Bayer Leverkusen – Hertha BSC: Jeder Punkt zählt

von Dez 17, 2019

Die englische Woche hat für Hertha BSC ganz gut begonnen: am Samstagnachmittag konnte man endlich wieder einen Sieg einfahren. Gegen den SC Freiburg reichte ein knappes 1:0 durch ein Traumtor von Vladimir Darida. Doch am Mittwochabend wartet ein zumindest individuell stärkerer Gegner auf die Blau-Weißen. Können die Spieler von Jürgen Klinsmann auch bei Bayer Leverkusen punkten, und den nächsten Schritt aus der gefährlichen Tabellenregion machen?

Leverkusen vs. Leverkusen in Köln

Herthas Gegner am Mittwochabend ist ohne Frage qualitativ ein ganz anderes Kaliber als der SC Freiburg. Doch in der Tabelle steht Bayer Leverkusen noch unter den Breisgauern auf Platz sieben. 25 Punkte konnte die „Werkself“ bisher sammeln, sieben Siege, vier Remis und vier Niederlagen – eine sehr durchwachsene Bilanz.

Bayer Leverkusen verlor am Samstag zwei Spieler durch rote Karten. (Foto: Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

Zuletzt gab es in der Bundesliga einen glücklichen Sieg gegen den FC Bayern München (2:1) und auch gegen Schalke 04 gab es drei Punkte. In der Champions League konnte sich die Mannschaft von Peter Bosz nicht für das Achtelfinale qualifizieren, spielt als Gruppendritter in der Rückrunde in der Europa League weiter. Am Samstag wurde man dann im Derby vom geschwächten 1.FC Köln erwartet.

Dieses Spiel entwickelte sich allerdings schnell zum Desaster für Leverkusen. Eine verdiente 2:0 Niederlage für den Favoriten, der in der ersten Halbzeit keine Mittel fand und sich in der zweiten Halbzeit quasi selber schlug. Erst eine gelb-rote Karte für Aleksandar Dragovic, dann die glatt rote Karte für Leon Bailey – bereits seine zweite in dieser Saison. Mit zwei Spielern weniger auf dem Platz konnte man die Derbyniederlage nicht mehr verhindern.

Nach dem Spiel zeigten sich nicht nur die Fans sondern auch die Spieler wütend und enttäuscht. Insbesondere Rot-Sünder Bailey musste viel Kritik der eigenen Mitspieler einstecken. Kapitän Lars Bender sprach davon, dass Bailey der Mannschaft „einen Bärendienst“ erwiesen hätte, man erwarte eine Entschuldigung. „Er hat die Mannschaft wieder enttäuscht“, war von Torhüter Lukas Hradecky zu hören. „Wir sind dumm und blöd. Wir nehmen uns selber aus dem Spiel“, hieß es zusätzlich noch von Sven Bender.

Trotz Sperren Hochfavorit

Nicht die beste Stimmung also bei der „Werkself“. Zumal ein verlorenes Derby bekanntlich immer Spuren hinterlässt. Für Hertha wird es trotz der Sperren und der angespannten Nerven in Leverkusen am Mittwoch eine sehr schwere Aufgabe.

Bailey und Dragovic fallen zwar gesperrt aus, doch Bayer Leverkusen wird nichtdestotrotz eine hochkarätige Startelf aufstellen können. Jonathan Tah kehrt nach seiner Rotsperre zurück und wird den Ausfall von Dragovic kompensieren. Der Ausfall von Leon Bailey wird auch durch die Riesenqualität in der Offensive der Leverkusener ausgeglichen werden können. Karim Bellarabi, Moussa Diaby, Nadiem Amiri, Paulinho, Kai Havertz, Lucas Alario oder Kevin Volland – Cheftrainer Peter Bosz kann sich über fehlende Optionen nicht beschweren.

“Die Berliner Mauer” beim letzten Sieg in Leverkusen.

Die Rotsperren werden Hertha zwar nicht schaden, doch einen großen Vorteil können die Hauptstädter sicher nicht erwarten. Leverkusen wird als haushoher Favorit in das Spiel gehen. Auch die Statistik spricht für die Heimmannschaft. Am 10.02.2018 konnte sich Hertha noch mit 2:0 am Rhein in einer denkwürdigen Partie durchsetzen. Bis auf dieses Spiel konnten die Blau-Weißen jedoch in Leverkusen seit 2012 nicht mehr punkten. Alle weiteren Begegnungen in der „BayArena“ verlor die „alte Dame“ klar.

Erster Sieg unter Klinsmann

Nicht allzu viel spricht also für das Team von Jürgen Klinsmann. Dabei konnte man sich am Samstag gegen den SC Freiburg endlich wieder einen Sieg erkämpfen. In einer sehr knappen und umkämpften Begegnung setzten sich die Hertha-Profis nicht unverdient durch ein Traumtor von Vladimir Darida durch.

Eine ähnliche Situation erlebte Hertha diese Saison nach dem ersten Saisonsieg gegen den SC Paderborn. Auch da holte man den Sieg, ohne zu glänzen. Auch da zweifelten viele Fans über die Bedeutung des geholten Dreiers. Es folgte eine Reise an den Rhein zum 1. FC Köln, wo sich Hertha mit 4:0 durchsetzen konnte, wiederum gefolgt von einem weiteren Heimsieg gegen Fortuna Düsseldorf. Ein „dreckiger Sieg“ wie gegen Paderborn oder Freiburg kann mentale Fesseln bei der Mannschaft lösen.

Jetzt fahren die Berliner erneut an den Rhein, dieses Mal nach Leverkusen. Ob der Sieg am Wochenende ausreicht, um mentale Blockaden im Team zu lösen, wird sich zeigen. Klar ist aber, dass diese drei Punkte der Mannschaft gut getan haben. „Es fühlt sich brutal gut an“, hieß es von Kapitän Vedad Ibisevic.

Keine Feier in der Ostkurve nach dem 1:0 Sieg gegen den SC Freiburg. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Mit den eigenen Fans bleibt die Stimmung jedoch angespannt. Die Nachwirkungen der Auseinandersetzungen mit der Mannschaft nach der Partie gegen Borussia Dortmund waren am Samstag zu spüren. Die Hertha-Profis gingen nach dem Sieg nicht wie gewohnt in die Ostkurve feiern. Im „Kurvenecho“ wurde außerdem erklärt, dass die Derbyniederlage und die damit verbundene Schmach noch nicht verdaut sei und die Mannschaft nicht erwarten könne, durch ein wenig Kampf gegen Dortmund alles wieder gut machen zu können.

Trotzdem ist auch in Leverkusen eine volle und laute Unterstützung der Hertha-Anhängern zu erwarten. Es ist dabei zu hoffen, dass sich keine Kluft zwischen Fans und Mannschaft aufbaut. Gerade in dieser schwierigen Phase wäre eine Eintracht zwischen Fans und Mannschaft wichtig.

Rotation oder Kontinuität?

Hertha war in den letzten Spielzeiten nicht gerade erfolgreich, wenn es um englische Wochen ging. Oft ging man in drei von drei Spielen leer aus. Jetzt startet Hertha mit drei Punkten im Rücken in die englische Woche. Doch die schwierigsten Aufgaben kommen erst noch.

Kräfte werden in der englischen Woche noch getestet. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

In der heutigen Presskonferenz stand nicht Cheftrainer Jürgen Klinsmann sondern Co-Trainer Alexander Nouri der Presse zur Verfügung. Nouri lobte die Kompaktheit in der Defensive, die Hertha gegen den SC Freiburg zeigen konnte. Es erscheint also wahrscheinlich, dass die Berliner auf den Defensiv-Positionen ähnlich aufstellen werden. Die Viererkette mit Marvin Plattenhardt, Karim Rekik, Dedryck Boyata und Lukas Klünter könnte also erneut eingesetzt werden. Auch möglich erscheint ein Wechsel des Spielsystems zurück in eine Dreierkette. Dann würde Niklas Stark zurück in die Startelf rotieren.

Matchwinner Darida kann wohl erneut in der Startelf erwartet werden, genauso wie Nebenmann Marko Grujic. Im Vergleich zum Heimspiel am Samstag kann man jedoch von einer defensiveren Aufstellung ausgehen. Mit vier Stürmern wird Hertha am Mittwoch wohl nicht agieren.

Jürgen Klinsmann und sein Team werden sicherlich im Laufe der Woche eine Rotation vornehmen, um einzelnen Spielern eine Durchschnaufpause zu geben. Optionen gibt es auch in Berlin genug: momentan gibt es kaum Verletzungen oder Sperren. Fast alle Profis stehen dem Trainerteam zur Verfügung. So auch Arne Maier, der laut Klinsmann “voll im Saft” stehen soll.

Punkte gegen die Abstiegsangst

Die Ausgangslage ist aufgrund der derzeitigen Form Leverkusens und dem vorangegangenen Sieg gegen Freiburg nicht die schlechteste für Hertha BSC, und trotzdem wird vieles davon abhängen, wie stark Bayer Zuhause auftritt. Sollte der Favorit sich in guter Verfassung präsentieren, werden es die Berliner sehr schwer haben. Gerade im Abstiegskampf ist jeder Punktgewinn gegen vermeintlich stärkere Gegner besonders wichtig. Jeder Punkt hilft gegen die Angst, den Anschluss in der Tabelle zu verlieren und eine neue negative Serie zu starten. Auch gegen die „Werkself“ ist mit der richtigen Einstellung ein Punkt drin.

Jürgen Klinsmann bringt zumindest in seiner Außendarstellung viel Optimismus und positive Strahlkraft mit. Sollte seine Mannschaft am Mittwoch eine gute Leistung zeigen und einen Punkt mitnehmen, könnte die Hinrunde noch einigermaßen versöhnlich enden. Dann könnten Mannschaft und Fans sogar den Abschluss dieser englischen Woche am Wochenende gemeinsam feiern. Vielleicht sogar vor der Ostkurve.

ÜBER DEN AUTOR

Chris Robert

Chris Robert

Exilherthaner, Franzose, Student und Fußballromantiker. Egal wie wütend ihr nach Hertha-Spielen seid, ich bin wütender. Ich brauche keinen Videoschiedsrichter um zu wissen, dass der Schiri immer gegen Hertha pfeift.

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