Herthaner im Fokus: Ernüchterung in Bremen

Herthaner im Fokus: Ernüchterung in Bremen

Nach der Party folgt der Kater. So auch geschehen am Freitag bei Hertha BSC. Nachdem die „Alte Dame“ einige Tage zuvor noch im Olympiastadion den FC Schalke 04 niederringen konnte, die Stimmung im und um den Verein wohl kaum besser sein konnte, folgte am Freitag in Bremen die große Ernüchterung. Ein Spiel, ähnlich wie gegen Gelsenkirchen, was auch ein Remis verdient gehabt hätte. Doch es sollte das Gegenteil zum späten Sieg in Berlin eintreffen. Gegen die Bremer kassierte man kurz vor Schluss das entscheidende Gegentor durch Niclas Füllkrug. Immerhin sollten die Mannschaft in Bremen über 4000 mitgereiste Hertha-Fans unterstützen. Und das nicht ohne Probleme beim Einlass.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Sandro Schwarz wechselt einmal

Im Vergleich zum Schalke-Spiel entschied sich Trainer Sandro Schwarz lediglich für einen Wechsel in der Startelf. Chidera Ejuke machte auf der linken Außenbahn Platz für Marco Richter. Ein Wechsel, den Schwarz bereits zur Halbzeit im vorangegangenen Spiel vollzogen hatte. Das 4-2-3-1-System blieb bestehen. Ansonsten vertraute Schwarz auf sein mittlerweile eingespieltes Defensivgerüst. Im Tor Oliver Christensen, die Verteidigung bildeten Kapitän Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Im zentralen Mittelfeld agierten Suat Serdar und Lucas Tousart. Auf der rechten Seite spielte Dodi Lukebakio und den Sturm bildeten Stevan Jovetic als hängende Spitze, mit Kontakt zum Mittelfeld und Wilfried Kanga als klarer Neuner.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf einen Fels in der Brandung, ein belebendes Element im Mittelfeld und die zahlreichen Sorgenkinder der Mannschaft. Manch einer ist schon bekannt, andere drohen es zu werden.

Agustin Rogel: Der Fels in der Brandung

Eigentlich kaum zu glauben, dass ausgerechnet Niclas Füllkrug in der 85. Minute der Lucky Punch gelingen sollte. Doch Tüchtigkeit ist des Bremer Glücks und das ist in dieser Saison bei den Werderanern gerade in den Schlussminuten in großer Zahl vorhanden. Der Stürmer hatte während des gesamten Spiels enorme Schwierigkeiten überhaupt richtig teilhaben zu können. Agustin Rogel machte ihn das Leben enorm schwer. Am Ende gewann Füllkrug nur 27 Prozent seiner Zweikämpfe. Rogel konnte bei der Aktion vor dem Gegentor leider herzlich wenig ausrichten.

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Insgesamt war der Uruguayer 43 Mal am Ball und verteilte diesen fleißig, wie auch zuletzt in seinem Spiel. 78 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, auch wieder dank seines sicheren und ruhigen Aufbauspiels mit Marc-Oliver Kempf. Zu seinen 30 erfolgreichen Pässen, gesellen sich noch sechs von zehn erfolgreiche lange Bälle, auch er hatte einen gewissen Anteil beim Antrieb der Offensive. Seine eigene Zweikampfquote von nur 40 Prozent siegreicher Aktionen lässt sich zwar nicht unbedingt sehen, doch sein Stellungspiel und seine allgemeine körperliche Robustheit machten es der Bremer Offensive allgemein sehr schwer. Rogel begeistert, auch wenn er immer wieder sehr stark ins Risiko geht, gerne mal den ein oder anderen Ball gefährlich abfälscht und noch nicht alles funktioniert. Aber erinnern wir uns an die Anfangszeit in Berlin von Kempf, der dieselben Attribute verkörperte und mittlerweile der Abwehrchef ist. Agustin Rogel ist auf dem besten Wege es ihm gleich zu tun.

Jean-Paul Boetius: Ein belebendes Element

Nicht nur ein gebrauchter Tag für Hertha, auch einer für Stevan Jovetic. Der Montenegriner musste nach 32 Minuten verletzungsbedingt das Spielfeld verlassen. Hoffen wir, dass er schnell fit wird. Sein Ersatz, Jean-Paul Boetius, durfte nach seiner Rückkehr seinen zweiten Einsatz feiern. Und direkt über eine Stunde lang. Und er wusste mit guten Leistungen aufzufallen. Als belebendes Element hielt er die Zügel des Hertha-Spiels im offensiven Mittelefeld. 41 Mal war der Niederländer am Ball und sammelte starke Statistiken. 21 von 25 Pässen kamen erfolgreich bei seinen Mitspielern an, 77 Prozent seiner Zweikämpfe entschied er für sich. Eine tolle Quote für einen Offensivspieler.

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Voll mit frischem Selbstbewusstsein setzte er zu drei Dribblings an, von denen er zwei erfolgreich beendete. Immer wieder versuchte er seine Mitspieler in Szene zu setzen. Zwei Torschüsse bereitete er vor. Einen davon in der 79. Minute. Doch Ejuke schloss die vielversprechende Möglichkeit überhastet ab. Seine Gefahr für die Bremer Defensive zeigt sich auch in weiteren Zahlen. Am Ende des Spiels wurde Boetius fünfmal gefoult. Insgesamt ist Boetius ein Spieler, der das Offensiv- und Kreativspiel der Hertha ordentlich ankurbeln kann. Für die nächsten Spiele könnte er auf jeden Fall zu einen Kandidaten für die Startelf werden.

Marvin Plattenhardt: Eine Pause täte ihm gut

Eines vorweg: Unsere Kritik an Marvin Plattenhardt, die wir leider mittlerweile fast wöchentlich äußern, gilt ausschließlich dem Fußballer Marvin Plattenhardt und dessen Leistungen als Kapitän und Linksverteidiger von Hertha BSC. Unsere Kritik ist niemals persönlich zu werten. Bekanntlich ist Platte privat ein sehr sympathischer Typ, wenn man sich beispielsweise Interviews auf Hertha TV anschaut. Aber aktuell ist die Position Plattenhardts eine der problematischsten im Kader von Hertha BSC.

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Marvin Plattenhardt ist seit Wochen vollkommen außer Form und bringt der Mannschaft kaum Verstärkung. Ihm gelingt es nicht offensiv auf das Spiel einzuwirken und auch defensiv brennt es auf der linken Seite von Hertha immer wieder lichterloh. 63 Mal war der Kapitän im Ballbesitz, spielte 21 erfolgreiche Pässe, am Ende nur 57 Prozent. Wieder alarmierend war die Zahl seiner Ballverluste. 22 Stück waren es wieder. Defensiv konnte er immerhin mit vier Klärungsaktionen glänzen, doch es gibt zu große Spielabschnitte, in denen der 30-Jährige vollkommen untergeht. Ihm zugestehen muss man, dass es im Team allgemein auf der linken Seite krankt. Auch Chidera Ejuke und Marco Richter suchen nach ihrer Form, während Jonjoe Kenny und Dodi Lukebakio mittlerweile ein eingespieltes Team auf der rechten Seite sind, die auch mit Leistung vorangehen. Mittlerweile schafft es Plattenhardt in keiner Weise mehr, seine Stärken ins Spiel einfließen zu lassen. Praktisch keine seiner Flanken bringt ernsthafte Gefahr oder stellt die gegnerische Abwehr wirklich vor Probleme. Insbesondere in der ersten Halbzeit wurde jeder seiner Versuche mühelos geklärt.

Marvin Plattenhardt täte etwas Ruhe gut. Eine Pause, weniger Verantwortung, die ihn aufzufressen scheint. Weiterhin gibt es mit Maximilian Mittelstädt einen bundesligatauglichen Linksverteidiger im Team. Umso dramatischer, dass in den letzten Tagen Gerüchte um einen möglichen Mittelstädt-Abgang im Winter aufgekommen sind.

Marco Richter und Chidera Ejuke: Überspielt und übermotiviert

Mit Marco Richter und Chidera Ejuke hat Hertha BSC zwei Offensivakteure auf der linken Seite, die eigentlich mit enormen Talent ausgestattet sind, dieses aber aktuell kaum ummünzen können, in brauchbare Leistungen. Die beiden wirken zunehmen überspielt und in gewisser Weise auch übermotiviert. Ihre Aktionen wirken meist überhastet und bringen dem Team kaum Mehrwert. Während Richter noch eine recht passable erste Halbzeit spielte und sich immer wieder in der Offensive einschalten konnte, baute er in der zweiten Hälfte des Spiels schnell und deutlich ab. Er versuchte sich mit zwei Abschlüssen selbst. Direkt in der 2. Minute landete ein Schuss von ihm am Außennetz.

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Auch ein Beispiel für den überhasteten Abschluss und das fehlende Auge für die Situation. Immerhin konnte Richter in seinen 72 Minuten 14 von 15 erfolgreiche Pässe spielen, doch für viel Gefahr sorgten seine Zuspiele nicht. Er gewann nur drei seiner acht Zweikämpfe. Am Ende musste er Chidera Ejuke Platz machen, der ebenfalls seit einigen Spielen außer Form ist. Nach 12 Spieltagen muss man generell konstatieren, dass der statistische Einfluss Ejukes auf das Spiel der Mannschaft zu wünschen übrig lässt. Lediglich drei Vorlagen gelangen dem Nigerianer in 12 Einsätzen. Sein Tempo ist seine große Stärke, doch zu oft fehlt ihm das Auge für die Mitspieler. Gegen Bremen war er 14 Mal am Ball, verlor diesen aber auch vier Mal wieder.

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Ein erfolgreiches Dribbling konnte er für sich verzeichnen, ein weiteres misslang. Seine große Chance nach 79 Minuten zeigte, wie überspielt er ist und wie wenig Ruhe aktuell in ihm steckt. Marco Richter und Chidera Ejuke tun sich aktuell extrem schwer und sind ein Symptom von Herthas Inkonstanz in den letzten Wochen. Die Folge ist, dass Herthas Offensivspiel zu berechenbar ist und schließlich kann auch nicht jeder Angriff über Dodi Lukebakio laufen.

Wilfried Kanga und Davie Selke: Das Stürmerproblem

Weitere Sorgenkinder sind Wilfried Kanga und Davie Selke. Hertha droht ein Stürmerproblem, sollten nicht schnellstmöglich die Knoten der beiden endgültig platzen. Auf das erste Tor Kangas gegen Schalke folgte eine extrem dünne Vorstellung in Bremen. Seine Bemühungen kann man ihm nicht absprechen, doch sein Einfluss auf das Spiel der Hertha ist verschwindend gering, sobald er es mit einer einigermaßen eingespielten Verteidigung zu tun bekommt.

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In seinen 72 Minuten Spielzeit gewann der Ivorer nur einen seiner neun Zweikämpfe, verlor fünf Mal den Ball in teilweise aussichtsreichen Positionen und konnte auch durch individuelle Dribblings nichts ausrichten. Seine größte und einzige Möglichkeit hatte er in der 49. Minute, als er am Tor vorbeischoss.

Dass aus Davie Selke kein eiskalter Torjäger mehr wird, damit haben sich die Berliner mittlerweile abgefunden. Doch auch als Joker bringt Selke praktisch nichts mehr mit, was dem Offensivspiel guttut.

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Er konnte sich in seinen knapp 20 Minuten Spielzeit nicht eine einzige Torchance erarbeiten, genauso wenig konnte er seine Mitspieler in Szene setzen. Ballverluste, Sicherheitspässe und viele Alibiläufe, das ist Davie Selke. Die Geduld der Verantwortlichen in Berlin dürfte am Ende sein. Zumindest empfiehlt sich Selke in keiner Weise mit Leistung für einen neuen Vertrag.

Die Lage ist brandgefährlich

Das positivste im Verein ist die Stimmung. Die Ruhe, das Verhältnis zwischen Verein und Fans und dass es weiterhin keinen üblen Zerfall der Mannschaft gibt, bei Gegentoren. Doch die Lage ist brandgefährlich und auch Sandro Schwarz und Fredi Bobic müssen sich Kritik stellen.

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Wie letztes Jahr steht Hertha auf dem 14. Platz in der Tabelle. Letztes Jahr hatte man sogar zwei Punkte mehr auf dem Konto, das Torverhältnis war allerdings um einiges schlechter. Zusätzlich gab es vergleichbare Spiele, die in letzter Minute verspielt wurden oder Siege gegen direkte Konkurrenten im Keller. Ein Spiel später wurde Pal Dardai übrigens entlassen und Tayfun Korkut kam. Nach 15 Spieltagen (dieses Jahr der Break vor der WM) hatte Hertha 18 Punkte auf dem Konto. Eine Statistik, die schwer zu erreichen ist in diesem Jahr.

Und auch wenn die Stimmung anders, ja wesentlich besser ist, sollte man sich davon in keiner Weise blenden lassen. Hertha ist im tiefen Abstiegskampf und wird dort, wenn man keine Siegesserie starten kann, bis zum Ende der Saison bleiben. So lange alle im und um den Verein aber zusammenhalten und alles daran setzen, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen und in dieser brenzligen Situation wach bleiben und nichts über- oder unterschätzen, ist die Saison händelbarer als die letzte.

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Herthaner im Fokus: Herz und Leidenschaft reichen nicht

Herthaner im Fokus: Herz und Leidenschaft reichen nicht

Hertha BSC schafft im mittlerweile dritten von vier Spielen zum Bundesliga-Start nicht, etwas Zählbares mitzunehmen. Angesichts des anspruchsvollen Programms in gewisser Weise verschmerzbar. Fans, Experten, aber vor allem Spieler und Trainerteam wissen den Start einzuordnen, weshalb in Berlin weiter ungestört gearbeitet werden kann.

Gegen Borussia Dortmund kam eine Mannschaft ins Berliner Olympiastadion, die sich zum Saisonbeginn schwergetan hat, weshalb sich Herthas Team mit seinem Offensivspiel nicht zu verstecken brauchte. Im mit 62.142 gut gefüllten, aber bei Weitem nicht ausverkauften Olympiastadion, in dem Frank Zander mal wieder die Hymne “Nur nach Hause” live performte, wurde der BVB allerdings seiner Favoritenrolle gerecht, erarbeitete sich zahlreiche Chancen und konnte dank des ersten Tors von Antony Modeste im schwarz-gelben Trikot nach 32 Minuten als Sieger vom Platz gehen.

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Sandro Schwarz stellte sein Team wieder im 4-3-3-System auf und änderte zum Teil gezwungenermaßen, zum Teil gewollt auf drei Positionen das Personal. Das Tor sollte wieder Oliver Christensen hüten, auf der linken Seite der Verteidigung ersetzte Kapitän Marvin Plattenhardt Maximilian Mittelstädt, der sich mit seinem unglücklichen Auftritt in Mönchengladbach beim Trainer zunächst nicht für weitere Startelfeinsätze empfehlen konnte. In der Innenverteidigung ersetzte Marton Dardai den gesperrten Filip Uremovic, neben ihm verteidigte Abwehrchef Marc Oliver Kempf. Als Rechtsverteidiger lief wieder Jonjoe Kenny auf. Im defensiven Mittelfeld agierte der in den vergangenen zwei Spielen als Kapitän aufgelaufene Lucas Tousart, vor ihm Suat Serdar und der für Ivan Sunjic in die Startelf rotierte Jean-Paul Boetius. In der Offensive vertraute das Trainerteam wieder auf Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio auf den Flügeln und Wilfried Kanga in der Sturmspitze.

In unserer Analyse schauen wir heute auf die etwas alleingelassene Offensive, zwei Enttäuschungen, ein Duo für die nächsten Spiele und die getätigten Wechsel.

Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio: Ohne sie geht’s nicht

Die beiden Außenspieler machen aktuell einfach Spaß. Viel zu lange mussten Hertha-Fans auf geeignete Flügelspieler im Team der Hertha warten. Doch noch gelingt es ihnen nicht, ihre guten Leistungen auch in Zählbares umzumünzen. Gegen die Dortmunder gelang es Ihnen neben ihrer Schnelligkeit noch ein wenig mehr Flexibilität einzubringen, in dem sie sich auf ihren Flügelseiten abwechselten. Chidera Ejuke spielte sogar sein erstes Spiel für Hertha BSC über die komplette Distanz.

Der Nigerianer war mit Wucht, Wendigkeit und Schnelligkeit unterwegs, setzte zu ganzen zehn Dribblings an, von denen er acht erfolgreich beendete. Allgemein war Ejuke 64 Mal am Ball. Er verteilte 39 davon, 32 fanden den Adressaten. Er ging in 16 Zweikämpfe, von denen er neun für sich entscheiden konnte. Der 24-Jährige versuchte, so gut es ging, das Offensivspiel anzukurbeln und in die Hände bzw. an die Füße zu nehmen.

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Mit Hilfe der zu kurz klärenden Dortmunder Verteidigung konnte er bereits in den frühen Anfangsminuten die erste große Chance der Hertha einleiten. Jonjoe Kennys Schuss lenkt der am jenen Samstagnachmittag glänzend aufgelegte Gregor Kobel um den Pfosten. Doch in der 21. Minute sah man auch bei Ejuke, Kanga und Lukebakio, dass die Abstimmung noch nicht optimal funktioniert. Die Überzahlsituation gegen die Dortmunder Verteidigung vertändelten sie leichtfertig. Generell musste sich Ejuke den Verteidigern zu häufig geschlagen geben. Ganze 20 Ballverluste musste er hinnehmen.

Dodi Lukebakio war gegen den BVB bemüht, aber weniger gefährlich und spritzig als noch eine Woche zuvor gegen Mönchengladbach. Auch er musste 16 Ballverluste verzeichnen, hatte im Vergleich zu seinem Partner Ejuke mit 38 Aktionen deutlich weniger Beteiligungen am Spiel und konnte auch nur einen Torschuss beitragen. Immerhin beendete er vier seiner sechs Dribblings erfolgreich, konnte sieben seiner dreizehn Zweikämpfe für sich entscheiden und spielte zwölf von neunzehn Pässen erfolgreich. So fungierte er immerhin in einigen Situationen als Ballverteiler. Der Belgier zeigte trotz fehlenden Glücks aber eine engagierte Leistung. Nach 75 Minuten musste er Platz machen für Marco Richter.

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(Photo by RONNY HARTMANN/AFP via Getty Images)

Ihnen zusprechen muss man, dass die Verteidigung der Dortmunder zu den Besseren der Liga gehört. Nicht jede Partie können sie ihr Spiel entfalten. Wichtig wird allerdings in den nächsten Wochen sein, dass ihre Mühe belohnt wird. Doch dafür muss gearbeitet und das Glück erzwungen werden. Ohne die beiden Spieler erlahmt das Offensivspiel aktuell zu sehr, durch das Zentrum funktioniert nur selten etwas und die verteidigenden Gegner können sich immer mehr auf die beiden Schlüsselfiguren der Berliner einstellen. Wilfried Kanga ist bemüht, doch auch ihm fehlt noch sehr das Glück im Abschluss oder überhaupt die Chance sich in gefährliche Positionen zu spielen. Herthas Mittelstürmer hängt aktuell noch zu sehr in der Luft.

Jean-Paul Boetius: Enttäuschendes Startelfdebüt für Hertha

Der niederländische Neuzugang durfte nach zwei Einwechslungen sein erstes Spiel von Anfang an absolvieren und ersetzte Ivan Sunjic. Doch die Spieler der Borussia konnten Boetius praktisch durchgehend kaltstellen.

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Er konnte gegen Dortmund weder für produktiven Ballbesitz sorgen, noch die Offensive mit seiner Kreativität unterstützen. Dinge, die dringend nötig gewesen wären, um das Angriffsspiel flexibler zu gestalten. Insgesamt spielte er 23 Pässe, von denen 15 ankamen. Die Hälfte seiner sechs Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden. Doch 14 Ballverluste sprechen eine deutliche Sprache. Auch defensiv gelang es ihm nicht eine Hilfe für das Team zu sein. Ein enttäuschendes Startelfdebüt endete nach 55 Minuten, als er für Stevan Jovetic ausgewechselt wurde.

Marc Oliver Kempf und Marton Dardai: Ein Duo mit Zukunft

Marton Dardai durfte sich auf seinen ersten Startelfeinsatz in dieser Saison freuen. Er ersetzte den gesperrten Filip Uremovic. Der Youngster und Marc Oliver Kempf zeigten, dass sie in der Lage sind, die Abwehr zusammenzuhalten, auch wenn der BVB oftmals auch an sich selbst scheiterte. Kempf avanciert immer mehr zum Abwehrchef. Gegen Dortmund spielte er eines seiner besten Spiele im Dress der Hertha.

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Er entschied fünf Tacklings für sich, klärte drei Bälle zum Teil in höchster Not, blockte vier Dortmunder Versuche und lief noch dazu dreimal dem Gegner den Ball ab. Er gewann acht seiner vierzehn Zweikämpfe. Für Kempfs Verhältnisse eine durchaus vernünftige Quote. Die wichtigste Aktion hatte er in der 72. Minute, als er nach Bellinghams Schuss den Ball hinter den bereits geschlagenen Oliver Christensen von der Linie kratzte. Kempf versuchte so gut es ging den Spielaufbau zu gestalten. Er spielte 32 von 34 Pässen erfolgreich zu seinen Mitspielern und versuchte sich mit zahlreichen langen Bällen, von denen immerhin vier ankamen. Doch ihm muss man eine Mitschuld am Gegentreffer zusprechen. Zum wiederholten Mal war er nicht nahe genug an seinem Gegenspieler – in diesem Fall Modeste – und konnte ihn entscheidend am Kopfball hindern. Nach 80 Minuten machte er aus taktischen Gründen Platz für Davie Selke.

Marton Dardai dagegen spielte über die gesamte Spielzeit. Zugegeben, seine Leistung kam nicht an die von Kempf ran, doch er unterstützte in der Defensive mutig und engagiert. Insgesamt rettete er in der Defensive dreimal. Im Aufbauspiel brachte er sich mit 30 erfolgreichen Pässen gut ein. Generell war er mit 53 Aktionen sehr aktiv. Seine Zweikampfleistung ließ arg zu wünschen übrig. Nur einen seiner drei konnte er für sich entscheiden. Und auch er leistete sich einen Schnitzer, der beinahe bestraft wurde. In der 25. Minute unterlief ihm ein übler Fehlpass, der schnelle Gegenangriff mitsamt Torschuss von Antony Modeste ging nur knapp nicht in die Torstatistik ein.

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Dennoch, Marton Dardais und insbesondere Marc-Oliver Kempfs Leistungen, lassen sich sehen. Die Dortmunder waren ihnen zwar extrem häufig überlegen, aber zeigen sie diese Leistungen gegen Mannschaften, mit geringerer Offensivpower, kommt die noch mehr benötigte Sicherheit auch in deren Spiel an.

Marvin Plattenhardt: Ein großes Fragezeichen

Nach dem er verletzungsbedingt zuletzt zwei Spiele ausgefallen war und Maximilian Mittelstädt ihn nicht von seinem Stammplatz verdrängen konnte, durfte Marvin Plattenhardt wieder als Linksverteidiger auflaufen. Zurecht, schließlich ist er der Kapitän der Mannschaft. Aber dieser Punkt scheint auch das einzige valide Argument zu sein, weshalb er in der Hierarchie über Mittelstädt steht. Zugegeben, auch Mittelstädt brillierte nicht, doch passt er nachweislich wesentlich besser ins System von Sandro Schwarz. Marvin Plattenhardt hatte gegen Borussia Dortmund enorme Probleme. Insbesondere im Defensivbereich. Und sein direkter Gegenspieler war niemand Geringeres als sein ehemaliger Mitspieler Marius Wolf. Ein – mit Verlaub – Fußballer mit, abseits seiner Dynamik, beschränkten Fähigkeiten. Jemand, der von einem soliden Bundesligaverteidiger zumindest phasenweise unter Kontrolle gekriegt werden sollte. Doch Plattenhardt erstarrte regelrecht in einigen Aktionen vor Verzweiflung, weil er kaum Licht in der Verteidigung und Aufbauspiel sah.

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Mit 71 Ballberührungen war der WM-2018-Teilnehmer einer der aktivsten Herthaner. Immerhin konnte er das Angriffsspiel dank seiner Stärke – Flanken – ein wenig ankurbeln. Vier Torschüsse bereitete er vor. Doch für viel Gefahr konnte er nicht sorgen. Immerhin schaffte er defensiv vier Klärungsaktionen und entschied zwei Tacklings für sich. Doch 17 Ballverluste auf so einer wichtigen Position sind ein Hilferuf. Plattenhardt ist es nicht gelungen, die Ausstrahlung eines Kapitäns zu verkörpern, für Sicherheit zu sorgen oder voranzugehen. Er schwimmt zu sehr mit, weil er aufgrund von Verletzungen und der eigenen Leistung viel zu viel mit sich selbst beschäftigt ist. Ein Umstand der vor der Saison bekannt hätte sein müssen.

Allgemein muss sich der Verein bezüglich der Position des Linksverteidigers stark selbst hinterfragen. Wie kann es sein, dass man über zwei Linksverteidiger verfügt, die sich seit etwa sieben Jahren in feiner Regelmäßigkeit abwechseln, nie aber so etwas wie einen Konkurrenzkampf beginnen? Auch Verpflichtungen, die jenen provozieren hätten können, schlugen fehl. Fredrik André Björkan verlässt nach nur einer halben Saison aufgrund fehlender Qualität wieder den Verein.

Kevin Prince Boateng, Marco Richter und Stevan Jovetic: Die Wechsel sorgen für Erfrischung

Sandro Schwarz wechselte während der Partie viermal. Bis auf Davie Selke konnten sie auch auf sich aufmerksam machen. Sie brachten Frische und Torgefahr mit und wurden gezielt, intelligent und nahezu ohne Verzweiflungstaten ins Spiel gebracht. Gerade Stevan Jovetic gelang es, wie schon in den Spielen zuvor, das Offensivspiel an sich zu reißen. Doch auch er scheiterte am starken Gregor Kobel. Man merkt Jovetic die Spielfreude an und sieht, welche Qualitäten noch in ihm stecken. Gegen Dortmund kam der letztjährige mit sechs Toren teaminterne Torschützenkönig nach 55 Minuten für Boetius in die Partie. Es kommt auf den körperlichen Zustand Jovetics an, wie viele Minuten er in der Lage ist, in den nächsten Wochen abzuspulen. Jede Sekunde, die er auf dem Feld steht, kann helfen. Bleibt zu hoffen, dass er entspannt bleibt und nicht wie letzte Saison in Frust verfällt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Kevin-Prince Boateng wurde nach 75 Minuten für Suat Serdar eingewechselt. Sein Beitrag war vor allem das Zerstören der Dortmunder Offensive. In seinen paar Minuten zog er vier Fouls. Er pushte seine Mitspieler, wusste das Spiel in der Schlussphase anzuheizen und war immerhin noch zehnmal am Ball. Er spielt neun Pässe, von denen sieben den Mitspieler fanden. Auch wenn er offensiv nichts ausrichten konnte, merkt man ihn die Lust und Leidenschaft an. Sein Herz brennt für Hertha. Doch wie bei Jovetic stellt sich jedes Spiel die Frage, wie viel der Körper noch mitmachen kann. Allein bei seinen Kurzeinsätzen verzichtet er auf lange Läufe. Seine Qualitäten erfrischen das Spiel der Hertha enorm. Doch für die Punkte kann er allein nicht mehr sorgen.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Für Marco Richter hätte es zum großen „Ausgerechnet-Moment“ kommen können. Es wäre eine beinahe kitschige, aber so wunderschöne Geschichte gewesen. Nach 75 Minuten betrat er das Spielfeld für Dodi Lukebakio. Der vor wenigen Wochen vom Hodentumor genesene Richter betrat unter tosenden Applaus das Spielfeld und hatte in der 79. Minute die Möglichkeit seinen Nachmittag zu vergolden. Doch Richters Schuss aus der Distanz wurde einmal mehr vom hervorragend reagierenden Kobel an die Latte gelenkt. Marco Richter zeigte, wie viel er dem Offensivspiel geben kann. Es kann allen Beteiligten nur guttun, wenn er für einen gewissen Konkurrenzkampf in der Offensive sorgt. Bei seinem Kurzauftritt war er neunmal am Ball, spielte drei von vier erfolgreichen Pässen und gewann 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Es war toll ihn wieder auf dem Platz stehen zu sehen.

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Die wichtigen Spiele für Hertha kommen jetzt

Der Saisonstart ist, betrachtet man die Punkteausbeute, misslungen. Nur ein Punkt aus vier Spielen, ein Torverhältnis von 2:6, Derbyniederlage und das Aus im Pokal beim Tabellenletzten der 2. Bundesliga. Hertha steht nach vier Spieltagen auf einem direkten Abstiegsplatz. Doch ohne es schönreden oder nach Ausreden suchen zu wollen – die Niederlage gegen Dortmund hätte aufgrund des Chancenwuchers der Gäste viel höher ausfallen können – ist bis auf das Pokal-Aus nicht mit viel mehr zu rechnen gewesen. Im Gegenteil, der Punkt gegen Eintracht Frankfurt muss als Bonus gewertet werden.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Und die Fans, Spieler und Trainer scheinen genau das auch zu erkennen. Die Mannschaft musste im Sommer den dritten Umbruch in den letzten Jahren hinnehmen, ist noch in manchen Teilen in der Findungsphase, doch zeigt in vielen Bereichen mittlerweile Fortschritte. Herthas Konkurrenten sind in diesem Jahr nicht Union Berlin, Eintracht Frankfurt, Borussia Mönchengladbach oder Borussia Dortmund. Die wichtigen Spiele, in denen gepunktet werden muss, folgen jetzt. In Augsburg kann die Mannschaft nächsten Sonntag beginnen die Tabelle von hinten aufzurollen und den Fans, die sie seit Wochen großartig unterstützen, etwas zurückgeben. Nun zählen keine Ausreden mehr.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)