Herthaner im Fokus: Last-Minute-Sieg in Meppen

Herthaner im Fokus: Last-Minute-Sieg in Meppen

Hertha hat die erste Pokalrunde überstanden. So weit, so gut. Dominiert hat die Elf von Pal Dardai den Drittligisten SV Meppen allerdings nur kurzzeitig. In der zweiten Halbzeit drohte das Spiel sogar zu kippen. Doch im Vergleich zur ersten Pokalrunde im vergangenen Jahr scheint das Team weiterentwickelt und stabiler zu sein. Das liegt auch an den gut ins System passenden Neueinkäufen. Die Herthaner im Fokus.

Braunschweig hinter sich lassen

Erinnert ihr euch noch an den Abend des 11. September 2020? An diesem Abend spielte Hertha in der ersten Pokalrunde gegen frisch aufgestiegene Zweitliga-Fußballer aus Braunschweig. 5:4 ging das Spiel verloren, gefühlt fiel nach jedem Braunschweig-Angriff ein Tor. Am heutigen Sonntagabend erinnerte Vieles an dieses Braunschweig-Spiel: Kleines Stadion, ein unterklassiger, aber hoch motivierter Gegner und eine an einigen Positionen neu besetze Berliner Mannschaft.

hertha meppen
Foto: IMAGO

Allerdings: Auf drei von vier Positionen spielte Hertha damals mit derselben Abwehrreihe wie heute. Neben Marvin Plattenhardt, Niklas Stark und Peter Pekarik spielte gegen Braunschweig noch Karim Rekik, heute stand Marton Dardai in der Innenverteidigung. Und trotzdem stand Hertha gegen Meppen größtenteils stabiler hinten drin.

Niklas Stark – Neue Sicherheit

Diese Stabilität ging in erster Linie von Niklas Stark aus. Auch Dardai verteidigte gut und antizipierte viele potenziell gefährliche Pässe. Insbesondere in Meppens Druckphase, Mitte der zweiten Halbzeit, gewann Stark einige wichtige Zweikämpfe und Laufduelle. In der 72. Spielminute wäre Meppens Tankulic alleine vor Alex Schwolow aufgetaucht, wenn Stark nicht schneller als der Angreifer gewesen wäre. Auch Meppen-Angreifer Fassbender wurde vom Hertha-Kapitän am heutigen Abend einige Male abgekocht.

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Besonders erwähnenswert ist Starks Leistung aber auch wegen seiner Offensivaktionen. Nach etwa 15 Minuten legte er Neuzugang Stevan Jovetic per Flanke einen Ball vor, einige schöne Flanken von Marvin Plattenhardt verpasste der gebürtige Franke per Kopf nur knapp. In den vergangenen beiden Spielzeiten waren Niklas Starks Leistungen teils sehr schwankend. Insgesamt wirkte Herthas Abwehrreihe oft unabgestimmt und fehleranfällig.

Das heutige Meppen-Spiel hat zumindest einen Hinweis darauf gegeben, dass Coach Pal Dardai es geschafft haben könnte, für mehr Geschlossenheit bei Hertha zu sorgen.

Suat Serdar – Das fehlende Puzzleteil

Mattéo Guendouzi, Lucas Tousart, Santiago Ascacibar, Sami Khedira, Vladimir Darida, Eduard Löwen – Herthas Besetzung im zentralen Mittelfeld war alleine schon von den Namen her toll in der vergangenen Saison.

Eine Eigenschaft fehlte allerdings allen diesen Mittelfeld-Regisseuren: die Torgefahr und die Tiefe im Spiel. Der ehemalige Schalker hat genau das, schon jetzt zeigt sich, dass Serdar mit seinen klugen Vertikal-Pässen vor und im Strafraum eine sehr intelligente Ergänzung des Hertha-Spiels ist. Gerade in Herthas stärkster Phase im heutigen Meppen-Spiel, in der ersten halben Stunde des Spiels, war Serdar fast ausschließlich an allen gefährlichen Aktionen beteiligt. Besonders beeindruckend ist sein Riecher für die gefährlichen Zonen auf dem Spielfeld. Serdar bekam heute einige Abpraller auf den Fuß – natürlich gehört dazu etwas Spielglück.

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Der 24-Jährige aber scheint dieses Spielglück auch ein bisschen zu erzwingen: Er bleibt nicht stehen, wenn seine Stürmerkollegen aufs Tor schießen, sondern rennt zeitgleich zum Schuss in den Strafraum, um die zweiten Bälle festzumachen. Ein toller Spieler, der Hertha in dieser Saison sicher viel Spaß machen wird.

Kevin-Prince Boateng – Hertha aus Leidenschaft

Kevin-Prince Boateng lässt derzeit keine Chance aus, zu betonen, dass es ihm eine große Freude sei, das Ende seiner Karriere im Hertha-Trikot verbringen zu dürfen. Alles Floskeln, könnte man meinen. Sowohl im Testspiel gegen Liverpool als auch im heutigen Pokalspiel bewies Boateng aber, dass er sein Hertha-Herz auch auf dem Fußballplatz zeigen kann.

Oft holt sich Boateng die Bälle vor der Abwehr ab, um sie dann klug weiterzuverteilen. Dass Marvin Plattenhardt am heutigen Sonntag so viele Flanken schlug, lag nicht nur daran, dass er oft vorausschauend bis zur Grundlinie hinunterlief. Diese Flanken konnte er in vielen Fällen nur schlagen, weil Boateng die meisten Bälle auf die Außenbahnen weiterleitet. Sollte sich noch Herthas Transfer-Wunsch nach einem oder zwei flinken Flügel-Flitzern erfüllen, dürften auch diese sich über viele Boateng-Bälle freuen. Fast noch wichtiger ist der Ex-Frankfurter aber als Taktgeber.

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Wenn Dardai und Stark aus der Innenverteidigung heraus das Spiel aufbauen, gibt Boateng Signale. Wenn er merkt, dass die Stimmung im Spiel kippt und der Gegner einen Lauf hat, steht er als Antreiber im Mittelkreis und motiviert seine Mitspieler. Oft schickt er den Empfängern seiner Pässe auch noch ein paar Worte hinterher, um auszudrücken, wo der Ball aus seiner Sicht als nächstes zu landen hat. Boateng wird von seinen Kollegen geschätzt – er könnte zum Klebstoff zwischen Herthas zum Teil unverbunden wirkenden Mannschaftsteilen werden.

Und dann waren da noch:

Stevan Jovetic: Torgefahr und Erfahrung – das bringt der Montenegriner Stevan Jovetic mit. Im Gegensatz zu vielen Neueinkäufen aus den vergangenen Jahren hat sich Jovetic quasi von der ersten Minute an im Liverpool-Spiel in die Mannschaft integriert. Auch heute wirkte es so, als ob der Angreifer schon jahrelang mit Dodi Lukébakio, Suat Serdar und Davie Selke zusammenspielte. Jovetic ist nicht der Schnellste. Aber er kennt dieses Spiel, hat Lust Tore zu schießen und kann Herthas Angeriff auf Anhieb gefährlicher machen.

Foto: xFrankxWenzel/Eibner/IMAGO

Davie Selke: Manche hätten keinen Cent darauf verwettet, dass Davie Selke nach seiner Rückkehr aus Bremen nochmals eine Minute für Hertha spielt. Aber er spielte eine stake Vorbereitung. Hinzu kommt, dass Pal Dardai auf Selkes Spielweise steht. Denn selbst wenn der hochgewachsene Stürmer nicht der brillanteste Techniker ist, so schafft er eines immer: Er stresst den Gegner. Selke steht den Abwehrspielern konstant auf den Füßen, wühlt sich in jeden Zweikampf hinein, kämpft um jeden Eckball, ist in jedem Kopfballduell im gegnerischen Strafraum präsent und macht sich auch verbal immer wieder bemerkbar. Davie Selke ist ein Unruheherd. Viele Hertha-Fans hoffen und meinen, dass er nur eine kleine Treffer-Serie braucht, um endlich wieder zu alter Stärke zurückzufinden. Wir wünschen es ihm.

Fazit: Mehr Stabilität, mehr Geschlossenheit

Hertha hat das Pokalspiel gegen Meppen weitgehend dominiert, nach der Halbzeitpause aber auch eine Phase des Schwimmens gehabt. Leider hat das Team auch heute wieder einige gefährliche Angriffe des Drittligisten zugelassen. Im Gegenteil zum Braunschweig-Spiel vor elf Monaten hat die Mannschaft aber nicht fünf Tore kassiert.

Die zentrale Achse Stark, Dardai – Boateng, Ascacibar, Serdar sorgt nicht nur für fußballerische Stabilität. Vielmehr scheinen diese Spieler auch zum neuen mentalen Grundgerüst des neuen Hertha-Teams zu werden, an dem sich neue und bislang wenig integrierte Spieler orientieren können. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Beobachtungen verstetigen.

[Titelbild: IMAGO]