Die Länderspielpause ist zu Ende, schon am Samstag steht das nächste Bundesligaspiel für Hertha BSC an. Dabei ist die Pause vielen wie eine Ewigkeit vorgekommen. Grund dafür ist wohl der bittere Beigeschmack, den die Hertha-Fans seit der letzten Partie in Gelsenkirchen verpüren. Da konnte die Pause gar nicht lang genug sein. Warum die Gefühlslage in Mainz große Ähnlichkeiten zur der im Hertha-Fanlager aufweist, wo die Probleme beim Gegner liegen und warum es trotzdem Gründe gibt, optimistisch zu sein, wollen wir hier im Vorbericht klären.
Heute haben wir das Glück die “@Wortpiratin” Mara Pfeiffer als Verstärkung für diesen Vorbericht zu haben. Mara ist Journalistin, Autorin, unter anderem auch beim Früf Podcast aktiv und hat sich die Zeit genommen, unsere Fragen zum 1. FSV Mainz 05 zu beantworten.
Mainz und Hertha – eine Ähnliche Ausgangslage
In den drei ersten Bundesliga-Spielen konnten die Mainzer keine Punkte holen. Bereits am ersten Spieltag musste man sich in Freiburg mit 0:3 geschlagen geben, im ersten Heimspiel der Saison hieß es dann 1:3 gegen Borussia Mönchengladbach. Die 1:6-Niederlage in München dürfte kaum einer übersehen haben. Zwar waren zwei der drei ersten Gegner hochklassige Vereine, gegen die man durchaus mal verlieren kann. Trotzdem fühlt sich sicher kein Verein auf dem letzten Tabellenplatz wohl, auch nicht am dritten Spieltag.
Wenn unsere Mainz-Expertin unsere Fragen zur sportlichen Situation am Rhein beantwortet, fällt auf, dass sie Begriffe benutzt, die zuletzt auch in der Berichterstattung rund um Hertha BSC fielen. Das Auftreten ihrer Mannschaft in den schwachen Phasen der letzten Wochen beschreibt Mara als “hilflos” und “als ob man sich aufgegeben hätte.” Gegen den FC Bayern München inbesondere spricht sie von “Auflösungserscheinungen”.
“Die Mannschaft ist eigentlich gut in diese (die ersten vier Pflicht-) Partien gekommen und hat etwa eine halbe Stunde die vom Trainer vorgegebene Marschroute eingehalten”, erklärt uns Mara. Trotzdem fielen zum Teil “binnen sehr kurze Zeit zwei, drei Gegentreffer (…), teilweise begünstigt durch individuelle Fehler. (…) Da wirkte das Team extrem unsortiert.” Individuelle Fehler kennt man auch in der Hauptstadt zuletzt nur zu gut.
Große Beunruhigung oder Angst kommt natürlich so früh in der Saison noch nicht auf. Mara sagt zu der Stimmungslage am Rhein: „Natürlich belastet jedes weitere Negativerlebnis den Verein, so ist nun mal der Sport, aber in Panik gerät hier so schnell niemand.“ Auf die Nachfrage, ob es bei einer erneuten Niederlage im Umfeld und Verein noch unruhig werden könnte, verrät uns Mara: „Meiner Ansicht nach ist es in Teilen des Mainzer Umfeldes dauerhaft unruhig, seit Christian Heidel und Harald Strutz nicht mehr da sind.“ Trotzdem seien die Akteure um die Mainzer Profis selbst „extrem ruhig (…), was nicht heißen soll, dass man die Situation unterschätzt.“
Mainz mit Verletzungssorgen – wer ist gegen Hertha fit?
Doch auch personell haben die Rheinhessen einige Sorgen. Nach dem Karriereende von Niko Bungert wurde, wie uns Mara berichtet, reagiert und Jeremiah St. Juste (22 Jahre) für etwa 9 Millionen Euro aus Rotterdam geholt. Dieser war zwar diese Woche noch angeschlagen, stand aber diese Woche wieder auf dem Trainingsplatz und müsste rechtzeitig für das Spiel gegen Hertha wieder in der Startelf stehen. Das wird nicht wenige in Mainz erleichtern, denn auch Stefan Bell fällt bekanntlich länger aus. Viele Innenverteidiger bleiben den 05ern nicht mehr.
Auch im Sturm gibt es Probleme: dort fallen Jean-Philippe Mateta und Dong-Wong Ji auch aus, letzterer sogar wohl bis zum Ende der Hinrunde. Eine gute Alternative sieht Mara in Ádám Szalai. Der Ungarische Nationalspieler kam jedoch angeschlagen aus der Länderspielpause und ist für das Spiel am Samstag fraglich. Auch Torhüter Florian Müller ist angeschlagen und könnte am Wochenende ausfallen. Aufpassen sollte Hertha aber wohl auf Mittelfeldspieler Edimilson Fernandes. Dieser ist Mara insbesondere durch seine starke physische Präsenz gut aufgefallen.
Gerade in solchen Situationen, in denen das Personal knapp wird, setzen Vereine gerne auch auf die Jugend. In der Vorbereitung konnte einige junge Spieler beim FSV auf sich aufmerksam machen. Aktuell sei ein Einsatz von neuen jungen Talenten jedoch in Maras Augen “keine Option, jetzt sollte erstmal was Ruhe und Beständigkeit in die Mannschaft kommen.”
Hertha seit 2015 in Mainz Tor- und Sieglos
Einen besseren Übergang zu Hertha BSC gibt es hier quasi nicht, denn auf der Suche nach Ruhe und Beständigkeit ist die Mannschaft von Ante Covic allemal. Zu der Situation von Ante Covic und der Suche nach Ruhe haben wir zuletzt einen Artikel geschrieben. Es wird immens wichtig sein, im Spiel gegen die Rheinhessen ein gutes Ergebnis zu holen, doch gerade eine solche Situation konnte man bei der “alten Dame” zuletzt nicht nutzen.
Ein angeschlagener Gegner mit null Punkten und Personalsorgen – in der Vergangenheit wurde Hertha BSC leider zu oft zum Aufbaugegner für gerade solche Vereine. Nicht zuletzt im letzten Spiel in Gelsenkirchen, wo die Berliner auch noch gastfreundlich die ersten beiden Bundesligatore für den Gegner selbst erzielten. Auch die Statistik spricht nicht gerade für die Blau-Weißen: in den letzten vier Spielen in Mainz konnte man keinen Treffer erzielen. Das letzte Tor erzielte Roy Beerens zum 2:0-Auswärtssieg in 2015, am ersten Spiel unter Pal Dardai.
Auch die Berliner mussten durch individuelle Fehler Gegentreffer kassieren, wirkten im Spiel nach vorne oft ideenlos und ohne Durchschlagskraft. Die Balance zwischen Offensive und Defensive klappte bislang nicht und das obwohl man aktuell deutlich weniger von Verletzungen als beispielsweise der kommende Gegner geplagt ist. Ante Covic wollte gerade dort ansetzen, die Länderspielpause nutzen um die Anfälligkeit der Hertha-Defensive zu richten und effizienter nach vorne zu spielen. Doch wie wird sich das auf die Startelf der Berliner auswirken?
Marius Wolf vor Debüt
Stabilität ist sicher keine Sache, die nur einen Mannschaftsteil betrifft, sondern die komplette Mannschaft fordert. Taktische Wechsel, mentale Arbeit innerhalb der Mannschaft und neue Trainingsschwerpunkte werden sicherlich auf der Liste von Ante Covic gewesen sein, doch auch individuell könnte es Veränderungen geben.
Neuzugang Marius Wolf hat bereits sehr gute Eindrücke im Training hinterlassen und Lob vom Cheftrainer erhalten. Er hat also gute Chancen auf einen Startelfeinsatz, auch schon gegen Mainz. Die Frage wird natürlich sein, auf welcher Position er eingesetzt wird. Lukas Klünter konnte bisher ordentliche Leistungen zeigen, sodass Wolf eher auf der rechten offensiven Außenbahn eingesetzt werden könnte, wo zuletzt Rekordtransfer Dodi Lukebakio agierte. Dieser könnte beispielsweise in den Mittelsturm wechseln und den zuletzt schwachen Vedad Ibisevic ersetzen. Dies scheint jedoch unwahrscheinlich, auch weil Ante Covic den Belgier nicht als einzige Spitze sieht. Auf der linken Seite könnte Lukebakio ebenfalls agieren, dort sind aber auch Javairo Dilrosun, Maximilian Mittelstädt und Salomon Kalou eine Option.
Ein Systemwechsel zum 3-5-2 könnte ebenfalls eine Lösung sein: Lukas Klünter und Marius Wolf würden zusammen auf dem rechten Flügel spielen und Dodi Lukebakio könnte zusammen mit Vedad Ibisevic oder Davie Selke im Sturm agieren. So oder so scheint es wahrscheinlich, dass Wolf am Samstag sein Debüt für Hertha BSC feiern wird. Auch im Sturm könnte es einen Wechsel geben, wenn Ante Covic Kapitän Ibisevic auf die Bank befördert.
Mit personellen Änderungen zurück zur Stabilität?
Aus der Startelf rotieren könnte auch Karim Rekik. Seine schwachen Leistungen in den ersten Spielen haben seinen Status nicht gerade gestärkt und auf der Bank warten mit Dedryck Boyata sowie Jordan Torunarigha zwei ernsthafte Startelfkandidaten. Insbesondere der 22-Jährige wird darauf brennen, sich zurück in der Startelf zu melden. Boyata wird hingegen wohl noch etwas Zeit brauchen, um für 90 Minuten Bundesliga fit zu werden.
Auch im Mittelfeld könnte etwas passieren. Schließlich bemängelte Herthas Cheftrainer zuletzt auch, dass der Mannschaft die Basics fehlten. “Kompaktheit, Laufbereitschaft und Willen” seien gefordert, um “wieder mehr Sicherheit und Stabilität reinzukriegen.” Im Kader steht mit Per Skjelbred ein Spieler, der gerade diese Qualitäten verkörpert, wie kaum ein anderer in Hertha-Dress. Sollte es einen Zeitpunkt geben, um die Stärken des Norwegers zu nutzen, dann wäre es wohl jetzt. Auch Neuzugang Eduard Löwen könnte beginnen. Dafür müsste jedoch entweder Vladimir Darida oder Marko Grujic weichen. Beide konnten in den letzten beiden Spielen nicht überzeugen.
Unabhängig von personellen Wechsel wird vor allem die mentale Stärke und eine gute Mannschaftsleistung von Nöten sein, um die ersten drei Punkte der Saison zu holen. Ante Covic hat sehr viele Optionen und genug Zeit in der Pause gehabt, um Lösungen für die Probleme der „alten Dame“ zu finden. Sollten die Ergebnisse weiterhin nicht stimmen, wird es für den Berliner Coach andere Gründe für schlaflose Nächte geben.