Herthaner im Fokus: Hertha BSC – SC Freiburg

Herthaner im Fokus: Hertha BSC – SC Freiburg

“Endlich” will der Hertha-Fan schreien – endlich haben die Blau-Weißen wieder gewinnen können. Nach zuletzt sieben sieglosen Spielen infolge konnte mit dem 1:0-Heimerfolg gegen den SC Freiburg der Bann gebrochen werden. Der satte Distanzschuss von Vladimir Darida entschied ein umkämpftes wie fußballerisch armes Spiel, das auch mit einer Punkteteilung hätte enden können – aber der geneigte Hertha-Fan wird sich nicht beschweren, dass es doch noch zum Treffer des Tages kam. Die Einzelkritik zu einer engagierten, jedoch verkrampften Mannschaftsleistung.

Vladimir Darida – der Matchwinner

Selten war der Titel des “Matchwinners” wohl so verdient wie im Fall der Leistung von Vladimir Darida gegen den SC Freiburg. Quasi im Alleingang befreite er seine Mannschaft, die vor und nach seinem sehenswerten Distanztreffer nicht wirklich wusste, wie sie die Freiburger Defensive knacken sollte.

Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images

Die starke Leistung des Tschechen ist allerdings nicht allein auf seinen Treffer zurückzuführen. Auch darüber hinaus zeigte Darida eine gute Vorstellung, die ihn auch unter Trainer Jürgen Klinsmann unentbehrlich machen wird. Das fängt bereits mit seiner Arbeit gegen den Ball an, denn auch gegen seinen Ex-Verein präsentierte sich Darida äußerst engagiert und diszipliniert. Einmal mehr lief er mehr als jeder andere Spieler auf dem Feld, dieses Mal waren 13,2 Kilometer – erneut ein großartiger Wert. Kein Herthaner verbuchte mehr erfolgreiche Tacklings (vier), zudem fing er einen Ball ab und klärte eine Aktion. Hinzu kommen vier Ballsicherungen und eine 66%ige Zweikampfquote.

Auch im Spiel mit dem Ball war der 29-Jährige von großer Bedeutung. Er legte vier Chancen auf – so viele wie kein anderer Herthaner. Generell war sein Passspiel am Samstagnachmittag eines der besseren: 81,6% seiner Zuspiele kamen an, sogar 80% in der gegnerischen Hälfte. Darida war zusätzlich Spitzenreiter seiner Mannschaft, was Ballkontake anging: 66 Mal war der zentrale Mittelfeldspieler am Ball, Nebenmann Grujic nur 49 Mal.

In der 57. Minute war es dann soweit – der Auftritt des Vladimir Daridas. Er selbst stieß mit dem Ball in die Freiburger Hälfte, spielte einen klugen Doppelpass mit Davie Selke und schloss aus gut 20 Metern unhaltbar für SC-Keeper Mark Flekken ab – der letztendliche Siegtreffer eine Willensleistung der Nummer sechs. Sicherlich gab es Phasen in der Partie, in der Herthas Mittelfeldzentrale die Dominanz abhanden ging, jedoch auch, weil Darida und Grujic nur zu zweit waren. Der Tscheche versuchte zumindest alles in seiner Macht stehende, um der Partie seinen Stempel aufzudrücken. Mission erfolgreich!

Karim Rekik – bald wieder der Alte?

Das erste Mal seit dem 4:0-Sieg gegen den 1. FC Köln am 29. September hat Hertha wieder die Null gehalten. Ein Faktor dafür war die wirklich ordentliche Leistung von Karim Rekik, der bereits gegen Eintracht Frankfurt leicht verbessert auftrat und sein seit dem Saisonbeginn anhaltendes Formtief eventuell überwinden könnte.

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So war es dieses Mal Rekik, der den unsicheren Nebenmann – in diesem Fall Dedryck Boyata – kompensieren musste. Sein belgischer Kollege erwischte keinen allzu starken Tag und brauchte lange, um in der Begegnung anzukommen. Rekik allerdings war von der ersten Minute an konzentriert und hielt seinen Wirkungsbereich sauber. Der niederländische Innenverteidiger sicherte vier Bälle, klärte ganze sechs Aktionen und blockte zwei Schüsse ab. Rekik war – und das ist bei seiner Saison wirklich keine Selbstverständlichkeit – über 90 Minuten auf der Höhe des Geschehens. Vor allen Dingen bei hohen Bällen und Standardsituationen, die in den Berliner Strafraum geschlagen wurden und Hertha in den vergangenen Wochen große Probleme bereiteten, war der 25-Jährige hellwach.

Auch im Aufbauspiel war Verlass auf Rekik, der 92% seiner Pässe zum Mitspieler brachte und sich auch lange Bälle zutraute (zum Vergleich: Rekik schlug acht lange Bälle, von den sogar fünf ankamen, Boyata spielte hingegen nicht einen einzigen). Es war eine insgesamt zufriedenstellende Leistung Rekiks und das ist nach den letzten Wochen eine wirklich positive Nachricht. Sicherlich wurde Herthas Innenverteidigung von der Freiburger Offensive nicht allzu sehr gefordert, aber das hatte Rekik in den letzten Wochen ja auch nicht von individuellen Fehlern und Einladungen für den Gegner abgehalten. In dieser Verfassung ist ein Stammplatz tatsächlich gerechtfertigt.

Dodi Lukebakio & Javairo Dilrosun – Mehr gearbeitet als gespielt

Es gibt so Tage, da läuft’s einfach nicht. Bälle verspringen, Schüsse haben nicht die gewohnte Härte. Solche Formschwankungen erleben meist Spielertypen wie Dodi Lukebakio und Javairo Dilrosun – schnelle Dribbler, die auf ihre Technik und ihren Spielwitz angewiesen sind. Beide Flügelspieler waren am Samstag nicht gut aufgelegt, spielerisch wollte ihnen nicht viel gelingen. Doch anstatt abzutauchen, bissen sich die beiden Offensivspieler in die Partie.

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Hertha-Fans machten große Augen, als sie die von Trainer Jürgen Klinsmann ins Rennen geschickte Aufstellung sahen. Nicht nur, dass er mit Davie Selke und Vedad Ibisevic zwei klare Sturmspitzen aufstellte, mit Dilrosun und Lukebakio gesellten sich darüber hinaus noch zwei sehr offensive Flügelspieler hinzu. Das damit versprochene Offensivspektakel wurde es leider nicht, auch weil Herthas Flügelachse nie so wirklich ins Spiel fand. Während Dilrosun zumindest noch mit ein paar sehr dynamischen Läufen über die linke Seite überzeugte, die aber auch nichts einbrachten, war Lukebakio kaum zu sehen. Zusammen kamen die beiden Außenbahnspielern auf gerade einmal 61 Ballkontakte, also weniger als Vladimir Darida (66) und Karim Rekik (62).

Zwei Schüsse (einer ungefährlich aufs Tor, einer vorbei) und keine Torschussvorlage seitens Dilrosun, zwei Schüsse (einer ohne Gefahr, einer vorbei) und ebenfalls kein Vorlage seitens Lukebakio – nein, es war nicht ihr Tag. Und doch hatten beide einen Wert für ihre Mannschaft, da sie im Spiel gegen den Ball auffällig engagiert und intelligent auftraten. Dilrosun, wie auch Lukebakio nicht für seine ausgezeichnete Defensivarbeit bekannt, gewann die Mehrzahl seiner Zweikämpfe, tackelte dreimal erfolgreich (nur Darida war besser) und fing einen Ball ab. Auch Lukebakio half seinem Hintermann Lukas Klünter tatkräftig, indem er sechs Bälle sicherte, starke drei Bälle abfing und immer wieder die intensiven Läufe wie Sprints von Gegenspieler Christian Günter mitmachte. So gelang es Hertha, das Freiburger Flügelspiel, welches immens wichtig für deren Torproduktion ist, oftmals einzudämmen. So war es zwar offensiv eine nahezu wirkungslose Vorstellung von Dilrosun und Lukebakio, doch sollte ihre wichtige Defensivarbeit nicht vergessen werden. Ein weiterer Beleg dafür, welch verbesserte Mentalität Klinsmann und sein Trainerteam der Mannschaft eingeimpft haben.

Rune Jarstein – Noch etwas wackelig

Nachdem Herthas Nummer eins seine Rotsperre abgesessen hat, durfte Jarstein gegen den SC Freiburg zurück zwischen die Pfosten. Bei seiner Rückkehr nach zwei Partien sah der Norweger allerdings nicht immer glücklich aus und braucht anscheinend noch ein wenig Zeit, um wieder bei 100% anzukommen.

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Sicherlich war es auch kein dankbares Spiel für einen Torhüter: kalt-nasses Wetter und ein Gegner, der einen nicht allzu oft prüft (in der Partie kamen nur zwei Freiburger Schüsse direkt aufs Tor) und vor allem mit Standards operiert, bei denen man als Keeper ja oftmals gar nicht mehr eingreifen kann. Und dennoch sah Jarstein in einigen Szenen etwas unglücklich aus. So war vor allem sein Spielaufbau sehr fehlerhaft, immer wieder missglückten ihm die Abschläge, sodass diese beim Gegner oder in der eigenen Hälfte landeten. So brachte der 35-Jährige seine Mannschaft immer mal wieder in Bedrängnis und zwang z.B. Darida in der 12. Minute zu einem Foul.

In der 59. Minute hatte sich Jarstein bei einem Eckball verschätzt und gerade noch die Fingerspitzen an die Hereingabe bekommen, um damit schlimmeres zu verhindern. Ansonsten sah der Schlussmann bei den gegnerischen hohen Bällen souverän aus, fischte insgesamt drei Breisgauer Flanken aus der Luft. Durch Paraden konnte sich Jarstein mangels Freiburger Torschüssen nicht auszeichnen. So war es ein etwas wackeliger Auftritt des Keepers.

Hertha und seine Torhüter: Vergangenheit, Torwart und Zukunft

Hertha und seine Torhüter: Vergangenheit, Torwart und Zukunft

Das letzte Drittel der Bundesliga-Saison 18/19 ist längst angebrochen, es wird um die Meisterschaft, Europa und den Nicht-Abstieg gespielt. Doch neben dem Rennen um begehrte Tabellenplätze setzen sich die Geschäftsstellen der 18 Vereine aktuell auch mit längerfristigen Zukunftsentscheidungen auseinander. Erste Vorkehrungen bezüglich des Spielerkaders werden getroffen, sodass zwecks einer produktiven Sommervorbereitung möglichst frühzeitig das Aufgebot für die kommende Spielzeit feststeht. Bei Hertha BSC ist es nicht anders, zahlreiche Vertragsgespräche laufen und vor allem auf der Torhüter-Position bedarf es einer weitsichtigen Planung. In diesem Artikel sollen die sieben realistischen Torhüter für Herthas Profi-Team und deren Verbleibschancen bzw. weiterer Weg beleuchtet werden.

Herthas Torhüterteam ist im Bundesliga-Vergleich ein Sonderling – das zeigt allein das aktuelle Mannschaftsfoto der Berliner, auf dem ganze fünf Keeper nebeneinander sitzen: Rune Jarstein, Thomas Kraft, Jonathan Klinsmann, Marius Gersbeck und Dennis Smarsch. Jeder von ihnen gehört zum Profi-Team des Hauptstadtvereins, allerdings mit verschiedensten Ausgangslagen und Ambitionen. Zahlreichen Medienberichten zufolge steckt Herthas Geschäftsführer Sport Michael Preetz mitten in Gesprächen, welche die Zukunft einiger der genannten Namen klären soll. Es folgt eine Übersicht und Einordnung der aktuellen Berichterstattung, sodass am Ende des Artikels ersichtlich wird, wie die Nahrungskette der Berliner Keeper in der kommenden Spielzeit oder den nächsten Jahren aussehen könnte.

Die etablierten Routiniers

Neben den vielen aufstrebenden Torhüter-Talenten in Herthas Reihen gibt es mit Rune Jarstein und Thomas Kraft auch zwei erfahrene Recken, die Vergangenheit und Gegenwart des Berliner Tores widerspiegeln. Jahrelang konnte an ihrem Status nicht gerüttelt werden, doch der Zahn der Zeit nagt auch auch an gefühlt Ewigen zwischen den Pfosten.

Rune Jarstein – Der Unüberwindliche bis 2021

Zugegeben, um Rune Jarstein ist es momentan sehr ruhig. Aufgrund seiner vorzeitigen Vertragsverlängerung im April letzten Jahres bis 2021 lassen sich keine Medienberichte zu seiner Zukunft finden – die ist soweit geklärt. Der Norweger hat allerdings den begehrten Platz an der Sonne, also bei Pflichtspielen der Profi-Mannschaft zwischen den Pfosten und ist somit stets in die Torwartfragen bei Hertha eingebunden.

Foto: Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images

Seit 2015 hat Jarstein den Status als Stammkeeper der “alten Dame” inne, nachdem er den verletzungsbedingt lange ausfallenden Thomas Kraft als dessen Nachfolger ablöste. Verdrängen ließ sich der 34-Jährige nicht mehr, 132 Pflichtspiele absolvierte er seitdem und den absoluten Großteil dieser in herausragender Manier. Jarstein entwickelte sich trotz des bereits vorangeschrittenen Fußballeralters merklich weiter und dadurch zu einem der beständigsten Torhüter der Bundesliga.

Auch für den starken Berliner Start in die laufende Saison war Jarstein immens wichtig, sicherte durch überragende Leistungen viele Punkte (seine ersten vier Spieltagsnoten in unserer Einzelkritik: 1, 1, 1-, 2). Dieses Top-Niveau konnte Norwegens Nummer eins zwar nicht gänzlich halten, dennoch spielte er eine wirklich starke Hinrunde. Die aktuelle Rückrunde Jarsteins ist allerdings die vielleicht schwächste Halbserie seiner Hertha-Zeit. Sowohl im DFB-Pokal als auch im Liga-Rückspiel gegen den FC Bayern München gingen die Niederlagen zu keinem unwesentlichen Anteil auf sein Konto, da er sich zweimal beim Herauslaufen verschätzt hatte und so zu entscheidenden Gegentreffern hinleitete. 2019 konnte Herthas Schlussmann seinem Team in noch keiner Partie Punkte retten, vielmehr wirkt er in seiner Stafraumbeherrschung verunsichert.

Überbewerten sollte man seine letzten Leistungen jedoch nicht, denn Jarstein brilliert aktuell zwar kaum, von “schlechten” Vorstellungen kann (ausgenommen die beiden Spiele gegen Bayern) allerdings auch keine Rede sein. Auch in seinem Alter sind gewisse Durststrecken legitim, sodass nicht sofort von einem altersbedingten Leistungsabsturz ausgegangen werden kann. Jarstein genießt weiterhin vollstes Vertrauen und das wird voraussichtlich bis zu seinem Vertragsende 2021 auch so bleiben. “Ich bin hier zur richtigen Zeit am richtigen Ort und will mein Niveau halten, bis ich 40 bin”, sagte der 34-Jährige dem kicker vor genau einem Jahr. Ob er so lange in Berlin bleiben wird, ist aufgrund der nachrückenden Torhütergeneration in Berlin fraglich, doch gute zweieinhalb Jahre sind Jarstein noch zuzutrauen. Es gibt also keinen Grund, bereits an seinem Status als Herthas Nummer eins zu zweifeln.

Thomas Kraft – noch ein letztes Jahr in Berlin

Ebenso wenig Zweifel lässt die Rolle von Thomas Kraft zu, der seit der Wachablösung Jarsteins die klare Nummer zwei der Blau-Weißen ist. Diese Rangordnung wird dem so ehrgeizigen Kraft nicht immer geschmeckt haben, doch mit der Zeit gewöhnte sich der 30-Jährige an sie und wurde zu einem äußerst verlässlichen und dadurch wichtigen Zahnrad im Herthaner Getriebe.

Foto: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images

Es sind nur diese ein bis zwei Spiele pro Saison, in denen ein Ersatztorhüter sich beweisen darf. Dann gilt es, auf den Punkt 100 Prozent Leistung zu zeigen, fehlender Rhythmus darf kein Argument sein. Für Kraft waren es in dieser Saison bislang zweieinhalb Halbzeiten in der Liga und ein Einsatz in der ersten DFB-Pokalrunde. Zweimal spielte der ehemalige Münchener dabei zu Null, gegen Werder Bremen (1:3) kassierte er nach seiner Einwechslung nur einen der drei Gegentreffer. Besonders in der Begegnung mit seinem Ex-Verein, dem deutschen Rekordmeister, machte Kraft nach längerer Zeit wieder auf sich aufmerksam, indem er seinen Kasten trotz größerer Bemühungen der Münchener sauber hielt. Seit Jahren beweist Kraft, dass auf ihn Verlass ist und sich wohl jeder Bundesligist eine Nummer zwei wie ihn wünscht.

Tatsächlich wünschen sich ein paar Vereine wohl sogar mehr als das. Wie der kicker berichtet, zeigen die beiden vom Abstieg bedrohten Vereine aus Hannover und Nürnberg Interesse an Herthas Ersatztorwart. Sowohl Hannover 96 als auch der “Club” sollen Kraft im Falle eines Abstiegs gerne als neuen Stammtorhüter verpflichten wollen. Trotz dieser Angebote und einer damit einhergehenden Beförderung zur Nummer eins wird der 30-Jährige aber wohl ein weiteres Jahr in Berlin bleiben. Hertha soll ihm eine einjährige Verlängerung seines am Saisonende auslaufenden Vertrages angeboten haben, welches er dem Bericht nach annehmen wird. 2020 wird Krafts Sohn eingeschult, weshalb der Keeper erst in einem Jahr über seinen neuen Lebensmittelpunkt und eine langfristige Vertragsbindung entscheiden möchte.

In Berlin wird man ein weiteres Jahr mit Kraft auf der Bank gut annehmen können. Der 30-Jährige wird neben seinem sportlichen Wert vor allem für seine Führungsrolle innerhalb der Mannschaft geschätzt. Kraft lebt Professionalität vor, nimmt jede Trainingseinheit ernst und ist somit ein Vorbild für die vielen jungen Spieler bei Hertha. Der Abschied von Fabian Lustenberger im Sommer ist bereits offiziell, weitere Abgänge von erfahrenen Säulen der Mannschaft (Ibisevic, Darida, Pekarik) ist nicht ausgeschlossen, sodass ein Verbleib Krafts gegen ein Vakuum an Führungsqualität helfen könnte.

Ihnen gehört die Zukunft

Hinter den zwei etablierten Routiniers Jarstein und Kraft scharrt ein ganzes Quintett an aufstrebenden Torhüter-Talenten mit seinen Hufen. Ein größere Rolle in den Planungen Hertha dürften allerdings nur folgende drei Namen spielen.

Nils Körber – Der König der Dritten Liga

Hertha wird immer mutiger, was das Ausleihen seiner Spieler angeht. Im Winter wurden mit Sidney Friede, Alexander Esswein, Muhammed Kiprit und Maximilian Pronichev gleich vier Berliner Kicker für ein halbes Jahr abgegeben. Die Tür für diese neue Transferpolitik wird Nils Körber aufgrund seines derzeitigen Erfolgs mit geöffnet haben.

Der 22-Jährige wurde im zurückliegenden Sommer zum VfL Osnabrück verliehen. Versuch Nummer zwei, denn zuvor war das Berliner Eigengewächs bereits für ein Gastspiel bei Preußen Münster, fand dort nach einer Verletzung aber keinen Anschluss mehr, sodass die Leihe als wenig erfolgreich gewertet wurde. In Osnabrück sollte es gänzlich anders laufen, denn Körber wurde auf Anhieb Stammkeeper der Niedersachsen und einer Hauptfaktoren für deren derzeitigen Höhenflug.

Foto: Thomas F. Starke/Bongarts/Getty Images

Der VfL belegt mit 61 Punkten nach 30 Spielen den ersten Tabellenplatz der dritten Liga, der erste Zweitligaufstieg seit 2010 ist zum Greifen nahe. Osnabrück dominiert die Liga regelrecht, stand an 22 von 30 Spieltagen an der Tabellenspitze und stellt mit gerade einmal 21 Gegentoren die ligaweit beste Defensive. Maßgeblichen Anteil daran hat Leihgabe Körber, der eine atemberaubende Saison spielt. Der kicker bemisst seine Durchschnittsnote mit 2,46 – niemand in der Liga schneidet bislang besser ab. In 29 Einsätzen hat Körber 14 Mal, also statistisch in jedem zweiten Spiel, zu Null gespielt, weshalb er auch immer öfter auf dem Radar des DFB auftaucht und für die U21-Nationalmannschaft nominiert wurde. Es ist also legitim zu sagen, dass Körber seine Leihe vollends ausnutzt und sich im Profibereich etabliert. Er gehört zu den absoluten Leistungsträgern seines Vereins, wird von den Osnabrücker Fans sehr geschätzt und wirkt mit seinen erst 22 Jahren schon äußerst reif.

Diese Entwicklung bleibt nicht unbemerkt, denn laut dem kicker hat Körber das Interesse eines deutschen Zweitligisten und dem niederländischen Erstligisten VVV-Venlo geweckt. Hertha soll gewillt sein, seinen 2020 auslaufenden Vertrag zu verlängern und ihn dann erneut zu verleihen. Fraglich ist nur wohin und das hängt sicherlich mit der Endplatzierung Osnabrücks ab. Sollte der VfL aufsteigen, könnte Körber in einem bereits bekannten Umfeld eine Etage höher spielen und wichtige Erfahrungen sammeln. Die niederländische Eredevisie stellt allerdings auch eine spannende Option dar, denn gegen Ajax Amsterdam oder PSV Eindhoven zu spielen, wäre eine interessante Herausforderung. Es scheint zumindest festzustehen, dass Körber auch die kommende Saison außerhalb Berlins verbringen wird, um sich durch regelmäßige Einsatzzeiten weiterzuentwickeln. Stück für Stück wird das Eigengewächs darauf vorbereitet, eine ernsthafte Alternative für Herthas Bundesliga-Mannschaft zu werden.

Dennis Smarsch – ein weiteres Lehrjahr steht an

Mit seinen 1,95 und geschätzten 90 Kilo ist Dennis Smarsch mit seinen gerade einmal 20 Jahren bereits eine sehr imposante Erscheinung. Dabei unterschrieb das Eigengewächs erst im vergangenen Sommer seinen ersten Profi-Vertrag. “Dennis hat sich in den vergangenen Jahren stets entwickelt und in unseren Nachwuchsteams als großer Rückhalt überzeugt. Auch im Training der Profis zeigt er sein großes Talent, das wir ­weiter fördern wollen”, erklärte Michael Preetz damals.

Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images

Vorschusslorbeeren konnte Smarsch in der vergangenen A-Bundesliga-Saison sammeln, als er mit seiner Mannschaft die deutsche Meisterschaft nach Berlin holte. Arne Maier, Muhammed Kiprit, Dennis Jastrzembski, Palko Dardai, Florian Baak, Julias Kade – die Liste an Spielern, die es aus diesem Team bis in die Bundesliga geschafft haben, ist lang und soll irgendwann durch Smarsch erweitert werden. Das Torhüter-Talent hat großen Anteil an der ersten A-Jugend-Meisterschaft Herthas, er überzeugte sowohl mit seinem Torwartspiel, als auch durch seine Führungsqualitäten. Bereits mit jungen Jahren strahlt Smarsch eine große Sicherheit aus, die sich auf seiner Vordermänner überträgt. Auch bei dem A-Jugend-Hallenturnier in Sindelfingen, welches Hertha ebenfalls gewinnen und konnte und bei dem Herthas BASE vor Ort war, war der gebürtige Berliner eine der prägenden Figuren. Trotz seiner Statur zeigte Smarsch auf dem Kleinfeld, über welch starke Reflexe er verfügt und so war er wohl der stärkste Keeper dieses Turniers.

All diese Leistungen blieben offensichtlich nicht unbeobachtet und so darf Smarsch in der laufenden Spielzeit erste Erfahrungen im Männerbereich sammeln. Das durchgängige Mittrainieren im Profi-Torwart-Aufgebot Herthas und die regelmäßigen U23-Einsätze in der Regionalliga (Smarsch darf in rund der Hälfte der Partien von Anfang an spielen) gewöhnen den 20-Jährigen an den Männerbereich, dazu kommen zwei Nominierungen für die Bundesliga-Mannschaft. Es gibt keinerlei Medienberichte, die nahelegen, dass Hertha plant, Smarsch in der kommenden Saison zu verleihen und wie der weitere Verlauf dieses Artikels aufzeigen wird, scheint der Keeper in der kommenden Spielzeit die feste Berliner Nummer drei und in der U23 der Stammtorhüter zu werden – kleine aber bedächtige Schritte für den Hünen.

Luis Klatte – Profi-Vertrag in Aussicht?

Herthas Kader verfügt aktuell über sechs Torhüter mit Profi-Verträgen, drei davon wurden in der eigenen Jugendakademie ausgebildet. Auch hier zeigt sich, über welches Talent der Hauptstadtverein in seinen eigenen Reihen verfügt und wie gezielt er eben jenes weiterentwickelt und zu Bundesliga-Material formt. Der nächste Name, der in diese Riege stoßen könnte, ist Luis Klatte.

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Vielen vielleicht noch kein Begriff, konnte der 19-Jährige, der seit 2012 für Hertha spielt, in den letzten Wochen im Rahmen der UEFA Youth League auf sich aufmerksam machen. Besonders bei der 0:3-Niederlage im Rückspiel gegen Titelverteidiger Barcelona zeigte der gebürtige Berliner eine grandiose Leistung, für die er anschließend Lob von Michael Preetz erhielt. In der laufenden Saison hat Klatte den zur U23 beförderten Smarsch als Stammtorhüter der Herthaner A-Jugend-Mannschaft beerbt, nachdem er in vergangenen Spielzeit noch als Ersatzkeeper acht Liga-Spiele bestritt. Nun führt kein Weg mehr an Klatte vorbei, der mittlerweile sogar internationale Erfahrung sammeln durfte.

Es ist aufgrund der guten Leistungen des U-Nationalspielers davon auszugehen, dass Hertha ihm für die kommende Saison einen Profi-Vertrag und die Rolle der Nummer zwei mit ersten Einsätzen in der U23 anbieten wird. Ob das Eigengewächs diesen Weg einschlagen wird oder qua der internen Konkurrenz keine attraktive Perspektive bei Hertha sieht, bleibt abzuwarten. Dass die “alte Dame” ihn aber gerne halten und somit den wahrscheinlichen Abgang von zwei Keepern auffangen will, scheint wohl sicher.

Zwei wohl sichere Abgänge

Die Länge dieses Artikels macht bereits das Dilemma offensichtlich, dass Hertha über wohl zu viele Torhüter verfügt und sich im kommenden Sommer auf dieser Position verändern muss. Zwei leidtragende werden Jonathan Klinsmann und Marius Gersbeck sein.

Jonathan Klinsmann – eine gute Ausbildung, aber keine Übernahme

“Er ist bei Hertha in die Lehre gegangen und hat in den letzten 20 Monaten sein Handwerk gelernt. Jetzt steht er vorm Gesellenbrief”, resümierte Jonathans Vater Jürgen Klinsmann die zwei Jahre seines Sohnes in Berlin. Und auch wenn Hertha ein Ausbildungsbetrieb ist, der nach Möglichkeit all seine Lehrlinge übernehmen wollen würde, stehen die Zeichen bei dem 21-Jährigen auf Abschied.

Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images

2017 wechselte Klinsmann von der UC Berkeley an die Spree, erstmals weit weg von zu Hause und der Familie. Nicht überraschend brauchte der Torhüter mit berühmten Nachnamen einige Monate der Eingewöhnungszeit, in denen er sich an die Ansprüche einer deutschen Profi-Mannschaften und die Stadt Berlin anpassen musste. In dieser Zeit rief der US-Nachwuchsnationalspieler nur unregelmäßig sein volles Potenzial ab, was ihm vor einem Jahr größere Kritik seitens Torwarttrainer Zsolz Petry einbrachte. Es waren harte Worte, die der Ungar damals gewählt hatte und auch die Art der öffentlichen Kritik war diskutabel, doch letztlich sollte Petrys Ansage etwas in Klinsmann ausgelöst haben. Der 21-Jährige tritt seitdem deutlich selbstbewusster auf, zeigt mehr Willen, sich im harten Profi-Geschäft durchsetzen zu wollen. “Zsolt Petry hat einen gigantischen Job gemacht. Ich muss auch Jonathan ein riesen Kompliment machen. Er ist hier zum Mann geworden, hat Deutsch gelernt und fährt durch die Stadt, als sei er hier aufgewachsen”, lobte Vater Jürgen die Entwicklung seines Sohnes in der Berliner Zeitung.

Durchsetzen wird sich Jonathan Klinsmann bei Hertha dennoch nicht. Wie der kicker berichtet, planen die Vereinsverantwortlichen nicht über den Sommer hinaus mit ihm, denn die Rolle der Nummer zwei ist vergeben und eine Leihe steht nicht im Raum. “Jetzt liegt es am Klub, zu sagen: Wir ziehen ihn hoch als Nummer zwei – oder er geht auf Wanderschaft”, blickte Vater Jürgen voraus. Da Kraft Medienberichten zufolge ein weiteres Jahr bleiben wird, wird Klinsmann wohl die Wanderschuhe auspacken müssen – das Experiment zwischen ihm und Hertha scheint im Sommer zu enden und so bleibt es bei einem Profi-Einsatz für die Blau-Weißen in der Europa League gegen Östersund (1:1), in dem er einen Elfmeter halten konnte. “Das Spiel war eine Erleuchtung für ihn. Er hat gemerkt, dass er mithalten kann.” In drei Monaten wird Klinsmann mit dem Gesellenbrief in der Hand Berlin verlassen. Wo er seine Meisterprüfung absolvieren wird, ist unklar, doch laut Papa Jürgen wird Jonathan in Europa bleiben.

Marius Gersbeck – eine Verletzung bremste den Publikumsliebling aus

Auf unterschiedlichstem Wege sind Jonathan Klinsmann und Marius Gersbeck zu Hertha BSC gekommen, doch eine Bilanz werden sich die beiden Keeper im Sommer wohl teilen: nach nur einem Einsatz für die Berliner Profi-Mannschaft folgt der Abschied.

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Dabei schien der Weg von Gersbeck schon vorprogrammiert: ein überraschendes Highlight-Spiel gegen Borussia Dortmund (2:1) im Jahr 2013, das ihn als gebürtigen Berliner und originalen Ostkurvengänger bei den blau-weißen Fans gefühlt schon unsterblich machte, daraufhin zwei Leihen, die ihn auf die Bundesliga vorbereiten sollten und dann der offene Kampf um die Nummer eins – es sollte anders kommen. Nachdem sich das Eigengewächs durch seine starke Leistung als Bundesliga-Debütant gegen den BVB als Nachwuchshoffnung etabliert hatte, lieh ihn Hertha zweimal in die dritte Liga aus – zunächst nach Chemnitz (nur fünf Einsätze), dann für zwei Jahre zum VfL Osnabrück, bei dem er durch 74 Pflichtspiele an Erfahrung dazugewonnen hatte. Der nächste Schritt sollte eine Leihe zu einem deutschen Zweitligisten oder in eine mittelstarke europäische Liga sein, doch Gersbeck riss sich im April 2018 das Kreuzband und sollte für elf Monate ausfallen. Am vergangenen Donnerstag gab der 23-Jährige im Testspiel gegen Holstein Kiel (1:3) sein Comeback und überzeugte auf Anhieb mit starken Szenen. “Es macht wieder Spaß. Das ist das, worauf ich hingearbeitet habe”, sagte er nach dem Spiel.

Nun hofft Gersbeck auf ein paar Einsätze bei Herthas U23, um wieder Matchpraxis zu sammeln und in den Rhythmus zu kommen. Sein Vertrag wurde im Juni vergangenen Jahres bis 2020 verlängert, da die Verantwortlichen ihn nach seiner schweren Verletzung nicht fallen lassen wollten. Trotz seines noch laufenden Kontrakts werden sich die Wege im Sommer nach 15 gemeinsamen Jahren wohl trennen. Gersbeck wird im Sommer 24 Jahre alt, somit nicht mehr als Talent gelten und auf allen relevanten Positionen in Herthas Torwart-Hierarchie haben sich andere Namen etabliert. Laut dem kicker ist sein Abgang bereits sicher.

Fazit – Herthas Plan bis 2021 und darüber hinaus

Schenkt man den Informationen des kicker Glauben und schätzt den Rest persönlich ein, so ergibt sich bei Hertha für die kommende Saison und folgenden Jahre eine recht klare Struktur auf der Torhüter-Position.

Grundlage für Herthas Zukunftsplan für seine Keeper ist, dass Rune Jarstein bis zu seinem Vertragsende im Sommer 2021 der Stammtorhüter bleiben wird. Der Norweger wird dann 37 Jahre alt und bis dahin noch zwei Saisons für Hertha zwischen den Pfosten gestanden haben. Was folgt, wäre eine sehr saubere Trennung nach siebeneinhalb Jahren und wohl über 200 Pflichteinsätzen für die “alte Dame”.

Ebenso geklärt scheint die Zukunft von Thomas Kraft, der noch ein weiteres Jahr Herthas Nummer zwei sein wird und dann das Feld für einen jüngeren Keeper räumt, der Jarstein in seinem letzten Jahr für Hertha herausfordern soll. Um diese Rolle werden voraussichtlich Nils Körber und Dennis Smarsch konkurrieren, die noch zwei Jahre Zeit haben, sich ohne Druck weiterzuentwickeln. Ziel scheint zu sein, Jarstein in der Saison 2020/21 ein aufstrebendes Eigengewächs an die Seite zu stellen, dass Ansprüche auf die Stammelf hat und als Nummer zwei dazulernen kann. Wie offen der Kampf um die Nummer eins sein wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen.

Für die kommende Saison gilt: Nummer eins – Rune Jarstein, Nummer zwei – Thomas Kraft, Nummer drei und U23-Stammtorhüter – Dennis Smarsch, Nummer vier und damit U23-Ersatztorhüter – Luis Klatte, Leihspieler in einer höheren Liga – Nils Körber, Abgänge – Jonathan Klinsmann und Marius Gersbeck.