Hertha gegen Bayern: Fünf legendäre Duelle

von Jan 21, 2022

„München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich wehtun. Kann aber auch glimpflich ausgehen“, sagte der ehemalige Verteidiger Werder Bremens Sebastian Prödl 2015 und sicherte sich damit den Titel des „Fußballspruch des Jahres“. Den obligatorischen Zahnarztbesuch brachte Hertha schon am dritten Spieltag dieser Saison hinter sich. Mit 0:5 ging es nicht gerade glimpflich aus, glich eher einer Wurzelbehandlung – ohne Betäubung. Nun kommt es zum Wiedersehen.

Ob der Besuch eines Zahnarztes in den eigenen vier Wänden so viel angenehmer ist? Die derzeitige Form Herthas spricht nicht gerade dafür. Und auch die Bayern, derzeit auf dem besten Weg die zehnte Meisterschaft in Serie einzufahren, machen nicht den Eindruck, als würden sie mit freundlichen Absichten nach Berlin anreisen.

Mit Blick auf den kommenden Gegner Herthas gibt es sicher viel Erwähnenswertes. Ihren Stürmer Robert Lewandowski zum Beispiel, der einen Torrekord nach dem nächsten jagt. Oder Torhüter Manuel Neuer, der auch im Alter von 35 Jahren noch Woche für Woche Weltklasse-Leistungen abspult. All das soll an gebotener Stelle auch getan werden, doch es lohnt sich auch ein Blick auf vergangene Aufeinandertreffen zwischen dem Hauptstadtclub und dem Rekordmeister. Hier kommen fünf bemerkenswerte Duelle zwischen Hertha und Bayern.

01. Februar 1975: Hertha 4:1 Bayern

Nicht nur am kommenden Wochenende reist das Team von Trainer Julian Nagelsmann mit Weltstars an, bereits 1975 kommt der FC Bayern als amtierender Deutscher Meister mit den ganz großen Namen ins Olympiastadion. Maier, Beckenbauer, Müller Rummenigge – trainiert wird das Starensemble von Dettmar Cramer (1925-2015). Der heuerte zu Saisonbeginn als neuer Hertha-Trainer an, doch löste seinen Vertrag nach acht Tagen und nur einer einzigen Trainingseinheit aus „persönlichen Gründen“ wieder auf. Im Januar kehrte er in die Bundesliga zum FC Bayern zurück.

Doch eben jene Weltstars in seinen Reihen sind es, die vor 80.000 Zuschauern im dichten Nebel patzen. Ausgerechnet Franz Beckenbauer, Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft, trifft nach neun Minuten ins eigene Tor zur Hertha-Führung. Zwar gleicht Karl-Heinz Rummenigge nur zwei Minuten später aus, doch weitere Fehler führen zum deutlichen Hertha-Sieg. Einen verunglückten Rückpass von Gerd Müller verwertet Erich Beer nach 47 Minuten zum 2:1. Aus einem Abspielfehler Beckenbauers resultiert 15 Minuten später das 3:1 durch Wolfgang Sidka.

Den Schlusspunkt setzt erneut Beer in der 85. Minute. Auch ein verschossener Elfmeter Uwe Kliemanns in der Schlussphase und damit die Chance auf einen noch höheren Erfolg trüben die Stimmung nicht. Denn mit dem Sieg ist Hertha nach 19 Spieltagen punktgleich mit Tabellenführer Gladbach.

19. Februar 1977: Hertha 4:2 n. V. Bayern

Nur zwei Punkte aus den letzten sieben Liga-Spielen. Und nun kommt der FC Bayern im Pokal. Hoffnung zieht Hertha unter der Führung des stark angezählten Trainers Georg Kessler lediglich daraus, dass der Gast mit Gerd Müller, Uli Hoeneß, Bernd Dürnberger und Georg Schwarzenbeck gleich vier Leistungsträger ersetzen muss.

Doch die Partie ist nur sechs Minuten alt, da gehen die Münchener durch Hans-Josef Kapellmann in Führung. Hertha ist in der Folge am Drücker, aber muss bis in die 51. Minute warten. Dann wird Gerhard Grau im Strafraum zu Fall gebracht, den fälligen Strafstoß verwandelt Karl-Heinz Granitza zum 1:1.

Es geht in die Verlängerung und wieder gehen die Bayern in Führung. Kapellmanns Vorarbeit veredelt Josef Weiß in der 95. Minute zum 1:2. Wieder steckt Hertha nicht auf, kommt nur fünf Minuten später zum Ausgleich. Erneut durch Granitza, dieses Mal per Kopf. Hertha will nun die Entscheidung und trifft in der 108. und 116. Minute jeweils nach einer Ecke. Die eingewechselten Lorenz Horr und Bernd Gersdorff sorgen für die entscheidenden Tore.

Kessler darf auch wegen dieses Spiels trotz der Liga-Misere weitermachen, führt Hertha in dieser Saison ins Pokalfinale, wo sich der 1. FC Köln erst im Rückspiel durchsetzt.

14. Februar 1998: Hertha 2:1 Bayern

Siege gegen die Bayern sind doch immer etwas Schönes – im Februar 1998 ist das der Hertha in der Liga allerdings seit 19 Jahren und elf Monaten nicht mehr gelungen. Als Tabellenzweiter und amtierender Meister reist das Team von Giovanni Trapattoni um Spieler wie Lothar Matthäus, Oliver Kahn, Mario Basler und Mehmet Scholl zum Aufsteiger Hertha BSC und wird Zeuge eines Doppelpacks der ganz besonderen Art.

Es ist die Heimmannschaft, die leidenschaftlich und beherzt auftritt. Keine nennenswerte Chance lässt die Abwehrkette um Dick van Burik, Steffen Karl und Eyjolfur Sverrisson im ersten Durchgang zu. Stattdessen trifft auf der Gegenseite Michael Preetz nach 18 Minuten durch die Beine Kahns. Im zweiten Durchgang legt Preetz dann mit einer Torvorlage nach. Seine Hereingabe von der linken Seite veredelt in der 70. Minute Ante Covic zum 2:0.

Ein weiteres Tor sollte Preetz auch noch gelingen – jedoch in das falsche Gehäuse. Per Kopf überwindet er in der 84. Minute nach einer Ecke den eigenen Keeper Gabor Kiraly. Für die Bayern nicht mehr als Ergebniskosmetik, es bleibt beim 2:1. „Der Sieg ist hochverdient“, lässt der zufriedene Hertha-Trainer Jürgen Röber hinterher verlauten.

12. Juni 1976: Bayern 7:4 Hertha

Hohe Niederlagen in München sind die meisten Bundesligisten seit Jahren gewohnt. Sieben Gegentore hat dabei auch der eine oder andere schon schlucken müssen. Wirklich bemerkenswert wird es allerdings, wenn der Gegner dem immerhin noch vier eigene Tore entgegenzusetzen hat. So wie Hertha im Sommer 1976.

Am letzten Spieltag der Saison 1975/75 geht es für Hertha um nichts mehr. Und so spielen sie auch. Hatte Trainer Georg Kessler vor dem Spiel noch gefordert „Wir wollen den Bayern ein offenes Spiel liefern“, ist davon im ersten Durchgang gar nichts zu sehen. Mit 0:6 aus Hertha-Sicht geht es in die Pause. Allein Gerd Müller trifft vier Mal. „Bei Halbzeit hatte ich Angst, wir würden zweistellig verlieren“, gesteht Kessler hinterher.

Hatte Bayern-Torhüter Sepp Maier im ersten Durchgang mehrfach gut gerettet, klappt in der zweiten Halbzeit auch bei den Herthanern mehr. Müller trifft zwar noch ein fünftes Mal, doch Hans Weiner und dreimal Detlev Szymanek betreiben Ergebniskosmetik und bieten einen mit elf Toren sehenswerten Saisonabschluss. „Ein Tor war schöner als das andere“, fand sogar Bayerns Trainer Dettmar Cramer, „auch die gegen uns“.

02. Dezember 2001: Hertha 2:1 Bayern

Mit Gabor Kiraly, Sebastian Deisler, Marko Rehmer, Stefan Beinlich und Alex Alves fehlen Jürgen Röber gleich fünf wichtige Spieler, als im Winter 2001 ausgerechnet der FC Bayern zu Gast ist. „Wir hatten zunächst zu viel Respekt und konnten uns nur langsam davon befreien“, so Röber später.

Und dann trifft auch noch ein gebürtiger Berliner für den FCB kurz nach der Pause zum 0:1. Nach einem Freistoß gelingt Bayerns Niko Kovac die zu diesem Zeitpunkt nicht unverdiente Führung. Zuvor hatte Kiraly-Vertreter Christian Fiedler Schlimmeres verhindert. „Die Elf fand aber über den Kampf wieder ins Spiel“, so Röber. Hertha wird stärker und kommt in der 71. Minute zum verdienten Ausgleich. Nach einem Freistoß setzt „Zecke“ Neuendorf entscheidend nach, sein Schuss aus der Drehung ist unhaltbar.

Nun will die „Alte Dame“ mehr und belohnt sich tatsächlich für eine starke zweite Hälfte. Pal Dardai ist es nach 84 Minuten, der auf Vorarbeit vom starken René Tretschok zum 2:1 trifft. Der erste Sieg gegen den Rekordmeister im neuen Jahrtausend.

(Photo credit should read ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

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Bruno Sellschopp

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