Wann ist der Mann ein Mann?

von Aug 24, 2021

Gibt es bei Hertha interne Konflikte, hört man von Coach Pal Dardai des Öfteren, dass diese „unter Männern“ geklärt worden seien. Hinzu kommen weitere Phrasen über „Männersport“ und Rollenverteilungen in der Familie. Das wirft nicht nur ein unschönes Licht auf den sonst so sympathischen Hertha-Trainer. Angesichts der seit Jahren vorherrschenden Fehleinstellung seiner Mannschaft ist es auch einfach peinlich.

Von “Sportschokolade” und “Eiern”

Nach dem enttäuschenden Bundesliga-Auftakt gegen den 1. FC Köln und der schwachen Leistung von Matheus Cunha ließ Pal Dardai wissen, dass man anschließend einen „Streit unter Männern“ geführt habe. Geht es nach Spielen um vermeintliche Schwalben, erinnert der Ungar häufig daran, dass Fußball ein „Männersport“ sei.

dardai hertha
Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Den Streit zwischen Dodi Lukébakio und Davie Selke darum, wer den Elfmeter gegen Wolfsburg schießen sollte, fand Dardai gut. Jedenfalls besser als wenn alle Spieler „Sportschokolade“ in der Hose hätten. Die potenziellen Schützen hätten “Eier” bewiesen. Und vor ein paar Jahren fiel der Hertha-Coach negativ auf, indem er darüber referierte, dass Frauen es akzeptieren müssten, dass sie sich nachts um die Babys kümmern, während die Männer schlafen, um am nächsten Tag fit zu sein.

Die Ehrlichkeit des Pal Dardai

Nein, im Fußball muss man nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Und irgendwie gehört es auch zum immer offenen und ehrlichen Pal, dass da auch mal ein solcher Querschläger herauskommt. Es ist auch völlig okay, dass Hertha-Coach Dardai und seine Familie das so leben. Aber selbst wenn er es nicht so meint, schwingt dabei immer leicht mit, dass Fußball für Dardai eben nichts für Frauen ist und noch viel schlimmer: Dass Menschen, die eben nicht dieser Dardai’schen Vorstellung des Familienlebens entsprechen, nicht leistungsfähig genug sind.

Überhaupt entsteht die Frage, ob Pal der Meinung ist, ob nur Männer etwas richtig klären können und Frauen grundsätzlich nicht konfliktkompetent und friedensfähig seien. Dass Letzteres Unsinn ist, weiß man auch ohne ein Geschichtsbuch über die Entstehung der Weltkriege konsumiert zu haben. Wie viele Frauen saßen denn bei den großen Kriegen des vergangenen Jahrtausends an den Verhandlungstischen?

Dardai sollte mehr Grönemeyer hören

Aber selbst wenn man Dardais Zitate nicht überinterpretieren möchte, sind sie auch auf Herthas sportliche Situation bezogen schlichtweg unpassend. Egal wie männlich der Streit zwischen Dardai und Cunha geführt wurde – das Ende vom Lied ist, dass Cunha nicht mehr für Hertha spielt. Tolle Konfliktlösung. Und auch die beiden Streithähne Lukébakio und Selke wirkten bei ihrer Elfmeter-Kabbelei nicht gerade staatsmännisch und souverän, sondern vielmehr von Stolz besessen und der Torjägerliste getrieben.

Foto: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx/IMAGO

Und auch die Verweise auf den „Männersport“ wirken seltsam, wenn sie bedeuten sollen, dass nur Männer mit Biss Fußball spielen können. Denn leider zeigt Dardais Mannschaft seit Jahren zumeist genau das Gegenteil: wenig Leidenschaft, wenig Überzeugung, wenig Energie. Rechnet man hinzu, dass gerade Spieler wie Selke oder Cunha sich mehrfach pro Spiel schmerzverzogen auf dem Boden wälzen und wie Schulkinder mit dem Schiedsrichter diskutieren, wird einem schnell klar, dass Dardais eigenes Team sein Konzept des „Männersports“ wohl nicht so gut verstanden hat.

Schön wäre es also, wenn Dardai beginnt solche Äußerungen zu hinterfragen. Trotz der Sprachbarriere, die er als Ungar sicherlich noch immer hat, sind seine Äußerungen über Geschlechterrollen- und eigenschaften nicht mehr zeitgemäß. Vielleicht hilft ihm dabei ja ein kleiner Ausflug in die deutsche Popkultur der 1980er-Jahre. Damals sang ein noch junger Herbert Grönemeyer:

“…
Männer haben Muskeln
Männer sind furchtbar stark
Männer können alles
Männer kriegen ‘nen Herzinfarkt
Oh, Männer sind einsame Streiter
Müssen durch jede Wand, müssen immer weiter

Nur wann ist der Mann ein Mann?”

[Titelbild: xSebastianxRäppold/MatthiasxKochx]

ÜBER DEN AUTOR

Benjamin Rohrer

Benjamin Rohrer

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