Herthaner im Fokus: Brustlöser in Bochum

von Sep 14, 2021

Nach einer chancenlosen Partie gegen Bayern München und einem ernüchternden Deadline Day galt es für Hertha BSC, die Länderspielpause zu nutzen und gegen den VfL Bochum die ersten Punkte dieser Saison einzufahren, um einen Katastrophenstart zu vermeiden. Das gelang immerhin. Spielerisch bot Hertha aber über die gesamten 90 Minuten magere Kost. Es wird wohl eine lange Saison…

Wir blicken auf einige Herthaner bei diesem wichtigen 3:1-Auswärtssieg.

Dennis Jastrzembski – DJ der leisen Töne

Der 21-jährige Leihrückkehrer war sicherlich die große Überraschung in der Hertha-Startelf gegen Bochum. Auf der linken Seite der Fünferkette erhielt er den Vorzug vor dem formschwachen Maxi Mittelstädt; Marvin Plattenhardt fehlte verletzt. Jastrzembski ist als gelernter Außenstürmer dabei sicherlich auch die offensivstärkere Option. Aber eben auch eine defensiv wackligere und so überraschte es kaum, dass die ersten Angriffsversuche der Bochumer über seine linke Seite kamen und direkt in einem gelbwürdigen Foul nach nicht einmal zwei Minuten mündeten.

Foto: IMAGO

In der Folge bekam Jastrzembski häufiger Unterstützung in der Defensivarbeit von Lucas Tousart, der dafür in der Mitte etwas mehr Platz anbieten musste. Auch Marco Richter half, der in potenziellen Umschaltmomenten dann ab und an selbst vorne fehlte.

Offensiv präsentierte sich Jastrzembski etwas beweglicher als die beiden Linksverteidiger-Alternativen Maxi Mittelstädt oder Marvin Plattenhardt. Er blieb aber trotz einiger zaghafter Anläufe insgesamt ohne Durchschlagskraft und entscheidende Ideen. Mit einem seiner weiten Einwurf leitete er immerhin das 2:0 durch Suat Serdar ein.

“Jatze” weder fatal, noch berauschend

Zur Halbzeit wurde Jastrzembski gegen Maxi Mittelstädt ausgetauscht, um defensiv mehr Sicherheit zu bewirken und die bis dato eher unverdiente 2:0-Führung über die Zeit zu bringen.

Alles in allem ein okayer Auftritt vom jungen Außenstürmer auf ungewohnter Position. Die defensiven Problemen waren erwartbar, werden in der Bundesliga von spielstärkeren Mannschaften aber auch deutlich härter bestraft.

Ob Pál Dárdai am Freitag im Olympiastadion gegen Fürth Jasztrembski wieder das Vertrauen schenkt und gegen den vermeintlich schwächsten Gegner auf mehr Offensivpower setzt, bleibt abzuwarten. Sein Auftritt war weder besonders berauschend, noch besonders fatal. Kontrahent Mittelstädt hat sich allerdings in Hälfte Zwei auch nicht aufdrängen können. Und da Plattenhardt nach wie vor verletzt ist, könnte diese ungewöhnliche Besetzung der linken Außenposition gegen Fürth seine Fortsetzung finden.

Suat Serdar – Der Goal-aus-dem-Nichts-Getter

Wie schon gegen Köln begann Suat Serdar für Hertha in Bochum als rechter Part eines Dreiersturms. Wie schon gegen Köln funktionierte das überhaupt nicht. Serdar bekam keine Bälle, weil Hertha das anfängliche Pressing der Bochumer kaum auflösen konnte. Darüber hinaus kamen Lucas Tousart und Vladimir Darida im Zentrum nicht wirklich ins Spiel. In der Folge hing eigentlich die gesamte Offensive in der Luft.

Dem Herthaner Mittelfeld fehlte ein Ballverteiler, ein Box-To-Box-Spieler, der das Spiel aufzieht und den Ball auch mal nach vorn treibt – also ein Spieler wie Serdar, der eigentlich auch für genau diese Aufgaben geholt worden war. Das sah wohl auch Pál Dárdai so und stellt Hertha Mitte der ersten Hälfte auf ein 3-5-2 um. Serdar bot er so zentraler auf einer Achterposition auf, um genau dieses Defizit zu beheben.

Folgerichtig, dass Serdar dann in Minute 37 nach einem schönen Ballgewinn von Niklas Stark mit seiner ersten Aktion des Spiels von der Achterposition aus den Ball aufnahm, Richtung Tor zog, schließlich mit einem Haken drei Bochumer Verteidiger stehen ließ und mit einem schönen Abschluss von der 16er-Linie ins lange Eck auf 1:0 stellte.

Foto: IMAGO

Die Bochumer waren angesichts des bisherigen Spielverlaufs zurecht konsterniert. Und ihr Unglück steigerte sich noch, als sich die Bochumer Hintermannschaft in der 43. Minute nach einem Einwurf Jastrzembskis derart dilettantisch anstellte, dass der Ball plötzlich unbegleitet im Fünfer frei vor Serdar lag und dieser nur noch einzuschieben brauchte.

So stand der 24-Jährige plötzlich unverhofft mit einem Doppelpack da, der sich nach Herthas Offensivvortrag in Hälfte eins eigentlich so gar nicht angedeutet hatte.

Schluss mit den Serdar-Experimenten

In der zweiten Hälfte konzentrierte sich Hertha gegen Bochum auf das Verteidigen dieses Vorsprungs. So tauchte auch Serdar wie die meisten seiner Kollegen weitestgehend ab und verrichtete vorrangig seine defensiven Aufgaben. Hertha konnte dadurch allerdings kaum einmal für Entlastung sorgen und der Bochumer Druck erhöhte sich umso mehr, als Simon Zoller in der 59. Minute zum Anschluss traf. Schlussendlich rettete eine weitere Einzelaktion von Myziane Maolida die glanzlosen, so wichtigen drei Punkte.

Nachdem das Experiment Serdar auf Rechtsaußen bereits zum zweiten Mal so gar keine Früchte trug, dürfte sich der ehemalige Gelsenkirchener gegen Greuther Fürth hoffentlich auf seiner angestammten Position im zentralen Mittelfeld wiederfinden. Die Fürther dürften als Tabellenletzter im Auswärtsspiel in Berlin wohl größtenteils auf eine stabile Defensive und Herthas fehlende Kreativität setzen, um Punkte aus der Hauptstadt zu entführen.

Entsprechend könnte Serdar die wichtige Rolle als Taktgeber und Ballverteiler zukommen. Darüber hinaus darf er gern auch in Einzelaktionen seine Torgefahr wieder aufblitzen lassen. Denn das sich Hertha gegen die Fürther Defensive reihenweise schön durchkombiniert, ist nach den letzten Spielen nicht zu erwarten.

Myziane Maolida – Ein Ballkontakt reicht

Der französische Neuzugang kam zwei Wochen nach seinem Deadline Day-Transfer erwartungsgemäß noch nicht von Beginn an zum Einsatz. In der 57. Minute war es dann aber soweit, Pál Dárdai erhoffte sich von dem Wechsel offensive Entlastung und brachte Myziane Maolida gegen Bochum so zu seinem Hertha-Debüt.

Zu einem denkbar undankbaren Zeitpunkt, denn Hertha hatte sich in Hälfte zwei immer weiter zurückgezogen, das Offensivspiel mehr oder weniger eingestellt und sah sich zunehmendem Bochumer Druck ausgesetzt.. Und so hing Maolida neben Belfodil erst einmal in der Luft und schaute seinen Teamkollegen beim unzureichenden Klären von Hereingaben zu.

Als endlich einmal ein Ball seinen Weg in die Bochumer Hälfte fand, nahm Maolida mit seinem gefühlt (und möglicherweise tatsächlich) ersten Ballkontakt in der 78. Minute Tempo auf, zog dribbelnd von rechts ins Zentrum Richtung Tor, schüttelte den offensichtlich angeschlagenen Armel Bella-Kotchap ab und wurde auch von den übrigen Bochumer Abwehrspielern nicht attackiert. Diese Chance ließ sich Maolida nicht nehmen und schloss aus zentraler Position 16 Meter vor dem Tor mit seinem schwachen linken Fuß ins rechte untere Eck ab.

Hertha Bochum
Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx/IMAGO

Damit war der Deckel drauf. Die Partie verflachte in der Folge. Maolida durfte sich noch einige Male in Laufduelle stürzen und in der letzten Minute beinahe ein spektakuläres Distanztor von Lucas Tousart bestaunen. VfL-Keeper Manuel Riemann konnte seinen Annahme-Patzer aber auf der Linie noch ausbügeln.

Wie macht sich Maolida gegen tiefstehende Gegner?

Aus Maolidas Sicht ist ihm sein Debüt dank des Treffers gelungen. Abseits des Treffers war ehrlicherweise aber noch nicht so viel zu sehen, was insbesondere an dem Mangel an Zuspielen lag. In den knapp 30 Minuten auf dem Platz bekam er aber kaum einen Ball und war in der Offensive spätestens seit der Auswechslung Belfodils völlig allein auf weiter Flur.

Und so wird es spannend, wie er sich präsentieren kann, wenn Hertha nicht auf Konter setzt, sondern gegen einen kompakt verteidigenden Gegner das Spiel machen muss. Dribblingstärke, offensives Kombinationsspiel und Abschlussstärke kann er vermutlich schon beim Heimspiel gegen den neuen Tabellenletzten Greuther Fürth am Freitagabend unter Beweis stellen. Sollte es nicht für die Startelf reichen, wird er wohl wieder als Joker zum Zug kommen. Und so hoffentlich an den ordentlichen ersten Eindruck aus dem Bochum-Spiel anknüpfen.

System – Aufstellung, wechsel dich

Hertha begann in einem 3-4-3 mit Suat Serdar auf dem rechten Flügel und Dennis Jastrzembski auf der linken Schiene.

Anders als vom DAZN-Kommentator vehement behauptet, ist das grundsätzlich erstmal eine eher offensivere Aufstellung als das alternative 3-5-2, in dem sich ein zentraler Mitelfeldspieler mehr um defensive Absicherung kümmern kann. Dazu hatte mit DJ auf der linken Schiene ein gelernter Außenstürmer auch Defensivaufgaben zu verrichten.

Trotzdem lahmte Herthas Offensivspiel total. Das lag in erster Linie daran, dass die laufstarken Sechser Lucas Tousart und Vladimir Darida zwar viel unterwegs waren, aber nicht die richtigen Räume bespielten. So kam der Ball überhaupt nicht ins Angriffsdrittel. Hertha konnte sich häufig schon nicht in der Dreierkette nicht aus dem Bochumer Pressing befreien. Man versuchte sich in langen Bällen, die regelmäßig bei einem Bochumer Spieler landeten.

Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx/IMAGO

So stellte Dárdai zur Mitte der ersten Hälfte auf ein 3-5-2 um und zog Suat Serdar auf die Achterposition zurück. Zwar dominierte Hertha das Spiel auch jetzt nicht und tat sich in offensiven Kombinationen noch immer sehr schwer, fand aber immerhin statt. Und kam so zwar insgesamt unverdient, aber vielleicht auch nicht ganz zufällig zu den zwei Treffern durch Serdar.

Bis auf drei Punkte kann Hertha wenig aus Bochum mitnehmen

Zur Halbzeit musste Dárdai auf den verletzungsbedingten Ausfall von Jordan Torunarigha reagieren. Er brachte den erst 17-jährigen Linus Gechter zu seinem Bundesliga-Debüt. Vielleicht auch deswegen wechselte Herthas Coach zusätzlich noch den defensiv anfälligeren Jastrzembski aus und brachte dafür den erfahreneren Maxi Mittelstädt. Das Team war in der Folge sehr darauf bedacht, das Ergebnis zu sichern und stellte die Offensivbemühungen praktisch ein. Die Bochumer fühlten sich mit dem Ballbesitz zunehmend wohler und so kam es in der 59. Minute, wie es kommen musste und der Anschlusstreffer fiel.

In der Folge wirkte Hertha stark verunsichert und der Ausgleich schien nur noch eine Frage der Zeit. Dárdai reagierte in der 73. Minute, indem er Ishak Belfodil vom Platz nahm und dafür Kevin-Prince Boateng brachte und so auf ein 5-4-1 umstellte. Das wohl defensivstmögliche System brachte nach vorne schließlich überhaupt keine Entlastung mehr. Bis Maolida das Spiel mit seiner Einzelaktion entschied und die Partie vor sich hinplätschernd auf das Ende zuging.

Hertha Bochum
Foto: IMAGO

Dárdai sagte nach dem Spiel im Fernsehinterview, dass das Team in den letzten zwei Wochen mit vielen neuen Systemen und Anweisungen konfrontiert war und er dafür eigentlich zufrieden sei. Der Erfolg mag ihm recht geben, es kann allerdings nicht der Anspruch von Hertha BSC sein, sich mit Einzelaktionen und individuellen Fehlern des Gegners in Bochum zu einem Auswärtssieg zu zittern. Entsprechend muss sich Hertha gegen Greuther Fürth anders präsentieren.

Denn Fürth dürfte in fremdem Stadion deutlich passiver auftreten und Hertha das Toreschießen schwer machen. Anders als die Bochumer wird Fürth wohl auch kaum den Ball übernehmen und sich etwas locken lassen. Es heißt dann für Hertha, spielerische Lösungen zu finden. Woher die innerhalb einer Woche kommen sollen, bleibt eher fraglich. Myziane Maolida zeigte Ansätze, auch Hoffnungsträger Jurgen Ekkelenkamp dürfte wenigstens als Einwechselspieler zu seinem Debüt kommen. Ob das gegen bisher zugegeben ebenfalls sehr schwache Fürther reicht?

Und dann war da noch:

Marco Richter, der viel unterwegs war, offensiv wie seine Teamkollegen aber in der Luft hing. Mangels Anspielen und zur Unterstützung von DJ war Richter auch öfters defensiv zu finden, fehlte bei Ballgewinnen dann für den Umschaltmoment wieder in der Offensive. Nach einer etwas auffälligeren Anfangsphase wurde er immer unsichtbarer, umso mehr Bochum den Ball kontrollierte. Der Wille war deutlich zu erkennen, Laufbereitschaft und Elan stimmen. Sofern Herthas Offensivspiel demnächst etwas Fahrt aufnimmt, könnten auch seine spielerischen Qualitäten zum tragen kommen.

Ishak Belfodil, der im Sturmzentrum kaum Bälle erhielt und mit den wenigen, die ankamen, nicht viel anfangen konnte. Der Algerier wühlte vor dem 2:0 beim Einwurf im gegnerischen Sechzehner (Bochum-Trainer Thomas Reis sah ein „klares Foul“ – nein) und wurde in der 73. Minute der taktischen Maßgabe völliger Defensive geopfert und ausgewechselt. Gegen Fürth dürfte er mangels Alternativen wieder ein Startelfkandidat sein.

Linus Gechter, der 17-jährige Innenverteidiger, der nach der Pause für den verletzten Jordan Torunarigha ins Spiel kam und sein Bundesliga-Debüt feierte. Schon in der Vorbereitung war Gechter in allen Testspielen bis auf das abschließende gegen Gaziantep eingesetzt worden. Die Nervosität war ihm dennoch anzumerken, beim Gegentreffer sah auch er nicht gut aus. Nichtsdestotrotz ein Meilenstein und ein weiterer vielversprechender Spieler aus der Akademie. Glückwunsch und wir freuen uns auf mehr, Linus!

Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx/IMAGO

Eduard Löwen, der von Hertha an Bochum verliehene „Standardspezialist“, der alle ruhenden Bälle bei den Bochumern zu verantworten hatte. Doch keinen einzigen davon konnte er halbwegs gefährlich an den eigenen Mann oder aufs Tor bringen. In einer Szene köpfte Maxi Mittelstädt nach Freistoßhereingabe des Leih-Herthaners beinahe ein Eigentor – bezeichnend.
Ansonsten lieferte Löwen ein ordentliches Spiel im zentralen Mittelfeld ab. An den Standards muss er aber dringend wieder etwas feilen.

[Titelbild: IMAGO]

ÜBER DEN AUTOR

Yannik Dönnebrink

Yannik Dönnebrink

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