Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Viktoria Köln

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – Viktoria Köln

Es geht wieder los. Endlich! Endlich? Die Aussicht auf weitere Bundesligaspiele vor leeren Rängen lässt anders als in bisherigen Sommerpausen nicht unbedingt das Wasser im Munde zusammenlaufen, doch die Welt dreht sich weiter und König Fußball regiert noch immer. So stand am Freitagnachmittag auch für unsere Hertha in Vorbereitung auf die Saison 2020/21 das erste (externe) Testspiel an. Gegner im Amateurstadion war die Viktoria aus Köln.

Und wie immer heißt Vorbereitung und Transferphase auch neue und altbekannte Gesichter auf dem Platz begrüßen – einige haben wir für euch bei diesem Damenduell in den Fokus genommen.

Deyovaisio Zeefuik – Die Lösung auf rechts?

Der niederländische Rechtsverteidiger kam in der Sommerpause nach längerem Hickhack vom FC Groningen und soll die bisherige Schwachstelle in der Viererkette beheben. Und nach zaghaften Anfangsminuten zeigte „Deyo“ auch wofür man ihn geholt hat. Im Zusammenspiel mit Dodi Lukébakio schaltete sich der Abwehrmann mehrmals mit in die Offensive ein und konnte mit seiner Schnelligkeit den Kölner Linksverteidiger vor Probleme stellen.

Foto: IMAGO

Zwar fehlte ihm bei seinem Flankenversuch in der 15. Minute noch ein wenig die Übersicht, doch schon in Minute 29 wurde es nach einem Doppelpass mit Lukébakio gefährlich bis ihn schlussendlich ein eigener Stolperer stoppte. Zwei Zeigerumdrehungen später war der Niederländer schon wieder am rechten Kölner Strafraumeck unterwegs und brachte mit einem schönen Pass in den Rückraum Krzysztof Piątek in Position, der sich aber ein wenig festlief. Schnurstracks nahm sich „Deyo“ selbst der Sache an, setzte nach und konnte die Chance am Leben erhalten, wenngleich Piąteks anschließende Flanke auf Jessic Ngankam zu ungenau kam.

Vor defensive Aufgaben wurde Zeefuik zu keiner Zeit gestellt, da werden naturgemäß ganz andere Kaliber auf ihn zukommen. Aber die angekündigten Offensivläufe, die Hertha in der letzten Post-Lazaro-Saison so vermisst hat, blitzten schon jetzt immer wieder auf und wurden im Laufe der Halbzeit immer koordinierter und vielversprechender. Trainer Bruno Labbadia war mit seinem neuen Rechtsverteidiger durchaus zufrieden, monierte aber das Zusammenspiel mit Lukébakio: “Das lag aber zum Teil auch an Dodi, weil er sich nicht gut bewegt und zu wenige Räume aufgemacht hat. Hinten hat Deyo seinen Laden im Griff, das Spiel nach vorn müssen wir entwickeln.”

Der Mann hat jedenfalls Lust auf Ausflüge und dabei reden wir nicht vom Sonntagspicknick. Es wird spannend, wie er sich in den nächsten Wochen und in der Bundesliga präsentieren kann.

Ondrej Duda – Neuer Trainer, Altes Glück?

Nach der starken Vorsaison kam Ondrej Duda in der Spielzeit 2019/20 nicht mehr wirklich zum Zug und „floh“ im Winter vor Renovator Klinsmann, der bei seiner „Fußballidee“ keine Verwendung mehr für den Slowaken fand, zum englischen Abstiegskandidaten Norwich City. Nachdem Norwich schließlich auch rechnerisch sicher den Gang in die englische Zweitklassigkeit antreten musste, kam Duda vorzeitig von der Leihe zurück, um rechtzeitig mit Hertha in die Vorbereitung zu starten und sich unter dem für ihn neuen Trainer Labbadia präsentieren zu können.

Foto: IMAGO

Und so durfte er in der zweiten Halbzeit im 4-2-3-1 die Zehnerposition übernehmen und war dabei einer der auffälligsten Spieler. Anders als seine Kollegen in Halbzeit eins suchte er auch mal vor dem Sechzehner den Abschluss und war dabei in bester Duda-Manier in Minute 55 nach einem kleinen Haken und in der 83. Minute mit einem Volley nach abgewehrter Flanke äußerst gefährlich.

Auch sonst war der 25-Jährige überall präsent, holte sich Bälle wahlweise zwischen den Innenverteidigern oder auf der Linksaußen-Position ab und suchte immer wieder schnell den Weg in die Spitze, was in der 77. Minute mit dem Hackenpass auf Javairo Dilrosun im Strafraum fast zum Erfolg führte. Dessen Hackenverlängerung auf Daishawn Redan versiegte aber irgendwo in den Kölner Abwehrbeinen. Auch bei Duda sah Labbadia noch Verbesserungsbedarf – “Ondrej muss noch ein Stück präsenter werden und das Spiel im vorderen Drittel noch mehr leiten – und noch mehr Tempowechsel drin haben” – allerdings verbuchen wir das mal unter den Motivationstricks.

Denn insgesamt hinterließ Duda einen sehr ordentlichen Eindruck und zeigte sich in passabler Frühform. Es bleibt zu hoffen, dass Labbadia anders als Klinsmann Verwendung für den Hertha-Topscorer 2018/19 findet und Duda sich weiter mit Lust und Laune dem Konkurrenzkampf um die offensiven Positionen stellt. Vielleicht lässt sich ja einer der Teamkollegen dazu bewegen, Duda für zehn geschossene Tore eine frische Rolex in Aussicht zu stellen.

Arne Maier – Jetzt oder Nie

Herthas Top-Talent, das im Winter noch überraschend mit Wechselabsichten in die Schlagzeilen geriet und in der Rückrunde nach längerer Verletzungspause nicht so richtig in Tritt kam, durfte sich in der Startelf an der Seite von Santiago Ascacíbar als offensiver Part der Doppelsechs beweisen.

Im Wechsel mit dem Argentinier schob Arne Maier bei Spielaufbau des Drittligisten aus dem 4-2-3-1 vor bis auf den gegnerischen Sechser, um diesen ordentlich unter Druck zu setzen, sodass Hertha im Pressing teilweise im 4-1-4-1 auf die Kölner Defensivreihen zukam. Schon früh versuchte Maier das Spiel an sich zu reißen, forderte einige Pässe, war ruhig und souverän am Ball und spielte mehrere sehenswerte Seitenverlagerungen in die Spitze, wie in der 14. Minute, als sein gut getimter Ball von Torunarigha nicht gut kontrolliert werden konnte und so die Kölner Abwehr genügend Zeit zum Formieren bekam. Auch später blieb auffällig, dass Ascacíbar und Maier sich sowohl im Pressing als auch im eigenen Spielaufbau häufig abwechselten, wobei dem Herthaner Eigengewächs dabei die „spektakuläreren“, raumbringenderen Pässe überlassen blieben.

Foto; IMAGO

Grundsätzlich funktionierte die Absprache und das Zusammenspiel auf der Doppelsechs ordentlich, Köln geriet aber durch die beiden nicht wirklich unter Druck, was vielmehr aber auch damit zusammenhängen mag, dass Matheus Cunha auf der 10 bis zur 40. Minute einen schwachen Auftritt hinlegte und sowohl offensiv als auch defensiv kaum etwas zustande brachte.

Arne Maier hingegen arbeitet sich so langsam aber sicher wieder an seine Form heran, die ihn vor seiner Verletzung im Frühling 2019 zum Stammspieler bei Hertha machte. Die Verantwortlichen um Michael Preetz, Arne Friedrich und Labbadia scheinen ihm aufgezeigt zu haben, mit ihm weiter geduldig auf seine Topform hinarbeiten zu wollen und in ihm noch immer ein wichtiges Puzzleteil für Herthas Zukunft zu sehen. Zumindest sind keine neuen Abwanderungsgedanken publik geworden, die anderes vermuten lassen.

Nichtsdestotrotz steht Maier vor einer wichtigen Saison. Es liegt an ihm, trotz seines noch jungen Alters jetzt den nächsten Schritt zu gehen und den Talent-Status abzustreifen, um sich bei Hertha zu etablieren und vielleicht auch für größere Vereine interessant zu machen, wie es sein Karriereplan wohl vorsieht. Sofern er verletzungsfrei bleibt, könnte er trotz der großen Konkurrenz im Mittelfeld und den Transfergerüchten um einen weiteren zentralen Mittelfeldspieler genau diesen Schritt gehen und dem Spiel der Hertha neben einem defensiveren Abräumer wie Ascacíbar oder Lucas Tousart offensiv seinen Stempel aufdrücken.

Mit Labbadia hat Arne Maier einen selbsterklärten Förderer der Jugend an der Seitenlinie. Die oft zitierte Tür steht also auf – und Maier muss durch – jetzt oder vielleicht nie.

Und dann war da noch:

Dodi Lukébakio, der mit seinen Dribblings in Halbzeit eins für die meisten der wenigen kreativen Offensivmomente im letzten gegnerischen Drittel sorgte. Das Zusammenspiel mit Neuzugang Zeefuik hakte noch hier und da, dieses Duo sollte man aber aufgrund der immensen Dynamik im Auge behalten. In der 41. Minute drosch er die Kugel nach Vorarbeit von Cunha frei vor Mielitz zum 1:0 ins kurze Eck.

Matheus Cunha, der mit seiner ersten gelungenen Aktion direkt das Tor von Lukebakio vorbereitete. In der Nachspielzeit der ersten Hälfte traf er dann nach Vorlage von Piątek beinahe selbst. Insgesamt dieses Mal trotzdem weniger Genie als Wahnsinn.

Alexander Schwolow, der mit einer nahezu 100 %-igen Passquote bestach. Seine Torwarthandschuhe hätte er für den Einsatz aber zuhause lassen können.

Daishawn Redan, der stets bemühte Stürmer, der sich in der 79. Spielminute nach starkem Labbadiola’schem Pressingballgewinn durch Dilrosun über die Zwischenstation Leckie mit dem 2:0-Schlusstreffer in die Torschützenliste eintragen durfte.

Lucas Tousart, der dritte „Leihrückkehrer“, der defensiv kaum gefordert wurde, offensiv mit einigen Seitenwechseln seine Übersicht bewies und sich kaum anmerken ließ, dass er zurzeit vielleicht doch lieber gegen Juve und ManCity spielen würde. Ein ordentlicher Ersteindruck, auch aufgrund des Faktes, dass der Franzose zuvor vier Monate nicht mehr Fußball gespielt hatte. Sein erwachsenes Spiel und der Drang, auch mal in den gegnerischen Strafraum zu stürmen, gefielen.

[Titelbild: IMAGO]

Kaderanalyse 2019/2020 – Herthas Mittelfeld

Kaderanalyse 2019/2020 – Herthas Mittelfeld

„Wenn du ein gutes Mittelfeld hast, hast du ein gutes Team“, sagte einmal Casemiro, Mittelfeldspieler bei Real Madrid. Er muss es wissen, denn Real Madrid ist zuletzt erneut spanischer Meister geworden. Eigentlich wissen das auch die meisten, die sich mit Fußball länger befassen, denn insbesondere das zentrale Mittefeld ist das Herzstück einer Fußballmannschaft. Im nächsten Teil unserer Artikelserie geht es genau darum. Wie verlief die Saison für Herthas zentrale Mittelfeldspieler? Wie ist der Stand aktuell und wo ist noch Bedarf?

Mehrere Spieler im Mittelfeld sorgten bei der „alten Dame“ in der vergangenen Saison für Gesprächsstoff. Ob Marko Grujic mit blauem Auge zum Saisonstart, der Abgang von Eduard Löwen nach nur sechs Monaten in Berlin, die Rückkehr in Topform von Vladimir Darida oder auch der Abschied von Per Skjelbred: es war einiges los im „Herzstück“ der Hertha-Mannschaft. Da Mittelfeldspieler ganz besonders im Zusammenhang mit Ihren Mitspielern zu bewerten sind, wollen wir dieses Mal zunächst chronologisch vorgehen.

Saisonstart mit Grujic, Duda und Löwen

Erst Jubel, dann Schmerz beim Treffer von Marko Grujic. (Foto: Daniel Kopatsch/Bongarts/Getty Images)

Die älteren unter uns werden sich erinnern – denn dieser Saisonstart gegen den FC Bayern München ist gefühlt bereits 50 Jahre her. Marko Grujic krönte gegen den Rekordmeister während der Saisoneröffnung eine gute Leistung mit einem Tor. Im Adrenalinschub bemerkte er erst beim Jubeln, dass es ihn im Zweikampf mit Weltmeister Benjamin Pavard am Auge erwischt hatte und er ein blaues Auge davontragen würde.

Im Kader mit dabei waren in München übrigens Eduard Löwen und Sidney Friede. Beide spielten in dieser Hinrunde jedoch kaum bis gar keine Rolle und verließen die „alte Dame“ im Winter. In der Startelf stand dafür Ondrej Duda. Der Slowake fand nach einer überragenden Spielzeit 2018/19 allerdings nicht richtig zu seiner Form, profitierte sicherlich auch nicht vom Trainerwechsel. In den ersten fünf Partien (nur vier Punkte) spielte er von Beginn an, wurde beim ersten Saisonsieg gegen den SC Paderborn dann zur Halbzeit ausgewechselt.

Es folgten nur noch knapp 90 Minuten Einsatzzeit bevor er unter Jürgen Klinsmann nicht mal mehr im Kader stand. Er wurde im Winter zu Norwich City ausgeliehen, wo er jedoch nach dem „Re-Start“ nicht mehr erste Wahl war. Seine Zeit in der Premier League verlief zusammengefasst eher unglücklich, sein Verein musste absteigen und er selbst blieb ohne Erfolg (null Tore, null Vorlagen).

Skjelbreds Rückkehr, Grujic ohne Konstanz

Per Skjelbred war nicht als Stammspieler erwartet, meldete sich aber eindrucksvoll zurück. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Während Hertha unter Ante Covic zu Saisonbeginn vor sich hinkriselte, arbeitete sich nach den ersten zwei Niederlagen ein Spieler zurück in die Startelf, der im Sommer schon fast abgeschrieben wurde. Per Skjelbred stand am vierten Spieltag wieder in der Startelf und spielte eine wichtige Rolle im Laufe der Saison. Dabei übernahm er die defensive Rolle im zentralen Mittelfeld neben Marko Grujic. Die Offensivere Position davor gab Duda an Vladimir Darida ab. Der Tscheche wurde daraufhin eine der wenigen Konstanten im Spiel der „alten Dame“.

Anders verlief es für Marko Grujic. Dieser bekam zwar regelmäßig seine Einsätze, konnte allerdings nicht konstant seine Leistung abrufen. Teilweise blitze seine Qualitäten auf, wie beispielweise im Spiel gegen die Eintracht aus Frankfurt (2:2, ein Tor, eine Vorlage), in vielen anderen Spielen allerdings fiel er durch zu langsames Agieren, Foulspiele und Unkonzentriertheiten auf, die mitunter auch zu Gegentreffern führten. Die chaotische Zeit unter und nach Jürgen Klinsmann brachte auch beim Serben viel Unsicherheit. Die ständigen Wechsel in der Zentrale (mal spielte Skjelbred, mal Darida neben Grujic) halfen dabei sicherlich auch nicht.

Im Winter kam Klinsmanns Wunschspieler Santiago Ascacibar vom VfB Stuttgart und übernahm für die letzten Partien seines Trainers die Position des klassischen Sechsers. Der Argentinier kam in einer denkbar ungünstigen Zeit an, in welcher der Hauptstadtclub immer mehr im Chaos versank. Nach dem „Re-Start“ zog sich der 23-Jährige eine schwere Fußprellung und fiel für die restlichen Spiele aus. Allerdings muss man dem “Giftzwerg” zugute halten, dass er seine Aufgabe in den wenigen Spielen zufriedenstellend erledigte und noch zu den positiven Erscheinungen der Mannschaft gehörte.

Neues Selbstvertrauen im Mittelfeld unter Bruno Labbadia

Vladimir Darida für Labbadia nicht wegzudenken. (Foto: Lars Baron/Getty Images)

Als es dann wieder mit der Bundesliga losging und Hertha BSC unter Bruno Labbadia eindrucksvoll nach nur wenigen Spielen den Klassenerhalt sicher machte, glänzte ein Spieler ganz besonders. Die „Lunge der Liga“ Vladimir Darida sammelte nicht nur Rekorde durch seine Laufleistungen, er überzeugte auch spielerisch und gab der gesamten Mannschaft Sicherheit.  Dabei übernahm er erneut den etwas offensiveren Part zwischen „klassischer Zehn“ und „Achter“. Es war zu spüren, dass der 29-Jährige dann besonders stark ist, wenn er im System mit drei zentralen Mittelfeldspielern den offensiveren Part übernehmen kann. Auch das Pressing unter Bruno Labbadia passt perfekt zum Mittelfeld-Allrounder. Insgesamt konnte er drei Treffer erzielen und fünf weitere vorlegen.

Dabei unterstützt wurde er von einem wieder erstarkten Marko Grujic, der sich zu Saisonende nochmal spürbar verbessert zeigte. Auch Per Skjelbred zeigte starke Leistungen, bevor er aufgrund einer Verletzung ausfiel und erst in der letzten Partie einen Kurzeinsatz zum Abschied bekam. Arne Maier fiel fast die gesamte Hinrunde wegen einer Knieverletzung aus, kam aber trotz einer für ihn eher unrühmlichen Transferperiode in der Rückrunde zu vier Startelf- und acht Kurzeinsätzen. Niklas Stark musste auf der „Sechs“ für kurze Zeit aushelfen und sogar Lazar Samardzic feierte sein Debüt.

Die Saison fand also auch im zentralen Mittelfeld ein versöhnliches Ende, brachte aber auch für die Sommerpause viele Fragen mit sich, angesichts der vielen anstehenden Wechsel. Von den im Laufe unseres Rückblicks genannten Spielern sind einige keine Option mehr für die nächste Saison: Eduard Löwen, Per Skjelbred und Sidney Friede sind definitiv nicht mehr im Kader. Auch Marko Grujic ist nach Liverpool zurückgekehrt. Es steht noch nicht fest, ob ihn Hertha erneut für eine Saison an die Spree locken kann, oder ihn womöglich sogar fest verpflichtet. Was bleiben bei Hertha also für Optionen?

Offensive Optionen im Zentralen Mittelfeld

Dudas Rückkehr mit Fragezeichen. (Foto: Tim Keeton/Pool/AFP via Getty Images)

Mit Vladimir Darida wird glücklicherweise aus Hertha-Sicht weiter zu rechnen sein. Derzeit sollen die Verantwortlichen ein Angebot zur frühzeitigen Verlängerung für den Tschechen erarbeiten, dessen Vertrag aktuell noch bis 2021 läuft. Ein Verbleib ist also hochwahrscheinlich, Cheftrainer Labbadia stellte bereits klar, dass er auf den Laufstarken Spieler setzt. Die Blau-Weißen haben also mit ihm eine sehr gute Option für alle zentralen Positionen, wobei er insbesondere als offensiverer „Achter“ glänzen könnte.

Eine weitere Option für das offensive zentrale Mittelfeld wird der Rückkehrer Ondrej Duda sein. Dieser bleibt aber ein großes Fragezeichen, da er sich zunächst im Labbadia-System zurechtfinden muss. Da er bisher nur in einer Saison bei Hertha BSC so richtig einschlagen konnte, ist es schwierig ihn als „sichere“ Lösung anzusehen. Winterneuzugang und neuer Publikumsliebling Matheus Cunha ist als Offensiv-Allrounder zwar grundsätzlich auch als „Zehner“ denkbar. Im System unter Bruno Labbadia ist er jedoch eher als hängende Spitze oder frei in der Offensive gesetzt worden. Den Brasilianer besprechen wir in unserer Artikelserie, wenn wir bei Herthas Sturm angelangen.

Schließlich könnte auch der junge Lazar Samardzic in der neuen Saison eine Chance bekommen, sich zu zeigen. Der 18-Jährige machte sein Bundesligadebüt im Derby gegen Union Berlin (4:0) und bekam zwei weitere Kurzeinsätze. Der gebürtige Berliner gilt als Riesentalent, trat jedoch zuletzt für Hertha Fans eher negativ in Erscheinung: angeblich wolle er oder seine Berater einen Wechsel im Sommer forcieren. Sollte er jedoch bleiben, wäre sein Profil besonders interessant, da er auf seiner Position momentan nicht die größte Konkurrenz hat.

Maiers Rückkehr – Tousart und Ascacibar mit Rückstand

Tousart hat monatelang nicht mehr gespielt. (Foto: Philippe Desmazes/AFP via Getty Images)

Für die defensiveren Aufgaben steht wieder Arne Maier zur Verfügung. Verletzungen warfen den 21-Jährigen in dieser Saison zurück und bremsten seine bisher rasante Entwicklung im Profibereich. Sollte er jedoch fit bleiben und eine komplette Sommervorbereitung unter Bruno Labbadia absolvieren geht er mit einer sehr guten Ausgangslage in die neue Saison. Noch wichtiger als seine Qualitäten im defensiven Mittelfeld ist seine Fähigkeit, auf der „Acht“ eine Verbindung zwischen Defensive und Offensive herzustellen. Dafür wird er in Topform aufspielen müssen und einen defensiv aufgestellten Mitspieler im Mittelfeld als Absicherung brauchen, um im den Rücken freizuhalten.

Mit Lucas Tousart hat sich die „alte Dame“ einen Spieler für die kommende Saison geholt, der genau diese Absicherung herstellen kann. Er bringt nämlich Zweikampfstärke, Physische Präsenz, bedingungsloser Einsatz und Qualität mit. Über seine Stärken und Schwächen haben wir bereits im Januar einen längeren Artikel geschrieben: hier. Allerdings kommt der Franzose nicht gerade unter optimalen Umständen in die Hauptstadt an. Durch die frühzeitige Beendigung des Ligabetriebs in Frankreich und die anstehende Sommerpause fehlen ihm monatelange Spielpraxis. Er wird viele anspruchsvolle Trainingseinheiten unter Bruno Labbadia benötigen, um den Fitness-Rückstand aufzuholen und wieder auf Topniveau zu kommen. Schließlich wird er sich an die neue Liga, Mannschaft und Heimat gewöhnen müssen.

Es ist also eher unwahrscheinlich, zum Saisonstart einen topfitten und gut aufgestellten Lucas Tousart zu erwarten, sowohl Fans als auch Verein werden da geduldig sein müssen. Ähnliches wird mit Abstrichen auch für Santiago Ascacibar gelten: Die Corona-Pause und seine anschließende Verletzung werden zu einem ähnlichen Fitness-Zustand geführt haben. Seine Qualitäten als klassischer Sechser könnten allerdings im Verlauf der kommenden Saison, vor allem im Hinblick auf den Abgang von Per Skjelbred, besonders wertvoll werden.

Braucht Hertha noch Verstärkung?

Auch Santiago Ascacibar hat lange gefehlt. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Sowohl im offensiven, als auch im defensiven zentralen Mittelfeld gibt es also einige Unsicherheiten. Zwar klingt es zunächst sinnvoll, einen kreativen, offensivstarken zentralen Mittelfeldspieler zu holen, da es gerade dort nicht viele klare Optionen gibt. Doch mit der Rückkehr von Ondrej Duda, der Hochform von Vladimir Darida und den Qualitäten von Matheus Cunha ist die Baustelle in diesem Sommer womöglich etwas weiter hinten anzustellen.

Sowohl Ascacibar als Tousart sind für harte Zweikämpfe bekannt und sammeln regelmäßig Karten. Gelb- und womöglich auch Rot-Sperren sind vorprogrammiert, sodass die Möglichkeit besteht, dass beide zur selben Zeit nicht zur Verfügung stehen. Niklas Stark ist da sicherlich eine Option, um im defensiven Mittelfeld auszuhelfen, wenn in der Innenverteidigung kein Engpass besteht. Der junge Julian Albrecht aus der eigenen Jugend könnte ebenfalls seine Chance bekommen. Doch ein weiterer Spieler, der sowohl defensiv wie auch offensiv aushelfen könnte, würde eine mögliche Schwachstelle im „Herzstück“ der Mannschaft verhindern.

Es ist also nicht verwunderlich, dass Hertha sehr daran interessiert ist, Marko Grujic wieder zur Verfügung zu haben. Der 24-Jährige kennt mittlerweile sowohl die Bundesliga als auch seine Mitspieler bestens und wäre sofort eine Verstärkung, so inkonstant diese sein mag. Wenn ein gutes Mittelfeld ein gutes Team bedeutet, wird Hertha jedenfalls auch im zentralen Mittelfeld sehr überlegt agieren müssen, um angemessen gerüstet für die neue Spielzeit zu sein. Andernfalls werden auch potenzielle millionenschwere Einkäufe im Sturm nicht ausreichen, um endlich eine sorgenfreie Spielzeit von Hertha BSC zu erleben.

Die wichtigsten Gerüchte um weitere Kandidaten im zentralen Mittelfeld könnt ihr in unserer Gerüchteküche verfolgen!

Herthaner im Fokus: SC Paderborn – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: SC Paderborn – Hertha BSC

Nein, schön war der Auswärtssieg beim SC Paderborn nicht. Dass das 2:1 und die damit verbundenen drei Punkte nach dieser so turbulenten Woche zumindest etwas Balsam für die Berliner Seele sein werden, ist aber unbestritten. Hertha BSC trennen nun immerhin neun Punkte von Tabellenplatz 16, aus dem Gröbsten könnten die Blau-Weißen also bereits raus sein. Da ist der Pragmatismus von Interimstrainer Alexander Nouri schon deutlich leichter zu ertragen, denn auch wenn die Spiele Herthas seit längerem kaum zu unterhalten wissen, bringen sie Punkte ein und besonders im Abstiegskampf zählt nur diese Kennziffer.

Doch auch wenn die Begegnung mit dem SC Paderborn nur streckenweise ordentlichen Fußball zeigte, haben gewisse Hertha-Spieler positiv wie negativ auf sich aufmerksam gemacht. In diesem Format beleuchten wir diese.

Rune Jarstein – ungewohnt unsicher

Dass Rune Jarstein seit Jahren ein exzellenter Schlussmann ist und Hertha bereits sehr viele Punkte festgehalten hat, steht außer Frage. Doch nachdem der Norweger bereits im Pokalspiel gegen den FC Schalke 04 unglücklich aussah, machte er auch am Samstagnachmittag keine gute Figur.

(Foto: Stuart Franklin/Bongarts/Getty Images

Dabei gaben ihm die Paderborner gar nicht allzu viele Chancen, ins Spiel einzugreifen. Zwar gaben die Hausherren insgesamt 21 Schüsse ab, aber nur vier davon kamen auch wirklich auf das Tor. Große Gelegenheiten, sich auszuzeichnen, waren also Mangelware. In der 51. Minute aber griff der 35-Jährige ordentlich daneben. Paderborns Stürmer Srbeny gab quasi von der Grundlinie einen Schuss ab, der rein physikalisch schon gar nicht ins Tor gehen konnte, doch bugsierte sich Jarstein den Ball bei seinem Rettungsversuch selber über die Linie. Ein Fehler, der solch einem gestandenen Torhüter natürlich nicht unterlaufen darf, auch wenn Jarstein ebenfalls nur ein Mensch ist und Fehler nun einmal passieren – sieht bei Torhütern erfahrungsgemäß nur blöder aus.

Seinen Patzer zum 1:1 machte Herthas Torhüter allerdings in der 82. Minute wieder wett, indem er einen strammen Distanzschuss Prögers noch mit einem starken Reflex, nachdem er bereits in eine andere Richtung unterwegs war, parieren konnte. Wirklich bestärken wollte ihn diese Szene aber nicht. Immer wieder flog Jarstein unter Hereingaben hindurch und in einer Szene ließ er einen bereits sicher geglaubten Ball wieder fallen, konnte die Aktion aber gerade noch selbst bereinigen. So oft Jarstein bereits der Held des Spiels war, so war er gegen Paderborn eher ein Sicherheitsrisiko. Bis auf seine gute Szene in der 82. Minute strahlte der Keeper keine Sicherheit aus, sodass er froh gewesen sein wird, als der Schlusspfiff ertönte. Man kann nur hoffen, dass sich Jarstein aus diesem kleinen Formtief schnellstens wieder befreit.

Peter Pekarik – Herthas Tiefkühlpizza

“Pekarik ist die Tiefkühlpizza bei Hertha. Holst ihn/sie raus, wenn du nichts anderes mehr da hast, weißt genau was du bekommst und bist am Ende auch satt, fühlst dich aber auch irgendwie schlecht, weil du weißt, was für geile frische Sachen es sonst so gibt”, schrieb ich nach dem Spiel in Paderborn auf Twitter. Viele verstanden die Intention und den Witz dahinter, manch anderer unterstellte mir hingegen, die Leistung des Slowaken, der zum ersten Mal seit 307 Tagen für Herthas Profis auf dem Platz stand, nicht zu würdigen.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Dabei verfolgte der Vergleich nur gute Absichten. Nachdem Lukas Klünter zuletzt eine kleine Formdelle hatte und Marius Wolf nach seiner gelb-roten Karte gegen Mainz 05 gesperrt fehlte, setzte Trainer Alexander Nouri dennoch leicht überraschend auf den 33-jährigen Rechtsverteidiger. Bis dahin hatte Pekarik in der laufenden Spielzeit absolut keine Rolle gespielt, er lag so im Gefrierfach herum. Aber wenn Not in der Startelf/Küche herrscht, holt man die Reserven raus. Herthas Interimstrainer wusste halt, woran er bei dem routinierten Außenverteidiger ist. Pekarik, etwas ungewohnt nicht als reiner Rechtsverteidiger sondern als Schienenspieler eingesetzt, machte einmal mehr ein solides Spiel. Aufgrund seiner offensiveren Rolle stand der slowakische Nationalspieler in seinem 158. Pflichtspiel für Hertha oftmals auffallend hoch und kam zu vielen Flanken – insgesamt sechs schlug er, von denen zwei ankamen und eine zur Torschussvorlage wurde. Pekarik versuchte, seiner ungewohnten Funktion gerecht zu werden und viel Aufwand zu betreiben, so lief er mit 11,25 Kilometern die viertgrößte Strecke aller Herthaner. Es war durchaus imponierend, wie viel Betrieb Pekarik im Angriffsspiel machte, immerhin sammelte er die zweitmeisten Ballkontakte aller Berliner, dennoch fehlte es seinen Aktionen an Effektivität. All diese Aktivität hatte aufgrund der fehlenden Matchpraxis auch ihren Preis, denn in der Schlussphase plagte er sich mit Krämpfen herum.

Das wird auch daran gelegen haben, dass Pekarik mit Antwi-Adjei und Collins zwei äußerst dynamische Gegenspieler zu verteidigen hatte und dadurch viele Sprints wie intensive Läufe anzog. Defensiv lieferte er aber bis auf ein paar unglückliche Szenen eine zufriedenstellende Vorstellung ab. Er ließ einigermaßen wenig zu und klärte insgesamt vier Aktionen. Teilweise kam der alternde Außenverteidiger nicht ganz hinterher, aber große Gefahr entstand daraus nicht. “Ich freue mich, dass ich meinen Teil zum Sieg beitragen konnte. Ich kenne die Jungs schon lange und wir spielen jeden Tag im Training zusammen – jeder weiß, dass ich daher immer bereit bin, wenn ich gebraucht werde”, erklärte Pekarik nach dem Spiel. Mit ihm war es gelungen, die Defensive in einer Fünferkette wieder zu stabilisieren, hinzu kam der gewohnte Kampf und Aufwand, den Pekarik aufs Parquett bringt. Trainer Nouri hatte mit der Entscheidung, ihn aus der Versenkung zurückzuholen, durchaus Mut bewiesen, doch “Mr. Zuverlässig” wurde seiner Aufgabe gerecht. Natürlich ist der 33-Jährige, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, nie ein verkappter Spielmacher der Marke Weiser oder Lazaro gewesen, aber in der passenden Situation kann er ebenso wichtig sein. Jeder gut gefüllte Kühlschrank sollte eben eine Tiefkühlpizza enthalten.

Arne Maier – ab wann ist Kritik erlaubt?

Die Bewertung von Spielern, die aus einer langen Verletzung kommen, ist immer so eine Sache. Wie viel Zeit muss vergehen, wie viele Spiele müssen sie gemacht haben, bis Kritik erlaubt ist? Arne Maier ist aktuell so ein Fall. Gegen Paderborn hat der 21-Jährige das dritte Mal infolge in der Startelf gestanden, so langsam könnte also wieder eine gewisse Routine in sein Spiel kommen. Bislang ist das Berliner Eigengewächs seinem Status als großes Talent und kommender Nationalspieler jedoch nicht gerecht geworden.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Mit Ascacibar und Skjelbred im Rücken agierte Maier gegen Paderborn einmal mehr als offensivster Part der Mittelfeldzentrale – klare Aufgabe: er soll das Spiel lenken und die Offensivspieler in Szene setzen. Und “Offensivspieler” meinte gegen den Aufsteiger die beiden Stürmer Cunha und Piatek, da sonst keine Spieler auf dem Feld standen, die nur nach vorne denken sollten. Diese Rolle scheint Maier jedoch nicht zu liegen, bzw. fehlt ihm (noch) der Mut, sie auszufüllen. Als wichtigster Drahtzieher, ohne einen Duda oder Grujic an seiner Seite, fehlt dem jungen Mittelfeldmann die Präsenz und das Gespür für raumöffnende Pässe. Blickt man auf das Pass-Übersicht Maiers, fällt auf, wie wenige in gefährliche Zonen gespielt wurden (nicht ob sie angekommen sind, sondern dass er sich diese gar nicht getraut hat) und wie viele Zuspiele er nach hinten verbuchte. Mit 79% angekommenen Pässen hat seine Genauigkeit ebenso Luft nach oben.

Es ist nicht so, als würde Maier sonderlich schwache Spiele abliefern, doch gemessen an seinem Talent und seinen Ambitionen ist es aktuell zu wenig. Natürlich müssen sein Alter und die lange Ausfallzeit miteinbezogen werden, dennoch ist es erstaunlich, wie wenig “besonderes” er auf dem Feld produziert. Es ist momentan wenig von seiner großen Ballsicherheit und seinem strategischen Denken zu sehen, stattdessen beobachtet man leichtere Ballverluste, Pässe ohne großen Raumgewinn und äußerst zaghafte Vorstöße. Sicherlich ist Maier (50 Pflichtspiele für Hertha, kein Tor, eine Vorlage) eben kein Duda, der besonders im letzten Angriffsdrittel aufblüht, sondern eher jemand, der Toni-Kroos-artig das Spiel aufziehen will, aber ist es schwer zu vermitteln, dass ein Per Skjelbred im Offensivspiel aufbrausender und dynamischer wirkte. Es ist vollkommen klar, dass man Maier weiter die Zeit geben muss, sich nach der langen Verletzungspause wieder zu finden, aber momentan gibt er der Mannschaft nur wenig. Man könnte auch angesichts seiner deutlichen Worte in der Winterpause und dem formulierten Wechselwillen sagen: wer sich so groß macht, muss dann auch liefern. In der aktuellen Form wird zumindest kein internationaler Topverein anklopfen. In den nächsten Wochen ist Maier dazu angehalten, mehr aus seinem Potenzial herauszuholen.

Matheus Cunha – genau das, was man gebraucht hat?

Zusammen mit der Hereinnahme Pekariks war es wohl die größte Überraschung bei Hertha, dass Neuzugang Matheus Cunha nach nur zwei Tagen in Berlin gegen den SC Paderborn sogleich in der Startelf stand. Die Entscheidung des Trainerteams sollte sich, auch wenn der junge Brasilianer teils negativ auf sich aufmerksam machte, auszahlen.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Doch wie wir es in der Schule gelernt haben – zunächst das Positive. Denn das Matheus Cunha das gewünschte “belebende” Element für Hertha war, ist nicht abzustreiten. Passierte etwas nennenswertes auf dem Feld, hatte der 20-Jährige sehr oft seine Füße im Spiel. Cunha arbeitete sehr gut mit Sturmpartner Piatek zusammen, indem der Pole mit seiner Ballsicherheit und Übersicht für die nötige Ruhe im Angriffsspiel sorgte und Cunha als freischwebender Komet um ihn herumwirbelte. Schnell wurde klar, dass der Winterneuzugang technisch mehr drauf hat, als viele seiner Kollegen auf dem Feld. Mit großem Spielwitz und dem stets nach vorne gerichteten Blick sorgte Cunha immer mal wieder für interessante und gewinnbringende Momente. Zwar war der brasilianische U-Nationalspieler nur 31 Mal am Ball, dennoch schien er das Spiel seiner Mannschaft wirklich zu prägen und überall zu sein. Oftmals fand man Cunha in der eigenen Hälfte, wie er Bällen hinterherjagte. Es war offensichtlich, dass dem Angreifer im Vorfeld wenige taktische Vorgaben gemacht wurden – er sollte einfach kicken und das Spiel seiner Mannschaft beleben. Das gelang Cunha auch, niemand gab so viele Schüsse wie er (fünf) ab, hinzu kommt eine Torschussvorlage, vier herausgeholte Freistöße und eine positive Zweikampfbilanz (für Stürmer sehr ungewöhnlich). Cunha war kaum einzufangen und belohnte sich in der 67. Minute mit seinem Debütreffer zum 2:1. Sehenswert verwandelte der Torjäger die Kugel mit der Hacke, nachdem zuvor noch Darida und Piatek gescheitert war. So lässt sich ein Einstand feiern.

Doch war nicht alles glanzvoll, was Cunha bei seinem ersten Spiel für die “alte Dame” zeigte. Nein, Hertha hat sich da durchaus ein Enfant terrible verpflichtet. So belebend der junge Stürmer auch war, teilweise übersteuerte er und ließ sich zu fragwürdigen Aktionen hinziehen. Bestes Beispiel war die Torchance aus der 61. Minute, bei der Cunha alleine auf Paderborns Keeper zulief, ewig den Ball hielt und sich letztendlich dazu entschloss, es aus zu kurzer Distanz mit dem Lupfer zu probieren. Hier greift der Klassiker “Er wollte es zu schön machen”. Nachdem es anschließend keinen Elfmeter gab (Zingerle hatte Cunha zu Fall gebracht, dieser ihn aber vorher am Hals gehalten), ließ sich Cunha zu einer abwertenden Geste gegenüber Schiedsrichterin Steinhaus hinreißen und hatte großes Glück, dafür nicht gelb gesehen zu haben. Die Verwarnung holte er sich dann acht Minuten später aber, nachdem er einen Paderborner völlig unnötig und überhart auf die Bretter schickte. Seine letzten Minuten waren davon geprägt, sich mit muskulären Problem zunächst noch über den Platz zu schleppen um dann in der 83. Minute ausgewechselt zu werden.

Ja, Cunha sorgte für ordentlich Aufsehen. Dazu gibt es zwei Lesarten: positiv lässt sich sagen, dass der junge Brasilianer ein deutlich belebendes Element für seine Mannschaft ist, merklich unbeschwert wie selbstbewusst auftritt und somit spielerisch viel auffängt. Auch seine akribische Arbeit gegen den Ball war lobenswert. Auf der anderen Seite der Medaille steht, dass Cunha in manchen Szenen den Ernst der Lage seines Vereins nicht ganz verstanden zu haben schien und oftmals unnötig Risiko einging. Er überdrehte oft, hatte einen Hang zur Theatralik und war stark gelb-rot-gefährdet. Wohlwollend muss aber festgehalten werden, dass Cunha gerade einmal 20 Jahre alt und somit noch leicht unbeherrscht ist, zumal er bei seinem Debüt sicherlich besonders viel zeigen wollte und daher überhitzte. Grundsätzlich ist es toll, solch einen Instinktfußballer in seinen Reihen zu haben, der an die vielen Brasilianer aus den Herthaner 2000er Jahren erinnert. Cunha wird seinem Team und den Fans wohl noch viele graue Haare wie Glücksmomente schenken und solche Spieler bleiben schließlich in Erinnerung.