Am Samstag um 18.30 Uhr wird das Topspiel des Bundesligaspieltags angepfiffen. Dass es dann ausgerechnet ein Kellerduell zwischen zwei schwächelnden Mannschaften wird, wird die neutralen Zuschauer sicherlich nicht erfreuen. Noch weniger erfreut sind dafür Hertha-Fans nach den letzten Spielen ihrer Mannschaft. Sollte am Samstagabend die „alte Dame“ erneut verlieren, könnte es nun das Ende für Cheftrainer Bruno Labbadia und Manager Michael Preetz bedeuten. Es könnte also im Spiel Hertha BSC – Werder Bremen um einiges gehen. Umso besser vielleicht, dass dafür die große leere Bühne unter Flutlicht bereitsteht, und die ganze Bundesliga zuschauen darf. Immerhin wird Hertha mal im Mittelpunkt stehen.
SV Werder Bremen – stark gegen die Schwachen
Herthas Gegner am Ende einer erneut misslungenen „englischen Woche“ heißt SV Werder Bremen. Eigentlich ein Angstgegner für die Berliner: in der Bundesliga gab es für die Blau-Weißen in 75 Duellen nur 20 Siege, dafür 36 Niederlagen. Immerhin konnte man zuletzt die Bilanz etwas verbessern. Die letzte Niederlage in Berlin gegen Werder ist über vier Jahre her.
Auch für die Bremer gab es in der Saison 2020/21 bisher nicht allzu viel zu feiern. Im ersten Saisonspiel gegen Hertha gab es eine 1:4 Niederlage. Danach konnte die Mannschaft von Trainer Florian Kohfeldt allerdings eine Serie von sieben Spielen ohne Niederlage hinlegen. Davon gingen fünf Spiele mit 1:1 unentschieden aus. In der Hinrunde konnten die Bremer nur vier Siege holen, gleich viele wie die Elf von Bruno Labbadia. Nur ein Punkt trennt beide Mannschaften, die jeweils auf Tabellenplätze 13. (Bremen) und 14. (Hertha) hängen.
Die schlechte Nachricht für Hertha-Fans dürfte die Tatsache sein, dass Werder (bis auf das Auftaktspiel) kein einziges Duell gegen Konkurrenten im Abstiegskampf mehr verlor. Gegen Gelsenkirchen, Mainz, Bielefeld und Augsburg gab es Siege, gegen Köln und Hoffenheim ein Unentschieden. Gerade gegen „schwächere“ Gegner konnte Kohfeldts Elf also überzeugen.
Werders gemischte Bilanz im Jahr 2021
Am Dienstagabend ging es Auswärts nach Mönchengladbach. Dort konnte Werder trotz ordentlicher Leistung nicht punkten. Doch so schlecht sieht die Formkurve im Jahr 2021 nicht aus. Zwar musste man sich gegen den 1. FC Union Berlin geschlagen geben, holte anschließend aber einen Punkt in Leverkusen. Vergangenes Wochenende schlugen die Bremer den FC Augsburg mit 2:0. Wie gut oder schlecht Werder Bremen nun wirklich in dieser Saison ist, bleibt schwer einzuschätzen.
Großartigen Fußball spielt man an der Weser auch diese Saison sicherlich nicht. Dafür hat man weniger Probleme damit, auf kämpferischer Art und Weise die Spiele an sich zu reißen. Abstiegskampf kennen die Bremer Spieler von letzter Saison noch zu gut. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Kohfeldt sein Team wie im Spiel gegen den FC Augsburg mit einer Dreierkette auf den Rasen im Olympiastadion schicken.
Sollte es Hertha dann erneut gegen drei großgewachsene Innenverteidiger nur mit Flanken versuchen, könnte das Spiel für die „alte Dame“ ähnlich verlaufen wie am Dienstagabend gegen die TSG aus Hoffenheim. Eine Bremer Personalie wird am Samstag jedenfalls wieder zum Thema werden: Davie Selke wird zum ersten Mal seit seiner Rückkehr an der Weser im Olympiastadion gegen Hertha spielen.
Hertha im Abstiegskampf – Kritik wird immer lauter
Doch im Grunde genommen geht es weniger darum, wie Herthas Gegner heißt oder wie dieser aufgestellt ist. Die letzten Wochen zeigten sehr gut, dass die „alte Dame“ mit sich selbst am meisten zu kämpfen hat. Zu den bereits bestehenden Schwächen, wie die Standardschwäche und die Probleme im Aufbauspiel, kamen neue hinzu. Jetzt schaffen es die Blau-Weißen nicht mal mehr zu treffen. Seit dem Sieg gegen Gelsenkirchen gab es keinen eigenen Treffer mehr.
Über die aktuelle Situation am Schenkendorffplatz wurde in den letzten Tagen bereits sehr viel geschrieben. Besonders Manager Michael Preetz steht im Mittelpunkt der Kritik. Cheftrainer Bruno Labbadia zeigte sich in der Pressekonferenz vor der Partie wie gewohnt realistisch: „Wir können alle die Tabelle lesen und wissen, dass wir aufgrund der Ergebnisse immer mehr unter Druck sind. Das ist normal”. Gegen Bremen gelte es „die Ärmel hochzukrempeln, sich gegen Widerstände zu wehren und nicht mit einer Angst reinzugehen”. Das Problem: ähnliche Parolen konnte man auch nach den Spielen gegen Bielefeld und Köln von Michael Preetz und Bruno Labbadia hören. Eine spürbare Wirkung, die sich auch in Punktgewinne manifestiert, blieb bisher jedoch aus.
Was sich im Vorfeld auf das Spiel Bremen-Spiel veränderte, war eine gewisse „Jetzt-erst-Recht“-Haltung von Trainer Labbadia: “Ich muss vorangehen. Wir liegen ein wenig am Boden. Da kann man liegenbleiben. Aber davon war ich noch nie ein Freund.“ Mit dem Rücken zur Wand wird die Mannschaft jetzt reagieren und punkten müssen. Viele Möglichkeiten bleiben den aktuellen Verantwortlichen wohl nicht mehr, um das Ruder herumzureißen.
Keine Cunha-Sperre und Gerüchte um Gómez
Zur Verfügung stehen Herthas Cheftrainer wohl dieselben Spieler wie unter der Woche gegen Hoffenheim. Personell hat sich nicht viel in den wenigen Tagen verändert. Eine große Schwächung wäre eine mögliche „Last-Minute“-Sperre von Matheus Cunha gewesen. Das Verfahren gegen den Brasilianer wurde jedoch am Freitagnachmittag eingestellt.
Bruno Labbadia wird auch gegen Bremen auf Kapitän Dedryck Boyata und Flügelstürmer Javairo Dilrosun verzichten müssen. Auch Eduard Löwen, Marvin Plattenhardt und Márton Dárdai fallen weiter verletzt aus. Es ist somit wahrscheinlich, dass die Startelf am Samstagabend mehr oder weniger dieselbe sein wird, wie die am Dienstagabend. Womöglich wird man jedoch auf der einen oder anderen Position aus Fitnessgründen rotieren müssen. Doch leider gibt es auf bestimmten Positionen aktuell nicht viele Alternativen.
Gerade die fehlenden Alternativen auf den Außenbahnen und im kreativen Mittelfeld sind ein Problem, das kurzfristig nur mit Winterneuzugängen zu lösen wäre. Manager Michael Preetz scheint jedoch bei der Suche wenig Erfolg zu haben. Das Gerücht um eine mögliche Leihe von Papu Gómez von Atalanta Bergamo erscheint angesichts der unattraktiven Situation von Hertha BSC zurzeit eher unwahrscheinlich. Dabei wäre der Argentinier genau der Spielertyp, den die Berliner dringend brauchen würden. Ein spielstarker, erfahrener Spieler mit großem Charakter auf einer offensiven Position.
Stattdessen wird die „alte Dame“ hoffen müssen, dass beispielsweise der zuletzt sehr schwach spielende Dodi Lukebakio oder die im Abschluss glücklosen Stürmer Krzysztof Piatek und Jhon Córdoba ein plötzliche Formsteigerung erleben. Wie schon so oft in dieser Saison bleibt ansonsten nur noch eine Einzelaktion von Matheus Cunha, um die Torflaute und die Formkrise zu beenden.
Eine Mannschaft schnell aus dem Hut zaubern
Viel schöner und wichtiger wäre natürlich eine geschlossene, stabile und engagierte Mannschaftsleistung der „blau-weißen“. Doch genau das scheint bei Hertha ein großes Problem zu sein. Vize-Kapitän Niklas Stark gab im Interview nach der Partie gegen TSG Hoffenheim diesbezüglich eine sehr unglückliche Figur ab. Nach dem Mannschaftsgefühl von Hertha gefragt zögerte der 25-Jährige viel zu lange bevor er zögerlich: „Natürlich sind wir eine Mannschaft, auch wenn das Ganze auch schwierig ist“ antwortete. Alles andere als überzeugend also.
Aktuell gibt es leider einfach keinen Grund für Hertha-Fans optimistisch zu sein, zu enttäuschend waren die letzten Ergebnisse und Auftritte. Cheftrainer Labbadia drückte es im Vorfeld in aller Deutlichkeit aus: „Ich muss vorangehen. Wir liegen ein wenig am Boden. Da kann man liegenbleiben. Aber davon war ich noch nie ein Freund.“
Damit Hertha BSC wieder vom Boden aufsteht, müsste sich aus den vielen verunsicherten Einzelspielern im Kader eine Einheit bilden. Ein Zaubertransfer im Winter wird es sicherlich nicht tun. Nur ein Funken Hoffnung bleibt also noch, dass sich die Spieler gemeinsam aus dieser schwierigen Lage herauskämpfen, und Ihre Einheit somit zu entdecken. Am besten durch einen knappen, umkämpften Sieg gegen Werder Bremen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
[Titelbild: Patrik Stollarz / AFP/Getty]