Herthaner im Fokus: Herthas beste Saisonleistung in Frankfurt

Herthaner im Fokus: Herthas beste Saisonleistung in Frankfurt

Mit einer überaus überzeugenden Leistung, die wie aus dem Nichts kam, hat Hertha BSC überraschend mit 2:1 bei Eintracht Frankfurt gewonnen. Defensiv sehr kompakt, immer mit einer klaren Spielidee und viel Leidenschaft war die Berliner Mannschaft im Vergleich zu den Vorwochen nicht wiederzuerkennen. Unsere Einzelkritik.

Hertha-Comeback in Frankfurt

Nach dem überzeugenden Sieg der Frankfurter gegen die Bayern und den zuletzt enttäuschenden Hertha-Leistungen hatte wohl kein Blau-Weißer an einen Sieg gegen die Eintracht gedacht. Doch es kam anders. Hertha war nicht immer die bessere, aber in allen Phasen des Spiels die klügere Mannschaft und wirkte überraschend souverän. Das lag auch daran, dass einige Spieler wieder in ihr eigenes spielerisches Vermögen vertrauten.

Nach sehr spannenden 94 Minuten in Frankfurt ist unsere Hertha am Samstag als Sieger vom Platz gegangen. Die Zahlen dieses Spiels sprechen allerdings eine andere Sprache: Frankfurt hatte mehr Ecken, knapp 60 Prozent Ballbesitz, rund 130 Pässe mehr gespielt und auch eine deutlich bessere Passquote. Aber Frankfurts Spiel war recht einfach zu lesen und auf den letzten Metern aufgrund unpräziser Flanken und zahlreicher Fehlpässe schlichtweg zu ungefährlich. Hertha nutzte die Schwächen der Frankfurter intelligent, indem Konter effizient ausgespielt wurden und die Herthaner im Gegensatz zu den vergangenen Wochen wieder an das glaubten, was sie eigentlich stark macht.

Krzysztof Piatek – Come back stronger

Auch wenn es sich komisch liest: Obwohl Krzysztof Piatek im Spiel gegen Frankfurt kein Tor gemacht hat, war er das Sinnbild für den Hertha-Sieg. Denn während die Hessen zahlreiche Flanken vors Tor gaben, ohne dass irgendein Stürmer auch nur in Nähe des hereinfliegenden Balls stand, spielte Hertha gerade diese Standard-Variante im Fußball sehr effizient.

hertha frankfurt
Photo by Alex Grimm/Getty Images

Schon beim 0:1 gab es aus Hertha-Sicht eigentlich keine großen Hoffnungen auf ein Tor. Doch Marco Richter stand einfach besser als die Verteidiger und lenkte den Ball entscheidend ab. Auch die Situation entsprach diesem recht simplen Flanken-Mittelstürmer-Prinzip. Obwohl Piatek keines dieser beiden Tore geschossen hat, war er in Halbzeit eins gewissermaßen der Stimulus für dieses Spiel. Nach dem Führungstreffer vor zwei Wochen gegen Freiburg hatten Herthas Außen – allen voran ein starker Maxi Mittelstädt – wieder das Gefühl, einen Ballabnehmer in der Mitte zu haben. Piatek war mehrfach Anspielstation und hätte vor der Halbzeit eigentlich noch zweimal treffen müssen.

Vor seiner Verletzung wirkte Piatek noch oft wie das fünfte Rad am Wagen in Herthas Angriffsspiel – in den vergangenen beiden Spielen wirkte alles sehr abgestimmt. Piatek war konstanter Unruheherd im Frankfurter Strafraum. Auch ließ er sich immer wieder auf die Außen fallen, um Bälle festzumachen und Angriffe mit einzuleiten. So stellte der 26-Jährige – auch durch gute Pressingmomente – die Frankfurter Defensive immer wieder vor Probleme. Geht das auf dem Niveau weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der polnische Nationalspieler wieder trifft.

Dedryck Boyata – Hertha-Leuchtturm in Frankfurt

In Herthas bisheriger Saison wirkte die Innenverteidigung oft überfordert. Vielleicht lag das auch daran, dass Trainer Pal Dardai die Abwehr in fast allen Spielen verletzungsbedingt neu zusammenstellen musste. Nach dem Frankfurt-Spiel sollte ein Platz in der Verteidigung aber fest vergeben sein.

Denn insbesondere in Frankfurts Hardcore-Druckphasen kurz vor Schluss war es Hertha-Kapitän Dedryck Boyata, der auch durch sein starkes Kopfballspiel viele Angriffe im Keim erstickte. Sieben seiner elf Kopfballduelle gewann der Belgier in diesem Spiel.

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Photo by Alex Grimm/Getty Images

Aber auch in der ersten Halbzeit, als Frankfurt nach dem 0:1 zurückkommen wollte, ließ sich Boyata nicht beirren. Dass die Hessen ihre Stürmer nicht in Aktion bringen konnten, lag auch an Herthas Innenverteidigung. Herthas Spielführer klärte dabei herausragende zehn Situationen, dazu fing er drei Bälle ab und brachte zwei Tacklings durch. Nahezu magnetisch zog er die Bälle an, um sie dann aus der Gefahrenzone zu bugsieren. Darüber hinaus war Boyata ein großer Faktor für Herthas sicheres Aufbauspiel, indem er stets eine Anspielstation war und seine Bälle sicher zum Mann brachte.

Boyata ist jetzt Anfang 30. Man kann nur hoffen, dass er Hertha auf diesem Niveau noch einige Jahre weiterhilft – und endlich verletzungsfrei bleibt.

Peter Pekarik – Kostics Albtraum

Wenn man gegen Eintracht Frankfurt eine Chance haben will, muss man Filip Kostic unter Kontrolle bringen. Hertha hat das geschafft – dank Peter Pekarik.

Wie wichtig Pekariks aggressives Vorgehen auf Frankfurts linker Außenbahn war, zeigte sich in den Schlussminuten. Mehrfach wurde Kostic aus dem zentralen Mittelfeld angespielt, doch seine Flanken kamen zumeist gar nicht bis ins Zentrum, weil sie von Pekarik unterbunden wurden. Der Slowake stand Kostic durchgängig auf den Füßen, brachte ihn mit seiner Zweikampfhärte und dem guten Positionsspiel zur Verzweiflung.

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Stellvertretend war eine Szene, in der sich Pekarik einmal mehr gegen Kostic durchsetzte und dieser entnervt abwinkte. Zehn von 14 Zweikämpfen gewonnen, neun Ballsicherungen, vier klärende Aktionen und drei abgefangene Bälle sprechen eine klare Sprache. Es war höchst imponierend, wie aufopferungsvoll Pekarik seine Aufgabe interpretierte. Ein Paradebeispiel dafür, wie es bei Hertha nur gehen kann, wenn man erfolgreich sein will.

Dardai hat auch aufgrund des chronischen Personalmangels viel ausprobiert auf den Außenverteidigerpositionen in den vergangenen Monaten. Mit Blick auf die vergangenen Jahre gibt es aber eine Personalie, die stets Klarheit und solide Leistungen mit sich brachte – und die heißt Petr Pekarik. Herthas Mister Zuverlässig.

Und dann waren da noch …

Vladimir Darida: Endlich mal wieder eine starke Leistung des Tschechen. Darida entpuppte sich als perfekter Konterspieler. In den Situationen als Frankfurt wieder einmal leichtfertig den Ball verlor, war es in der Regel Darida, der die Angriffe klug einleitete. Insbesondere das Zusammenspiel mit Maxi Mittelstädt, der oft viel Platz hatte auf der linken Seite funktionierte gut. Beide – Darida und Mittelstädt – waren die Gründungsväter des 0:2, ohne das Hertha mit einem Punkt in den Flieger gestiegen wäre. Lauf-, zweikampf- und spielstark – ein Darida in Topform kann Hertha so viel geben.

Jurgen Ekkelenkamp: Herthas Neuzugang wird immer mehr zum Phänomen. Bei seinem Hertha-Debüt reichten dem Niederländer 87 Sekunden für sein erstes Tor. Gegen Frankfurt waren es ganze 93 Sekunden nach seiner Einwechslungen, bis Ekkelenkamp einmal mehr jubeln durfte. Beim 2:0 lief er mustergültig den hinteren Raum des Sechszehners auf und schob sicher ein. Unkend müsste man meinen, der 21-Jährige dürfe nur noch eingewechselt werden und nicht der Startelf stehen.

Photo by Alex Grimm/Getty Images

Suat Serdar: Wie ist Matheus Cunha zu ersetzen? Diese Frage stellten sich viele Herthaner, als der Brasilianer Hertha in Richtung Madrid verließ. Die Antwort lautet: Suat Serdar. Der Neuzugang aus Schalke ähnelt Cunha in seiner Spielweise sehr. Beide holen sich ihre Bälle tief im Mittelfeld, um dann oftmals auch allein in Richtung gegnerisches Tor zu starten. Der angenehme Unterschied ist nur, dass Serdar mit Ball am Fuß unheimlich zweikampfstark und unheimlich schwer vom Ball zu trennen ist. Cunha verlor den Ball zu oft, ließ sich auch schnell fallen, während Serdar mit seinen Vorstößen nicht selten am Strafraum des Gegners ankommt und dort dann einen klugen Pass spielt oder selbst schießen kann. Gegen Frankfurt war Serdar nicht einmal so auffällig wie zuletzt, mit seiner Zweikampf- und Laufstärke war er dennoch ein wichtiger Faktor.

Text von: Benjamin Rohrer und Marc Schwitzky

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Bayern-Fluch oder Hertha-Herbstdepression

Eintracht Frankfurt – Hertha BSC: Bayern-Fluch oder Hertha-Herbstdepression

Die Länderspielpause hätte Hertha BSC etwas Ruhe bringen können. Doch spätestens am Dienstagabend, mit der Vertragsauflösung von Carsten Schmidt, war wieder große Aufregung zu spüren. Trotzdem läuft die Saison unaufhaltsam weiter und sowohl Fans als auch Mannschaft dürfen (oder müssen) sich bereits am Samstag wieder mit Fußball beschäftigen. Hertha BSC ist zu Gast bei Eintracht Frankfurt, und hat nur wenig Selbstvertrauen im Gepäck. Gebeutelt nach dem 0:6 Debakel in Leipzig und der Heimniederlage gegen den SC Freiburg steht die Elf von Pal Dardai wieder einmal unter Druck. Wir blicken auf die Kaderoptionen bei Hertha, auf Rückkehrer und Ausfälle sowie auf die Situation bei den Gastgebern.

Herthas Nationalspieler – ohne große Verluste

Auch wenn Länderspielpausen bei Fans nicht gerade beliebt sind, war es gerade für Stevan Jovetic und Krzysztof Piatek wichtig, dringend benötigte Spielpraxis zu sammeln. Herthas Kapitän Dedryck Boyata hingegen kam für Belgien nicht zum Einsatz. Dafür konnten Piatek und Ekkelenkamp durch eigene Treffer Selbstvertrauen tanken.

Wenn verletzungsanfällige oder kürzlich wieder genesene Spieler wie Boyata, Piatek oder Jovetic auf Länderspielreise sind, ist man als Hertha-Fan erst beruhigt, wenn die Spieler wieder gesund und fit zurück in Berlin sind. Dieses Mal kamen die Nationalspieler glücklicherweise ohne nennenswerte Verletzungen nach Hause.

Das wird insbesondere im Hinblick auf die Verletztenmisere der vergangenen Wochen guttun. So hat Pal Dardai in der Offensive deutlich mehr Optionen im Kader als noch vor einigen Spieltagen. Myziane Maolida feierte seine Rückkehr im Mannschaftstraining und dürfte sich Hoffnungen auf eine Einwechslung gegen Frankfurt machen.

Frage nach Herthas Defensive – Wer soll es richten?

Doch die Personalsituation in der Defensive bleibt suboptimal, auch wenn die Rückkehr von einigen Spielern im Mannschaftstraining schon bald zu erwarten ist. Für Jordan Torunarigha, Marton Dardai und Deyo Zeefuik sollte die Auswärtsfahrt noch keine Option sein. Auch Linus Gechter und Lukas Klünter werden fehlen.

Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images

Da gerade die Defensive in dieser Saison nicht funktioniert, bleiben die Sorgen im Hinblick auf die nächste Bundesligapartie dieselben. Hinzu kommt das Problem, dass es bei der „alten Dame“ vorprogrammierte Wechsel gibt. Spieler wie Boyata, Boateng oder auch Jovetic haben aktuell nicht 90 Minuten in den Beinen. Wenn diese Spieler also in der Startelf stehen, muss Herthas Trainerteam bereits drei feste Wechsel einplanen, und kann auf Verletzungen und taktische Umstellungen im Laufe der Partie weniger gut reagieren.

Doch wer überhaupt gegen Frankfurt startet, ist noch unsicher. Die vielen Ausfälle und taktische Umstellungen in den ersten Saisonspielen sorgen dafür, dass sich bisher keine zentrale Achse, geschweige denn eine Startelf etablieren konnte. Ob Herthas Chefcoach angesichts der Personallage in der Innenverteidigung weiter an einer Dreierkette festhält, ist fraglich.

Hertha mit wenig Selbstvertrauen – Boateng mit ehrlichen Worten

Doch Herthas Probleme liegen bekanntlich nicht nur auf individueller oder taktischer Ebene. Die letzten Wochen dürften das ohnehin niedrige Selbstvertrauen der Blau-Weißen nicht gerade gestärkt haben. Selbstvertrauen dürfte beim Gegner hingegen ein Stichwort sein. Die Eintracht konnte Zuhause in der letzten Partie den FC Bayern München bezwingen und gleichzeitig Hertha in der Tabelle überholen.

Immerhin zeigte sich Ex-Frankfurter Kevin-Prince Boateng in einer Medienrunde im Laufe der Woche nicht nur ehrlich, sondern auch verantwortungsbewusst: „Ich probiere alles, gebe Vollgas und gehe an meine Grenzen – körperlich und mental. Ich bin 24 Stunden dran. Ich schlafe manchmal nicht, wenn wir ehrlich sind, weil ich wirklich daran arbeite, was man besser machen kann.“

Zu seiner Rückkehr in alter Wirkungsstätte sagt der 34-Jährige: „Es ist ein Spiel, was wir gewinnen müssen, was wir gewinnen wollen. Wir können uns vor dem Spiel, nach dem Spiel umarmen, aber im Spiel wird es keine Freunde geben.“

Rückkehr zur Eintracht für Bobic – Frankfurt stabiler als Hertha

Boateng ist dabei nicht der einzige Herthaner, der aufgrund seiner Vergangenheit besonders gerne in Frankfurt gewinnen würde. Auch für Fredi Bobic sollte die Partie am Main einen besonderen Beigeschmack haben. Die Abwesenheit der Frankfurter Ultra-Szene am Wochenende wird ihn dabei wohl nicht gerade traurig machen.

Foto: Thomas Eisenhuth/Getty Images

Tabellarisch scheint die Eintracht in Reichweite zu sein. Doch ein Duell in Augenhöhe dürfte es eher nicht sein. Die Frankfurter haben zwar nicht den besten Saisonstart hingelegt, verloren jedoch nur ihre erste Partie gegen Borussia Dortmund. Anders als Hertha schaffte es die Eintracht sowohl gegen Wolfsburg als auch gegen Köln zu punkten. Die drei Punkte gegen Bayern waren die ersten für die Hessen.

Frankfurt musste mit einigen Problemen im Kader klarkommen, insbesondere mit Vertragsstreitigkeiten mit Amin Younes und Filip Kostic. Letzterer zeigte sich jedoch gegen den Rekordmeister treffsicher und wird auch gegen Hertha eine wichtige Waffe werden. So hat man das Gefühl, dass die “Adler” im Gegensatz zu Hertha nun ins Rollen kommen könnten. Dafür bräuchte es jedoch einen Heimsieg gegen die “alte Dame” – ob Hertha ihnen diesen Gefallen tut?

Kann sich Frankfurt vom „Bayernbesieger-Fluch“ lösen?

Viel Optimismus kann man als Anhänger*in Herthas aktuell nicht aufbringen. Ein Auswärtssieg in Frankfurt scheint erneut eine Herkules-Aufgabe zu sein. Dabei werden die kommenden Aufgaben nicht leichter. Hertha sollte also unbedingt punkten, um der „roten Zone“ der Tabelle fernzubleiben.

Foto: Adam Pretty/Getty Images

Gute Nachrichten für Hertha-Fans gibt es immerhin. Frankfurts Stürmer Rafael Borré muss noch spät in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag ein Länderspiel in Südamerika spielen. Ob er rechtzeitig zurück sein wird, und in welcher körperlichen Verfassung, ist unklar. Zudem ist die Offensive der Eintracht deutlich schwächer als im Vorjahr aufgestellt. Schließlich müssten die Hausherren auch noch hoffen, nicht vom „Bayernbesieger-Fluch“ getroffen zu werden: Teams, die den Rekordmeister überraschend schlagen, haben in den letzten Jahren regelmäßig im nächsten Spiel eine Niederlage kassieren müssen.

Fluch hin- oder -her: Dardais Mannschaft wird sich körperlich zeigen müssen, um gegen die physisch starken Frankfurter zu bestehen. Gerade im zentralen Mittelfeld wird vieles entschieden werden. Dort liegen die Hoffnungen der Blau-Weißen weiterhin auf Suat Serdar. Aber vielleicht hat sich Prince Boateng sein erstes Tor nach seiner Rückkehr gegen die Eintracht aufgehoben. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Titelbild: Alex Grimm/Getty Images

Podcast #163 Magnet für destruktive Kritiker

Podcast #163 Magnet für destruktive Kritiker

Wieder kein Sieg. Uns lässt das auch ein wenig ratlos zurück. Dennoch versuchen Christopher, Steven und Lukas die Partie gegen den SC Freiburg einzuordnen und sprechen auch darüber, ob es mit Pal Dardai weitergehen kann. Was sind die Alternativen? Was muss passieren? Wir besprechen es. 

Wir wünschen euch trotz allem viel Spaß und freuen uns über eure Kommentare!

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Photo: IMAGO
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Hertha BSC – SC Freiburg: Mit Katerstimmung zum nächsten Richtungsweiser

Hertha BSC – SC Freiburg: Mit Katerstimmung zum nächsten Richtungsweiser

Der vergangene Samstagnachmittag dürfte auch für die größten Optimisten im blau-weißen Lager ein Augenöffner gewesen sein. Das 0:6 in Leipzig hat einmal mehr deutlich gemacht, wo Hertha aktuell steht. Die auch in dieser Höhe verdiente Klatsche war das folgerichtige Resultat einer nicht erklärbaren Transferpolitik. Als deren Konsequenz steht nun ein Kader auf dem Platz, der zwar gegen Fürth und Bochum genügen mag, darüber hinaus aber in dieser Konstellation noch weitere Pleiten zu befürchten haben muss. Es fehlt die Fantasie, wie das in absehbarer Zeit besser werden soll. Auch der kommende Kontrahent darf mitnichten als Aufbaugegner bezeichnet werden. Denn mit dem SC Freiburg kommt am Wochenende der – neben dem FC Bayern – einzig ungeschlagene Bundesligist ins Olympiastadion.

Gemeinsam mit Alex, unter anderem bekannt vom Spodcast Freiburg, blicken wir auf den SC.

So geht Kontinuität

Beständigkeit ist in dieser Saison Trumpf beim SC Freiburg (Bild: imago images via Getty images)

Die Worte, die Fredi Bobic vor vier Monaten bei seiner Antritts-Pressekonferenz wählte, wirken aus heutiger Sicht wie blanker Hohn. „Kontinuität ist das Wichtigste“ ließ der neue, starke Mann an der Hanns-Braun-Straße damals verlauten, bevor er wenige Monate später den halben Kader umwarf und damit die Hauptverantwortung für die sportliche Situation trägt.

Dass es sich auszahlen kann, wenn Kontinuität nicht nur propagiert, sondern tatsächlich gelebt wird, beweist der SC Freiburg schon seit Jahren, aber in dieser Saison besonders. Sage und schreibe ein Spieler wurde in Maximilian Eggestein an die Dreisam geholt und mit Baptiste Santamarika lediglich ein Stammspieler abgegeben.

Alex begründet die Transferpolitik wie folgt: „Es ist dieses Jahr sicherlich ein Mix von Gründen, von denen man profitiert hat. Zum einen sind da die pandemiebedingten Auswirkungen auf den so oft zitierten „überhitzen Markt“, welche diesen wohl ein wenig runtergeführt haben. Der SC, der – trotz Stadionneubau – sehr gut wirtschaftet, war nicht im allergrößten Zugzwang, Spieler zu verkaufen und konnte seine Leistungsträger wie Lienhart oder Sallai halten und sogar verlängern. Diese wären im Normalfall Spieler, welche bereit sind „für den nächsten Schritt“. Außerdem haben wir eine große Anzahl an Spielern, die bei Freiburg ihren Platz gefunden haben und sich sehr mit dem Verein identifizieren (u.a. Petersen, Grifo, Günter, Höfler, etc.) – das ist Gold wert für die Stabilität im Kader.“

Der neidische Blick gen Süden

Speziell die defensive Stabilität ist ein wichtiger Faktor für den Freiburger Erfolg. (Bild: BEAUTIFUL SPORTS / Gerd Gruendl, imago images via Getty images)

Auch in weiteren Aspekten kann man als Herthaner derzeit nur neidisch in den Breisgau schauen. Da wäre zum Beispiel das neue Stadion… aber das soll jetzt nicht Thema sein. Aus sportlicher Sicht fällt vor allem die Ausgewogenheit des Kaders auf, die ein entscheidender Grund dafür ist, dass Freiburg mit 3 Siegen und 3 Remis nach sechs Spieltagen auf Platz 5 rangiert.

„Auf manchen Positionen wie in der Innenverteidigung (Lienhart, Gulde, Heintz, K. & N. Schlotterbeck) und im defensiven Mittelfeld (Höfler, Haberer, Eggestein, Keitel) sind wir für unsere Verhältnisse fast schon überbesetzt und stehen vor der Herausforderung, dass alle auf ihre Einsatzzeiten kommen. Bei anderen Positionen haben wir klarere Stammspieler wie Günter und Grifo – allerdings auch viele Spieler aus der erfolgreichen zweiten Mannschaft die den alten Hasen weiterhin Druck machen und heiss sind. Das scheint alles ganz gut zu passen.“, bewertet Alex den Kader.

Auch deswegen waren im Sommer wohl so gut wie keine Transferaktivitäten nötig, da der Kader quasi keine Schwachstellen offenbart. Zudem ist beim SC Freiburg unter Christian Streich seit Jahren zu beobachten, dass Spieler mitunter auch mal eine komplette Saison benötigen, um sich an das intensive Spielsystem zu gewöhnen und dann im Folgejahr ihren Durchbruch erleben. Daher schätzt unser Experte auch, „dass Europa dieses Jahr ein realistisches Szenario ist“.

Breite Brust oder grauer Beton?

Es läuft also an allen Stellen rund beim SC Freiburg, der damit als klarer Favorit in die Partie am Samstag geht. Grund zum grenzenlosen Optimismus sieht Alex deshalb allerdings nicht: „Es gibt genau zwei Szenarien:

1. Der SC müsste eigentlich voller Selbstvertrauen nach Berlin fahren und hat absolut gar nichts zu verlieren. Ich wünsche mir Mut zur Offensive und ein ordentliches Pressing auf eine verunsicherte und unter Druck stehende Berliner Mannschaft. Ich wünsche mir ein 2-0, Hauptsache Schwoli muss gegen seine alten Kollegen mal hinter sich greifen.

2. – und das ist viel wahrscheinlicher. Es wird kalt, der Wind zieht durchs Stadion, es wird wie immer bei der Hertha ein absoluter Grottenkick und geht entweder 0-0 oder 1-0 für die Hertha (Traumtor von Davie Selke) aus. Unser Trainerteam neigt bei solchen Spielen ab und zu auch mal zur pragmatischen, nicht so ansehnlichen Taktik wie zuletzt in Mainz. Ich hoffe auf Szenario 1.“

Traumtor von Davie Selke – nun ja, träumen muss wohl noch erlaubt sein.

Die Fünferkette als Allheilmittel?

So schwer es in der sportlichen Situation auch fallen mag, das zu glauben – es gibt sie noch, die guten Nachrichten. So lichtet sich das Berliner Lazarett gemächlich. In der Pressekonferenz vom Donnerstag zeigte sich Trainer Pal Dardai zuversichtlich, dass sowohl Kapitän Boyata als auch Zeefuik wieder mit von der Partie sein dürften. Damit wäre auch die von Dardai bevorzugte Fünferkette, von der er sich die in Leipzig so schmerzhaft vermisste Stabilität erhofft, wieder eine Option.

Auch für die Offensive macht Herthas Trainer Hoffnung auf personelle Besserung. So reicht es für den wieder genesenen Stevan Jovetic wohl für eine Halbzeit und auch der in Leipzig eingewechselte Piatek soll laut Dardai bis zu 30 Minuten auflaufen können. Und falls es für beide doch nicht reichen sollte, muss eben ein Traumtor von Davie Selke herhalten.

Titelbild: Matthias Koch, imago images via Getty images