Hertha muss nachsitzen. Wie vor zehn Jahren. Nach drei verpassten Matchbällen geht es in diesem Jahr gegen den HSV. Die Hamburger wollen ihrerseits nach vier Jahren Zweitklassigkeit ins Oberhaus zurückkehren. Wie der HSV es auf Position drei geschafft hat, welche Rolle der „Walter-Ball“ dabei spielt und warum es für beide Teams auch gegen ein Narrativ anzukämpfen geht, lest ihr im Gegner-Check.
Nach dem 34. Spieltag der regulären Saison gab es erstmals die Konstellation, dass der HSV dritter in der 2. und Hertha zeitgleich drittletzter in der 1. Liga waren. An jedem anderen Spieltag der Saison hätte das Aufeinandertreffen in der Relegation anders geheißen.
Doch die Abschlusstabelle ist nun einmal entscheidend. Und so stehen sich in der Relegation zwei Schwergewichte des deutschen Fußballs gegenüber. Platz drei bedeutet für den HSV die beste Platzierung in ihrer Zweitliga-Geschichte. Der Erfolg ist eng verknüpft mit dem Trainer Tim Walter.
Dabei hat der 46-jährige ehemalige Trainer von Bayerns U23 und Holstein Kiel seine ganz eigene Idee entwickelt: den „Walter-Ball“. Sein Team tritt dabei in der Grundordnung 4-3-3 auf. Hier sind die Spieler extrem flexibel. Im Ballbesitz werden Positionen immer wieder getauscht, viel Bewegung ist der Schlüssel.
(Photo by Martin Rose/Getty Images)
Das fängt im Spielaufbau an. Der HSV spielt keine langen Bälle, sondern sich stets flach raus. Dabei ist der Torwart der erste Aufbauspieler. Ist er im Ballbesitz, rücken die Außenverteidiger gerne mal auf, die Innenverteidiger schieben breit raus und ein Mittelfeldspieler lässt sich ins Zentrum fallen. Dabei folgt der Spielaufbau keineswegs einem Schema F. Variabilität ist auch hier der Schlüssel.
Walters anspruchsvolle Spielidee fängt beim Keeper an. Daniel Heuer Fernandes glänzt in dieser Spielzeit nicht nur als Elfmeter-Killer, sondern auch als guter Fußballer. Im Ballbesitz rückt er mitunter weit auf, um das Spiel aufzubauen. Was meistens funktioniert, birgt auch ein Grundrisiko. Wie im Spiel gegen den SC Paderborn, als ein Hamburger in der eigenen Hälfte den Ball verlor und der Paderborner Srbeny über den weit aufgerückten Heuer Fernandes einschießen konnte.
In der regulären Saison stellte der HSV mit 35 Gegentoren die beste Abwehr der Liga. Hervorzuheben ist hierbei die Innenverteidigung, bestehend aus Kapitän Sebastian Schonlau und Mario Vuskovic. Mit 64,14 Prozent gewonnener Zweikämpfe ist Vuskovic der beste Hamburger in dieser Disziplin. Auf Platz drei kommt Schonlau, der 61,21 Prozent seiner Duelle gewinnt. Mit 91,17 Prozenr angekommenen Pässen wies Schonlau in dieser Hinsicht gleich den zweitbesten Wert der gesamten Liga auf.
Im Dreier-Mittelfeld ist der defensiv starke Jonas Meffert gesetzt. Seine knapp 90 Prozent angekommenen Pässe unterstreichen seinen Wert im „Walter-Ball“, immer wieder kann er sich fallen lassen und Bälle verteilen.
Vor ihm ist neben Ludovit Reis vor allem Sonny Kittel extrem auffällig. Der polyvalente Spieler kommt in dieser Saison auf neun Tore und 16 Vorlagen. Wie die gesamte Hamburger Offensive legt er Tore besonders gern per Flanke auf.
Und am aller liebsten auf Hamburgs Zielspieler Nummer eins in der Offensive: Mittelstürmer Robert Glatzel. Mit 22 Toren spielt der 28-Jährige seine persönlich stärkste Saison. Sowohl aus dem Mittelfeld, vor allem aber über die Flügel wird Glatzel immer wieder gesucht. Zwölf seiner Tore erzielte der 1,93m-große Stürmer per Kopf. Vor allem seinetwegen stellte der HSV die drittbeste Offensive der 2. Liga.
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“Walter-Ball” knacken
Die drittbeste Offensive der Liga, die beste Defensive der Liga. Klingt im ersten Moment nicht wie der typische Drittplatzierte, der in die Relegation muss. Doch der HSV ließ im Saisonverlauf immer wieder Federn.
Werders zentrale Mittelfeldspieler übernahmen dabei Hamburgs Außenverteidiger, die Stürmer Werders verdichteten das Zentrum. So entwickelte Werder ein extrem hohes Pressing, zwang den HSV immer wieder zu Ballverlusten.
Das funktionierte, auch weil Werder im entscheidenden Moment taktisch umstellte. Mit der Führung im Rücken stand man tiefer, überließ dem HSV den Ball. Und konzentrierte sich darauf, Glatzel aus dem Spiel zu nehmen. Fast wie ein Bewacher stand ihm Bremens Ömer Toprak an der Seite.
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Der Schlüssel zu diesem Sieg widerspricht zwar allem, wofür Hertha in dieser Saison steht. Denn mit gerade einmal durchschnittlich acht ballerobernden Aktionen pro Spiel in der gegnerischen Hälfte war in dieser Disziplin in der Bundesliga niemand so ungefährlich wie Hertha. Doch Mut sollte machen, dass dieses hohe Pressing gar keine 90 Minuten durchgezogen werden musste.
Um den HSV zu schlagen, muss Hertha in jedem Fall mutiger auftreten als zuletzt. Und auch taktisch variabler. Denn überlässt man den Hamburgern den Ball dauerhaft, werden sie Mittel finden, um Glatzel ins Spiel zu bringen. Gleichzeitig muss das Risiko, selber das Spiel zu machen, oder früh zu pressen, immer wieder abgewägt werden. Denn so könnten sich Gelegenheiten für den HSV bieten und es steht viel auf dem Spiel…
Mit dem Narrativ brechen
Der HSV und die Relegation – das galt mal als die perfekte Symbiose. In den Jahren 2014 und 2015 rettete sich der einstige Bundesliga-Dino gleich doppelt über diesen Modus. Gegen Fürth half die Auswärtstorregel, gegen den Karlsruher SC ein zumindest zweifelhafter Freistoß. 2017 rette sich der HSV am letzten Spieltag spektakulär, entging einer erneuten Relegation erst in der 88. Minute.
Doch das Bild des Clubs, der in letzter Sekunde immer wieder den Kopf aus der Schlinge zieht, istlängst verwischt. 2018 mussten die Hamburger den Gang in die Zweite Liga antreten. Es folgten drei Versuche der Rückkehr ins Oberhaus, alle endeten auf dem undankbaren vierten Platz. Teils verspielte man in der Hansestadt große Vorsprünge.
Und so tritt der HSV zum dritten Mal in acht Jahren in der Relegation an. Doch es geht nicht nur gegen Hertha, sondern auch gegen das Narrativ des Scheiterns. Aus den einst unabsteigbaren Hamburgern droht das genaue Gegenteil zu werden. Und auch der HSV weiß: Jedes weitere Jahr in der Zweiten Liga ließe die Lücke zum Oberhaus weiter wachsen.
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Doch nicht nur für den HSV geht es darum, eine sich selbsterfüllende Prophezeiung abzuwenden. Auch bei der Hertha würde ein Erfolgserlebnis eine Erzählweise über den Verein zumindest vorläufig verstummen. Denn nach einer Aneinanderreihung von Negativerlebnissen in den vergangenen Jahren wäre ein Abstieg, noch dazu über die Relegation, die es in den vergangenen Jahren stets gut mit dem Erstligisten meinte, der nur allzu gut ins Bild passende vorläufige Tiefpunkt.
Die Stimmung rund um Hertha BSC könnte unter Würdigung der Gesamtumstände kaum besser sein. Mit dem zweiten Sieg in Folge gegen einen direkten Abstiegskonkurrenten hat man sich in eine hervorragende Ausgangslage für die Klassenerhalt gebracht. Doch die Saison ist nicht vorbei, ein Verbleib in der Bundesliga noch lange nicht sicher. Es gilt daher, auch gegen die Arminia aus Bielefeld an die letzten Leistungen unbedingt anzuknüpfen.
Unser Artikel zur Pressekonferenz vor dem Spiel.
Magath mahnt bei Hertha zur Vorsicht
Die pure Erleichterung und Freude, die im gesamten Stadion nach dem Tor von Belfodil zum 2:0-Endstand gegen Stuttgart zu spüren war, dürfte bei vielen Fans von Hertha auch noch tagelang danach angehalten haben. Alle wussten: dieser Moment könnte der Entscheidende im Hinblick auf den Klassenerhalt werden.
Doch Cheftrainer Felix Magath stellt klar, dass man sich noch keinesfalls am Ziel befinde: „Wir sind auf dem Weg und haben jetzt vielleicht Bronze erreicht. Wir können jetzt in Bielefeld noch Silber holen und nur darauf werden wir uns fokussieren.“ Er wäre schon zu lange dabei und hätte zu oft Dinge erlebt, die sich dann völlig verkehrt haben. Fest steht: Rechnerisch hat Hertha den Klassenerhalt nicht sicher, selbst mit einem Sieg gegen Bielefeld könnte man sich unter Umständen „nur“ das Erreichen der Relegation sichern.
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„Es geht um drei Punkte in Bielefeld, die wollen wir holen, dann haben wir wahrscheinlich wieder einen großen Schritt in Richtung Klassenerhalt, aber für was es dann reicht, werden wir hinterher auf der Tabelle ablesen können“, arbeitet Magath heraus. Der Fokus auf das eigene Spiel wurde somit noch einmal betont, auch wenn es auf der Bank sicher den einen oder anderen Blick nach Stuttgart geben dürfte, unabhängig vom eigenen Spielstand.
Nahezu unveränderte Personallage und Tousart-Lob
Was die Aufstellung angeht, lässt der Übungsleiter die Frage nach einer möglichen neuen Doppelspitze aus Selke und Belfodil schmunzelnd offen: „Lassen Sie mich heute und morgen noch ein bisschen spielen mit dem Gedanken, dass die beiden auch mal beginnen könnten, aber sicher bin ich mir dahingehend noch nicht.“
Es wäre durchaus überraschend, sollte sich die zuletzt erfolgreiche Aufstellung ändern, lediglich der nach Gelbsperre zurückgekehrte Marco Richter wird den jetzt gesperrten Vladimir Darida ersetzen. Es darf davon ausgegangen werden, dass die exakt gleiche Elf wie gegen den FC Augsburg beginnen wird. Was die weiteren fehlenden Spieler angeht, hat sich im Vergleich zur letzten Woche nichts geändert, Stevan Jovetic, Lukas Klünter, Dong-Jun Lee, Kelian Nsona und Alexander Schwolow stehen weiterhin nicht zur Verfügung.
Ein besonderes Lob erfuhr derweil Rekordeinkauf Lucas Tousart: „Er ist ein echter Mannschaftssportler.“ Tousart sei ein kompletter Mittelfeldspieler, sowohl defensiv als auch offensiv. Gleichzeitig denkt Magath, das Problem für Tousarts bisherigen Schwierigkeiten in dieser Saison gefunden zu haben. Die Olympiateilnahme im letzten Sommer habe dazu geführt, dass er nicht die notwendige Pause gehabt hätte, um richtig frisch in der Saison anzukommen.
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Und auch die ungünstige sportliche Situation sei beim Einleben nicht förderlich gewesen. Eine Aussage, die man so sicher auf den Großteil der Neuzugänge in den letzten Jahren anwenden kann.
Kampfbereiter Gegner auf der Alm
Was das kommende Spiel angeht, weiß der Trainer genau, was ihn erwartet: „Das wird eine ganze harte Nuss in Bielefeld, denn auf der Alm ist es sowieso schwierig zu spielen.“ Und schiebt hinterher: „Mir braucht keiner was zu erzählen, freudig fahre ich da nicht hin, sondern konzentriert und fokussiert auf diese Aufgabe, es wird 90 Minuten ein harter Kampf, denn Bielefeld kämpft natürlich gegen uns um ihre letzte Chance uns in diesen Abstiegskampf mit reinzunehmen und daher erwarte ich eine ganz heiße und harte Partie und es wird eng werden.“
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Etwas überraschend kam es vor gut einer Woche beim kommenden Gegner zu einem Trainerwechsel. Der Torwarttrainer Marco Kostmann übernahm für den freigestellten Frank Kramer. Als Co-Trainer steht im Michael Henke zur Seite, der in dieser Rolle unter anderem schon für Ottmar Hitzfeld tätig war.
Magath zeigte sich ob der neuen möglichen taktischen und personellen Marschroute der Bielefelder allerdings nicht sonderlich besorgt: „Nach der Analyse kann man sagen, es hat sich ja nicht viel verändert bei der Arminia durch den Trainerwechsel, insofern denke ich können wir auf die Erfahrung, die wir im Laufe der Saison mit und über die Arminia gesammelt haben auch für uns kalkulieren am Wochenende.“ Klar ist aber, freiwillig wird Bielefeld keine Punkte in die Hauptstadt ziehen lassen, eine Selbstläufer wird die Partie für Hertha unter keinen Umständen.
Ungeklärte Situation zwischen Mannschaft und Fans
Der Trikot-Aktion nach dem Derby zog deutschlandweit Aufmerksamkeit auf sich. Nach den letzten zwei Spielen kam die Mannschaft aufgrund der Vorkommnisse jeweils nicht in die Kurve zum Feiern. Darauf angesprochen, ob es mittlerweile einen Dialog zwischen Mannschaft und Fans gäbe, sagte Magath: „Es gab dahingehend noch keinen Austausch, wir werden uns auch jetzt nicht vor diesem Auswärtsspiel mit dieser Problematik ablenken lassen, sondern wir werden uns auf die Partie fokussieren, damit wir da die Punkte holen. Aber rechtzeitig zum letzten Heimspiel werden wir sicher dann Gespräche geführt haben und sehen, wie wir das lösen können.“
Im Idealfall kann man zu diesem Zeitpunkt gegen Mainz bereits den Klassenerhalt feiern. Es wäre schade, wenn die Saison mit solch einem faden Beigeschmack endet. Eine Versöhnung zwischen den Beteiligten wäre daher sicher wünschenswert. Klar ist, dass die Unterstützung am kommenden Wochenende gesichert ist – das Auswärtskontingent in Bielefeld ist vollkommen ausgeschöpft. Fast 3.000 Fans werden der Mannschaft von Hertha BSC somit dabei helfen, auch den dritten Abstiegskracher in Folge zu gewinnen.
Ein Punkt auswärts beim Dritten der Tabelle. Das klingt doch erstmal gut. Chris, Marc und Lukas reden über das Spiel in Leverkusen und geben eine ausführlichen Ausblick auf das Derby gegen Union.
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Endlich ist er da, der zweite Sieg dieser Saison. Über diesen sprechen Marc und Lukas mit Hannes, einem Bremer, aber treuem Hörer unseres Podcasts. Außerdem geht es um die verspätete Zahlung von Tennor, Jordans positiven Coronatest und wir geben einen Ausblick auf die Länderspielpause sowie auf das Spiel gegen Dortmund.
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Liebe Hertha-Gemeinde, wir melden uns auch in der Länderspielpause für euch zurück, da wir die dann doch ungeahnt zahlreichen Transfers und das aufregende Bayernspiel nicht zu lange unbesprochen lassen wollten.
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