eine WM-Nominierung hofft, am Ball. In 13 Zweikämpfe ging er, von denen er allerdings nur fünf für sich entscheiden konnte. 20 Ballverluste musste er hinnehmen, Lukebakios Durchsetzungskraft war in der Vergangenheit schon deutlich besser. Zusätzlich wurde er aber auch dreimal recht übel gefoult und war immer wieder unter den Stuttgarter Fittichen, die ihm kaum Möglichkeiten zur Entfaltung gaben. Herthas einziger sich in Form befindender Offensivspieler ist dementsprechend auch eigentlich Herthas einzige Waffe. Wird er kaltgestellt, wird es mit der Offensive der Berliner problematisch.

Jonjoe Kenny, der ebenfalls wieder 90 Minuten auf dem Platz ackerte, hatte gegen die Stuttgarter Offensive einiges zu tun. Er konnte eine Aktion klären, blockte einen weiteren Schuss, fing zwei Bälle ab, entschied zwei Tacklings für sich. Doch seine Schwächen, die altbekannt sind, wurden gegen den VfB schnell wieder deutlich.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

70 Mal war er am Ball, einer der Höchstwerte bei Hertha. Doch dem gegenüber stehen auch 20 Ballverluste und 15 Fehlpässe. Ein Grund, weshalb Hertha kaum in der Lage war, einen Spielzug aufzubauen. Immerhin entschied er von seinen fünf Zweikämpfen drei für sich. Doch oft fehlen dem Briten die letzten Prozent Kreativität und Qualität im Passspiel. Doch auf der Habenseite Kennys steht seine Motivation und Leidenschaft. Dinge, die im Abstiegskampf noch wichtig werden können, schließlich geht es nur um dieses Thema in dieser Saison.

Marco Richter: Mehr Frust als Leistung

Marco Richters auffälligste Aktion war in der 34. Minute zu sehen, als er Konstantinos Mavropanos an der Seitenlinie anging und dafür die gelbe Karte sah. Den komischen Zwist mit dem Griechen schloss sich immer wieder auch Davie Selke an, wobei man nicht so ganz erkennen konnte, wer dort die angreifende und wer die schlichtende Rolle einnahm. Eben die klassischen Frotzeleien im Abstiegskampf, wenn man spielerisch stark limitiert ist.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Sportlich hing Marco Richter in der Luft. Seit Wochen ist er außer Form und kann in keiner Weise das leisten, was Hertha in der aktuellen Situation benötigt. Gegen den VfB war Richter 24 Mal im Ballbesitz. Seine Passquote von 87 Prozent lässt sich zwar sehen, als Offensivspieler nur zwei von 15 Pässen fehlzuleiten, ist stark. Doch auch bei ihm mangelt es an Kreativität und vor allem Qualität. Nur zwei seiner sechs Zweikämpfe entschied er für sich. Nur einmal versuchte sich Richter an einem Dribbling, was letztendlich auch nicht in Erfolg umgemünzt werden konnte. Zusätzlich leistete sich Richter sieben Ballverluste.

Dass Richter aktuell in fast jedem Spiel in der Luft hängt und sich immer mehr wieder in Frustaktionen verstrickt, ist nicht seine alleinige Schuld. Das Offensivspiel der Hertha ähnelte nämlich zu großen Teilen dem Derby am ersten Spieltag. Auch dort war die Offensive praktisch kein Teil des Teams. Damals lag das an denselben Gründen, wie plötzlich jetzt auch wieder. Fehlende spielerische Klasse. Zwischen Angriff und Mittelfeld fehlt ein Bindeglied. Eigentlich ein Teil der Basics, die man mittlerweile trainiert haben müsste.

Davie Selke und Marvin Plattenhardt: Alibi-Fußball unter Bundesliga-Niveau

Sie mögen sympathische Persönlichkeiten sein, aber fußballerisch sind sie in keiner Weise auf einem geeigneten Niveau, um Hertha BSC in der aktuellen Situation zu helfen. Das zeigte der Auftritt in Stuttgart einmal mehr. Beide hatten einen Auftritt, den man genauso schon etliche Male gesehen hat. Während Davie Selke manchmal an eine Art schreckliches Abbild von Cristiano Ronaldo erinnert, leider aber nicht im sportlichen Sinne, sondern im nörgelnden und lamentierenden Bereich, vergisst man in feiner Regelmäßigkeit, dass Marvin Plattenhardt überhaupt auf dem Platz steht.

Davie Selke hatte eine Kopfballchance nach 38 Minuten. Viel mehr steht nicht auf der Habenseite des Stürmers. Die meiste Zeit war er beschäftigt mit Scharmützeln mit Waldemar Anton, Konstantinos Mavropanos oder dem Schiedsrichtergespann. Nebenbei war er in seinen 61 Minuten Spielzeit noch 13 Mal im Ballbesitz und brachte immerhin vier von seinen sechs Pässen an den Mann. Er gewann vier seiner zehn Zweikämpfe, verlor aber dem gegenüberstehend auch fünf Bälle. Wie Marco Richter litt Davie Selke unter dem nicht vorhandenen Aufbauspiel. Kaum ein Ball kam in eine für ihn aussichtsreiche Position, genauso muss er aber auch an seinen Laufwegen arbeiten. Zu oft zieht es ihn eher Richtung Außenpositionen, wo er noch weniger Einfluss auf das Spiel hat und oftmals nicht einmal die Bälle ankommen.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Im Winter muss und wird Hertha in Person von Fredi Bobic sicherlich handeln. Möchte man den Gerüchten glauben, steht Selke ein halbes Jahr vor Vertragsende zum Verkauf. Sowohl für Hertha, als auch für ihn, wäre es eine sportliche Befreiung. Hertha braucht einen abschluss- und spielstarken Stürmer. Davie Selke schon lange nicht mehr und Wilfried Kanga noch nicht scheinen diese Rolle verkörpern zu können.

Sandro Schwarz dürfte eigentlich keine Argumente mehr auf seiner Seite haben, Marvin Plattenhardt weiterhin Chance um Chance als Linksverteidiger zu geben. Plattenhardt ist wie der Schüler, der bei den Lehrern noch immer einen Stein im Brett hat, weil er vor Jahren mal einer der Klassenbesten war. Ausgeruht auf alten Leistungen, hat er mehr oder weniger alle seine Stärken mittlerweile verloren. Und dabei war Marvin Plattenhardts Leistung gegen die Stuttgarter nicht einmal seine persönlich schlechteste in dieser Saison. Bis zum bitteren Ende war er auf dem Platz zu sehen, klärte zwei Aktionen, konnte zwei Tacklings für sich entscheiden und auch einen Ball abfangen. Aber das war es auch schon.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

14 Mal verlor der Kapitän den Ball und hatte enorme Probleme mit Stuttgarts pfeilschnellen Außenstürmer Silas. Nur drei seiner neun Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden. Auf Sicherheitsbälle bedacht konnte er immerhin 18 seiner 22 Pässe bei den Mitspielern unterbringen. Als Kapitän und als Defensivspieler sowieso, sollte man zumindest kommunikativ auf der Höhe sein. Beim 0:1 nach nur drei Minuten war Plattenhardt in einem Raum auf dem Feld, der jenseits von Gut und Böse war. Seine Position auf der linken Seite hatte er schon lange verlassen, um wie eine Art Innenverteidiger in dieser Situation zu agieren. Stuttgarts Guirassy lief Marc-Oliver Kempf im Rücken und Marvin Plattenhardt allgemein davon und schloss eiskalt ab. Plattenhardt konnte aufgrund seiner Tempodefizite nichts ausrichten, gleichzeitig Kempf aber auch in keiner Weise kommunikativ instruieren. Es ist zum Verzweifeln. Auch auf dieser Position wäre ein Personalwechsel im Winter dringend von Nöten.

Agustin Rogel: Krasses Leistungstief zur Unzeit

Der Uruguayer hatte in den letzten Wochen durch seine rustikale, körperliche Spielweise auf sich aufmerksam gemacht und sich als Partner von Marc-Oliver Kempf in der Innenverteidigung etabliert. Doch in den letzten Wochen befindet sich auch Agustin Rogel in einem Formtief, welches nicht nur zur Unzeit kommt, sondern auch für viele gefährliche Situationen vor dem Tor der Hertha sorgt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Abgefälschte Bälle, Querschläger und unnötige Eckbälle reihen sich in seinem Spiel immer mehr an. Er konnte keinen Zweikampf für sich entscheiden. Immerhin sorgte er mit sieben Klärungsaktionen öfter für Ruhe im Berliner Strafraum. 66 Mal war er am Ball, zehn Mal verlor er diesen. Auch er versuchte im lahmenden Aufbauspiel der Hertha Sicherheit auszustrahlen. Viel mehr als defensive Zuspiele gelangen ihm allerdings nicht. 49 seiner 59 Pässe kamen bei den Mitspielern an, offensiv hatte er keine nennenswerten Momente. Schwach wie seine gesamte Vorstellung war dann sein Zweikampfverhalten in der letzten Aktion, als er Mavropanos nicht am Kopfball hindern konnte. Die Schwächephase von Rogel passt leider zur Gesamtsituation. Aktuell gelingt es ihm nicht seinen massigen Körper einzusetzen und der Abwehr die nötige Stabilität zu geben. Vielleicht hilft ihm die Winterpause zu alter Stärke zurückzufinden, wobei auch seine WM-Ambitionen noch vorhanden sein dürften.

Chidera Ejuke: Mit dem Kopf durch die Wand

Ab der 61. Minute ersetzte der Nigerianer Marco Richter. Im Gegensatz zum ehemaligen deutschen Juniorennationalspieler konnte er zumindest für etwas Wind und Druck sorgen. Doch immer wieder fehlt Chidera Ejuke die Übersicht und es wirkt wie das berühmte Agieren mit dem Kopf durch die Wand. Exemplarisch dafür die 84. Minute, als er nach einem üblen Fehlpass von Stuttgarts Torhüter Müller in Abschlussposition kam. Nach einem Dribbling, dem es aber schon an Tempo fehlte und immer mehr in symbolischer Kopflosigkeit mündete, ging sein Schuss aus zentraler und aussichtsreicher Position über das Tor.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ihm fehlt nicht nur die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, sondern auch der Blick für seine Mitspieler. Nicht nur Wilfried Kanga wäre in diesem Moment in einer besseren Abschlussposition gewesen. Es sollte das einzige erfolgreiche Dribbling Ejukes bleiben. Insgesamt versuchte er sich an vier Stück. Die weiteren drei verpufften wirkungslos. 19 Ballaktionen stehen zudem sechs Ballverluste gegenüber. Trotz fehlender Übersicht könnte er vielleicht sogar wieder ein wenig vor Richter stehen. Allerdings ist auch diese Form des Konkurrenzkampfes auf erschreckend niedrigem Niveau.

Willkommen im Abstiegskampf

Wer die Situation noch nicht verstanden hat, der ist wohl fehl am Platz. Hertha steckt im tiefen Abstiegskampf, die Konkurrenz punktet und eigene Punkte sammelt man vergeblich. Das Spiel gegen die Stuttgarter ähnelte in vielerlei Hinsicht dem Spiel gegen den FC Schalke 04, als man mit Glück noch drei Punkte sammeln konnte. Nun fehlte Hertha das Glück und wie schon in Bremen kassiert man einen späten Nackenschlag. All das hat nichts mit Glück und Pech zu tun. Es ist die eiskalte und harte Realität, dass auch dieser Kader nicht das Niveau hat, um mehr als die aktuelle Platzierung zu ermöglichen. Diese Saison wird lang und endet schmerzhaft, wenn sich die Beteiligten und Verantwortlichen nicht im Winter ernsthaft zusammensetzen und ehrlich ihre Arbeit bewerten.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Sandro Schwarz muss erklären, was er mit seinen verschiedenen Systemen bewirken möchte, weshalb Marvin Plattenhardt Kapitän und Stammspieler ist, Fredi Bobic muss seine Transferpolitik einmal mehr hinterfragen und Spieler wie Davie Selke, sollten sich Gedanken machen, inwiefern man dem Team helfen kann. Es wird ein stürmischer Winter und eine brutale Saison, wenn sich nicht ganz schnell etwas bewegt. Ein Spiel vor der WM steht noch an. Müde und überspielte Kölner. Eigentlich auch ein Pflichtsieg, wenn man konkurrenzfähig bleiben möchte.

(Titelbild: Alex Grimm/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Ernüchterung in Bremen

Herthaner im Fokus: Ernüchterung in Bremen

Nach der Party folgt der Kater. So auch geschehen am Freitag bei Hertha BSC. Nachdem die „Alte Dame“ einige Tage zuvor noch im Olympiastadion den FC Schalke 04 niederringen konnte, die Stimmung im und um den Verein wohl kaum besser sein konnte, folgte am Freitag in Bremen die große Ernüchterung. Ein Spiel, ähnlich wie gegen Gelsenkirchen, was auch ein Remis verdient gehabt hätte. Doch es sollte das Gegenteil zum späten Sieg in Berlin eintreffen. Gegen die Bremer kassierte man kurz vor Schluss das entscheidende Gegentor durch Niclas Füllkrug. Immerhin sollten die Mannschaft in Bremen über 4000 mitgereiste Hertha-Fans unterstützen. Und das nicht ohne Probleme beim Einlass.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Sandro Schwarz wechselt einmal

Im Vergleich zum Schalke-Spiel entschied sich Trainer Sandro Schwarz lediglich für einen Wechsel in der Startelf. Chidera Ejuke machte auf der linken Außenbahn Platz für Marco Richter. Ein Wechsel, den Schwarz bereits zur Halbzeit im vorangegangenen Spiel vollzogen hatte. Das 4-2-3-1-System blieb bestehen. Ansonsten vertraute Schwarz auf sein mittlerweile eingespieltes Defensivgerüst. Im Tor Oliver Christensen, die Verteidigung bildeten Kapitän Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Im zentralen Mittelfeld agierten Suat Serdar und Lucas Tousart. Auf der rechten Seite spielte Dodi Lukebakio und den Sturm bildeten Stevan Jovetic als hängende Spitze, mit Kontakt zum Mittelfeld und Wilfried Kanga als klarer Neuner.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf einen Fels in der Brandung, ein belebendes Element im Mittelfeld und die zahlreichen Sorgenkinder der Mannschaft. Manch einer ist schon bekannt, andere drohen es zu werden.

Agustin Rogel: Der Fels in der Brandung

Eigentlich kaum zu glauben, dass ausgerechnet Niclas Füllkrug in der 85. Minute der Lucky Punch gelingen sollte. Doch Tüchtigkeit ist des Bremer Glücks und das ist in dieser Saison bei den Werderanern gerade in den Schlussminuten in großer Zahl vorhanden. Der Stürmer hatte während des gesamten Spiels enorme Schwierigkeiten überhaupt richtig teilhaben zu können. Agustin Rogel machte ihn das Leben enorm schwer. Am Ende gewann Füllkrug nur 27 Prozent seiner Zweikämpfe. Rogel konnte bei der Aktion vor dem Gegentor leider herzlich wenig ausrichten.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Insgesamt war der Uruguayer 43 Mal am Ball und verteilte diesen fleißig, wie auch zuletzt in seinem Spiel. 78 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, auch wieder dank seines sicheren und ruhigen Aufbauspiels mit Marc-Oliver Kempf. Zu seinen 30 erfolgreichen Pässen, gesellen sich noch sechs von zehn erfolgreiche lange Bälle, auch er hatte einen gewissen Anteil beim Antrieb der Offensive. Seine eigene Zweikampfquote von nur 40 Prozent siegreicher Aktionen lässt sich zwar nicht unbedingt sehen, doch sein Stellungspiel und seine allgemeine körperliche Robustheit machten es der Bremer Offensive allgemein sehr schwer. Rogel begeistert, auch wenn er immer wieder sehr stark ins Risiko geht, gerne mal den ein oder anderen Ball gefährlich abfälscht und noch nicht alles funktioniert. Aber erinnern wir uns an die Anfangszeit in Berlin von Kempf, der dieselben Attribute verkörperte und mittlerweile der Abwehrchef ist. Agustin Rogel ist auf dem besten Wege es ihm gleich zu tun.

Jean-Paul Boetius: Ein belebendes Element

Nicht nur ein gebrauchter Tag für Hertha, auch einer für Stevan Jovetic. Der Montenegriner musste nach 32 Minuten verletzungsbedingt das Spielfeld verlassen. Hoffen wir, dass er schnell fit wird. Sein Ersatz, Jean-Paul Boetius, durfte nach seiner Rückkehr seinen zweiten Einsatz feiern. Und direkt über eine Stunde lang. Und er wusste mit guten Leistungen aufzufallen. Als belebendes Element hielt er die Zügel des Hertha-Spiels im offensiven Mittelefeld. 41 Mal war der Niederländer am Ball und sammelte starke Statistiken. 21 von 25 Pässen kamen erfolgreich bei seinen Mitspielern an, 77 Prozent seiner Zweikämpfe entschied er für sich. Eine tolle Quote für einen Offensivspieler.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Voll mit frischem Selbstbewusstsein setzte er zu drei Dribblings an, von denen er zwei erfolgreich beendete. Immer wieder versuchte er seine Mitspieler in Szene zu setzen. Zwei Torschüsse bereitete er vor. Einen davon in der 79. Minute. Doch Ejuke schloss die vielversprechende Möglichkeit überhastet ab. Seine Gefahr für die Bremer Defensive zeigt sich auch in weiteren Zahlen. Am Ende des Spiels wurde Boetius fünfmal gefoult. Insgesamt ist Boetius ein Spieler, der das Offensiv- und Kreativspiel der Hertha ordentlich ankurbeln kann. Für die nächsten Spiele könnte er auf jeden Fall zu einen Kandidaten für die Startelf werden.

Marvin Plattenhardt: Eine Pause täte ihm gut

Eines vorweg: Unsere Kritik an Marvin Plattenhardt, die wir leider mittlerweile fast wöchentlich äußern, gilt ausschließlich dem Fußballer Marvin Plattenhardt und dessen Leistungen als Kapitän und Linksverteidiger von Hertha BSC. Unsere Kritik ist niemals persönlich zu werten. Bekanntlich ist Platte privat ein sehr sympathischer Typ, wenn man sich beispielsweise Interviews auf Hertha TV anschaut. Aber aktuell ist die Position Plattenhardts eine der problematischsten im Kader von Hertha BSC.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Marvin Plattenhardt ist seit Wochen vollkommen außer Form und bringt der Mannschaft kaum Verstärkung. Ihm gelingt es nicht offensiv auf das Spiel einzuwirken und auch defensiv brennt es auf der linken Seite von Hertha immer wieder lichterloh. 63 Mal war der Kapitän im Ballbesitz, spielte 21 erfolgreiche Pässe, am Ende nur 57 Prozent. Wieder alarmierend war die Zahl seiner Ballverluste. 22 Stück waren es wieder. Defensiv konnte er immerhin mit vier Klärungsaktionen glänzen, doch es gibt zu große Spielabschnitte, in denen der 30-Jährige vollkommen untergeht. Ihm zugestehen muss man, dass es im Team allgemein auf der linken Seite krankt. Auch Chidera Ejuke und Marco Richter suchen nach ihrer Form, während Jonjoe Kenny und Dodi Lukebakio mittlerweile ein eingespieltes Team auf der rechten Seite sind, die auch mit Leistung vorangehen. Mittlerweile schafft es Plattenhardt in keiner Weise mehr, seine Stärken ins Spiel einfließen zu lassen. Praktisch keine seiner Flanken bringt ernsthafte Gefahr oder stellt die gegnerische Abwehr wirklich vor Probleme. Insbesondere in der ersten Halbzeit wurde jeder seiner Versuche mühelos geklärt.

Marvin Plattenhardt täte etwas Ruhe gut. Eine Pause, weniger Verantwortung, die ihn aufzufressen scheint. Weiterhin gibt es mit Maximilian Mittelstädt einen bundesligatauglichen Linksverteidiger im Team. Umso dramatischer, dass in den letzten Tagen Gerüchte um einen möglichen Mittelstädt-Abgang im Winter aufgekommen sind.

Marco Richter und Chidera Ejuke: Überspielt und übermotiviert

Mit Marco Richter und Chidera Ejuke hat Hertha BSC zwei Offensivakteure auf der linken Seite, die eigentlich mit enormen Talent ausgestattet sind, dieses aber aktuell kaum ummünzen können, in brauchbare Leistungen. Die beiden wirken zunehmen überspielt und in gewisser Weise auch übermotiviert. Ihre Aktionen wirken meist überhastet und bringen dem Team kaum Mehrwert. Während Richter noch eine recht passable erste Halbzeit spielte und sich immer wieder in der Offensive einschalten konnte, baute er in der zweiten Hälfte des Spiels schnell und deutlich ab. Er versuchte sich mit zwei Abschlüssen selbst. Direkt in der 2. Minute landete ein Schuss von ihm am Außennetz.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Auch ein Beispiel für den überhasteten Abschluss und das fehlende Auge für die Situation. Immerhin konnte Richter in seinen 72 Minuten 14 von 15 erfolgreiche Pässe spielen, doch für viel Gefahr sorgten seine Zuspiele nicht. Er gewann nur drei seiner acht Zweikämpfe. Am Ende musste er Chidera Ejuke Platz machen, der ebenfalls seit einigen Spielen außer Form ist. Nach 12 Spieltagen muss man generell konstatieren, dass der statistische Einfluss Ejukes auf das Spiel der Mannschaft zu wünschen übrig lässt. Lediglich drei Vorlagen gelangen dem Nigerianer in 12 Einsätzen. Sein Tempo ist seine große Stärke, doch zu oft fehlt ihm das Auge für die Mitspieler. Gegen Bremen war er 14 Mal am Ball, verlor diesen aber auch vier Mal wieder.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Ein erfolgreiches Dribbling konnte er für sich verzeichnen, ein weiteres misslang. Seine große Chance nach 79 Minuten zeigte, wie überspielt er ist und wie wenig Ruhe aktuell in ihm steckt. Marco Richter und Chidera Ejuke tun sich aktuell extrem schwer und sind ein Symptom von Herthas Inkonstanz in den letzten Wochen. Die Folge ist, dass Herthas Offensivspiel zu berechenbar ist und schließlich kann auch nicht jeder Angriff über Dodi Lukebakio laufen.

Wilfried Kanga und Davie Selke: Das Stürmerproblem

Weitere Sorgenkinder sind Wilfried Kanga und Davie Selke. Hertha droht ein Stürmerproblem, sollten nicht schnellstmöglich die Knoten der beiden endgültig platzen. Auf das erste Tor Kangas gegen Schalke folgte eine extrem dünne Vorstellung in Bremen. Seine Bemühungen kann man ihm nicht absprechen, doch sein Einfluss auf das Spiel der Hertha ist verschwindend gering, sobald er es mit einer einigermaßen eingespielten Verteidigung zu tun bekommt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In seinen 72 Minuten Spielzeit gewann der Ivorer nur einen seiner neun Zweikämpfe, verlor fünf Mal den Ball in teilweise aussichtsreichen Positionen und konnte auch durch individuelle Dribblings nichts ausrichten. Seine größte und einzige Möglichkeit hatte er in der 49. Minute, als er am Tor vorbeischoss.

Dass aus Davie Selke kein eiskalter Torjäger mehr wird, damit haben sich die Berliner mittlerweile abgefunden. Doch auch als Joker bringt Selke praktisch nichts mehr mit, was dem Offensivspiel guttut.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Er konnte sich in seinen knapp 20 Minuten Spielzeit nicht eine einzige Torchance erarbeiten, genauso wenig konnte er seine Mitspieler in Szene setzen. Ballverluste, Sicherheitspässe und viele Alibiläufe, das ist Davie Selke. Die Geduld der Verantwortlichen in Berlin dürfte am Ende sein. Zumindest empfiehlt sich Selke in keiner Weise mit Leistung für einen neuen Vertrag.

Die Lage ist brandgefährlich

Das positivste im Verein ist die Stimmung. Die Ruhe, das Verhältnis zwischen Verein und Fans und dass es weiterhin keinen üblen Zerfall der Mannschaft gibt, bei Gegentoren. Doch die Lage ist brandgefährlich und auch Sandro Schwarz und Fredi Bobic müssen sich Kritik stellen.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Wie letztes Jahr steht Hertha auf dem 14. Platz in der Tabelle. Letztes Jahr hatte man sogar zwei Punkte mehr auf dem Konto, das Torverhältnis war allerdings um einiges schlechter. Zusätzlich gab es vergleichbare Spiele, die in letzter Minute verspielt wurden oder Siege gegen direkte Konkurrenten im Keller. Ein Spiel später wurde Pal Dardai übrigens entlassen und Tayfun Korkut kam. Nach 15 Spieltagen (dieses Jahr der Break vor der WM) hatte Hertha 18 Punkte auf dem Konto. Eine Statistik, die schwer zu erreichen ist in diesem Jahr.

Und auch wenn die Stimmung anders, ja wesentlich besser ist, sollte man sich davon in keiner Weise blenden lassen. Hertha ist im tiefen Abstiegskampf und wird dort, wenn man keine Siegesserie starten kann, bis zum Ende der Saison bleiben. So lange alle im und um den Verein aber zusammenhalten und alles daran setzen, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen und in dieser brenzligen Situation wach bleiben und nichts über- oder unterschätzen, ist die Saison händelbarer als die letzte.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

 

Herthaner im Fokus: Ein dreckiger Sieg für die Moral

Herthaner im Fokus: Ein dreckiger Sieg für die Moral

Tränen flossen bei Präsident Kay Bernstein, über 60.000 Fans verfolgten am Sonntagabend das Spiel von Hertha BSC und am Ende ließ sich die Mannschaft feiern, wie eigentlich seit Jahren nicht mehr. Dass es sich dabei lediglich um einen Sieg gegen den Tabellenletzten am 11. Spieltag handelte, kann man sich ob der vorangegangen Tatsachen eigentlich kaum vorstellen. Doch es war der erste Heimsieg der Hertha seit April, als man gegen den VfB Stuttgart in der letzten Saison eigentlich kurz vor dem Klassenerhalt stand. Der Rest ist bekannt. Gegen den FC Schalke 04 spielte Hertha eines der schlechtesten Spiele der Saison. Doch Arbeit und ein wenig Glück zahlten sich am Ende aus und brachten Hertha BSC zum zweiten Mal in dieser Saison drei Punkte ein.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Sandro Schwarz setzt auf den Doppelsturm

Hertha-Trainer Sandro Schwarz stellte seine Mannschaft im Vergleich zur knappen Niederlage in Leipzig offensiv ein wenig um. Im 4-4-2 spielten Stevan Jovetic und der in die Startelf zurückgekehrte Wilfried Kanga im Doppelsturm. Ließ sich der Montenegriner ins offensive Mittelfeld fallen, entwickelte sich das Hertha-Spiel in ein 4-2-3-1-System. Im Tor stand wie üblich Oliver Christensen, auch in der Verteidigung sah sich Schwarz nicht gezwungen etwas zu ändern. Marvin Plattenhardt auf links, Marc-Oliver Kempf und Agustin Rogel in der Innenverteidigung und Jonjoe Kenny auf der rechten Seite, bildeten diese. Für die Rückkehr Kangas musste Ivan Sunjic im defensiven Mittelfeld weichen. Der Kroate musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Lucas Tousart und Suat Serdar bildeten das zentrale Mittelfeld. Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio sollten den Angriff über die Außen unterstützen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Mit geballter Offensivpower ins Spiel gegen ein FC Schalke 04, welches als direkter Konkurrent tief im Keller steckt, unter der Woche im Pokal in Hoffenheim unter die Räder kam, nun aber auf den ominösen Trainer-Effekt hoffen durfte, nachdem Frank Kramer die Koffer packen musste und Matthias Kreutzer als Interimstrainer installiert wurde.

In unserer Analyse schauen wir auf arbeitende Spieler, einen Mr. Alibi, ein neues solides Innenverteidiger-Duo, ein laufendes, körperliches Wunder und die Torschützen.

Dodi Lukebakio: Arbeit ohne Ertrag

Die bisherige Saison war die Spielzeit des Dodi Lukebakios. Seit seiner Rückkehr aus Wolfsburg zeigt sich der Belgier wie ausgewechselt, sprüht vor Spielfreude und ist mit fünf Treffern aktuell Herthas Top-Torjäger. Auch ein Verdienst der ganzen Mannschaft. Zum Vergleich, letzte Saison war Stevan Jovetic am Ende der Spielzeit mit sechs Treffern Herthas Top-Torschütze. Doch so gut die Saison Lukebakios war, so unglücklich und etwas überspielt wirkend, war seine Vorstellung gegen den FC Schalke 04. Und dabei ist trotzdem zu betonen, dass es keinesfalls ein schlechtes oder gar lustloses Spiel vom Wirbelwind war, wie man es in der Vergangenheit öfter mit ansehen musste. Er spielte fast über die volle Distanz, eher er in den Schlussminuten für Marton Dardai ausgewechselt wurde. Beim Zeitschinden bettelte er förmlich um die gelbe Karte, die aber keine weiteren Konsequenzen hatte.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Insgesamt war Lukebakio an 50 Aktionen beteiligt. Immer wieder suchten seine Mitspieler ihn und im Vergleich zum deutlich blasseren Chidera Ejuke auf der anderen Seite, konnte er sich zumindest ansatzweise immer wieder ins Angriffsspiel einschalten. 22 seiner 31 Pässe fanden die Mitspieler, immerhin 71 Prozent. Drei Torchancen bereitete er vor. In der 5. Minute setzte er Wilfried Kanga im Strafraum in Szene. Dieser scheiterte jedoch aus kurzer Entfernung und spitzem Winkel an Alexander Schwolow im Tor. In der 26. Minute setzte sich Lukebakio gegen die Schalker Verteidigung sehenswert durch. Sein Zuspiel konnte Stevan Jovetic im Sturmzentrum allerdings nicht verwerten. Auch Marco Richter konnte nach Lukebakios Zuspiel in der 70. Minute unter Bedrängnis stehend den Ball nur am Tor vorbeischießen.

Doch beim Blick auf die weiteren Zahlen fällt das Problem auf, welches Lukebakio am Sonntagabend hatte. Er gewann nur vier seiner elf Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten sich gegen die aggressiven Schalker Verteidiger durchzusetzen und musste 19 Ballverluste hinnehmen. Oftmals fehlte ihm das Tempo, welches die Gegner durch geschicktes Zustellen verhindern konnten. Konnte er sein Tempo nutzen, fehlten allerdings auch schnell die Konzentration und die Präzision im Passspiel, wie in der 80. Minute, als sein Konter zum vorentscheidenden 2:0 hätte verwandelt werden müssen.

Es war nicht das beste Spiel Lukebakios, wenn auch kein schlechtes. Aber die Mannschaft scheint Fortschritte gemacht zu haben. Man ist nicht mehr gänzlich von den individuellen Leistungen einzelner Spieler abhängig, sondern weiß gemeinsam Lösungen zu finden. Dennoch, ein gut gelaunter Lukebakio in Topform hilft jeder Mannschaft enorm weiter.

Marvin Plattenhardt: Mr. Alibi

Über die vollen 90 Minuten plus Nachspielzeit war Marvin Plattenhardt gegen den FC Schalke 04 als Linksverteidiger und vor allem Hertha-Kapitän dabei. Und irgendwie auch nicht. Hätte er auf dem Spielberichtsbogen gefehlt, hätte das womöglich keinen großen Unterschied gemacht. Viel zu sehen gab es bei dem Auftritt von Plattenhardt nicht. Er war zwar 64 Mal im Ballbesitz, spielte 24 von 33 Pässe erfolgreich, aber konnte nicht wirklich etwas zum Spiel der Hertha beitragen. Offensiv setzte er keine Akzente, seine etlichen Halbfeldflanken gingen durchgehend ins Lehre oder wurden von der Schalker Verteidigung frühzeitig abgefangen. Seine Standards konnten keine Gefahr ausrichten und war etwas mehr Wiese vor ihm, versuchte er erst gar nicht mal einen Angriff über die Außen zu starten.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Er gewann nur vier seiner neun Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten mit der Verteidigung der – mit Verlaub – für Bundesligaverhältnisse höchstens durchschnittlichen Schalker Offensivspieler und ließ wieder zu viele Flanken zu. Es war alles mehr Alibi, als ernsthafte Hilfe für das Team. Ein Kapitän muss mitreißen können und seine Mitspieler trotz späten Gegentors weiter pushen. Diese Aufgabe übernahmen andere wie Lucas Tousart. Ein Kapitän sollte genauso die Situation und Emotionen nach dem Spiel lesen können und sich nicht in einem langweiligen Interview nach dem Spiel verlieren, was mehr wie die Einordnung eines unwichtigen Unentschiedens wirkte. Plattenhardt fehlt so viel um ein starker Kapitän zu sein. Genauso fehlt ihm viel um ein guter Linksverteidiger zu sein. Der Ersatz, Maximilian Mittelstädt, stünde bereit und hat schon lange mehr Chancen verdient.

Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf: Solide Innenverteidigung

Bekanntlich gab es bei Hertha BSC in den letzten Jahren viele Duos oder Trios in der Innenverteidigung, die oftmals eine Baustelle war. Aktuell scheint sich ein recht solides Pärchen gefunden zu haben. Auch wenn Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf zu Beginn der Partie gegen die Königsblauen Schwierigkeiten hatten, spielten sie sich zunehmend ein und strahlten im Laufe des Spiels immer mehr Sicherheit aus. Beide spielten am Ende durch.

Agustin Rogels wichtigste Aktion war wohl in der 78. Minute, als er im Strafraum zu einer risikoreichen Monstergrätsche gegen Schalkes Kenan Karaman ansetzte und diese auch erfolgreich durchführte. Allgemein weiß er mit seiner enormen körperlichen Präsenz zu gefallen. Insgesamt war er 72 Mal im Ballbesetzt, spielte 57 Pässe, von denen 44 bei seinen Mitspielern ankamen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Viele Aktionen fanden dabei in der eigenen Verteidigung statt. Die waren meist clever und sinnvoll getimt, um der Mannschaft gegen eine aggressive Schalker Truppe Ruhe zu geben. Zweimal musste Rogel den Angriff des Gegners mit Fouls unterbinden. Für seinen Schubser gegen Marius Bülter wurde er in der 81. Minute mit gelb verwarnt. Rogel wirkt wie der säubernde LKW neben Abwehrchef Kempf. Insgesamt klärte er fünf Aktionen, lief drei Bälle von den Gegnern ab und setzte zwei erfolgreiche Tacklings.

Marc Oliver Kempf bemühte sich viel, beackerte seine Gegenspieler Simon Terodde und Sebastian Polter, hatte auch seine Probleme mit den Gegnern, aber wusste wie Rogel Ruhe ins Spiel der Mannschaft zu bringen. Insgesamt klärte er fünf Bälle aus dem Strafraum, setzte zu zwei Tacklings an und war 62 Mal im Ballbesitz. 69 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, ebenso viel Prozent Zweikämpfe entschied er für sich.

(Photo by Marc Atkins/Getty Images)

Marc Oliver Kempf entwickelt sich immer mehr zum Abwehrchef und ersten Verteidiger. Auch wenn er immer wieder Probleme mit direkten Gegenspielern hat, weiß er die Abwehr zusammenzuhalten, ist kommunikativ und zeigt unermüdlichen Einsatz. Aus dem etwas überhastet und übermotiviert wirkenden Kempf ist ein verlässlicher Führungsspieler geworden. Vielleicht auch, weil er auf sich und seine Psyche genau hört und sich in schwierigen Zeiten Hilfe gesucht hat, wie er unter der Woche erzählte.

Stevan Jovetic: Das gewisse Etwas für Hertha

Einen extrem „schlauen“ Spieler nannte ihn Sandro Schwarz im Interview nach dem Spiel. Stevan Jovetic erlebt gerade so etwas wie seinen dritten Frühling. Der Offensivspieler hat bekanntlich immer wieder mit seinem Körper zu kämpfen, fällt gerne mal mit dem ein oder anderen Wehwehchen aus, doch seine spielerische Klasse ist für diese Mannschaft Gold wert. Während Jovetic in der ersten Halbzeit glücklos blieb, konnte er in der zweiten Hälfte seinen Beitrag leisten. Und zusätzlich entwickelt er sich zunehmend zum Laufwunder auf Darida-Niveau. Gegen Schalke wurde er kurz vor Schluss für dem wiedergenesenen Jean-Paul Boetius ausgewechselt und brachte es auf fast 12 km Laufleistung.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

59 Mal war Jovetic im Laufe der Partie am Ball. Er spielt 29 seiner 44 Pässe erfolgreich. 66 Prozent in der Offensive lassen sich dabei definitiv sehen. Insbesondere spielte er vier von fünf langen Bällen erfolgreich. Seine Zweikampfwerte von nur 36 Prozent fallen dagegen allerdings etwas ab. Er zeigte sich immer wieder in der Offensive, ohne, dass sich die ganz großen Chancen ergeben sollten. Die größte Möglichkeit hatte er in der 26. Minute, doch letztendlich schoss er sich relativ kläglich selbst an. Zusätzlich bereitete er zwei Torschüsse vor. Entscheidend dabei die 88. Minute, als er das Zuspiel von Lukebakio direkt weiterleitete und Wilfried Kanga auf die Reise schickte, der das Siegtor erzielen durfte.

Lucas Tousart: Der Hertha-Kämpfer mit dem Sonntagsschuss

Lucas Tousart spielen zu sehen, macht ja mittlerweile seit Monaten Spaß. Ein Spieler, der sich unermüdlich in jeden Zweikampf wirft, der Leidenschaft ausstrahlt und sich in Berlin mittlerweile wohl zu fühlen scheint. Auch wenn ihm die Berliner Currywurst leider nicht zusagt. Gegen Schalke ackerte er sich durchs Mittelfeld. Am Ende lief der Franzose wieder gute 12 km. 46 Mal war Tousart am Ball, verteilte seine Pässe 22 Mal erfolgreich. Insgesamt kamen 76 Prozent seiner Pässe an, zusätzlich entschied er 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Er pushte und motivierte seine Mitspieler, gestikulierte viel und nahm die Mannschaft taktisch mit. Auch in der Defensive half er mit Tacklings, Klärungsaktionen und abgelaufenen Bällen aus. Seinen größten Moment hatte er kurz nach dem Seitenwechsel. In der 49. Minute zimmerte er mit einem wuchtigen Schuss aus der Distanz in die Maschen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Sein Sonntagsschuss war ehrlicherweise alles andere als unhaltbar, doch mit Alexander Schwolow haben die Schalker aktuell einen schwer verunsicherten Torhüter in ihren Reihen, der nicht in der Lage war, den Ball festzuhalten. Lucas Tousart knüpfte gegen Schalke genau an seinen starken Leistungen der Vorwochen an.

Wilfried Kanga: Befreiungsschlag zum perfekten Zeitpunkt

Endlich! Der Knoten ist endlich geplatzt. Dem nimmermüden Wilfried Kanga gelang endlich der Befreiungsschlag. Kanga war seit Saisonbeginn bemüht und hat sich nicht aufgegeben, doch in den letzten Wochen wurden die Stimmen lauter, dass ein abschlussstarker Stürmer der Mannschaft fehlen würde. Und wie die Saison begann, so startete auch für Kanga das Spiel.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Der Ivorer zeigte sich immer wieder angriffslustig. Allein in den ersten fünf Minuten kam er bereits zweimal zum Abschluss, fand da allerdings jedes Mal in Schwolow nach schwachen Abschlüssen seinen Meister. Die hundertprozentigen Chancen sollten allerdings lange fehlen. Auch seine Durchsetzungskraft ließ ein ums andere Mal zu wünschen übrig. Nur vier seiner vierzehn Zweikämpfe gewann er. Neun von 16 Pässen kamen beim Mitspieler an, auch auf diese Weise versuchte er immer wieder das Angriffsspiel anzukurbeln. Seine Robustheit sollte letztendlich ausschlaggebend für den Siegtreffer sein. Fein von Jovetic in Szene gesetzt kämpfte er sich gegen Henning Matriciani durch und schob flach ins linke untere Toreck ein. Es folgte ein explodierender Jubel in der blau-weißen Menge der Ostkurve. Hoffen wir, dass es sich um einen Knotenlöser für die kommenden Aufgaben handelte.

Ein Pflichtsieg für die Hertha-Moral

Gut und sehenswert gespielt, am Ende aber nur einen Punkt gesammelt oder sogar verloren. Hertha konnte in den ersten Wochen der Saison nur eine geringe Menge an Punkten sammeln, von denen, die möglich gewesen wären. Gegen die Schalker spielte man weniger für die Galerie, sondern für die Punkte. Und das war wichtig. Denn ein Punktverlust hätte gegen den Tabellenletzten durchaus für einen Kipppunkt der Stimmung, sowohl innerhalb der Mannschaft, als auch bei den Fans sorgen können. Schließlich steht man trotz aller Schönheit im Abstiegskampf und ist auf jeden Sieg angewiesen. Kangas erstes Tor, der späte Zeitpunkt des Siegtreffers und insbesondere die Reaktion auf den späten Schalker Ausgleichstreffer, sind große Punkte für die Moral.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Die Hertha muss sich nun auf das Auswärtsspiel in Bremen am Freitag vorbereiten und hat die große Möglichkeit sich weiter von den Abstiegsplätzen abzusetzen. Die Stimmung ist gut, Bernstein, Bobic und co. ist es gelungen, neben dem Platz eine angenehme Ruhe im Verein einkehren zu lassen, die Spieler und Trainer können in Ruhe arbeiten und die kommenden Chancen nutzen.

(Titelbild: Matthias Kern/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Gerechte Punkteteilung

Herthaner im Fokus: Gerechte Punkteteilung

Auch mal einen dreckigen Sieg einfahren. Drei Punkte, ab nach Hause und gut ist es. Am Ende redet schließlich keiner mehr drüber, woher die Punkte kommen, die am Ende den Klassenerhalt bedeuten. Hertha BSC stand am Freitagabend ganz kurz davor, eben jenen dreckigen Sieg einzufahren. Doch am Ende war man zu passiv, zu ängstlich und zu zögerlich und musste mit dem Schlusspfiff den bitteren Mainzer Ausgleichstreffer hinnehmen. Ein Remis, was sich wie eine Niederlage anfühlt und mit dem man beim Blick auf die Tabelle nicht allzu viel anfangen kann. Und dabei spielte man gar keine schlechte erste Halbzeit und ging verdient durch den Kopfballtreffer von Lucas Tousart in Führung. Doch die über weite Strecken druckvolle und überlegende Leistung in der ersten Halbzeit konnte nach dem Seitenwechsel nicht bestätigt werden. Das Team zog sich zurück, ließ sich auf zahlreiche Zweikämpfe und vor allem Fouls ein, konnte offensiv praktisch keine Akzente mehr setzen und verfiel zum Teil in eine Passivität zurück, die sich alle Beteiligten als endgültig abgestellt gewünscht hätten.

Sandro Schwarz mit dem üblichen System und nur einer Änderung  

Im mittlerweile üblichen 4-3-3-System von Trainer Sandro Schwarz ändert sich, wie hinreichend bekannt, selten etwas. Bei seiner Rückkehr zum 1. FSV Mainz 05 sollte es in der Startelf nur zu einer Änderung kommen. Den erkrankten Suat Serdar ersetzte Schwarz positionsgetreu durch Jean-Paul Boetius. Ein Ex-Mainzer für einen Ex-Mainzer. Weitere Änderungen nahm er gegenüber dem 2:2 gegen Bayer 04 Leverkusen eine Woche zuvor nicht vor.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Im Tor stand Oliver Christensen, Linksverteidiger war wieder Kapitän Marvin Plattenhardt, die Innenverteidigung bestand aus Marc-Oliver Kempf und Filip Uremovic und die rechte Seite beackerte Jonjoe Kenny. Im Dreiermittelfeld spielten Ivan Sunjic, Lucas Tousart und der bereits erwähnte, in die Startelf rotierte Jean-Paul Boetius. In der Offensive sollten wieder Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio auf den Außen und Wilfried Kanga im Mittelsturm für Torchancen sorgen.

In unserer Analyse schauen wir heute auf die Linksverteidiger, den Torschützen, eine Offensivkraft, die weitere Fortschritte macht und auf die Innenverteidigung, die allerhand zu tun hatte.

Marvin Plattenhardt und Maximilian Mittelstädt: Hertha hat ein Konkurrenz-Problem

Irgendwie ist es wie immer in den letzten Jahren. Hertha hat zwei solide Linksverteidiger, die ihre Stärken haben. Aber die genauso ihre Schwächen haben. Man weiß, was man bekommt. Hertha hat Marvin Plattenhardt und Maximilian Mittelstädt. Und beide bekamen im Spiel gegen Mainz ihre Einsatzzeiten. Marvin Plattenhardt bekam als Kapitän selbstverständlich wieder den Vortritt, doch es sollte sich im Laufe des Spiels zeigen, dass es gut war, dass Mittelstädt auf der Bank als Alternative saß. Zuletzt fehlte der ja bekanntlich öfter mal im Kader der Hertha.

Marvin Plattenhardt spielte ein relativ solides, aber nicht sonderlich auffälliges Spiel. Offensive Akzente konnte er praktisch keine setzen. Ihm gelang es nicht, die Offensive mit seinen scharfen Flanken in Szene zu setzen, er konnte selbst keine Abschlüsse erarbeiten und hatte eher mit seinem direkten Gegenspieler Edimilson Fernandes zu tun.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Insgesamt war Plattenhardt 47 Mal am Ball. Er spielte zwölf erfolgreiche Pässe, was bei 21 aber auch nur eine Erfolgsquote von 57 Prozent bedeutet. Als Linksverteidiger nur 57 Prozent der Zweikämpfe zu gewinnen, ist ebenfalls keine Leistung, die großartig hilfreich ist. Zusätzlich leistete er sich wieder 18 Ballverluste – viel zu viel. Immerhin entschied er zwei Tacklings für sich und konnte in der Defensive zwei Aktionen klären. Seine gelbe Karte in der 48. Minute wurde zurecht mit gelb bestraft. Ob der VAR-Einsatz in diesem Fall wirklich nötig war, ist fraglich. Auch wenn der Einsatz in der Zeitlupe schmerzhaft aussah, war zu erkennen, dass es sich nicht um ein rot-würdiges Foul handelte. Trotzdem musste er nach 55 Minuten für Maximilian Mittelstädt Platz machen.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Und der wirkte wie üblich auch deutlich spritziger als sein Konkurrent. Aber beim Blick auf die Statistik sieht man, wie ähnlich die beiden sich in ihren Leistungen sind. Er war 38 Mal am Ball. Hatte mit 62 Prozent erfolgreicher Pässe zumindest eine etwas bessere Zahl erarbeiten können. Er gewann fünf von neun Zweikämpfen, aber leistete sich neben acht Fehlpässen, auch 14 Ballverluste. Das ist, wie bei Plattenhardt, natürlich auch dem extrem intensiven Spiel in der zweiten Halbzeit verschuldet. Er setzte zu drei Dribblings an, von denen er zwei erfolgreich beenden konnte. Auch er konnte, wie die gesamte Hertha-Mannschaft in der zweiten Halbzeit, keine Offensiv-Akzente setzen.

So ganz schlau wird man aus den beiden Linksverteidigern nicht. Seit Jahren überreichen sie sich gegenseitig den Staffelstab, ohne sich nachhaltig durchsetzen zu können. Einen echten Konkurrenzkampf gibt es zwischen ihnen nicht.

Lucas Tousart: Der führende Fast-Matchwinner

Fast wäre er der Matchwinner des Kampfes in Mainz gewesen. Der Franzose belohnte sich für seine bisher sehr starke Saison und nickte nach 30 Minuten nach einer feinen Vorlage von Chidera Ejuke aus zentraler Position ins Tor ein. Eine ähnliche Chance hatte er bereits in Augsburg, als er sträflich frei zum Abschluss mit dem Kopf kam, diese aber nicht nutzen konnte.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Seine Werte ließen gegen die Mainzer zwar rein zahlenmäßig etwas zu wünschen übrig, allerdings hielt wie üblich insbesondere Ivan Sunjic ihm den Rücken frei. Insgesamt war er an 39 Ballaktionen beteiligt und spielte zehn von 19 Pässe erfolgreich. Während er allerdings nur 58 Prozent seiner Zweikämpfe gewinnen konnte, rettete ihn Sunjic (70 Prozent) ein ums andere Mal. Die schwächeren Werte sind allerdings auch dem verschuldet, dass Tousart sich immer mehr ins Offensivspiel integriert. Defensiv rettete er sechs Mal unter Druck stehend im Strafraum, zwei Fouls musste er ziehen, selber zwei einstecken. Mit zwei Tacklings beackerte er seine Gegner. Wie üblich war er auch einer der lauffreudigsten Spieler der Herthaner. 11.58 km spulte der 25-Jährige ab. Nur Ivan Sunjic (11,72 km) lief mehr.

Doch im entscheidenden Moment konnte auch Tousart nicht nahe genug am Mann sein. Beim Gegentor in der vierten Minute der Nachspielzeit war er zu passiv, konnte seine Gegenspieler gleich zweimal nicht in den Griff kriegen und an Vorlage und Abschluss hindern und damit auch nicht den Titel des Matchwinners einfahren.

Chidera Ejuke: Wieder Zählbares, aber noch viel Luft nach oben

Chidera Ejuke kann Spaß machen, zeigt immer wieder sein enormes Potential, macht auf dem Feld Dinge, zu denen viele nicht in der Lage sind und trotzdem schlägt er zu wenig Ertrag raus. Gegen die Mainzer war der Nigerianer 83 Minuten dabei, ehe er durch Peter Pekarik ersetzt wurde, der zu dem Zeitpunkt als Verstärkung kam, um die Führung über die Zeit zu bringen.

hertha

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

43 Mal war der 24-Jährige am Ball, spielte 20 erfolgreiche Pässe. Insgesamt kamen 74 Prozent seiner Bälle bei den Mitspielern an, eine starke Quote für einen Offensivspieler. Doch beim Blick auf seine Zweikampfwerte sieht man wieder die Probleme. Nur zwei von acht (25 Prozent) konnte er für sich entscheiden. Viermal versuchte sich Ejuke an Dribblings, kein einziges konnte er erfolgreich beenden. Seine individuellen Aktionen landen zu häufig beim Gegner – insgesamt leistete sich Ejuke 19 Ballverluste – seine Mitspieler dagegen weiß er in Szene zu setzen. Wie in der 30. Minute, als seine Flanke auf Tousart sehenswert seinen zweiten Saisonassist bedeutete.

Zusätzlich war er der Hauptprotagonist der größten Hertha-Chance des Spiels in der 41. Minute. Nachdem er von Lukebakio im Strafraum halbrechts angespielt wurde, versuchte er es mit einem Schlenzer aufs lange Eck. Torhüter Robin Zentner rettete sein Team sehenswert. Insgesamt ein Spiel, das zeigt, wie wichtig Chidera Ejuke für Hertha sein kann, aber auch was offenlegt, wo die Schwächen des Linksaußen sind.

Filip Uremovic, Marc-Oliver Kempf, Marton Dardai: Innenverteidiger mit viel Risiko und viel Glück

Verletzungsbedingt bekamen gegen Mainz drei Innenverteidiger ihre Chance. Sandro Schwarz baute zunächst auf sein Stamm-Innenverteidiger-Duo, bestehend aus Filip Uremovic und Marc-Oliver Kempf.

Filip Uremovic spielte das Spiel über die voll Distanz und leistete eine solide Arbeit. Wie üblich zeigte er sich körperbetont, risikoreich und nachdem er sich in den letzten Spielen öfter den ein oder anderen heftigeren Aussetzer leistete, konnte er gegen Mainz wieder eine gefestigtere Leistung zeigen. Defensiv hatte er aller Hand zu tun.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

50 Ballaktionen hatte der Kroate, seine Passquote von 81 Prozent ist sehr sehenswert. er gewann sechs von sieben Zweikämpfen – 87 Prozent – und zog nur ein Foul. Sechs Mal klärte er im Strafraum, lief zahlreiche Bälle ab, tackelte und wusste eine klare Präsenz zu zeigen. Insgesamt ein sehr zufriedenstellender Auftritt des Neuzugangs, der auch nötig war, da er spätestens ab der 2. Halbzeit den Abwehrchef stellen musste.

Was aufgrund des gesundheitlichen Zustands von Marc-Oliver Kempf leider nötig war. Der 27-jährige Abwehrchef knickte in der 9. Minute bei seiner Lieblingsdisziplin, Blocken, übel um und musste behandelt werden. Zur Pause verabschiedete er sich. Eine schwere Verletzung scheint aber nicht vorzuliegen, zumindest gab es bereits Entwarnung.

hertha

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Möglicherweise auch eingeschränkt durch seine Verletzung wirkte Kempf in seinem Spiel etwas behäbiger und tat sich schwerer als zuletzt. Er hatte 30 Ballaktionen, brachte 78 Prozent seiner Pässe beim Mitspieler unter und konnte drei von fünf, also 60 Prozent, seiner Zweikämpfe für sich entscheiden. Er leistete sich fünf Ballverluste, tat sich aber insbesondere in Laufduellen schwer, wie in der 37. Minute gegen Karim Onisiwo. Sein Glück, dass der Österreicher den leichten Kontakt als Anlass nahm, sich fallen zu lassen. In der strittigen Situation entschied Schiedsrichter Willenborg zurecht darauf, keinen Elfmeter zu geben.

Zur zweiten Halbzeit wurde Kempf durch Marton Dardai vertreten. Das Eigengewächs hat sich nach einer persönlich schweren letzten Saison mit der Rolle des Ersatz-Verteidigers abgefunden und kann mittlerweile feststellen, dass auch er Einsatzchancen und Minuten erhält. Und er leistete eine solide Arbeit. 31 Mal sah man ihm am Ball. In der intensiven Halbzeit tat er sich schwer im Spielaufbau.

hertha

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Nur sieben von 17 Pässen fanden die Mitspieler. 13 Ballverluste leistete der deutsche U21-Nationalspieler. Defensiv hatte auch er viel zu tun, da die Berliner ab der zweiten Halbzeit das Angriffsspiel praktisch einstellten und sich dem Mainzer Ansturm stellten. Sechsmal klärte er zum Teil in höchster Not, lief drei Bälle seinen Gegenspielern ab und entschied 66 Prozent seiner Zweikämpfe für sich. Zwei Tacklings entschied er für sich. Letztendlich war er einer der Protagonisten des von Sandro Schwarz als “Ringkampf” bezeichneten harten Spiels. Glück hatte er bei der Zweikampf-Bewertung von Schiri Willenborg. Nachdem er in der 64. Minute für sein Foul an Marlon Mustapha die gelbe Karte sah, hatte er Glück in der 76. Minute nicht vom Platz zu fliegen. Sein Einsteigen gegen Danny da Costa wurde allerdings nicht einmal als Foul gewertet. Glück für ihn und Glück für Hertha. Alles in allem zeigte sich Dardai nämlich wach, aktiv und als echte Alternative für die Innenverteidigung.

Eine gerechte Punkteteilung

Was fängt man nun mit dem Punkt an? Einsammeln und zufrieden sein muss wohl die Antwort lauten. Einen Punkt aus Mainz mitzunehmen, ist ein paar Tage nach dem Spiel ein vollkommen akzeptables Resultat. Die Entstehung ist trotzdem ärgerlich. Während die Hertha gerade in der ersten Halbzeit an den guten Leistungen aus den Vorwochen anknüpfen konnte, ließ man es in der zweiten Halbzeit dann doch sehr stark schleifen. Zu gehemmt und ängstlich war das Spiel der „Alten Dame“. Teilweise wirkte es wie ein Rückschritt. Der späte Gegentreffer war hart und bitter, aber aufgrund des Drucks, den die Mainzer ausübten, folgerichtig. Hertha steht nach sieben Spielen auf Platz 13, mit sechs erspielten Punkten. Sich an irgendwelchen theoretischen xG-Werten festzuhalten, die eine bessere Platzierung aussagen, hilft im Endeffekt nicht.

Jetzt, zur Länderspielpause, kann man aber festhalten, dass die Mannschaft ein ganz anderes Auftreten zeigt, als letzte Saison. Die Mannschaft spielt ansehnlichen Fußball, was fehlt, ist die Belohnung in Form von Toren und Punkten. Die Last der letzten drei Jahre wiegt noch immer schwer auf den Verein und einzelne Spieler. Sich von Sieg zu Sieg zu spielen hat vor der Saison niemand erwartet und erwartet jetzt auch keiner. Trotzdem muss man sich dem Risiko und der engen Tabelle bewusst sein. Nach der Länderspielpause müssen weitere Punkte gesammelt werden, um später eine ruhige WM-Pause genießen zu können. Die Qualität scheint da zu sein.

(Titelbild: Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)