Danke, Arne!

von Mai 19, 2021

Vom Performance Manager zum Interims-Geschäftsführer Sport. Arne Friedrich hat in dieser Saison alles für Hertha gegeben. Grund genug seine Leistung in diesem Artikel zu würdigen.

Der 3. Juli 2010 ist ein besonderer Tag für Arne Friedrich. Bei einem souveränen Auftritt der deutschen Nationalmannschaft gegen Argentinien, trifft der Verteidiger zu seinem ersten und einzigem Länderspieltor. Die Freude ist ihm beim Torjubel anzusehen. Ich konnte mich damals nicht wirklich freuen. So gerne hätte ich gesehen, wie die Hertha-Legende dieses wichtige Tor macht, während er für die alte Dame spielt. Doch Friedrich hatte bereits einige Monate vorher klar gemacht, dass er in der zukünftigen Saison nicht das blau-weiße Dress tragen und stattdessen nach Wolfsburg wechseln wird. Zwei Millionen Euro für acht Jahre Leidenschaft und 288 Spiele. Ich bin ehrlich, ohne mich damals viel mit den Hintergründen und Zerwürfnissen auseinander gesetzt zu haben: Ich habe es Arne sehr übel genommen.

Die Zeit heilt alle Wunden

Mit der Zeit ist dieser Zorn verraucht. Es schien Wichtigeres zu geben. Herthas Weg in den letzten zwei Jahren war nicht immer eben und schön. Auf Höhen folgten Tiefen und während man selbst älter wurde, lernte man die Dinge ein wenig anders zu sehen und die Verdienste die einzelne Personen für den Verein erbracht haben mehr zu würdigen. Aus diesem Grund war ich auch extrem euphorisch, als ein gewisser J.K. Arne als Performance Manager aus dem Hut zauberte.

Die Professionalität, die Arne hier an den Tag legte war beeindruckend. Er war schließlich nie zuvor Performance Manager gewesen und hat sich nach seiner Karriere als aktiver Spieler alles selber beigebracht. Während nach und nach alle Klinsmann Vertrauten und Nachfolger entlassen wurden, stieg Arne vom Performance Manager zum Sportdirektor auf. Auch das ist sicher ein Zeichen für die Qualität seiner Arbeit. Nachdem Bruno Labbadia gehen musste und Dárdai als Nachfolger bekanntgegeben und das Trio Infernale durch Zecke Neuendorf komplettiert wurde, wartete eine Mammut-Aufgabe: Aus einem schlecht zusammengestellten, unerfahrenen und verunsicherten Kader musste schleunigst ein Team geformt werden.

friedrich hertha
Foto: nordphotox/xEngler/IMAGO

Theorie und Praxis

Glaubt man den Berichten und Insta-Stories, arbeite Arne hier wie ein Besessener. Zusätzlich zum Abstiegskampf übernahm er dazu sogar den Geschäftsbereich von Michael Preetz und fädelte die wichtigen Wintertransfers ein. Zwischenzeitlich musste er sogar das Training übernehmen und es würde mich nicht wundern, wenn er in der Zeit als alle Spieler in Quarantäne mussten, das ein oder andere Spinning-Bike selbst aufgebaut hätte.

In der Theorie war da ein 42-jähriger Ex-Spieler, ohne vorzeigenswerte Coaching- oder Funktionärserfahrung, der seinen Ex-Traditionsclub vor dem Abstieg und dem Spott der ganzen Liga retten musste. Die Chancen sahen schonmal besser aus. Doch Theorie und Praxis sind zwei unterschiedliche Dinge. Führt man sich Arnes Weg nach seiner aktiven Karriere vor Augen, stößt man auf Anekdoten, wie er in den USA zusammen mit Navy Seals trainierte und wie viel Kraft er aus der Bibel ziehe.

friedrich hertha
Foto: xMatthiasxKochx/IMAGO

Das mag vielleicht etwas befremdlich wirken. Die „Bild“ titelte am Anfang von Arnes Zeit als Performance Manager: „Hertha will Gegner versenken: Arne Friedrich plant Torpedo Training.“ Solche einseitigen Fokussierungen übersehen den wichtigsten Aspekt der Erfahrung, die Arne aus seinen USA-Kontakten mitgenommen haben dürfte: Wie man aus wildfremden Menschen eine Einheit schmiedet, die im Zweifel bereit ist, füreinander zu sterben. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Aufgabe, aus Herthas Mannschaft ein Team zu formen, wie ein Kinderspiel.

Erfolg

Es ist unnötig zu erwähnen, dass Arne, Pal, Zecke, der gesamte Verein und die Spieler geliefert haben. Sie sind ein Team geworden. Haben sich nicht von zwei Wochen Quarantäne und einem vollen Spielplan aus der Bahn bringen lassen, sondern haben die Zeit genutzt um stärker zu werden. Wer wieviel dazu beigetragen hat, das lässt sich wahrscheinlich nie ganz klären. Fest steht aber: Ohne diese magische Konstellation, ohne das hoch professionelle Auftreten des Vereins nach Außen und Innen: Der Abstieg wäre wohl sicher gewesen.

Hertha-Fan zu sein ist sicher eine Ehre, aber selten ein Vergnügen. Umso wichtiger ist es, dass es jemanden gibt, bei dem man sich sicher aufgehoben fühlt. Dem man abnimmt, dass alles gut wird. Für mich persönlich hat Arne Friedrich, unabhängig vom aktuellen Trainer, immer genau das ausgestrahlt. Vielleicht war seine Person, in Kombination mit den anderen schon genannten Faktoren, der Grund, warum ich nie ernsthaft um den Abstieg besorgt war, beziehungsweise, dass ich mir sicher war, dass wenn Hertha absteigt und Arne im Verein bleibt, Hertha ganz schnell wieder erstklassig spielen würde.

Identifikationsfigur

Was mag die Zukunft bringen? Der Verein sieht sich dem dritten Umbruch in drei Jahren gegenüber. Erst der Einstieg Tennors, dann das Personalchaos diese Saison und jetzt die Neuorganisation der sportlichen Geschäftsführung. Wird Arne Friedrich nach seiner zukünftigen Platz bei Hertha gefragt, hüllt er sich in nebulöse Andeutungen.

friedrich hertha
Foto: IMAGO

Der Eindruck, dass Arne in den jüngsten stürmischen Zeiten eine wichtige Konstante und Identifikationsfigur für den Verein, seine Fans und Spieler war, lässt sich allerdings nicht wegdiskutieren. Es ist das perfekte Fußball-Märchen. Drei Ex-Spieler, machen zwischen Espresso und Rotwein aus, ihren Verein zu retten. Würde man jetzt einen Cut machen, das Happy End dieser emotionalen Achterbahnfahrt wäre auf ewig konserviert.

Aber das will ich gar nicht. Ich will das nicht, weil ich darauf vertraue, dass Hertha und Arne zusammen Erfolg haben werden. Jetzt aufzuhören, wäre wie einen Marathon nach 100 Metern abzubrechen, weil man sich ja zumindest mal motiviert hat loszulaufen. Ich glaube, dass Arne das Zeug hat diesen Marathon mit Hertha zu laufen. Ich glaube, dass es Hertha gut tun würde diesen Marathon mit Arne zu laufen. Ich glaube, dass Arne Bock hat diesen Marathon mit den Fans zu laufen.

Um den ersten Satz aus Francis Ford Coppolas Meisterwerk „Der Pate“ zu paraphrasieren: Ich glaube an Arne Friedrich.

[Titelbild: IMAGO]

Hilfe für die Ukraine!

Um den Menschen in der Ukraine zu helfen, hat sich die Gruppa Süd entschlossen, Geld zu sammeln und damit die Menschen in und um die Kriegsgebiete zu unterstützen. Davon werden speziell Hygieneartikel für Frauen und Babys sowie haltbare Lebensmittel gekauft. Die Spenden werden direkt an die polnisch-ukrainische Grenze geliefert, sodass den Menschen unmittelbar geholfen wird.

ÜBER DEN AUTOR

Niklas Döbler

Niklas Döbler

Hat Psychologie nur deshalb studiert um mit dem Frust des Hertha-Fan-Seins umgehen zu können. Schreibt viel zu komplizierte Texte über viel zu einfache Themen.

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