„Wenn Corona vorbei ist…“

von Mrz 13, 2021

Ein sehnsuchtsvoller Blick in die Zukunft – Worauf sich die Hertha-BASE-Redaktion freut, wenn die Pandemie endlich rum ist.

Alex Jung: Die Mannschaft zum Sieg brüllen

Mittlerweile ist es in meinem Freundeskreis zum running gag geworden. Wann immer neue Corona-Beschlüsse kommen, ist mein erster Kommentar: „Und wann machen die Stadien endlich wieder auf?“ So witzig es klingt und natürlich auch angesichts wesentlich wichtigerer Probleme, die es zuvorderst zu lösen gilt, scherzhaft gemeint ist, so sehr wohnt dieser Frage dennoch die nicht zu verleugnende Wahrheit inne, dass ich es wahnsinnig vermisse.

Nicht die Enttäuschung, mir mit allem drum und dran rund drei Stunden den Arsch in der Ostkurve abzufrieren, während Hertha mal wieder gegen so spannende Vereine wie Leipzig oder Hoffenheim fünf Buden eingeschenkt bekommt. Auch nicht die bemitleidenden bis spöttischen Blicke der Union-Fans, wenn ich in blau-weißer Montur den Walk of Shame nach Hause gen Treptow-Köpenick antrete. Nein, darauf kann ich getrost verzichten.

Was fehlt, ist vor allem die Möglichkeit, die Mannschaft, die es gerade so nötig hätte, zu unterstützen. Als Mitglied dieses, trotz aller (aus meiner Sicht) falschen Entwicklungen der letzten Jahre, so einzig- und großartigen Vereins, tut es mir im Herzen weh, meinem Klub in der schwersten Phase seit Jahren nicht im Stadion helfen zu können, sich aus der Bredouille zu befreien.

Foto: xFlorianxGaertner/photothek.netx

Natürlich sind wir alle keine Fußballprofis und können nur mutmaßen, welchen Einfluss der Support von den Rängen tatsächlich auf das Spielgeschehen hat. Aber wenn ich diese Illusion, dass meine Stimme einen (Teil-)Ausschlag über Sieg und Niederlage geben kann, nicht aufrechterhalten würde, dann könnte ich das Ganze auch gleich bleiben lassen. In meiner romantisch verklärten Vorstellung von Fußball sind Mannschaft und Fans immer noch gleichermaßen Teil eines Vereins. Und welche Kräfte freigesetzt werden, wenn beide an einem Strang ziehen, durfte man auch als Herthaner:in schon unzählige Male beobachten. Nie werde ich vergessen, wie 2010 nach dem ersten Abstieg, den ich mit damals 14 Jahren erleben musste, 48.000 Fans gegen den Fußballgiganten Rot-Weiß Oberhausen ins Olympiastadion strömten. Es war der Auftakt für eine Saison, die ich nie vergessen werde und die letzten Endes mit der Zweitligameisterschaft ihren krönenden Abschluss fand. 

Auch wenn eine Wiederholung derartiger emotionaler Stadionmomente aktuell noch fern ist, rettet mich die Gewissheit durch die Pandemie, mit meinen Freunden, wann immer das sein mag, beim ersten Spiel nach Corona im Block zu stehen und voller Inbrunst Hertha zum Sieg zu singen. Oder es zumindest zu versuchen.

Niklas Döbler: “Unzählige Kacars, Marcelinhos, Pantelics, Dardais, Plattenhardts (…) stehen beisammen”

13:30 Uhr Bundesplatz auf meinen Vater warten. Die ersten Fans sind schon da und steigen in die Ringbahn. Freue mich auf das Spiel gegen Bremen, hoffentlich spielt Jordan, den ich stolz auf meinem roten Sondertrikot aus der letzten, unseligen Corona-Saison trage. Vater kommt zeitgleich mit der S-Bahn an. Weiter zum Westkreuz und dann hoffentlich den Direktzug zum Olympiastadion erwischen. Wie immer tun mir die Fahrgäste, die einfach nur woanders hin wollen, ein bisschen leid, wenn zehntausende Schulle trinkende Hertha-Fans die Öffis belagern.

Je näher wir dem Stadion, desto mehr steigt die Vorfreude. Ob Selke heute gegen uns spielt? 12 Mio hat der Transfer eingebracht. Die wurden in gute neue Zugänge investiert. Die ersten Spiele der Saison hat man gewinnen können. Ich hab ein gutes Gefühl. Es könnte sich gelohnt haben extra für das Spiel nach Berlin gekommen zu sein.

Als wir Olypiastadion aussteigen, fällt mein Blick wie immer auf das Corbusierhaus. Muss echt geil sind in Laufdistanz zum Stadion zu wohnen. An den ersten Bier- und Würstchenständen vorbei. Die anderen Fans entsorgen ihre Bierflaschen in einem der zahlreichen Einkaufswagen. Die Polizeihundertschaft guckt böse. Zwischen der blau-weißen Menschenwelle blitzt manchmal ein grün-weißes Werdertrikot durch. Arcor, Homeday, bet-to-win, TEDI, O.tel.o, trigema und Continetale begleiten uns zum Stadion. Unzählige Kacars, Marcelinhos, Pantelics, Dardais, Plattenhardts, Okoronkwos, Raffaels und Gilbertos stehen beisammen, lachen, trinken oder verschwinden kurz zwischen den Bäumen. Die Stimmung ist gut. Hoffentlich hält sich das.

Foto: imago/Martin Hoffmann

Durch die Ticketkontrolle und von gelangweilten Securities abtasten lassen. Danach der traditionelle Rundgang ums Stadion. Egal wie leer oder wie leise. Für mich immer noch das schönste Deutschlands. Das Gewinnspiel vom RS2 Wagen schallt herüber, der Sky-Stand verspricht Sondertarife. Was folgt ist die Stadionwurst und der Bierbecher. Dann zum Platz. Unterrang auf der Höhe der Mittellinie. Top-Plätze. Wetter ist auch genial. Strahlend blauer Himmel und 20 Grad.

Inzwischen ist die Aufstellung draußen. Die Kicker-App verrät: Cunha, Piatek und Dilrosun in der Startelf, dazu Luca Netz, der inzwischen das begehrteste Talent Deutschlands ist. Arne Maier hat die Leihe auch gutgetan. 3 Vorlagen stehen ihm schon zu Gesicht. Auf dem Rasen scherzen sie beim Aufwärmen. Am Spielfeldrand gibt Arne ein Interview.

Der Anpfiff rückt näher, die Spannung steigt. Langsam beginnt das Stadion zu erwachen. Mit der Aufstellung und als die Hymne ertönt, erheben sich Zehntausende. Schals, die in die Luft gehalten werden. Frank Zander ist da. Alle singen mit. Egal ob alt, jung, Frau, Mann, Divers oder Mensch mit Behinderung; für die nächsten 90 Minuten sind alle gleich Hertha.

Ein letztes Mal holt das Stadion Luft. Egal wie das Spiel ausgeht. Danach bin ich mit den Jungs von Hertha BASE in der Kneipe verabredet. Ich bilde mir ein, Alex in der Ostkurve zu erspähen, doch bevor ich näher hingucken kann, wird zum Anstoß gepfiffen. Jubel. Jetzt: Pure Emotionen, 90 Minuten lang. Endlich wieder.

Ein bisschen Auswärtsfahrt fürs Ohr – unsere Playlist

Als Fan seines Vereins verbindet man besonders die heimische Spielstätte mit ganz besonderen Emotionen und Erinnerungen. Das Fanerlebnis machen jedoch erst die Auswärtsfahrten so richtig rund. Mit mehreren Langzeit- und tausenden Wochenendsfreunden vor und nach dem Anpfiff durch eine fremde Stadt zu laufen, als gehöre sie einem; Sich bereits auf der Hinfahrt in eine solch große Euphorie zu hieven, dass die anschließenden 90 Minuten beinahe nur noch Beiwerk sind.

Das letztendliche Ergebnis des Spiels, für welches man durch die Republik gereist ist, spielt oftmals nur eine untergeordnete Rolle. Es geht um das Erlebnis als solches. Das stundenlange ziellose Herumschlendern durch das graue Hannover wird aufgrund des Gemeinschaftsgefühls bis zum Maximum romantisiert – und das ist auch gut so.

Wir von Hertha BASE wollen euch daher ein wenig in eben jene Gefühlswelt versetzen. Was als Schnapsidee anfing, endete in stundenlangen wie hitzigen Diskussionen und mündete in etwas wundervollem. Redaktion und Freunde haben gemeinsam eine Auswärtsfahrt-Playlist auf Spotify zusammengestellt. Jeder durfte nur drei Songs auswählen – eine eigentlich unmögliche Aufgabe, doch sie wurde gemeistert.

Wir wünschen euch viel Spaß mit Daniel Rimkus (ein Muss), Herbert Grönemeyer, Die Atzen, Vengaboys, Oasis uvm.! Auf dass sie euch emotional in den Fanzug nach Hamburg, in welchem etwas zu viel Alkohol ausgeschenkt wird und die Manieren mit jedem Schluck weniger werden, versetzen.

[Titelbild: IMAGO]

Hilfe für die Ukraine!

Um den Menschen in der Ukraine zu helfen, hat sich die Gruppa Süd entschlossen, Geld zu sammeln und damit die Menschen in und um die Kriegsgebiete zu unterstützen. Davon werden speziell Hygieneartikel für Frauen und Babys sowie haltbare Lebensmittel gekauft. Die Spenden werden direkt an die polnisch-ukrainische Grenze geliefert, sodass den Menschen unmittelbar geholfen wird.

ÜBER DEN AUTOR

Marc Schwitzky

Marc Schwitzky

Erst entfachte Marcelinho die Liebe zum Spiel, dann lieferte Jürgen Klopp die taktische Offenbarung nach. Freund des intensiven schnellen Spiels und der Talentförderung. Bundesliga-Experte und Wortspielakrobat. Gründungsmitglied & Chefredakteur.

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