Weeste noch? Ali Daei – Rekordhalter mit Halt in Berlin

Weeste noch? Ali Daei – Rekordhalter mit Halt in Berlin

Von 1999 bis 2002 spielte ein Stürmer bei der Hertha, welcher mit seinen Länderspieltoren einen ganzen Kontinent einnehmen sollte. Es gab keine Rekorde und große Titel bei der Alten Dame. Doch nach 88 Profi-Einsätzen, zwölf Toren und einer unvergesslichen Champions-League-Nacht sangen die Hertha Fans seinen Namen. Unser Text zu “Mr. Goal”, Ali Daei.

Der Spiegel betitelte ihn als “der neue Held von Berlin” nach eben jenem glorreichen Champions-League-Partie. In dieser schien Ali Daei es allein zu schaffen, die Hintermannschaft Chelseas auszuspielen. Es sollte eine Nacht der Überraschung und die des Iraners werden. Keine drei Minuten dauerte das Spiel und Chelsea hatte mit Stürmerstar Gianfranco Zola einen Flachschuss auf Gabor Kiraly abgegeben. Dann fand eine Flanke von Mitspieler Tonny Sanneh Ali Daei im Sechzehner. 1:0 und als Hertha-Fan begann eine magische Nacht.

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Foto: Michael Cooper /Allsport

Es sollte mehr geben für Weltmeister Deschamps, Leboeuf und Desailly. Als Letztgenannter in der 70. Spielminute sich bei einem Pass verschätzte, war der quirlige Daei da. Er ließ erst Leboeuf am Boden zurück, Torwart Ed de Goeu erfolgslos herauskommen und schließlich Desailly den Ball aus dem Netz holen. Der 21. September 1999 – das Spiel des Ali Daeis. Doch wie fanden sich der iranische Stürmerstar und die Hertha?

Sichtung eines neuen Helden?

Nach einer herausragenden Asien-Meisterschaft sollte Daei mit Karim Bagheri als erstee Iraner der Bundesliga Arminia Bielefeld vor dem Abstieg retten. Nach einer vielversprechenden Saisonhälfte ging es mit einer Niederlagenserie und einem Eklat zwischen Star Stefan Kuntz und Trainer Middendrop zweitklassig weiter.

Nicht für Daei, welchen es mit sieben Toren zum FC Bayern München zog. In Konkurrenz gegen Namen wie Carsten Jancker, Alex Zickler und Giovane Elber gelangen Daei sechs Tore in 23 Partien. Für die Bayern zu wenig und so verloren die Münchner die Geduld am Mann aus Ardabil. Uli Hoeneß musste im Telefonbuch nicht weit suchen für einen Abnehmer. Mit Hertha-Manager Dieter Hoeneß fand sich dieser in der eigenen Familie. 5,2 Millionen Mark an die Bayern und “den neuen Held” zog es an die Spree.

Foto: Mark Thompson /Allsport

Es waren Namen wie Michael Preetz, Dick Van Burik und Sebastian Deisler unter der Regie von Trainer Jürgen Röber, welche Daei in Berlin erwarteten. Namen, die von uns Fans hochgehalten werden. Jeder von ihnen findet auf seine ganz eigene Weise seinen Platz in der Vereinsgeschichte. Daei kam mit seinen 1,92 Metern, etwas wenig Spielzeit und wenig Hoffnungen zur Hertha. Von Trainer Röber Anfangs noch für fehlende Verteidigungsarbeit gescholten, schaffte Daei die Wende.

Als Doppelspitze im Mittelsturm mit Michael Preetz schaffte Daei in der 1999/2000 Saison mit Sprungkraft seine Kopfballstärke auszuspielen. Schon in der Qualifikation für die Champions League brachte Daei die Hertha näher an die berühmte Hymne. Gegen Außenseiter Famagusta aus Zypern brachte Daei nach zwei Minuten per Kopfball den Favoriten auf Siegeskurs. Der Spruch “Er köpft so hart wie andere schießen”, kam nach dem Spiel auf. Die Weichen für eine magische Nacht waren gegeben.

Volksheld mit Rekorden

Für die Hertha sollten es insgesamt zwölf Tore in knapp vier Saisons werden. Keine überragende Quote im Vergleich zu Sturmpartner Preetz (50 Tore von 99 – 02) und doch hält Daei Rekorde, an die kein Hertha-Stürmer herankam. 1999 Asien Fußballer des Jahres, Welttorjäger 1996 & 2004 und bis letztes Jahr Rekordtorschütze der weltweiten Länderspieltore. 109 Tore in 149 Spielen ist eine Statistik, welche eher an Gerd Müller, Lionel Messi oder Christiano Ronaldo erinnert. Der Portugiese war es, der weltweit Schlagzeilen füllte, nachdem er Daei überholte. In seiner Heimat gilt Daei bis heute ein Volksheld und bis letzten Monat war der heutige Trainer beliebter Experte im Staatsfernsehen.

(Photo credit should read KARIM JAAFAR/AFP via Getty Images)

Die mysteriösen Todesumstände von Mahsa Amini lösten dies jedoch ab. Selten gab es im Iran solch eine Welle der Proteste und eine nie dagewesenen feministischen Bewegung. Die junge Frau wurde von der iranischen Sittenpolizei verhaftet, nachdem unter ihrem Kopftuch ihre Haarsträhnen zu sehen waren. Amini verstieß damit gegen die strengen Kleidungsregeln des Landes. Amini selbst verstarb in Polizeigewahrsam, wobei viele von Gewalteinwirkung seitens der Polizei ausgehen. Hunderttausend Menschen stellen sich auf den Straßen Irans gegen die Polizei und die Regierung. Während diese brutal gegen die Proteste vorgehen, meldeten sich Irans Fußballer.

 

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Leverkusens Serdar Azmoun oder Ex-Bayern Spieler Ali Karimi gaben neben Daei via Social Media ihre Unterstützung bekannt und werden seitdem aus dem Staatlichen Rundfunk gestrichen. Daeis Pass wurde kurze Zeit nach seinen Äußerungen dazu noch eingezogen. Es war nicht das erste Mal, dass Daei politisch auftritt. Letztes Jahr schlichtete er einen Familienstreit und verhinderte so die Hinrichtung eines Mannes. Neben Charity Events löste er einen politischen Eklat aus, als er dem damaligen Präsidenten den Handschlag verweigerte. Ali Daei – ein Rekordbrecher sowie Volksheld.

Schon 1999 galt Daei als Hoffnungsträger der Nation, dies jedoch aus sportlicher Sicht. Nach der ersten erfolgreichen Saison samt Champions-League-Teilnahme folgten für Daei und die Hertha eher sportlich enttäuschende Jahre. Aus der Startaufstellung wurden Kurzeinsätze und mit 32 Jahren verabschiedete Daei sich nach Dubai.

Tage der Euphorie

Zurück in eine Septembernacht im Jahr 1999, in welcher Welttorjäger Daei Hertha-Träume aufgehen ließ. Im Iran war er eine Galionsfigur der nationalen Sportwelt, für Hertha-Fans strahlte er den Start in die Champions-League-Saisons aus und in der Hertha-Mannschaft kam nach der großen Überraschung gleich Ideen auf.

Die Überraschung war geglückt, und die Freude der Hertha überschwänglich. Deisler träumte von einem Punkt gegen AC Mailand und Preetz empfand das Olympiastadion als Festung für internationale Teams. Es sollten die Tage der großen Euphorie ausbrechen. Die Ergebnisse sollten neue Helden hervorbringen, Fanlieblinge erschaffen und die Ostkurve bis nach Barcelona tragen. Allein schaffte Ali Daei diese Atmosphäre nicht zu halten und doch war es sein Torriecher, welcher den Start für die erste Champions-League-Saison der Hertha angab.

Foto: Michael Cooper /Allsport

Der Iraner hatte nie die Spieleanzahl eines Lustenbergers, den Fanstatus von „Zecke“ oder eine Vereinsbindung wie Kiraly. Er ließ an diesem 22. September aber nicht nur tausenden Hertha-Fans ein Spiel nie vergessen, sondern brachte Hertha BSC ein Gefühl an Weltklasse, wenn auch nur für eine Nacht. Einer von uns (wenn auch nur kurz).

[Titelbild: Gary Prior /Allsport]