Boateng: Die Rückkehr des Königs

von Jun 24, 2021

KPB. Drei Buchstaben, die Fan-Herzen höherschlagen lassen. Hertha bekommt eine Identifikationsfigur und Kevin-Prince Boateng nochmal die große Bühne. Was kann der neue alte Herthaner seinem Verein noch geben?

Zu welcher Leistung sich ein 34-jähriger, erfahrener Spieler aufraffen kann, konnte man in der Saison 18/19 an Vedad Ibisevic sehen. In 28 Spielen traf der Bosnier zehn mal und legte drei weitere Treffer vor. Doch in diesem Text geht es nicht um Ibisevic. Es geht um einen anderen 34-Jährigen. Es geht um einen verlorenen Sohn, der nach langer Reise zurück nach Hause kommt. Es geht um einen ehemaligen Straßenfußballer, der Hertha eine Portion Berlin verabreichen soll.

Die zwei Brüder

Manche würden Kevin-Prince Boateng für einen glücklosen Glücksritter halten. Ein Suchender, der in seiner Profikarriere für nicht weniger als 14 Vereine gespielt hat und selten mehr als 30 Spiele gemacht hat. Er konnte zwar einige Erfolge und Titel vorweisen, in Sachen Konsistenz blieb er aber immer hinter seinem nicht minder begabtem Bruder Jérôme zurück.

Zwei Brüder, beide in den Stahlkäfigen und Häuserschluchten Berlins aufgewachsen. Beide bei Hertha ausgebildet und zum Profi gereift. Beiden ist der Verein nicht groß genug, beide zieht es hinaus in die Welt. Doch während Jérôme bei Bayern den ersehnten sportlichen Erfolg gefunden zu haben scheint und sich ständig wieder ins Rampenlicht spielt, sogar Weltmeister wird, bleibt Kevin-Prince ein getriebener und rastloser. Nun, 14 Jahre nach seinem Abschied soll sich der Kreis schließen, seine Reise endlich zu Ende gehen. Die Erfahrung hat ihre Früchte getragen. Aus dem einstigen Prinzen ist so ein König geworden, der in der Stadt zurückkehrt, in der alles angefangen hat, und wo es auch enden soll.

Kevin Prince li. weist seinen jüngeren Bruder Jerome Boateng beide Hertha auf etwas hin

Die Gefährten

Dass es gerade jetzt soweit kommt, ist sicherlich kein Zufall. In Berlin warten zahlreiche Bekannte auf Boateng, allen voran seine ehemaligen Mannschafts- und Teamkollegen Pál Dárdai, Arne Friedrich, Zecke Neuendorf und Fredi Bobic. Während alle inzwischen die Stollenschuhe gegen die bequemen Buisness-Sneaker getauscht haben, will Boateng es nochmal auf dem Platz wissen. Ich habe es schon mal an anderer Stelle geschrieben:  Um Hertha zu helfen, verordnet sich Hertha eine Kur Hertha. In diesem Fall gibt es noch einen Berlin-Bonus mit drauf.

Hertha, so hat Fredi Bobic richtig festgestellt, spielt momentan nur um einen Titel: die Nummer eins in der Stadt zu werden. Derby-Siege sind das eine, Sympathie und Fankultur das andere. Während Union sich mit allerhand Neuzugängen eindeckt, die wenig bis gar keine Verwurzlung im Verein, geschweige denn der Stadt haben, hat Hertha hier einen echten Coup gelandet. Den Namen Boateng muss kein Hertha-Fan mehr lernen. Er sitzt tief verankert zwischen dem Text der Hymne und der Erinnerung an das Tor von Marcelinho gegen Freiburg.

Das Risiko

Bei aller Euphorie, bei allem Lob. Die Gretchenfrage bleibt: Was kann Kevin-Prince Boateng sportlich bei Hertha verbessern. Um das zu beantworten müssen wir uns verdeutlichen, dass Fußball auch mit dem Kopf gespielt wird und zwar nicht nur mit denen der Spieler, die gerade auf dem Platz stehen, sondern auch die die auf der Bank sitzen oder zuhause schmoren, weil sie im Kader nicht berücksichtigt wurden. Zum Anfang der letzten Saison gab es ein großes Leadership-Problem bei Hertha. Boateng kokettierte schon damals mit einer Rückkehr. Die damaligen Verantwortlichen lehnten ab. Das Problem erledigte sich allerdings nicht wie erhofft von selbst, sodass im Winter Sami Khedira als Stütze der Mannschaft verpflichtet wurde. Auch wenn der Weltmeister von 2014 nur acht Spiele im blau-weißen Dress absolvierte, war er zu jeder Zeit im Stadion und beim Training präsent. Den Anteil, den Khedira am Klassenerhalt hatte, er lässt sich nicht wegdiskutieren.

Sami Khedira (Juventus) Kevin Prince Boateng (Sassuolo) during the Italian Serie A match between Juventus 2-1 Sassuolo at Allianz Stadium on September 16 , 2018 in Torino, Italy. NOxTHIRDxPARTYxSALES. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY (85861648)

Boateng soll jetzt genau diese Rolle einnehmen. Der Leitwolf, der dem Rudel zeigt wo es lang geht, sie bei der Ehre packt und als verlängerter Arm des Trainers fungiert. Die Erfahrungen der letzten zwei Saisons haben uns nochmal vor Augen geführt, dass Geld und Talent alleine nicht ausreichen. Teure, hochbegabte Spieler mögen zwar das ein oder andere Tor schießen, gewinnen kann aber nur ein fest zusammengeschweißtes Team.

Über die von hohen Zäunen umrahmten Betonbolzplätze Berlins ranken sich viele Geschichten. Viele Spieler berichten stolz davon, dass man sich das Recht mitzuspielen teuer verdient haben müssen. Kevin-Prince Boateng muss sich nicht mehr verdienen mitzuspielen. Es sind die anderen Spieler, die sich verdienen müssen mit ihm zu spielen. Nicht für Geld, sondern für die Fans, für Hertha und für ganz Berlin.

[Titelbild: xEnricxFontcubertax/IMAGO]

Hilfe für die Ukraine!

Um den Menschen in der Ukraine zu helfen, hat sich die Gruppa Süd entschlossen, Geld zu sammeln und damit die Menschen in und um die Kriegsgebiete zu unterstützen. Davon werden speziell Hygieneartikel für Frauen und Babys sowie haltbare Lebensmittel gekauft. Die Spenden werden direkt an die polnisch-ukrainische Grenze geliefert, sodass den Menschen unmittelbar geholfen wird.

ÜBER DEN AUTOR

Niklas Döbler

Niklas Döbler

Hat Psychologie nur deshalb studiert um mit dem Frust des Hertha-Fan-Seins umgehen zu können. Schreibt viel zu komplizierte Texte über viel zu einfache Themen.

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