Herthaner im Fokus: Mit Krampf ins Leid geschafft

Herthaner im Fokus: Mit Krampf ins Leid geschafft

Eine Frage: Welches dubiose und skrupellose Unternehmen bzw. Verband kam eigentlich auf die Idee eine Weltmeisterschaft in einen Schurkenstaat kurz vor Weihnachten zu vergeben? Diese miese Aktion, die insbesondere Menschenrechte und Menschenleben und auch die Fußballkultur mit Füßen tritt, sorgt ganz nebenbei dafür, dass die meisten Fußballer auf der Welt vollkommen überspielt sind, weil sie eine Englische Woche nach der nächsten spielen müssen, da sich jeder nationale Verband dieser Idee unterordnen musste. Die Folge von überspielten Spielern sind Unkonzentriertheit, Müdigkeit, Ungenauigkeiten, viel zu starke Übermotivation und ein enorm hohes Verletzungsrisiko. Jede noch so kleine Verletzung kann wenige Tage vor der WM, die ja nicht einmal eine ernsthafte Vorbereitung ermöglicht, das Ende der größten Träume eines Fußballers bedeuten. Allein im Spiel zwischen Hertha BSC und dem VfB Stuttgart, gab es Schreckmomente für drei Spieler. Während Herthas dänischer Torwart Oliver Christensen nach einem Sturz weiterspielen konnte und Herthas Kroate Ivan Sunjic fragwürdigerweise mit Turban nach einem Zusammenprall mit Stuttgarts Wataru Endo weiter auf dem Platz blieb, musste eben jener Japaner mit einer schweren Kopfverletzung und zwischenzeitlicher Ohnmacht vom Platz getragen werden und nun um seine WM-Teilnahme bangen. Wir wünschen schnelle und beste Genesung!

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Neben den bitteren Vorfällen wurde aber noch Bundesliga-Fußball gespielt. Die Hertha unterlag am 14. Spieltag in Stuttgart dem VfB in letzter Sekunde mit 1:2 und liegt nun mit 11 Punkten auf dem Relegationsplatz. Guirassys frühes Tor konnte noch in der ersten Halbzeit Lukebakio kontern, ehe Mavropanos den Ball in letzter Sekunde nach einer Ecke ins Netz köpfen konnte.

Sandro Schwarz ändert nichts

Beim Blick auf die Aufstellungen fiel direkt auf, dass Sandro Schwarz gegenüber dem Spiel gegen die Bayern auf Änderungen verzichtete.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Oliver Christensen, der einen Tag zuvor von Kasper Hjulmand in den dänischen WM-Kader berufen wurde, stand im Tor. Die Verteidigung bildeten, die sich als Stammverteidigung etablierten, Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Davor sollten im Zentrum Suat Serdar und Lucas Tousart schalten und walten. Auf den Außen Jean-Paul Boetius und Marco Richter. Im Sturm Davie Selke und Dodi Lukebakio. Das 4-3-3-System, welches Schwarz zu Beginn der Saison hatte einspielen wollen, scheint aktuell eher von einem 4-4-2-System abgelöst worden zu sein.

In unserer heutigen Analyse versuchen wir trotzdem Positives zu suchen. Wir schauen auf die Lichtblicke des Teams, müssen uns aber auch mit der erschreckend harmlosen Offensive auseinandersetzen, fehleranfälligen Verteidigern und wieder einmal stellt uns die Aufstellung unseres Kapitäns vor Fragen.

Jonjoe Kenny und Dodi Lukebakio: Aus Jovedil wird Joebakio

Vier Niederlagen in den letzten fünf Spielen. Auf dem Relegationsplatz angekommen. Die Hertha-Welt ist kurz vor der WM-Pause ganz dunkel. Doch an irgendwelchen Kleinigkeiten muss man sich festhalten und wenn es nur einzelne Aktionen sind. Letzte Saison waren die wenigen Lichtblicke das phasenweise tolle Zusammenspiel zwischen Stevan Jovetic und Ishak Belfodil, was dem Duo den liebenswürdigen Kosenamen „Jovedil“ durch die Fans ermöglichte. In den letzten Wochen fiel bei Hertha immer wieder auf, dass auf der linken Seite herzlich wenig zusammenläuft. Umso besser, dass die rechte Seite zumindest einigermaßen Leistung zeigt. Sommerneuzugang Jonjoe Kenny und Sozusagen-Neuzugang Dodi Lukebakio scheinen sich nach Anfangsschwierigkeiten endlich gefunden zu haben. Sie sind neben Herthas starken Keeper Oliver Christensen (fünf Paraden) die beiden einzigen Spieler, denen es regelmäßig gelingt, Leistung zu zeigen. Am Samstag machte es Kenny schon Sadio Mané und Kingsley Coman das Leben schwer, gegen den VfB Stuttgart glänzte er auch endlich als Vorlagengeber. Dodi Lukebakio drückte seine perfekte Halbfeldflanke in die Maschen. Das gute Miteinander des Rechtsverteidigers und Herthas diesjährigen Top-Torjägers ist einer der Lichtblicke dieser Bundesliga-Hinrunde. Vielleicht kann man ja bei entsprechendem Mannschaftserfolg mal über einen neuen liebevollen Namen sprechen. “Joebakio” zum Beispiel?

Doch wie gesagt, mehr als ein paar Lichtblicke waren das auch nicht. Das zeigen auch die Zahlen der beiden. Dodi Lukebakio war zwar wie üblich motiviert und zunächst auch gefährlich für die Verteidigung des VfBs. Nach etwa acht Sekunden war Hertha drauf und dran eines der frühesten Bundesligatore aller Zeiten zu erzielen. Doch Lukebakios entscheidender Pass in die Spitze wurde von Stuttgarts an diesem Tag hervorragend spielenden Mavropanos abgefangen. Besser machten es er und Jonjoe Kenny in der 19. Minute.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Ansonsten konnte Lukebakio kaum zählbare Momente erzeugen. Nur ein Dribbling von sechs Versuchen beendete er erfolgreich. 50 Mal war der Belgier, der auch noch auf eine WM-Nominierung hofft, am Ball. In 13 Zweikämpfe ging er, von denen er allerdings nur fünf für sich entscheiden konnte. 20 Ballverluste musste er hinnehmen, Lukebakios Durchsetzungskraft war in der Vergangenheit schon deutlich besser. Zusätzlich wurde er aber auch dreimal recht übel gefoult und war immer wieder unter den Stuttgarter Fittichen, die ihm kaum Möglichkeiten zur Entfaltung gaben. Herthas einziger sich in Form befindender Offensivspieler ist dementsprechend auch eigentlich Herthas einzige Waffe. Wird er kaltgestellt, wird es mit der Offensive der Berliner problematisch.

Jonjoe Kenny, der ebenfalls wieder 90 Minuten auf dem Platz ackerte, hatte gegen die Stuttgarter Offensive einiges zu tun. Er konnte eine Aktion klären, blockte einen weiteren Schuss, fing zwei Bälle ab, entschied zwei Tacklings für sich. Doch seine Schwächen, die altbekannt sind, wurden gegen den VfB schnell wieder deutlich.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

70 Mal war er am Ball, einer der Höchstwerte bei Hertha. Doch dem gegenüber stehen auch 20 Ballverluste und 15 Fehlpässe. Ein Grund, weshalb Hertha kaum in der Lage war, einen Spielzug aufzubauen. Immerhin entschied er von seinen fünf Zweikämpfen drei für sich. Doch oft fehlen dem Briten die letzten Prozent Kreativität und Qualität im Passspiel. Doch auf der Habenseite Kennys steht seine Motivation und Leidenschaft. Dinge, die im Abstiegskampf noch wichtig werden können, schließlich geht es nur um dieses Thema in dieser Saison.

Marco Richter: Mehr Frust als Leistung

Marco Richters auffälligste Aktion war in der 34. Minute zu sehen, als er Konstantinos Mavropanos an der Seitenlinie anging und dafür die gelbe Karte sah. Den komischen Zwist mit dem Griechen schloss sich immer wieder auch Davie Selke an, wobei man nicht so ganz erkennen konnte, wer dort die angreifende und wer die schlichtende Rolle einnahm. Eben die klassischen Frotzeleien im Abstiegskampf, wenn man spielerisch stark limitiert ist.

(Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Sportlich hing Marco Richter in der Luft. Seit Wochen ist er außer Form und kann in keiner Weise das leisten, was Hertha in der aktuellen Situation benötigt. Gegen den VfB war Richter 24 Mal im Ballbesitz. Seine Passquote von 87 Prozent lässt sich zwar sehen, als Offensivspieler nur zwei von 15 Pässen fehlzuleiten, ist stark. Doch auch bei ihm mangelt es an Kreativität und vor allem Qualität. Nur zwei seiner sechs Zweikämpfe entschied er für sich. Nur einmal versuchte sich Richter an einem Dribbling, was letztendlich auch nicht in Erfolg umgemünzt werden konnte. Zusätzlich leistete sich Richter sieben Ballverluste.

Dass Richter aktuell in fast jedem Spiel in der Luft hängt und sich immer mehr wieder in Frustaktionen verstrickt, ist nicht seine alleinige Schuld. Das Offensivspiel der Hertha ähnelte nämlich zu großen Teilen dem Derby am ersten Spieltag. Auch dort war die Offensive praktisch kein Teil des Teams. Damals lag das an denselben Gründen, wie plötzlich jetzt auch wieder. Fehlende spielerische Klasse. Zwischen Angriff und Mittelfeld fehlt ein Bindeglied. Eigentlich ein Teil der Basics, die man mittlerweile trainiert haben müsste.

Davie Selke und Marvin Plattenhardt: Alibi-Fußball unter Bundesliga-Niveau

Sie mögen sympathische Persönlichkeiten sein, aber fußballerisch sind sie in keiner Weise auf einem geeigneten Niveau, um Hertha BSC in der aktuellen Situation zu helfen. Das zeigte der Auftritt in Stuttgart einmal mehr. Beide hatten einen Auftritt, den man genauso schon etliche Male gesehen hat. Während Davie Selke manchmal an eine Art schreckliches Abbild von Cristiano Ronaldo erinnert, leider aber nicht im sportlichen Sinne, sondern im nörgelnden und lamentierenden Bereich, vergisst man in feiner Regelmäßigkeit, dass Marvin Plattenhardt überhaupt auf dem Platz steht.

Davie Selke hatte eine Kopfballchance nach 38 Minuten. Viel mehr steht nicht auf der Habenseite des Stürmers. Die meiste Zeit war er beschäftigt mit Scharmützeln mit Waldemar Anton, Konstantinos Mavropanos oder dem Schiedsrichtergespann. Nebenbei war er in seinen 61 Minuten Spielzeit noch 13 Mal im Ballbesitz und brachte immerhin vier von seinen sechs Pässen an den Mann. Er gewann vier seiner zehn Zweikämpfe, verlor aber dem gegenüberstehend auch fünf Bälle. Wie Marco Richter litt Davie Selke unter dem nicht vorhandenen Aufbauspiel. Kaum ein Ball kam in eine für ihn aussichtsreiche Position, genauso muss er aber auch an seinen Laufwegen arbeiten. Zu oft zieht es ihn eher Richtung Außenpositionen, wo er noch weniger Einfluss auf das Spiel hat und oftmals nicht einmal die Bälle ankommen.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Im Winter muss und wird Hertha in Person von Fredi Bobic sicherlich handeln. Möchte man den Gerüchten glauben, steht Selke ein halbes Jahr vor Vertragsende zum Verkauf. Sowohl für Hertha, als auch für ihn, wäre es eine sportliche Befreiung. Hertha braucht einen abschluss- und spielstarken Stürmer. Davie Selke schon lange nicht mehr und Wilfried Kanga noch nicht scheinen diese Rolle verkörpern zu können.

Sandro Schwarz dürfte eigentlich keine Argumente mehr auf seiner Seite haben, Marvin Plattenhardt weiterhin Chance um Chance als Linksverteidiger zu geben. Plattenhardt ist wie der Schüler, der bei den Lehrern noch immer einen Stein im Brett hat, weil er vor Jahren mal einer der Klassenbesten war. Ausgeruht auf alten Leistungen, hat er mehr oder weniger alle seine Stärken mittlerweile verloren. Und dabei war Marvin Plattenhardts Leistung gegen die Stuttgarter nicht einmal seine persönlich schlechteste in dieser Saison. Bis zum bitteren Ende war er auf dem Platz zu sehen, klärte zwei Aktionen, konnte zwei Tacklings für sich entscheiden und auch einen Ball abfangen. Aber das war es auch schon.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

14 Mal verlor der Kapitän den Ball und hatte enorme Probleme mit Stuttgarts pfeilschnellen Außenstürmer Silas. Nur drei seiner neun Zweikämpfe konnte er für sich entscheiden. Auf Sicherheitsbälle bedacht konnte er immerhin 18 seiner 22 Pässe bei den Mitspielern unterbringen. Als Kapitän und als Defensivspieler sowieso, sollte man zumindest kommunikativ auf der Höhe sein. Beim 0:1 nach nur drei Minuten war Plattenhardt in einem Raum auf dem Feld, der jenseits von Gut und Böse war. Seine Position auf der linken Seite hatte er schon lange verlassen, um wie eine Art Innenverteidiger in dieser Situation zu agieren. Stuttgarts Guirassy lief Marc-Oliver Kempf im Rücken und Marvin Plattenhardt allgemein davon und schloss eiskalt ab. Plattenhardt konnte aufgrund seiner Tempodefizite nichts ausrichten, gleichzeitig Kempf aber auch in keiner Weise kommunikativ instruieren. Es ist zum Verzweifeln. Auch auf dieser Position wäre ein Personalwechsel im Winter dringend von Nöten.

Agustin Rogel: Krasses Leistungstief zur Unzeit

Der Uruguayer hatte in den letzten Wochen durch seine rustikale, körperliche Spielweise auf sich aufmerksam gemacht und sich als Partner von Marc-Oliver Kempf in der Innenverteidigung etabliert. Doch in den letzten Wochen befindet sich auch Agustin Rogel in einem Formtief, welches nicht nur zur Unzeit kommt, sondern auch für viele gefährliche Situationen vor dem Tor der Hertha sorgt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Abgefälschte Bälle, Querschläger und unnötige Eckbälle reihen sich in seinem Spiel immer mehr an. Er konnte keinen Zweikampf für sich entscheiden. Immerhin sorgte er mit sieben Klärungsaktionen öfter für Ruhe im Berliner Strafraum. 66 Mal war er am Ball, zehn Mal verlor er diesen. Auch er versuchte im lahmenden Aufbauspiel der Hertha Sicherheit auszustrahlen. Viel mehr als defensive Zuspiele gelangen ihm allerdings nicht. 49 seiner 59 Pässe kamen bei den Mitspielern an, offensiv hatte er keine nennenswerten Momente. Schwach wie seine gesamte Vorstellung war dann sein Zweikampfverhalten in der letzten Aktion, als er Mavropanos nicht am Kopfball hindern konnte. Die Schwächephase von Rogel passt leider zur Gesamtsituation. Aktuell gelingt es ihm nicht seinen massigen Körper einzusetzen und der Abwehr die nötige Stabilität zu geben. Vielleicht hilft ihm die Winterpause zu alter Stärke zurückzufinden, wobei auch seine WM-Ambitionen noch vorhanden sein dürften.

Chidera Ejuke: Mit dem Kopf durch die Wand

Ab der 61. Minute ersetzte der Nigerianer Marco Richter. Im Gegensatz zum ehemaligen deutschen Juniorennationalspieler konnte er zumindest für etwas Wind und Druck sorgen. Doch immer wieder fehlt Chidera Ejuke die Übersicht und es wirkt wie das berühmte Agieren mit dem Kopf durch die Wand. Exemplarisch dafür die 84. Minute, als er nach einem üblen Fehlpass von Stuttgarts Torhüter Müller in Abschlussposition kam. Nach einem Dribbling, dem es aber schon an Tempo fehlte und immer mehr in symbolischer Kopflosigkeit mündete, ging sein Schuss aus zentraler und aussichtsreicher Position über das Tor.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Ihm fehlt nicht nur die Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, sondern auch der Blick für seine Mitspieler. Nicht nur Wilfried Kanga wäre in diesem Moment in einer besseren Abschlussposition gewesen. Es sollte das einzige erfolgreiche Dribbling Ejukes bleiben. Insgesamt versuchte er sich an vier Stück. Die weiteren drei verpufften wirkungslos. 19 Ballaktionen stehen zudem sechs Ballverluste gegenüber. Trotz fehlender Übersicht könnte er vielleicht sogar wieder ein wenig vor Richter stehen. Allerdings ist auch diese Form des Konkurrenzkampfes auf erschreckend niedrigem Niveau.

Willkommen im Abstiegskampf

Wer die Situation noch nicht verstanden hat, der ist wohl fehl am Platz. Hertha steckt im tiefen Abstiegskampf, die Konkurrenz punktet und eigene Punkte sammelt man vergeblich. Das Spiel gegen die Stuttgarter ähnelte in vielerlei Hinsicht dem Spiel gegen den FC Schalke 04, als man mit Glück noch drei Punkte sammeln konnte. Nun fehlte Hertha das Glück und wie schon in Bremen kassiert man einen späten Nackenschlag. All das hat nichts mit Glück und Pech zu tun. Es ist die eiskalte und harte Realität, dass auch dieser Kader nicht das Niveau hat, um mehr als die aktuelle Platzierung zu ermöglichen. Diese Saison wird lang und endet schmerzhaft, wenn sich die Beteiligten und Verantwortlichen nicht im Winter ernsthaft zusammensetzen und ehrlich ihre Arbeit bewerten.

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Sandro Schwarz muss erklären, was er mit seinen verschiedenen Systemen bewirken möchte, weshalb Marvin Plattenhardt Kapitän und Stammspieler ist, Fredi Bobic muss seine Transferpolitik einmal mehr hinterfragen und Spieler wie Davie Selke, sollten sich Gedanken machen, inwiefern man dem Team helfen kann. Es wird ein stürmischer Winter und eine brutale Saison, wenn sich nicht ganz schnell etwas bewegt. Ein Spiel vor der WM steht noch an. Müde und überspielte Kölner. Eigentlich auch ein Pflichtsieg, wenn man konkurrenzfähig bleiben möchte.

(Titelbild: Alex Grimm/Getty Images)

Herthaner im Fokus: Ernüchterung in Bremen

Herthaner im Fokus: Ernüchterung in Bremen

Nach der Party folgt der Kater. So auch geschehen am Freitag bei Hertha BSC. Nachdem die „Alte Dame“ einige Tage zuvor noch im Olympiastadion den FC Schalke 04 niederringen konnte, die Stimmung im und um den Verein wohl kaum besser sein konnte, folgte am Freitag in Bremen die große Ernüchterung. Ein Spiel, ähnlich wie gegen Gelsenkirchen, was auch ein Remis verdient gehabt hätte. Doch es sollte das Gegenteil zum späten Sieg in Berlin eintreffen. Gegen die Bremer kassierte man kurz vor Schluss das entscheidende Gegentor durch Niclas Füllkrug. Immerhin sollten die Mannschaft in Bremen über 4000 mitgereiste Hertha-Fans unterstützen. Und das nicht ohne Probleme beim Einlass.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Sandro Schwarz wechselt einmal

Im Vergleich zum Schalke-Spiel entschied sich Trainer Sandro Schwarz lediglich für einen Wechsel in der Startelf. Chidera Ejuke machte auf der linken Außenbahn Platz für Marco Richter. Ein Wechsel, den Schwarz bereits zur Halbzeit im vorangegangenen Spiel vollzogen hatte. Das 4-2-3-1-System blieb bestehen. Ansonsten vertraute Schwarz auf sein mittlerweile eingespieltes Defensivgerüst. Im Tor Oliver Christensen, die Verteidigung bildeten Kapitän Marvin Plattenhardt, Marc-Oliver Kempf, Agustin Rogel und Jonjoe Kenny. Im zentralen Mittelfeld agierten Suat Serdar und Lucas Tousart. Auf der rechten Seite spielte Dodi Lukebakio und den Sturm bildeten Stevan Jovetic als hängende Spitze, mit Kontakt zum Mittelfeld und Wilfried Kanga als klarer Neuner.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In unserer heutigen Analyse schauen wir auf einen Fels in der Brandung, ein belebendes Element im Mittelfeld und die zahlreichen Sorgenkinder der Mannschaft. Manch einer ist schon bekannt, andere drohen es zu werden.

Agustin Rogel: Der Fels in der Brandung

Eigentlich kaum zu glauben, dass ausgerechnet Niclas Füllkrug in der 85. Minute der Lucky Punch gelingen sollte. Doch Tüchtigkeit ist des Bremer Glücks und das ist in dieser Saison bei den Werderanern gerade in den Schlussminuten in großer Zahl vorhanden. Der Stürmer hatte während des gesamten Spiels enorme Schwierigkeiten überhaupt richtig teilhaben zu können. Agustin Rogel machte ihn das Leben enorm schwer. Am Ende gewann Füllkrug nur 27 Prozent seiner Zweikämpfe. Rogel konnte bei der Aktion vor dem Gegentor leider herzlich wenig ausrichten.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Insgesamt war der Uruguayer 43 Mal am Ball und verteilte diesen fleißig, wie auch zuletzt in seinem Spiel. 78 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, auch wieder dank seines sicheren und ruhigen Aufbauspiels mit Marc-Oliver Kempf. Zu seinen 30 erfolgreichen Pässen, gesellen sich noch sechs von zehn erfolgreiche lange Bälle, auch er hatte einen gewissen Anteil beim Antrieb der Offensive. Seine eigene Zweikampfquote von nur 40 Prozent siegreicher Aktionen lässt sich zwar nicht unbedingt sehen, doch sein Stellungspiel und seine allgemeine körperliche Robustheit machten es der Bremer Offensive allgemein sehr schwer. Rogel begeistert, auch wenn er immer wieder sehr stark ins Risiko geht, gerne mal den ein oder anderen Ball gefährlich abfälscht und noch nicht alles funktioniert. Aber erinnern wir uns an die Anfangszeit in Berlin von Kempf, der dieselben Attribute verkörperte und mittlerweile der Abwehrchef ist. Agustin Rogel ist auf dem besten Wege es ihm gleich zu tun.

Jean-Paul Boetius: Ein belebendes Element

Nicht nur ein gebrauchter Tag für Hertha, auch einer für Stevan Jovetic. Der Montenegriner musste nach 32 Minuten verletzungsbedingt das Spielfeld verlassen. Hoffen wir, dass er schnell fit wird. Sein Ersatz, Jean-Paul Boetius, durfte nach seiner Rückkehr seinen zweiten Einsatz feiern. Und direkt über eine Stunde lang. Und er wusste mit guten Leistungen aufzufallen. Als belebendes Element hielt er die Zügel des Hertha-Spiels im offensiven Mittelefeld. 41 Mal war der Niederländer am Ball und sammelte starke Statistiken. 21 von 25 Pässen kamen erfolgreich bei seinen Mitspielern an, 77 Prozent seiner Zweikämpfe entschied er für sich. Eine tolle Quote für einen Offensivspieler.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Voll mit frischem Selbstbewusstsein setzte er zu drei Dribblings an, von denen er zwei erfolgreich beendete. Immer wieder versuchte er seine Mitspieler in Szene zu setzen. Zwei Torschüsse bereitete er vor. Einen davon in der 79. Minute. Doch Ejuke schloss die vielversprechende Möglichkeit überhastet ab. Seine Gefahr für die Bremer Defensive zeigt sich auch in weiteren Zahlen. Am Ende des Spiels wurde Boetius fünfmal gefoult. Insgesamt ist Boetius ein Spieler, der das Offensiv- und Kreativspiel der Hertha ordentlich ankurbeln kann. Für die nächsten Spiele könnte er auf jeden Fall zu einen Kandidaten für die Startelf werden.

Marvin Plattenhardt: Eine Pause täte ihm gut

Eines vorweg: Unsere Kritik an Marvin Plattenhardt, die wir leider mittlerweile fast wöchentlich äußern, gilt ausschließlich dem Fußballer Marvin Plattenhardt und dessen Leistungen als Kapitän und Linksverteidiger von Hertha BSC. Unsere Kritik ist niemals persönlich zu werten. Bekanntlich ist Platte privat ein sehr sympathischer Typ, wenn man sich beispielsweise Interviews auf Hertha TV anschaut. Aber aktuell ist die Position Plattenhardts eine der problematischsten im Kader von Hertha BSC.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Marvin Plattenhardt ist seit Wochen vollkommen außer Form und bringt der Mannschaft kaum Verstärkung. Ihm gelingt es nicht offensiv auf das Spiel einzuwirken und auch defensiv brennt es auf der linken Seite von Hertha immer wieder lichterloh. 63 Mal war der Kapitän im Ballbesitz, spielte 21 erfolgreiche Pässe, am Ende nur 57 Prozent. Wieder alarmierend war die Zahl seiner Ballverluste. 22 Stück waren es wieder. Defensiv konnte er immerhin mit vier Klärungsaktionen glänzen, doch es gibt zu große Spielabschnitte, in denen der 30-Jährige vollkommen untergeht. Ihm zugestehen muss man, dass es im Team allgemein auf der linken Seite krankt. Auch Chidera Ejuke und Marco Richter suchen nach ihrer Form, während Jonjoe Kenny und Dodi Lukebakio mittlerweile ein eingespieltes Team auf der rechten Seite sind, die auch mit Leistung vorangehen. Mittlerweile schafft es Plattenhardt in keiner Weise mehr, seine Stärken ins Spiel einfließen zu lassen. Praktisch keine seiner Flanken bringt ernsthafte Gefahr oder stellt die gegnerische Abwehr wirklich vor Probleme. Insbesondere in der ersten Halbzeit wurde jeder seiner Versuche mühelos geklärt.

Marvin Plattenhardt täte etwas Ruhe gut. Eine Pause, weniger Verantwortung, die ihn aufzufressen scheint. Weiterhin gibt es mit Maximilian Mittelstädt einen bundesligatauglichen Linksverteidiger im Team. Umso dramatischer, dass in den letzten Tagen Gerüchte um einen möglichen Mittelstädt-Abgang im Winter aufgekommen sind.

Marco Richter und Chidera Ejuke: Überspielt und übermotiviert

Mit Marco Richter und Chidera Ejuke hat Hertha BSC zwei Offensivakteure auf der linken Seite, die eigentlich mit enormen Talent ausgestattet sind, dieses aber aktuell kaum ummünzen können, in brauchbare Leistungen. Die beiden wirken zunehmen überspielt und in gewisser Weise auch übermotiviert. Ihre Aktionen wirken meist überhastet und bringen dem Team kaum Mehrwert. Während Richter noch eine recht passable erste Halbzeit spielte und sich immer wieder in der Offensive einschalten konnte, baute er in der zweiten Hälfte des Spiels schnell und deutlich ab. Er versuchte sich mit zwei Abschlüssen selbst. Direkt in der 2. Minute landete ein Schuss von ihm am Außennetz.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Auch ein Beispiel für den überhasteten Abschluss und das fehlende Auge für die Situation. Immerhin konnte Richter in seinen 72 Minuten 14 von 15 erfolgreiche Pässe spielen, doch für viel Gefahr sorgten seine Zuspiele nicht. Er gewann nur drei seiner acht Zweikämpfe. Am Ende musste er Chidera Ejuke Platz machen, der ebenfalls seit einigen Spielen außer Form ist. Nach 12 Spieltagen muss man generell konstatieren, dass der statistische Einfluss Ejukes auf das Spiel der Mannschaft zu wünschen übrig lässt. Lediglich drei Vorlagen gelangen dem Nigerianer in 12 Einsätzen. Sein Tempo ist seine große Stärke, doch zu oft fehlt ihm das Auge für die Mitspieler. Gegen Bremen war er 14 Mal am Ball, verlor diesen aber auch vier Mal wieder.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Ein erfolgreiches Dribbling konnte er für sich verzeichnen, ein weiteres misslang. Seine große Chance nach 79 Minuten zeigte, wie überspielt er ist und wie wenig Ruhe aktuell in ihm steckt. Marco Richter und Chidera Ejuke tun sich aktuell extrem schwer und sind ein Symptom von Herthas Inkonstanz in den letzten Wochen. Die Folge ist, dass Herthas Offensivspiel zu berechenbar ist und schließlich kann auch nicht jeder Angriff über Dodi Lukebakio laufen.

Wilfried Kanga und Davie Selke: Das Stürmerproblem

Weitere Sorgenkinder sind Wilfried Kanga und Davie Selke. Hertha droht ein Stürmerproblem, sollten nicht schnellstmöglich die Knoten der beiden endgültig platzen. Auf das erste Tor Kangas gegen Schalke folgte eine extrem dünne Vorstellung in Bremen. Seine Bemühungen kann man ihm nicht absprechen, doch sein Einfluss auf das Spiel der Hertha ist verschwindend gering, sobald er es mit einer einigermaßen eingespielten Verteidigung zu tun bekommt.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In seinen 72 Minuten Spielzeit gewann der Ivorer nur einen seiner neun Zweikämpfe, verlor fünf Mal den Ball in teilweise aussichtsreichen Positionen und konnte auch durch individuelle Dribblings nichts ausrichten. Seine größte und einzige Möglichkeit hatte er in der 49. Minute, als er am Tor vorbeischoss.

Dass aus Davie Selke kein eiskalter Torjäger mehr wird, damit haben sich die Berliner mittlerweile abgefunden. Doch auch als Joker bringt Selke praktisch nichts mehr mit, was dem Offensivspiel guttut.

(Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Er konnte sich in seinen knapp 20 Minuten Spielzeit nicht eine einzige Torchance erarbeiten, genauso wenig konnte er seine Mitspieler in Szene setzen. Ballverluste, Sicherheitspässe und viele Alibiläufe, das ist Davie Selke. Die Geduld der Verantwortlichen in Berlin dürfte am Ende sein. Zumindest empfiehlt sich Selke in keiner Weise mit Leistung für einen neuen Vertrag.

Die Lage ist brandgefährlich

Das positivste im Verein ist die Stimmung. Die Ruhe, das Verhältnis zwischen Verein und Fans und dass es weiterhin keinen üblen Zerfall der Mannschaft gibt, bei Gegentoren. Doch die Lage ist brandgefährlich und auch Sandro Schwarz und Fredi Bobic müssen sich Kritik stellen.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

Wie letztes Jahr steht Hertha auf dem 14. Platz in der Tabelle. Letztes Jahr hatte man sogar zwei Punkte mehr auf dem Konto, das Torverhältnis war allerdings um einiges schlechter. Zusätzlich gab es vergleichbare Spiele, die in letzter Minute verspielt wurden oder Siege gegen direkte Konkurrenten im Keller. Ein Spiel später wurde Pal Dardai übrigens entlassen und Tayfun Korkut kam. Nach 15 Spieltagen (dieses Jahr der Break vor der WM) hatte Hertha 18 Punkte auf dem Konto. Eine Statistik, die schwer zu erreichen ist in diesem Jahr.

Und auch wenn die Stimmung anders, ja wesentlich besser ist, sollte man sich davon in keiner Weise blenden lassen. Hertha ist im tiefen Abstiegskampf und wird dort, wenn man keine Siegesserie starten kann, bis zum Ende der Saison bleiben. So lange alle im und um den Verein aber zusammenhalten und alles daran setzen, das Ziel Klassenerhalt zu erreichen und in dieser brenzligen Situation wach bleiben und nichts über- oder unterschätzen, ist die Saison händelbarer als die letzte.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

 

Herthaner im Fokus: Ein dreckiger Sieg für die Moral

Herthaner im Fokus: Ein dreckiger Sieg für die Moral

Tränen flossen bei Präsident Kay Bernstein, über 60.000 Fans verfolgten am Sonntagabend das Spiel von Hertha BSC und am Ende ließ sich die Mannschaft feiern, wie eigentlich seit Jahren nicht mehr. Dass es sich dabei lediglich um einen Sieg gegen den Tabellenletzten am 11. Spieltag handelte, kann man sich ob der vorangegangen Tatsachen eigentlich kaum vorstellen. Doch es war der erste Heimsieg der Hertha seit April, als man gegen den VfB Stuttgart in der letzten Saison eigentlich kurz vor dem Klassenerhalt stand. Der Rest ist bekannt. Gegen den FC Schalke 04 spielte Hertha eines der schlechtesten Spiele der Saison. Doch Arbeit und ein wenig Glück zahlten sich am Ende aus und brachten Hertha BSC zum zweiten Mal in dieser Saison drei Punkte ein.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Sandro Schwarz setzt auf den Doppelsturm

Hertha-Trainer Sandro Schwarz stellte seine Mannschaft im Vergleich zur knappen Niederlage in Leipzig offensiv ein wenig um. Im 4-4-2 spielten Stevan Jovetic und der in die Startelf zurückgekehrte Wilfried Kanga im Doppelsturm. Ließ sich der Montenegriner ins offensive Mittelfeld fallen, entwickelte sich das Hertha-Spiel in ein 4-2-3-1-System. Im Tor stand wie üblich Oliver Christensen, auch in der Verteidigung sah sich Schwarz nicht gezwungen etwas zu ändern. Marvin Plattenhardt auf links, Marc-Oliver Kempf und Agustin Rogel in der Innenverteidigung und Jonjoe Kenny auf der rechten Seite, bildeten diese. Für die Rückkehr Kangas musste Ivan Sunjic im defensiven Mittelfeld weichen. Der Kroate musste zunächst auf der Bank Platz nehmen. Lucas Tousart und Suat Serdar bildeten das zentrale Mittelfeld. Chidera Ejuke und Dodi Lukebakio sollten den Angriff über die Außen unterstützen.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Mit geballter Offensivpower ins Spiel gegen ein FC Schalke 04, welches als direkter Konkurrent tief im Keller steckt, unter der Woche im Pokal in Hoffenheim unter die Räder kam, nun aber auf den ominösen Trainer-Effekt hoffen durfte, nachdem Frank Kramer die Koffer packen musste und Matthias Kreutzer als Interimstrainer installiert wurde.

In unserer Analyse schauen wir auf arbeitende Spieler, einen Mr. Alibi, ein neues solides Innenverteidiger-Duo, ein laufendes, körperliches Wunder und die Torschützen.

Dodi Lukebakio: Arbeit ohne Ertrag

Die bisherige Saison war die Spielzeit des Dodi Lukebakios. Seit seiner Rückkehr aus Wolfsburg zeigt sich der Belgier wie ausgewechselt, sprüht vor Spielfreude und ist mit fünf Treffern aktuell Herthas Top-Torjäger. Auch ein Verdienst der ganzen Mannschaft. Zum Vergleich, letzte Saison war Stevan Jovetic am Ende der Spielzeit mit sechs Treffern Herthas Top-Torschütze. Doch so gut die Saison Lukebakios war, so unglücklich und etwas überspielt wirkend, war seine Vorstellung gegen den FC Schalke 04. Und dabei ist trotzdem zu betonen, dass es keinesfalls ein schlechtes oder gar lustloses Spiel vom Wirbelwind war, wie man es in der Vergangenheit öfter mit ansehen musste. Er spielte fast über die volle Distanz, eher er in den Schlussminuten für Marton Dardai ausgewechselt wurde. Beim Zeitschinden bettelte er förmlich um die gelbe Karte, die aber keine weiteren Konsequenzen hatte.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Insgesamt war Lukebakio an 50 Aktionen beteiligt. Immer wieder suchten seine Mitspieler ihn und im Vergleich zum deutlich blasseren Chidera Ejuke auf der anderen Seite, konnte er sich zumindest ansatzweise immer wieder ins Angriffsspiel einschalten. 22 seiner 31 Pässe fanden die Mitspieler, immerhin 71 Prozent. Drei Torchancen bereitete er vor. In der 5. Minute setzte er Wilfried Kanga im Strafraum in Szene. Dieser scheiterte jedoch aus kurzer Entfernung und spitzem Winkel an Alexander Schwolow im Tor. In der 26. Minute setzte sich Lukebakio gegen die Schalker Verteidigung sehenswert durch. Sein Zuspiel konnte Stevan Jovetic im Sturmzentrum allerdings nicht verwerten. Auch Marco Richter konnte nach Lukebakios Zuspiel in der 70. Minute unter Bedrängnis stehend den Ball nur am Tor vorbeischießen.

Doch beim Blick auf die weiteren Zahlen fällt das Problem auf, welches Lukebakio am Sonntagabend hatte. Er gewann nur vier seiner elf Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten sich gegen die aggressiven Schalker Verteidiger durchzusetzen und musste 19 Ballverluste hinnehmen. Oftmals fehlte ihm das Tempo, welches die Gegner durch geschicktes Zustellen verhindern konnten. Konnte er sein Tempo nutzen, fehlten allerdings auch schnell die Konzentration und die Präzision im Passspiel, wie in der 80. Minute, als sein Konter zum vorentscheidenden 2:0 hätte verwandelt werden müssen.

Es war nicht das beste Spiel Lukebakios, wenn auch kein schlechtes. Aber die Mannschaft scheint Fortschritte gemacht zu haben. Man ist nicht mehr gänzlich von den individuellen Leistungen einzelner Spieler abhängig, sondern weiß gemeinsam Lösungen zu finden. Dennoch, ein gut gelaunter Lukebakio in Topform hilft jeder Mannschaft enorm weiter.

Marvin Plattenhardt: Mr. Alibi

Über die vollen 90 Minuten plus Nachspielzeit war Marvin Plattenhardt gegen den FC Schalke 04 als Linksverteidiger und vor allem Hertha-Kapitän dabei. Und irgendwie auch nicht. Hätte er auf dem Spielberichtsbogen gefehlt, hätte das womöglich keinen großen Unterschied gemacht. Viel zu sehen gab es bei dem Auftritt von Plattenhardt nicht. Er war zwar 64 Mal im Ballbesitz, spielte 24 von 33 Pässe erfolgreich, aber konnte nicht wirklich etwas zum Spiel der Hertha beitragen. Offensiv setzte er keine Akzente, seine etlichen Halbfeldflanken gingen durchgehend ins Lehre oder wurden von der Schalker Verteidigung frühzeitig abgefangen. Seine Standards konnten keine Gefahr ausrichten und war etwas mehr Wiese vor ihm, versuchte er erst gar nicht mal einen Angriff über die Außen zu starten.

(Photo by Martin Rose/Getty Images)

Er gewann nur vier seiner neun Zweikämpfe, hatte Schwierigkeiten mit der Verteidigung der – mit Verlaub – für Bundesligaverhältnisse höchstens durchschnittlichen Schalker Offensivspieler und ließ wieder zu viele Flanken zu. Es war alles mehr Alibi, als ernsthafte Hilfe für das Team. Ein Kapitän muss mitreißen können und seine Mitspieler trotz späten Gegentors weiter pushen. Diese Aufgabe übernahmen andere wie Lucas Tousart. Ein Kapitän sollte genauso die Situation und Emotionen nach dem Spiel lesen können und sich nicht in einem langweiligen Interview nach dem Spiel verlieren, was mehr wie die Einordnung eines unwichtigen Unentschiedens wirkte. Plattenhardt fehlt so viel um ein starker Kapitän zu sein. Genauso fehlt ihm viel um ein guter Linksverteidiger zu sein. Der Ersatz, Maximilian Mittelstädt, stünde bereit und hat schon lange mehr Chancen verdient.

Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf: Solide Innenverteidigung

Bekanntlich gab es bei Hertha BSC in den letzten Jahren viele Duos oder Trios in der Innenverteidigung, die oftmals eine Baustelle war. Aktuell scheint sich ein recht solides Pärchen gefunden zu haben. Auch wenn Agustin Rogel und Marc Oliver Kempf zu Beginn der Partie gegen die Königsblauen Schwierigkeiten hatten, spielten sie sich zunehmend ein und strahlten im Laufe des Spiels immer mehr Sicherheit aus. Beide spielten am Ende durch.

Agustin Rogels wichtigste Aktion war wohl in der 78. Minute, als er im Strafraum zu einer risikoreichen Monstergrätsche gegen Schalkes Kenan Karaman ansetzte und diese auch erfolgreich durchführte. Allgemein weiß er mit seiner enormen körperlichen Präsenz zu gefallen. Insgesamt war er 72 Mal im Ballbesetzt, spielte 57 Pässe, von denen 44 bei seinen Mitspielern ankamen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Viele Aktionen fanden dabei in der eigenen Verteidigung statt. Die waren meist clever und sinnvoll getimt, um der Mannschaft gegen eine aggressive Schalker Truppe Ruhe zu geben. Zweimal musste Rogel den Angriff des Gegners mit Fouls unterbinden. Für seinen Schubser gegen Marius Bülter wurde er in der 81. Minute mit gelb verwarnt. Rogel wirkt wie der säubernde LKW neben Abwehrchef Kempf. Insgesamt klärte er fünf Aktionen, lief drei Bälle von den Gegnern ab und setzte zwei erfolgreiche Tacklings.

Marc Oliver Kempf bemühte sich viel, beackerte seine Gegenspieler Simon Terodde und Sebastian Polter, hatte auch seine Probleme mit den Gegnern, aber wusste wie Rogel Ruhe ins Spiel der Mannschaft zu bringen. Insgesamt klärte er fünf Bälle aus dem Strafraum, setzte zu zwei Tacklings an und war 62 Mal im Ballbesitz. 69 Prozent seiner Pässe kamen beim Mitspieler an, ebenso viel Prozent Zweikämpfe entschied er für sich.

(Photo by Marc Atkins/Getty Images)

Marc Oliver Kempf entwickelt sich immer mehr zum Abwehrchef und ersten Verteidiger. Auch wenn er immer wieder Probleme mit direkten Gegenspielern hat, weiß er die Abwehr zusammenzuhalten, ist kommunikativ und zeigt unermüdlichen Einsatz. Aus dem etwas überhastet und übermotiviert wirkenden Kempf ist ein verlässlicher Führungsspieler geworden. Vielleicht auch, weil er auf sich und seine Psyche genau hört und sich in schwierigen Zeiten Hilfe gesucht hat, wie er unter der Woche erzählte.

Stevan Jovetic: Das gewisse Etwas für Hertha

Einen extrem „schlauen“ Spieler nannte ihn Sandro Schwarz im Interview nach dem Spiel. Stevan Jovetic erlebt gerade so etwas wie seinen dritten Frühling. Der Offensivspieler hat bekanntlich immer wieder mit seinem Körper zu kämpfen, fällt gerne mal mit dem ein oder anderen Wehwehchen aus, doch seine spielerische Klasse ist für diese Mannschaft Gold wert. Während Jovetic in der ersten Halbzeit glücklos blieb, konnte er in der zweiten Hälfte seinen Beitrag leisten. Und zusätzlich entwickelt er sich zunehmend zum Laufwunder auf Darida-Niveau. Gegen Schalke wurde er kurz vor Schluss für dem wiedergenesenen Jean-Paul Boetius ausgewechselt und brachte es auf fast 12 km Laufleistung.

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

59 Mal war Jovetic im Laufe der Partie am Ball. Er spielt 29 seiner 44 Pässe erfolgreich. 66 Prozent in der Offensive lassen sich dabei definitiv sehen. Insbesondere spielte er vier von fünf langen Bällen erfolgreich. Seine Zweikampfwerte von nur 36 Prozent fallen dagegen allerdings etwas ab. Er zeigte sich immer wieder in der Offensive, ohne, dass sich die ganz großen Chancen ergeben sollten. Die größte Möglichkeit hatte er in der 26. Minute, doch letztendlich schoss er sich relativ kläglich selbst an. Zusätzlich bereitete er zwei Torschüsse vor. Entscheidend dabei die 88. Minute, als er das Zuspiel von Lukebakio direkt weiterleitete und Wilfried Kanga auf die Reise schickte, der das Siegtor erzielen durfte.

Lucas Tousart: Der Hertha-Kämpfer mit dem Sonntagsschuss

Lucas Tousart spielen zu sehen, macht ja mittlerweile seit Monaten Spaß. Ein Spieler, der sich unermüdlich in jeden Zweikampf wirft, der Leidenschaft ausstrahlt und sich in Berlin mittlerweile wohl zu fühlen scheint. Auch wenn ihm die Berliner Currywurst leider nicht zusagt. Gegen Schalke ackerte er sich durchs Mittelfeld. Am Ende lief der Franzose wieder gute 12 km. 46 Mal war Tousart am Ball, verteilte seine Pässe 22 Mal erfolgreich. Insgesamt kamen 76 Prozent seiner Pässe an, zusätzlich entschied er 60 Prozent seiner Zweikämpfe. Er pushte und motivierte seine Mitspieler, gestikulierte viel und nahm die Mannschaft taktisch mit. Auch in der Defensive half er mit Tacklings, Klärungsaktionen und abgelaufenen Bällen aus. Seinen größten Moment hatte er kurz nach dem Seitenwechsel. In der 49. Minute zimmerte er mit einem wuchtigen Schuss aus der Distanz in die Maschen.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Sein Sonntagsschuss war ehrlicherweise alles andere als unhaltbar, doch mit Alexander Schwolow haben die Schalker aktuell einen schwer verunsicherten Torhüter in ihren Reihen, der nicht in der Lage war, den Ball festzuhalten. Lucas Tousart knüpfte gegen Schalke genau an seinen starken Leistungen der Vorwochen an.

Wilfried Kanga: Befreiungsschlag zum perfekten Zeitpunkt

Endlich! Der Knoten ist endlich geplatzt. Dem nimmermüden Wilfried Kanga gelang endlich der Befreiungsschlag. Kanga war seit Saisonbeginn bemüht und hat sich nicht aufgegeben, doch in den letzten Wochen wurden die Stimmen lauter, dass ein abschlussstarker Stürmer der Mannschaft fehlen würde. Und wie die Saison begann, so startete auch für Kanga das Spiel.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Der Ivorer zeigte sich immer wieder angriffslustig. Allein in den ersten fünf Minuten kam er bereits zweimal zum Abschluss, fand da allerdings jedes Mal in Schwolow nach schwachen Abschlüssen seinen Meister. Die hundertprozentigen Chancen sollten allerdings lange fehlen. Auch seine Durchsetzungskraft ließ ein ums andere Mal zu wünschen übrig. Nur vier seiner vierzehn Zweikämpfe gewann er. Neun von 16 Pässen kamen beim Mitspieler an, auch auf diese Weise versuchte er immer wieder das Angriffsspiel anzukurbeln. Seine Robustheit sollte letztendlich ausschlaggebend für den Siegtreffer sein. Fein von Jovetic in Szene gesetzt kämpfte er sich gegen Henning Matriciani durch und schob flach ins linke untere Toreck ein. Es folgte ein explodierender Jubel in der blau-weißen Menge der Ostkurve. Hoffen wir, dass es sich um einen Knotenlöser für die kommenden Aufgaben handelte.

Ein Pflichtsieg für die Hertha-Moral

Gut und sehenswert gespielt, am Ende aber nur einen Punkt gesammelt oder sogar verloren. Hertha konnte in den ersten Wochen der Saison nur eine geringe Menge an Punkten sammeln, von denen, die möglich gewesen wären. Gegen die Schalker spielte man weniger für die Galerie, sondern für die Punkte. Und das war wichtig. Denn ein Punktverlust hätte gegen den Tabellenletzten durchaus für einen Kipppunkt der Stimmung, sowohl innerhalb der Mannschaft, als auch bei den Fans sorgen können. Schließlich steht man trotz aller Schönheit im Abstiegskampf und ist auf jeden Sieg angewiesen. Kangas erstes Tor, der späte Zeitpunkt des Siegtreffers und insbesondere die Reaktion auf den späten Schalker Ausgleichstreffer, sind große Punkte für die Moral.

(Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Die Hertha muss sich nun auf das Auswärtsspiel in Bremen am Freitag vorbereiten und hat die große Möglichkeit sich weiter von den Abstiegsplätzen abzusetzen. Die Stimmung ist gut, Bernstein, Bobic und co. ist es gelungen, neben dem Platz eine angenehme Ruhe im Verein einkehren zu lassen, die Spieler und Trainer können in Ruhe arbeiten und die kommenden Chancen nutzen.

(Titelbild: Matthias Kern/Getty Images)

Herthaner im Fokus: von Punkt zu Punkt

Herthaner im Fokus: von Punkt zu Punkt

Nach einer turbulenten Woche mit einigen außersportlichen Themen ging es am Sonntagnachmittag im Olympiastadion wieder ausschließlich um Fußball. Na ja, fast: die Ostkurve zeigte zahlreiche Spruchbänder, unter anderem gegen Investor Lars Windhorst und Sonntagsspiele. Auf dem Platz war außerdem nicht gerade ein Fußball-Feuerwerk zu bestaunen. Trotzdem zeigte sich erneut, was sich seit Saisonbeginn unter Sandro Schwarz entwickelt. Hertha BSC ist wieder ein Team, das Charakter zeigt und schwer zu schlagen ist.

Warum es trotzdem erneut nicht für drei Punkte reichte, versuchen wir uns anhand einiger individueller Leistungen anzuschauen.

Nur Herthas Rechtsaußen treffen – Ejuke sammelt Scorerpunkte

Ein wohl wichtiger Grund ist weiterhin die fehlende Torgefahr in der Sturmspitze. „Macht er so weiter, werden auch ihm irgendwann die Tore gelingen“, schrieben wir noch nach dem letzten Heimspiel gegen Bayer Leverkusen über Wilfried Kanga. Gegen Hoffenheim konnte sich der 24-Jährige wieder einmal nicht für seine Mühe belohnen.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Dabei hätte es in der 8. Spielminute endlich soweit sein können. Zwar setzte sich Kanga gegen Vogt durch und hatte freie Schussbahn, leider flog sein Abschluss weit über den Kasten von Torhüter Baumann. Die Durststrecke des neuen Stürmers wird langsam aber sicher problematisch. Vorne treffen nur die Rechtsaußen: Dodi Lukebakio (3 Treffer) und Marco Richter (2 Treffer) sind die einzigen Angreifer, die bisher in dieser Saison Tore erzielten. Ansonsten waren nur Suat Serdar (2 Treffer) und Lucas Tousart (1 Treffer) als Mittelfeldspieler erfolgreich.

Auch für Chidera Ejuke will es mit dem Toreschießen noch nicht klappen. Dafür ist er mit der dritten Torvorlage im dritten Spiel Herthas bester Vorlagengeber. Sein intelligenter Steckpass auf den Formstarken Dodi Lukebakio zum 1:1 war gegen Hoffenheim nicht seine einzige auffällige Szene. Der Linksaußen wird immer wichtiger für das Team von Sandro Schwarz. Trotzdem muss Herthas Sturm in den kommenden Wochen deutlich entscheidender im Torabschluss werden, um die wichtigen Siege zu holen.

Herthas Mittelfeld nicht entscheidend, Sunjic mit Schwächen

Herthas Mittelfeld war weniger präsent als in den letzten Saisonspielen. Suat Serdar konnte dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken, konnte keinen einzigen Torschuss abgeben und wurde in der 72. Minute ausgewechselt. Auch Lucas Tousart war etwas unauffälliger als noch in den letzten Partien. Der Franzose war im Mittelfeld bei Hertha jedoch erneut der stärkste Spieler, schoss zwei Mal aufs Tor und gewann 75 Prozent seiner Zweikämpfe.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Weniger positiv in Erscheinung getreten ist am Sonntag Ivan Sunjic. Im 4-3-3 System als einziger Sechser eingesetzt war der „Zerstörer“ erneut dafür verantwortlich, das gegnerische Spiel zu unterbrechen. Er zeigte sich dabei gewohnt fleißig und laufstark (11,7 Kilometer), gewann jedoch weniger Zweikämpfe (56 Prozent) als noch im Spiel gegen Mainz (70 Prozent).

Doch gerade im Aufbauspiel und im Ballbesitz zeigt er Schwächen. In mehreren Situationen verursachte er Ballverluste, was zu teilweise gefährlichen Gegenangriffen führte. Insbesondere in der Ballbehandlung war er nicht präzise genug, legte sich Bälle zu weit vor oder hatte Schwierigkeiten bei der Ballannahme und Ballmitnahme. Der 25-Jährige ist zwar ein nützlicher Spieler für das Spiel der „Blau-weißen“, zeigte jedoch am Sonntag auch deutlich, welche Schwächen er noch hat.

Eine Hertha-Abwehr, die sich noch bilden muss

Ein weiterer Neuzugang, der am Sonntag Schwierigkeiten hatte, war Filip Uremovic. Der Kroate konnte leider keine gute Leistung zeigen. Er fiel immer wieder durch kleinere Unsportlichkeiten auf, hatte eine schwache Zweikampfquote (50 Prozent) und trug Mitschuld an den Gegentreffer. Der 25-Jährige rückte zu langsam auf, sodass die Abseitsfalle nicht zuschlagen und Kramaric einnetzen konnte. Auch bei der Beinahe-Elfmeter-Situation kurz nach Spielbeginn sah er alles andere als souverän aus. Insgesamt eine deutlich schwächere Leistung des Innenverteidigers als noch im Spiel gegen Mainz vor der Länderspielpause.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

So war es nicht überraschend, dass er zur Halbzeit ausgewechselt wurde. Für ihn kam ein weiterer Neuzugang und feierte sein Debüt für Hertha BSC. Agustín Rogel zeigte in seinen ersten 45 Minuten in der Bundesliga eine ordentliche Leistung, verteidigte höher als Uremovic in der ersten Halbzeit. Insbesondere durch seine imposante körperliche Präsenz machte er auf sich aufmerksam. Ob er mit seiner Leistung zum Startelfkandidat im nächsten Spiel gegen Freiburg wird, bleibt abzuwarten. Immerhin wird er eine echte Alternative für Cheftrainer Sandro Schwarz sein.

Auf der linken Innenverteidiger-Seite wird Marc-Oliver Kempf gesetzt bleiben. Er zeigte sich am Sonntag erneut als Abwehrchef, konnte einige Situationen souverän entschärfen und sogar kurz vor der Halbzeit sehenswert eine Riesenchance der Hoffenheimer klären. Am Ende sprechen die Ergebnisse unabhängig von der individuellen Besetzung für Herthas Abwehr. Mit nur zehn Gegentreffern aus acht Spielen ist man, zusammen mit Köln, Dortmund und Gladbach, auf Platz 5 der besten Defensiven der Liga. Nicht schlecht für ein Team, das vergangene Saison mit 71 Gegentoren die zweitschlechteste Abwehr war und zum gleichen Saisonzeitpunkt bereits 21 Gegentreffer kassiert hatte.

Christensen – Gute Leistung fast schon Normalität

Auch wenn es für viele mittlerweile selbstverständlich klingen mag: dass Oliver Christensen bisher ein sicherer Rückhalt und ein solider Keeper ist, ist bemerkenswert. Es gab wenig Garantien, dass der 23-Jährige in seiner allerersten Saison als Nummer eins bei Hertha BSC überzeugen würde. Dafür war der Keeper noch ein ungeschriebenes Blatt, konnte lediglich in der Relegation gegen Hamburg sein Können unter Beweis stellen.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Im Spiel gegen die TSG aus Hoffenheim zeigte sich der Däne wieder einmal sehr solide. Das Tor von Kramaric hätte er nicht verhindern können, dafür stand der Kroate zu frei. Alle weiteren Szenen, in denen er gefordert wurde, konnte er souverän und unaufgeregt lösen. Der junge Torhüter wirkte so, als würde er bereits seit mehreren Spielzeiten in der Bundesliga spielen.

Seine mitspielende Art, ohne sich grobe Fehler zu erlauben und unnötig Gefahr zu erzeugen, bleibt für Herthas Spiel erfrischend. Der Däne könnte diese Saison eine der positivsten Überraschungen werden. Angesichts seines Alters und seiner fehlenden Erfahrung werden im Laufe der Saison mit Sicherheit auch Fehler und Unsicherheiten auftreten. Christensen verdient sich jedoch aktuell das Vertrauen, die unumstrittene Nummer eins bei Hertha zu sein.

Hertha von Punkt zu Punkt

Das 1:1 geht am Ende in Ordnung, insbesondere wenn man die Schlussphase der Partie und die in dieser Phase größeren Chancen auf Seiten der Gäste im Blick behält. Auch die „expected goals“ Statistik spricht eine klare Sprache:  0,96 für Hertha gegen 1,60 für die TSG. Dieser Punktgewinn ist kein schlechtes Ergebnis gegen in dieser Hinrunde starke Hoffenheimer. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack, da die „alte Dame“ weiterhin auf der Stelle tritt. In der Tabelle ist keine Befreiung möglich, der Abstand zu den Abstiegsplätzen bleibt zu gering.

Auch die eher schwache erste Halbzeit ist eine unangenehme Überraschung nach der Länderspielpause. Positiv bleibt, dass die Entwicklung der letzten Spieltage weitergeht. Gerade mental scheint sich das Team von Sandro Schwarz gut zurecht zu finden. Erneut ließ sich die Mannschaft nicht vom Gegentreffer aus dem Konzept bringen, kämpfte sich zurück und zeigte gerade in der zweiten Halbzeit den klaren Willen, das Spiel zu gewinnen.

„Am Schluss werden wir sehen, was der Punkt wert ist“, formulierte es Niklas Stark einmal, in einer deutlich schwierigeren Lage als die jetzige. Hertha holt sich Schritt für Schritt die Punkte, die für den Klassenerhalt gebraucht werden. Dabei dürfen die Blau-Weißen das Siegen aber nicht verlernen. In den nächsten Wochen kommen Gegner (Freiburg, Leipzig, Bremen, Schalke), gegen die ein Remis eindeutig zu wenig wäre.

(Titelbild: Martin Rose/Getty Images)