Viel Aufwand, kein Ertrag. So lassen sich inzwischen alle Auftritte Herthas der letzten Wochen zusammenfassen. Auch gegen den VfL Wolfsburg, das defensivstärkste Team der Liga, gelang es Hertha ein ums andere Mal, gefährlich nach vorn zu kombinieren. In einer gerechten Welt hätte es zudem im Laufe der ersten Spielhälfte Elfmeter für ein Foul an Matheus Cunha geben müssen – aber das Leben ist nun mal kein Konjunktiv und schon gar nicht gerecht. Und so befindet sich die „Alte Dame“ weiterhin mittendrin im Schlamassel. Zuletzt konnte sich die geschundene Fanseele zumindest damit trösten, dass Gegner der Größenordnung Wolfsburg, Bayern, Frankfurt etc. nun mal nicht die Kragenweite Herthas sind und die Siege woanders geholt werden müssen. Dieses „Woanders“ ist Augsburg. Am Samstagnachmittag wird sich also entscheiden, wie sehr das Team von Pal Dardai Abstiegskampf kann. Alles andere als drei Zähler, zumal mit Leverkusen und Dortmund als nachfolgende Gegner vor der Brust, könnte dem Hauch von Aufbruchstimmung seit Pal Dardais Rückkehr ein jähes Ende bereiten.
Für unseren aktuellen Vorbericht haben wir Augsburg-Experte Andreas befragt, der uns unter anderem Einblicke in die Spielweise des FCA gibt.
Viel Ernüchterung nach kurzer Euphorie
Viele staunten nicht schlecht, als der FCA im Sommer auf einen Schlag die Verpflichtungen von Tobias Strobl, Rafal Gikiewicz und Daniel Caliguiri bekanntgab. Besonders die beiden Letztgenannten ließen gehörig aufhorchen und angesichts der sportlichen Lage des Ex-Vereins von Caliguiri wird sich die eine oder andere sicher fragen, wie sinnvoll es war, den Leistungsträger ziehen zu lassen.
Des einen Leid, des anderen Freud, denn beim FCA fügten sich beide sofort nahtlos ein und gelten seither für Andreas „sportlich und in der Mannschaft als absolute Gerüst-Spieler.“ Und so sah es zu Saisonbeginn gar so aus, als könnten die Neuzugänge den FCA zu neuen Höhen verhelfen. Nach Siegen gegen Union und den BVB standen für die Fuggerstädter nach zwei Spielen sechs Punkte zu Buche. Die Anfangseuphorie sollte jedoch schnell der etwas graueren Realität weichen. Zwar konnte sich Augsburg mit dem Sieg gegen Mainz am vergangenen Wochenende vorerst der gröbsten Abstiegssorgen entledigen und steht mit acht Punkten vor Hertha vergleichsweise gesichert dar. Aus neutraler und wohl auch aus Fansicht schwer zu ertragen, ist aber die Art und Weise, wie sich das Team von Heiko Herrlich diesen Vorsprung erarbeitet hat.
Herrlichs uneingelöstes Versprechen
Denn Liebhaber der Fußballästhetik stehen bei Betrachtung der Spiele des FCA nicht gerade in Verdacht, ins Schwärmen zu geraten. So steht man immerhin defensiv stabil und hat mit 35 Gegentoren eine der besseren Hinterreihen der Liga. Im Spiel nach vorn sind die Partien allerdings alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. So sagt Andreas, dass man auch im Spiel gegen Mainz „mit Ballbesitz weiterhin wenig anfangen” konnte. All das mutet insofern etwas merkwürdig an, als dass Herrlich „mit dem Grundtenor antrat, dass seine Mannschaften etwas mit dem Ball anzufangen wissen. Diesen Beweis ist er in Augsburg nachhaltig noch schuldig geblieben. Bei allem Pragmatismus muss da mehr kommen, um an eine Märchenzukunft glauben zu können.“, so Andreas angesprochen auf die Frage, inwiefern Heiko Herrlich auch der Trainer für die nächsten Jahre sein soll, wie es Stefan Reuter, Geschäftsführer des FCA, jüngst bekräftigte.
Die mangelhafte Kreativität im Spiel nach vorn scheint aber zumindest nicht unbemerkt geblieben zu sein. So verstärkten sich die Schwaben im Winter mit Lászlo Bénes, den man von Borussia Möchengladbach auslieh und der dem Mittelfeld mehr „spielerische Elemente“, wie Andreas es sagt, verleihen soll. Der FCA-Experte ordnet aber gleichzeitig ein, dass die „Eingewöhnung aber noch andauere“.
Hertha muss eine harte (Zirbel-)Nuss knacken
Im Hinblick darauf, dass Pal Dardai vor allem im Umschaltspiel Herthas Stärke sieht, ist Augsburg nicht gerade der Gegner, der dieser Spielweise entgegenkommt. Allzu viele gegnerische Angriffe, aus denen Hertha seinerseits Konterversuche starten kann, wird Herrlichs Mannschaft kaum fahren. Hertha muss es also gelingen, gegen eine tiefstehende Mannschaft Chancen zu kreieren. Wie gerufen kommt da die Nachricht aus dem Lazarett, dass Javairo Dilrosun wieder fit ist und ebenso wie Marvin Plattenhardt und Jordan Torunarigha am Samstagnachmittag im Aufgebot stehen könnte. Ein Comeback Dilrosuns wäre doppelt wichtig, da in Cunha, Randonjic und Leckie drei Offensivkräfte angeschlagen nicht zur Verfügung stehen werden. Selbiges gilt auch für Sami Khedira.
Um den Ausfällen im Angriff beizukommen, wird es, wie Dardai bereits bestätigte, zu einer Doppelspitze aus Cordoba und Piatek kommen. Diesen Ansatz wählte der Ungar bereits in der zweiten Halbzeit gegen Wolfsburg, als er nach Cunhas Herausnahme umstellen musste. Auch wenn die „Alte Dame“ im zweiten Abschnitt weiterhin torlos blieb, so machten die Ansätze dennoch Lust auf mehr. Nur werden allein Ansätze nicht reichen, um die Klasse zu halten. Der Druck liegt ganz klar aufseiten der Hausherren.
Quelle Titelbild: Poolfoto WITTERS via Getty Images