Herthaner im Fokus: Hertha BSC – VfB Stuttgart

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – VfB Stuttgart

Nach der lästigen Länderspielpause empfing unsere Hertha den Aufsteiger VfB Stuttgart. Am 20. Todestag des Herthaner Fanbeauftragten Carsten Grab sollte vor 4.000 Zuschauern an die starke Leistung gegen Bayern München angeknüpft und der verpatzte Heimauftakt gegen Eintracht Frankfurt vergessen gemacht werden. Doch gerade die erste Hälfte wirkte wie eine Kopie der Frankfurt-Partie, sodass auch das dritte Spiel im „für Pauline“-Trikot verloren ging.

Wir schauen auf einige ausgewählte Herthaner bei dieser 0:2-Heimpleite.

Mathew Leckie / Dodi Lukébakio – Pfui und hui

Mit Mathew Leckie auf der linken Außenbahn hatte Bruno Labbadia eine Überraschung in der Startelf aus dem Hut gezaubert. Wurde zuletzt mangels Außenspielern eher auf ein 4-3-1-2 (oder auch 4-4-2 mit Raute) gesetzt, bewegte man sich so wieder in gewohnteren Gefilden und spielte zu Beginn in einem 4-3-3.

Doch der Down Under-Coup von Labbadia schlug fehl. Bereits in der achten Minute ließ sich Mathew Leckie vom Stuttgarter Außenstürmer Tanguy Coulibaly so schlicht düpieren, dass neben dem Herthaner Außenpfosten wohl auch Peter Pekarik angesichts derartiger defensiver Unterstützung auf seiner rechten Seite das Zittern bekam.

In der Folge konnte Leckie weder offensiv noch defensiv auf sich auffällig machen. Insbesondere im letzten gegnerischen Drittel konnte er in keinster Weise sein Tempo einsetzen, anspruchsvolle Passstaffetten waren von ihm ohnehin nicht zu erwarten. Bezeichnend eine Szene in der 35. Minute, als Lucas Tousart mit einem seiner langen, hohen Seitenwechsel Leckie in aussichtsreicher Position fand, dieser aber das Dribbling scheute, abdrehte und die Kugel schlussendlich über Umwege zu Innenverteidiger Boyata schob.

Folgerichtig musste der Australier in der Halbzeitpause in der Kabine bleiben und wurde von Dodi Lukébakio ersetzt. Der Belgier hätte wohl auf der rechten Seite ohnehin die Nase vorn, war aber in den zurückliegenden Wochen mit der belgischen Nationalelf zu drei Länderspielen geflogen, ohne dabei zu seinem Debüt zu kommen.
Mit Dodi Lukebakio auf dem Feld wich Hertha in das defensivere 4-2-3-1 ab. Matheus Cunha zog vom linken Flügel auf die Zehn, während Maxi Mittelstädt aus dem Zentrum verschwand und fortan den linken Mittelfeldspieler gab.

Foto: IMAGO

Und der Belgier brachte direkt mehr Tempo und Zug zum Tor ins Spiel. Im Gegensatz zu Leckie traute er sich ins Eins-gegen-Eins, wenngleich auch das nicht immer zum Erfolg führte. Auch das Anlaufen gestaltete Lukébakio deutlich aggressiver und konnte so in der 53. Minute Gregor Kobel, den Keeper der Stuttgarter, gehörig unter Druck setzen, sodass dieser den Herthaner nur noch anschießen konnte. Von Lukébakio sprang der Ball zu Matheus Cunha, der vielleicht etwas zu überhastet abschloss, sodass Kobel parieren konnte.

In der Folge konnte Lukébakio einige Male über rechts gefährliche Situationen erzeugen. Im Zusammenspiel mit dem eingewechselten Deyovaisio Zeefuik gelangen ihm innerhalb von einer Minute zwei vielversprechende Angriffe, von denen Cunha den zweiten in der 66. Minute aus wenigen Metern unter Bedrängnis nur knapp übers Tor setzte.

Mit dem zweiten Gegentor in der 68. Minute war der Wille der Hertha dann größtenteils gebrochen. Auch die Hereinnahme von Krzysztof Piątek als zweitem Stoßstürmer in einem 4-1-3-2 ab der 78. Minute konnte nicht mehr für Torgefahr sorgen.

Der Schachzug mit Mathew Leckie ging leider nicht auf. Hatte der Australier bei seinem Hertha-Debüt vor drei Jahren noch einen Doppelpack gegen die Schwaben erzielt, blieb er dieses Mal gänzlich ungefährlich. Anders Dodi Lukébakio, der sich in der Offensive auch mal etwas zutraute und mit großen Schritten den Außenverteidiger des VfB anlief. Auch wenn die Dribblings und Hereingaben nicht zu einem Tor führten, war Hertha in der zweiten Halbzeit durch den Belgier deutlich aktiver und gefährlicher.

Wenn Hertha mit Außenstürmern spielt, ist Lukébakio zurzeit die beste Option. Auf der linken Seite hat man mit Javairo Dilrosun einen ähnlichen Spielertypen, der aber leider sehr verletzungsanfällig ist. Alternativ kann auch Matheus Cunha über links für Furore sorgen. Dahinter wird es allerdings etwas dünn.

Dodi Lukébakio jedenfalls scheint sich über rechts doch etwas wohler zu fühlen, als neben Jhon Córdoba oder Krzysztof Piątek als wuseliger zweiter Stürmer im Zentrum. Gerade das ordentliche Zusammenspiel mit Deyovaisio Zeefuik wird Bruno Labbadia bezüglich der Wahl des Systems in den nächsten Spielen ins Grübeln bringen.

Deyovaisio Zeefuik – Mehr Konzentration!

Bereits in der 20. Minute wurde der niederländische U21-Nationalspieler für den verletzten Peter Pekarik eingewechselt und übernahm dessen Position als Rechtsverteidiger.

Dem wuseligen Coulibaly auf Stuttgarter Seite konnte Zeefuik mit seinem Tempo etwas den Wind aus den Segeln nehmen. Dafür ging in der Offensive in der ersten Hälfte im Zusammenspiel mit Mathew Leckie nichts zusammen.
Das besserte sich nach dem Seitenwechsel, als Zeefuik mit Lukébakio einen aktiveren und wendigeren Mitspieler vor sich fand, der sich immerzu für den Pass auf außen anbot und den Rechtsverteidiger auch mit in seine Vorstöße einband. So führten zwei starke Kombinationen auf Herthas rechter Seite im Ergebnis zu einer guten Chance für Matheus Cunha in der 66. Minute.

Foto: IMAGO

Kurz darauf zeigte Zeefuik aber wieder sein unkonzentriertes Gesicht. In der 68. Minute verursachte er einen völlig unnötigen Ballverlust, den Gonzalo Castro nutzte, um den Ball nach vorne zu treiben. Über einige unglückliche Hertha-Umwege landete der Ball schließlich wieder bei Castro, der aus etwas mehr als 20 Metern den Ball trocken ins untere linke Ecke setzte.
Völlig zurecht ärgerte sich Zeefuik maßlos über seine Unkonzentriertheit, die in eine gute Hertha-Phase hinein im Endeffekt die Entscheidung in diesem Spiel herbeiführte.

Zu allem Überfluss musste der Niederländer in der 78. Minute angeschlagen ausgewechselt werden. Es bleibt zu hoffen, dass Deyovaisio Zeefuik nicht allzu lang ausfällt, insbesondere da mit Peter Pekarik auch ein zweiter etatmäßiger Rechtsverteidiger in Halbzeit eins bereits verletzt vom Feld musste.

Trotz der Unkonzentriertheiten, die sich Zeefuik noch zu häufig erlaubt, schafft er es mit seinem enormen Tempo regelmäßig die gegnerischen Stürmer abzukochen. Auch im Angriff ist er mit seiner Schnelligkeit und seinem Offensivdrang gerade im Zusammenspiel mit Lukébakio eine gute Option. In Hinblick auf das vermutlich eher konterlastige Spiel gegen RaBa Leipzig wie auch deren temporeiche Offensive wäre seine schnelle Genesung umso wünschenswerter.

Matheus Cunha – Einer alleine für Alles

Matheus Cunha wollte seine erstmalige Nominierung für die brasilianische Nationalelf bestätigen und seinen Motivationsschub von der Reise zur Seleção gegen die Stuttgarter auf den Rasen bringen. So setzte er bereits in der zweiten Minute engagiert einem langen Ball bis zur Torauslinie nach und konnte das Spielgerät so im Feld halten, wobei der Angriff in der Folge versandete.

Cunhas Motivation zeigte sich auch in einem recht aggressiven Anlaufverhalten. Der Brasilianer scheute kein Duell und sah in der 15. Minute nach zwei Fouls innerhalb von einer Minute eine überharte Gelbe Karte von Schiedsrichter Harm Osmers, der gerade in der ersten Hälfte eine sehr exklusive Zweikampfauslegung an den Tag legte.

In der ersten Hälfte konnte Cunha über die linke Seite kommend das ein oder andere Mal seinen Gegenspieler aussteigen lassen und in gefährlicher Position zur Hereingabe kommen. Leider blieb er dabei entweder an einem Verteidigerbein oder Keeper Kobel hängen oder fand mit seiner Flanke einfach keinen Mitspieler. Entsprechend zog er in Cunha-Manier auch hin und wieder von der Seite in die Mitte, um einen Pass in die Tiefe oder auf die rechte Seite zu spielen. Dabei fand er mehrmals auch Vladimir Darida auf rechts, der seinerseits aber so gar nichts mit dem Ball anfangen konnte und weder einen Schuss noch eine vernünftige Flanke aus dem Fußgelenk schütteln konnte.

Nach der Pause wurde Cunha von der linken Seite ins Zentrum auf die Zehn beordert, Mittelstädt übernahm dafür die offensive linke Außenbahn. Nun aus dem Zentrum kommend, versuchte Herthas Nummer Zehn in der Offensive den Regisseur zu geben. Wie schon in den Spielen zuvor gelang ihm dies nur mäßig. In der 53. Minute konnte er seine Bewacher abschütteln und Jhon Córdoba in Szene setzen, der sich gegen seine Gegenspieler durchsetzen konnte, den Ball aber knapp neben das Tor schoss.

Foto: IMAGO

Im Zentrum war Cunha immer direkt mit mehreren Gegenspielern konfrontiert. Hat er auf außen meist nur den Außenverteidiger zum Gegner und bei erfolgreichem Dribbling zunächst mal nur Wiese vor sich, stehen ihm in der Mitte ohnehin schon mehrere Verteidiger auf den Füßen. Wenn er nun den ersten oder auch den zweiten mit schnellen Dribblings umgangen hat, wartet meist nur der nächste Abwehrspieler auf ihn und macht ihm den Ball streitig. Cunhas dribblinglastiges Spiel kommt so auf den außen häufig besser zur Geltung, wenn er sich mit Tricks oder Tempowechseln an seinem Gegenspieler vorbeidribbelt und direkt Platz für einen Angriff hat. Im Zentrum fehlt ihm dann häufig die Gesamtübersicht oder auch die Handlungssschnelligkeit, um es mit mehreren Gegenspielern aufzunehmen oder auch das Spiel auf einen freien Mitspieler im Mittelfeld zu verlagern.

Cunhas zentralere Position brachte ihn neben der verdichteten Stuttgarter Zentrale aber auch häufiger in Abschlussposition als noch in Halbzeit eins. In Minute 53 hatte er so die Riesenchance allein knapp vor Keeper Kobel, nachdem dieser von Lukébakio angelaufen und zu einem Pressschlag gezwungen wurde. Auch in der 66. Minute konnte Cunha nach einer Hereingabe von Lukébakio von der Torauslinie beinahe den Anschlusstreffer markieren und zielte den Ball aus der Luft nehmend nur knapp über das Gehäuse.

Als mit dem 0:2 in der 68. Minute der Sack praktisch zu war, schwanden mit Herthas auch Cunhas Angriffsbemühungen zusehends und man ergab sich schließlich dem Schicksal.

Cunhas Stärke ist und bleibt das Eins-gegen-Eins. Wie diese Saison zeigt, kann er diese Waffe in der Zentrale häufig nicht gewinnbringend ausspielen, wenn er es schnell mit zwei oder drei Gegenspielern zu tun hat. Für solche Fälle braucht er Unterstützung aus dem Mittelfeld, um mit Passkombinationen oder Spielverlagerungen auch in der Zentrale etwas Raum zu schaffen. „Den Ball auf Cunha und der macht das schon“ ist eine Taktik, die gegen gut gestaffelte Bundesliga-Teams (nicht mehr) erfolgsversprechend ist. Das fehlende Bindeglied zwischen Defensive und Offensive zeigt sich gerade auch am Beispiel des alleingelassenen Matheus Cunha deutlich.

Jhon Córdoba – Stürmer (27), Kolumbianer sucht … vernünftiges Anspiel

Der kolumbianische Neuzugang durfte wie schon gegen den FC Bayern als Stoßstürmer beginnen und sollte seinen Körper einsetzen, um lange Bälle festzumachen, weiterzuverteilen und generell die gegnerische Abwehr aufzuwühlen.

So konnte er in der ersten Hälfte auch die ein oder andere Kopfballablage bei Cunha platzieren und diesen über die linke Seite auf die Reise schicken. In der 32. Minute zeigte er auch seinen Torinstinkt, als er einen umherflippernden Ball direkt nahm, aber über das Tor schoss.

Ohne wirkliche Idee im Spielaufbau sah sich Hertha meist gezwungen, das Spiel mit langen Bällen zu eröffnen. Dabei wurden allerdings meist die schnellen Außen gesucht, die aber in etwaigen Kopfballduellen regelmäßig den kürzeren zogen. Lange Bälle auf Córdoba waren dabei insgesamt eher die Seltenheit, der Kolumbianer konnte bei diesen undankbaren Anspielen aber auch selten etwas mit dem Ball anfangen oder ihn sichern.

Foto: IMAGO

In der zweiten Halbzeit zeigte die Chance in der 53. Minute dann welches Potenzial Hertha sich mit Córdoba eingekauft hatte. Nach einem Anspiel an die Sechzehner-Kante von Matheus Cunha behauptete sich Córdoba mit dem Rücken zum Tor gegen zwei Abwehrspieler, drehte sich um sich selbst und schloss aufs kurze, linke Ecke ab. Der Ball strich knapp am Tor vorbei, aber die Szene zeigte, zu was Córdoba in der Lage ist, wenn er vernünftige Zuspiele bekommt. Ein Stürmer, der auf körperliche Ebene jedem Verteidiger das Leben schwer macht und auch ohne Probleme in der Lage ist, zwei Abwehrspieler zu binden, schafft Räume für die restlichen Offensivakteure. Gegen Bremen beispielsweise zeigte Jhon Córdoba auch schon, dass er in solchen Situationen auch das Auge für den freien Mitspieler hat.

Der technisch feine Kombinationsspieler mag Córdoba nicht sein, er erweitert Herthas Offensiv-Repertoire aber enorm.

Einzig und allein – auch hier zeigte sich die Kreativlosigkeit, die Herthas Aufbau- und Angriffsspiel prägte. Die vernünftigen Anspiele auf Córdoba ließen sich an einer Hand abzählen – ein Problem, dass auch Krzysztof Piątek nur allzu gut kennt. Aus Herthas Mittelfeld kommen einfach nicht genug Vorstöße. Gegen eine Fünferkette wie die der Stuttgarter reichen drei ordentliche Offensivspieler, die noch nicht allzu eingespielt sind und in Kombination und Rotation noch Steigerungspotenzial haben, einfach nicht aus.

Nichtsdestotrotz zeigt Córdoba, warum man ihn geholt hat. Ein körperlich präsenter Stürmer, der sich in jeden Zweikampf wirft, den Gegner nervt und ihm alles abverlangt. Zur Not kann man ihn auch mal mit einem hohen Ball anspielen, sofern sich dann Abnehmer in seiner Nähe aufhalten.

Jhon Córdoba bereichert Herthas Offensive um eine effektive Facette. Jetzt muss Hertha es nur noch schaffen, seine Qualitäten auch sinnvoll einzusetzen.

Und dann war da noch:

Maxi Mittelstädt, der wie zuletzt häufiger überall auf dem Feld im Einsatz war. In Hälfte Eins begann er noch als linker zentraler Mittelfeldspieler in Herthas 4-3-3, konnte aber kaum kreative Akzente setzen oder raumöffnende Pässe verzeichnen. Nach dem Pausentee übernahm er die gewohntere Position im linken Mittelfeld in einem 4-2-3-1, wo der Verbund Marvin Plattenhardt – Maxi Mittelstädt offensiv aber kein kreatives Feuerwerk zünden konnte und sich Mittelstädt in Flanken verlor, die den ersten Gegenspieler nicht überstanden. Ab der 66. Minute fand sich Herthas Eigengewächs schließlich nach Plattenhardts Auswechslung für den Rest des Spiels auf der Linksverteidiger-Position wieder.
Maxi Mittelstädt lief damit auch im vierten Spiel über die volle Spielzeit auf. Trotz wechselhafter Leistungen ein gewaltiger Schritt nach vorne für den Berliner – Stammspieler.

Eduard Löwen, der Hertha-Rückkehrer, der ab der 78. Minute den angeschlagenen Zeefuik als Rechtsverteidiger ersetzte. Löwen wollte auf dieser ungewohnten Position – konnte aber nicht so richtig und versuchte sich an einigen halbgaren Flanken. Die Spielzug ‘Eduard Löwen auf Gregor Kobel’, Keeper der Stuttgarter, dürfte aber wohl der häufigste der letzten Minuten gewesen sein.

Unser Mittelfeld, das wie schon in den letzten Spielen erhebliche Kreativitäts- und Spielaufbauprobleme aufzeigte. Nach Arne Maiers Leih-Abgang und dem coronabedingten Ausfall des französischen Neuzugangs Matteo Guendouzi fehlt ein Balltreiber, ein Verbindungsglied zwischen Abwehr und Angriff, ein Initiatior, ein Lenker des Spiels. Vladimir Darida war wie schon gegen Frankfurt mit dieser Rolle sowohl über halbrechts kommend als auch später auf der Zehn überfordert und konnte einige Male in vielversprechender Position die Kugel weder zum Mitspieler noch aufs Tor bringen. Auch Lucas Tousart kam in der ersten Hälfte kaum in die Zweikämpfe, versuchte sich später reinzubeißen und brachte auch einige Male seine präzisen hohen Seitenwechsel in die Spitze auf den Rasen, blieb insgesamt aber doch blass.
Hier liegt zurzeit bei Hertha der Hase im Pfeffer. Möglicherweise finden sich die vielen Neuzugänge in näherer Zukunft besser zusammen und bringen das Hertha-Spiel ins rollen. Die Hoffnungen ruhen dabei aber wohl vor allem auf Arsenal-Leihgabe Guendouzi. Werd schnell fit, Junge!

[Titelbild: IMAGO]

Herthaner im Fokus: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC

Herthaner im Fokus: Eintracht Frankfurt – Hertha BSC

Im zweiten Spiel unter Jürgen Klinsmann ging es vor allem um eine Sache: Kampf. Die Hertha-Profis lieferten eine körperlich betonte Leistung ab und erkämpften sich einen Punkt in Frankfurt. Trotzdem war bei vielen Fans eine große Enttäuschung zu spüren. Eine 2:0 Führung aus der Hand zu geben ist schließlich nie ein gutes Gefühl. Wir haben uns die Leistung einzelner Spieler genauer angeschaut.

Marko Grujic – Entscheidender Mann

Marko Grujic hat am Freitagabend wohl sein bestes Spiel in der laufenden Saison gezeigt. Dabei gab es zahlreiche Situationen, in denen der Serbe den einen oder anderen Hertha-Fan zur Verzweiflung gebracht hat. Entscheidend war er aber allemal.

Foto: Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images

Das 1:0 bereitete der Serbe herausragend vor. Nach einer Balleroberung von Darida leitete er den Gegenangriff selbst ein, schaltete schnell nach vorne um. Im Zusammenspiel mit Marvin Plattenhardt wurde Grujic dann auf der linken Seite angespielt, leitete den Ball zwischen die Beine seines Gegenspielers in den Lauf von Dodi Lukebakio weiter, der zum 1:0 einnetzen konnte. Nicht weniger wertvoll war dann in der zweiten Halbzeit sein Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0. Nach schöner Vorlage von Dedryck Boyata stand der Serbe goldrichtig, musste nur noch aus kurzer Distanz einschieben.

Zwei brillante Szenen, die sinnbildlich für das Potenzial und für die Qualität des aus Liverpool ausgeliehenen Spielers stehen. Solche Szenen zeigte er in den vergangenen Monaten so gut wie nie, und auch gegen Frankfurt fiel er nicht nur durch diese Szenen auf. Beim von Schiedsrichter Christian Dingert zurückgenommenen 1:1 Ausgleich der Frankfurter war Marko Grujic durch einen unnötigen Ballverlust am Ursprung. Beim 2:2 Ausgleich der Heimmannschaft sah er Hinteregger zwar anlaufen, reagierte aber nicht schnell genug, sodass dieser dann zu Rode köpfen konnte.

Im Mittelfeld fiel wieder einmal auf, dass der junge Serbe oft nicht rechtzeitig schaltete, um Angriffe des Gegners zu verhindern. Oftmals lief er seinem Gegenspieler nur hinterher, ohne diesen entscheidend zu stören oder zu bedrängen. Dies zeigt sich auch daran, dass er weniger intensive Läufe (51) aufweisen konnte als Ondrej Duda, der bereits in der 49. Minute ausgewechselt wurde. Im Vergleich dazu wies Laufwunder Vladimir Darida sogar 116 intensive Läufe auf.

Der Serbe teilt sich aktuell mit Robert Andrich von Union Berlin und mit Kingsley Ehizibue aus Köln einen Titel. Sie sind die Spieler mit den meisten Fouls in der Bundesliga. Dagegen fiel Grujic besonders positiv damit auf, dass er nicht nur an beiden Toren direkt beteiligt war, sondern auch allgemein ein Aktivposten im Mittelfeld war. Ganze 11,46 Kilometer lief der Mittelfeldspieler insgesamt. Er war auch der Spieler mit den meisten Ballkontakten (57) und der Spieler mit den meisten Pässen (40, Passquote 70%) bei den Berlinern.

Ondrej Duda – Chance verpasst

Ondrej Duda stand, für viele überraschend, in der Startelf von Hertha BSC. Dabei war er im letzten Spiel gegen Borussia Dortmund nicht mal im Kader. Doch die Chance in seinem ersten Einsatz unter Neutrainer Jürgen Klinsmann guten Eindruck zu hinterlassen konnte er leider nicht nutzen. Seine unbestrittenen Qualitäten, die er vergangene Saison unter Beweis stellen konnte, brachte er nicht auf dem Platz.

Foto: Alexander Scheuber/Bongarts/Getty Images

Stattdessen zeigte er genau die Schwächen, die ihm diese Saison wohl zurecht öfter seinen Stammplatz gekostet hatten. Er brachte, wie seine Mitspieler auch, die nötige Härte und Aggressivität auf dem Platz. Dabei konnte er jedoch weder die nötige Präzision noch das nötige Timing bei den Zweikämpfen aufweisen. Dadurch gewann der Slowake so gut wie nie den Ball, beging dafür zahlreiche Fouls.

Bereits in der neunten Minute holte sich der 25-Jährige für ein Foul an Martin Hinteregger die gelbe Karte ab. In der Folge nahm er sich jedoch in Zweikämpfen keineswegs zurück und war bis zur Pause akut gelb-rot gefährdet. Als er dann direkt in der 46. Minute wieder nur knapp der gelb-roten Karte entkommen konnte, wurde er vom Berliner Cheftrainer ausgewechselt.

Damit musste Hertha früh wechseln und hatte im weiteren Verlauf des Spieles eine Wechseloption weniger. Dazu kommt, dass Duda zu oft durch Ballverluste (nur 40 % Zweikampfquote) und Ideenlosigkeit in der Offensive auffiel.  Insgesamt eine schwache Leistung des Slowaken, der in dieser Form für die noch verunsicherten „alten Dame“ keine Verstärkung darstellt.  Er muss hoffen, dass er in den nächsten Partien seine Chance nutzt. Viele schwache Einsätze wird auch Jürgen Klinsmann nicht dulden.

Davie Selke – Laufen und Arbeiten

Langsam wird diese Torflaute bei den Berliner Stoßstürmern problematisch. Selbstverständlich ist Tore schießen eine Mannschaftsleistung, sodass Stürmer nie alleinverantwortlich dafür sind, wenn sie keine Tore schießen. Doch leider hat die Konkurrenzsituation im Sturm, die wir Anfang der Saison beschrieben hatten, nicht dafür gesorgt, dass sich jetzt eine “Tormaschine” in der Startformation durchgesetzt hat.

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Im Gegenteil: Ibisevic und Selke weisen zusammen in dieser Bundesligasaison nur vier Tore auf. Keiner der beiden konnte bisher so richtig überzeugen, dabei braucht Hertha BSC vor allem in einer solchen gefährlichen Phase einen Torgaranten, der gefühlt aus einer halben Chance zwei Treffer erzielt. Diesen gibt es aktuell bei Hertha nicht, auch nicht in Person von Davie Selke

Dieser konnte auch gegen Frankfurt erneut unter Beweis stellen, dass er ein unangenehmer Gegenspieler ist, der sich körperlich komplett reinhängt und um jeden Ball kämpft. Seine Bemühungen und sein Wille sind ihm nicht abzusprechen, sodass es uns schwer fällt, ihn zu kritisieren. Unter Anderem holte er den Freistoß heraus, den Hertha zum zwischenzeitlichen 2:0 nutzen konnte. Dazu zeigte er sich unglaublich laufstark, lief 11,05 km, was für einen Stürmer ein überragend hoher Wert ist. Im Vergleich: Gegenspieler Goncalo Paciencia lief einen Kilometer weniger.

Doch seine Arbeit zahlte sich nur selten in Torgefahr aus. Bloß einen Torschuss in der 68. Minute konnte er abgeben. In sehr guter Position schoss er nach guter Flanke von Marvin Plattenhardt jedoch neben das Tor und vergab damit seine einzige gute Torgelegenheit. Leider zählen am Ende nur die Tore, und diese fallen entweder nicht, werden zurückgenommen oder fallen dann, wenn das Spiel bereits verloren ist (wie im Spiel gegen RB Leipzig).

Bereits jetzt ist in sozialen Netzwerken und Medien davon die Rede, womöglich im Winter einen Torgaranten dazu zu holen. Geld dafür wäre durch das Investment von Lars Windhorst theoretisch da. Dodi Lukebakio zeigt sich zwar Torgefährlich, zeigte sich aber vor allem als Flügelstürmer. Eine „echte“ Neun könnte im Winter kommen, wenn bis dahin weder Ibisevic noch Selke ihre „Torblockade“ lösen können. Im Fußball kann bekanntlich alles sehr schnell gehen. Deshalb bleibt die Hoffnung, dass sich die von Spielern und Trainer angesprochene „Arbeit“ auch bei Davie Selke schon bald wieder in Tore ummünzt. Gegen Borussia Dortmund war es für einen kurzen Moment so gewesen. Bereits am kommenden Wochenende gegen den SC Freiburg hat der 24-Jährige die nächste Möglichkeit.

Dedryck Boyata – Topleistung trotz Gegentreffer

Herthas Probleme mit der defensiven Stabilität sind auch unter Jürgen Klinsmann nicht einfach so über Nacht wie durch einen Zauber verschwunden. Das zeigt sich daran, dass die „blau-weißen“ in Frankfurt wieder zwei Gegentreffer kassieren mussten. Zudem ließen Sie zahlreiche Chancen zu. Beide Gegentreffer fielen nach Ecken, was kein Zufall ist. Ganze 16 Eckbälle bekamen die Hausherren am Freitagabend zugesprochen. Dabei sind Standards eine große Schwachstelle des Hauptstadt-Clubs, und das bereits seit Saisonbeginn.

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Die fehlende Stabilität ist nichts, was man an einer Person fest machen könnte. Ein Hertha-Profi stellte am Freitagabend jedenfalls keinen Unsicherheitsfaktor dar. Dedryck Boyata zeigte eine Topleistung, war zweifellos der Innenverteidiger, der die größte Stabilität ausstrahlte. Die Statistik bestätigt diesen Eindruck: 12 Bälle konnte der Belgier im Laufe des Spieles klären, dazu vier gegnerische Bälle abfangen und mehr als die Hälfte seiner Zweikämpfe gewinnen. Außerdem fiel er durch gute Balleroberungen und Tacklings auf.

Umso bitterer also für ihn, dass Hertha trotz seiner starken Leistung erneut zwei Tore kassierte. Kurz vor dem ersten Gegentreffer konnte der Innenverteidiger zunächst mit einer absoluten Traumgrätsche Goncalo Paciencia den Ball im Strafraum vom Fuß klären. In der anschließenden Ecke und der damit verbundenen Unruhe im Strafraum konnte er den Kopfball von Hinteregger aber nicht verhindern. Aufgrund eines Stellungsfehlers von Marvin Plattenhardt stand der Frankfurter auch nicht im Abseits, sodass der Anschlusstreffer der Hessen auch zählte.

Beim Versuch in der 85. Minute eine Flanke aus dem Strafraum zu schießen versprang ihm der Ball und sorgte für eine weitere Ecke für Eintracht Frankfurt. Diese führte dann zum 2:2 Ausgleich. Gerade für die Innenverteidiger ist die aktuelle Lage besonders schwierig. Trotz größtem Einsatz und Mühe fallen Gegentreffer wie am Fließband und Spielphasen, in denen die Defensive entlastet ist, gibt es nur selten.

Dedryck Boyata entwickelt sich in dieser Phase allerdings weiter zum unumstrittenen Stammspieler. Das kann der „alten Dame“ nur gut tun und Jürgen Klinsmann wird sicher seine Defensive auch um den Belgier herum aufbauen können. Es bleibt abzuwarten, wann sich Hertha-Fans endlich wieder über eine gegentorfreie Partie freuen können. Die letzte gab es Ende September beim 1. FC Köln.

Marvin Plattenhardt – Hoffnung auf mehr

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Eine weitere Überraschung in der Startelf war Marvin Plattenhardt. Im Heimspiel gegen Borussia Dortmund wurde er noch nicht eingesetzt. Sein erster Einsatz unter Jürgen Klinsmann bei Eintracht Frankfurt verlief recht gut. Besonders beim 1:0 durch Dodi Lukebakio war er besonders wertvoll und konnte durch einen schönen Pass auf Marko Grujic durch zwei Frankfurter hindurch das Tor mit vorbereiten. Auch beim 2:0 war der linke Verteidiger maßgeblich beteiligt. Sein Freistoß von der rechten Angriffsseite war der Ursprung des zweiten Berliner Treffers.

Auch seine Werte sind ordentlich: er lief mehr als 10 Kilometer, konnte zweimal in bedrohlichen Situationen klären und gewann alle seine Zweikämpfe. Außerdem kamen 79 % seiner Pässe an. Auf der Schattenseite steht die Situation beim Anschlusstreffer des Heimteams, als er bei der Ecke falsch stand. Dazu kommt, dass der 27-Jährige nur selten zu Vorstößen kam. Nur einmal konnte er auf seiner linken Seite mit viel Platz in den Strafraum flanken. Dabei konnte er aber Davie Selke sehr gut in Szene setzen und hätte durchaus seine dritte Torbeteiligung aufweisen können.

Es ist durchaus eine Leistungssteigerung bei Marvin Plattenhardt zu erkennen. Vor allem seine Beteiligung an beiden Treffern spricht dafür. Für viele ist der linke Verteidiger bereits abgeschrieben, doch sollte er an diese Leistung anknüpfen und sich Woche für Woche steigern könnte er sich zurückmelden. Es bleibt abzuwarten, ob er auch im nächsten Heimspiel gegen den SC Freiburg in der Startelf stehen darf.