1. FSV Mainz 05 – Hertha BSC: Der Marathon beginnt

von Mai 2, 2021

Seit dem 10. April hat Hertha BSC kein Spiel mehr bestritten, inzwischen befindet sich das Team auf dem 17. Tabellenplatz. Mit drei Spielen Rückstand zur Konkurrenz. Am Montag kehrt die Mannschaft vom „Homeoffice“ und der Quarantäne auf den Rasen zurück und spielt gegen die Mannschaft der Stunde – den 1. FSV Mainz 05. Wie fit und schlagkräftig Hertha aus der Quarantäne kommt, scheint unberechenbar zu sein. Mainz jedoch lieferte in den vergangenen Wochen genügend Spielmaterial für eine Analyse. Worauf muss sich Hertha einstellen, wenn das Team gegen den Bayern-Bezwinger siegen möchte?

Darüber, und was wir von Mainz erwarten können, haben wir mit Oliver Heil gesprochen, er ist Fan-Experte bei Spiegel Sport und zusammen mit Mara Pfeiffer Autor des Buches „1. FSV Mainz 05 Fußballfibel“. Nach der Hinrunde lag sein Herzensverein noch auf dem 17. Tabellenplatz, in der Rückrundentabelle belegt die Mannschaft, mit einem Spiel weniger, nun den fünften Platz. Doch ist die starke Punkteausbeute noch kein Grund zur Entspannung, wie Oliver Heil findet.

Hertha und Mainz: Unterschiedliche Gefühlswelten

Für die Hertha-Fans müssen die vergangenen Wochen qualvoll gewesen sein. Die Konkurrenz spielt, während die eigene Mannschaft wegen der Quarantäne nur zu gucken kann. Das Team hielt sich unter Online-Anleitung und Aufsicht von Athletik-Trainer Henrik Kuchno überwiegend auf dem Laufband und mit Trainingsbändern fit. Zuschauen mussten das Team und die Fans auch, als der 1. FSV Mainz 05 am vergangenen Spieltag die Meisterschaftsfeier des FC Bayerns verschob und mit einem 2:1 Sieg wichtige drei Punkte für den Klassenerhalt sicherte.

Nach dem 28. Spieltag, also vor Beginn der Quarantäne für Hertha BSC, stand Mainz mit 28 Punkten auf dem 14. Tabellenplatz. Hertha rangierte mit zwei Punkten weniger direkt dort hinter, auf dem 15. Tabellenplatz. Das direkte Duell gegeneinander musste wegen der Quarantäne verschoben werden. Zwei Spiele später und sechs Punkte mehr, hat sich Mainz bis auf den 12. Tabellenplatz hochgekämpft und inzwischen satte 34 Punkte gesammelt. Seit sieben Spieltagen hat Mainz nicht mehr verloren, das verschobene Spiel gegen Hertha ausgenommen.

Der Lasso-schwingende Hype-Train aus Mainz

„Die Überzeugung ist nach dem Sieg gegen Bayern, und vor allem durch die Art wie er herausgespielt wurde, natürlich gewachsen“, sagt er. Damit habe Mainz einige Teams hinter sich gelassen, denen man nicht unbedingt einen Lauf zutraue. Damit wurden wichtige Schritte in Richtung des eigenen Klassenerhalts gemacht. Das Spiel gegen Hertha „ist dadurch aber nicht weniger wichtig. Ich bin null entspannt“, sagt Oliver Heil weiter. Vor allem, weil es unberechenbar scheint, wie Hertha nach der langen Pause in Form sein wird.

mainz hertha
Foto: IMAGO

„Hat die Quarantäne die Mannschaft zu einer Schicksalsgemeinschaft geformt oder ist sie in ihre Einzelteile zerfallen?“, fragt sich auch Oliver Heil. Die Beispiele Kiel und Sandhausen würden zeigen, dass Teams tatsächlich auch mit Schwung aus solchen Pausen kommen können. „Aber dann triffst du halt auf Mainz, wo gefühlt gerade jeder Spieler das Lasso schwingend auf dem Hype-Train reitet“, sagt Oliver Heil sichtlich begeistert von seiner Mannschaft. Hätte er vor zwei Wochen noch auf ein ödes Unentschieden getippt, ist er sich nun sicher: „Mainz gewinnt. Für Montag gibt es noch keine Punkte für euch, aber danach bestimmt“, sagt er zwinkernd.

Zumindest der Tonus scheint bei Hertha aber schon einmal zu stimmen. Meckern oder jammern wollte niemand im Team, „Wir nehmen diese Situation an, wir hadern nicht nicht mit der Situation“, sagte etwa Geschäftsführer Carsten Schmidt, kurz nachdem die positiven Tests bekannt wurden. Und er ergänzte: „Die Motivation ist maximal, ich spüre so so einen Spirit: Jetzt erst recht.“

Das Mainzer Spiel ist gefährlich, könnte der Hertha aber liegen

Selten zeichnen sich Mannschaften im Abstiegskampf durch passsicheren Ballbesitz-Fußball aus. So ist es etwa auch beim 1. FSV Mainz 05. Dennoch ist es laut Oliver Heil durchaus unangenehm, gegen die Mannschaft zu spielen. „Du musst wahnsinnig viel laufen, musst ständig versuchen, dich aus Presseng-Situationen zu befreien. Das Spiel der Mainzer lebt also vom Umschaltmoment“, beschreibt er den Fußball seiner Mannschaft. Für Hertha könnte es nach der langen Pause ohne Ball am Fuß gefährlich werden, sich einem ständigen Mainz-Gegenpressing gegenüber zu sehen. Maximale Konzentration, schnelles Denken und Lesen des Spiels, sowie eine hohe Passsicherheit werden entscheidend sein, um sich aus diesen Situationen zu befreien. Für eine Mannschaft ohne Spielrhythmus könnte das durchaus ein Problem werden.

Foto: Poolfoto Patrick Scheiber/Jan Huebner/IMAGO

Doch gelingt das, sind die Mainzer für ihr Pressing erst einmal aufgerückt und Hertha schafft es, die Situationen auszuspielen, kann es nach vorne in die Spitze sehr schnell gehen – stimmt dann noch der Abschluss, kann Hertha durchaus zählbares mit nachhause nehmen. Auch Hertha braucht den Ball nicht ständig am Fuß und glänzt etwa in Umschaltmomenten. Oft mit Jhon Cordoba, der den Ball in der Spitze fest macht und auf die Flügel verlagert. Von dort schlagen entweder die Außenverteidiger ihre Flanken hinein oder etwa ein Cunha geht ins Dribbling und zieht in den Strafraum.

Ein wichtiger Parameter dafür scheint das Passsiel der Mainzer zu sein. Denn das ist laut Oliver Heil „von der Statistik unterirdisch“. Und tatsächlich liegen die Mainzer mit 75,4 Prozent angekommener Pässe in dieser Saison auf dem letzten Tabellenplatz. Hertha hingegen befindet sich mit 82,1 Prozent angekommener Pässe auf dem achten Tabellenplatz. Ob sich Hertha durch kluges und schnelles Passspiel von dem gegnerischen Pressing befreien kann, wird also eine entscheiden Frage in diesem Spiel sein.

Das Abwehr-„Bellwerk“ brechen

Eine weitere Stärke der Mainzer liegt laut Oliver Heil im Abwehrverhalten. „In Mainz sprechen wir schon vom ‚Bellwerk‘, weil Stefan Bell da hinten der Turm in der Schlacht ist, der stabile Anker“, sagt er. Ergänzen würden ihn vor allem auch Moussa Niakhaté und Jeremiah St. Juste, „zwei technisch starke und sehr schnelle Verteidiger, die sich jederzeit ins Angriffsspiel einschalten können“, beschreibt er die verbesserte Defensivarbeit der Mainzer vor allem in der Rückrunde.

Doch bleibt die schwache Passquote der Mainzer – womöglich kann Hertha das mit eigenem Pressing für sich nutzen und das Ruder somit herumdrehen. Doch sind die Berliner nicht für ein starkes Spiel mit Pressing auf den Ball und zulaufen der Anspielstationen bekannt – weshalb es womöglich auf direkte Duelle der Berliner Edeltechniker mit der Mainzer Abwehr hinauslaufen wird.

Foto: Andreas Gora/IMAGO

Einen Vorteil für Mainz sieht Oliver Heil darin, dass sein Team den Abstiegskampf bereits angenommen habe – und auch, dass der Kader dafür ausgelegt sei. „Was Bo Svensson zusammen mit dem neuen Sportdirektor Martin Schmidt super hinbekommen hat, ist, die Mannschaft komplett auf den Abstiegskampf einzuschwören und alle mitzunehmen“, sagt er. Er sei nicht dicht an Hertha und dem Team dran, doch seiner Einschätzung nach, ist das in Berlin noch nicht der Fall. „Zumindest meiner Wahrnehmung nach ist das Dárdai in Berlin nicht so gelungen. Ich weiß nicht, ob die Stärken, die in diesem Kader stecken, die sind, die in der jetzigen Situation weiterhelfen“, sagt er.

Ob er Recht hat oder das Berliner Team vor Kampf und Motivation nur so strotzt, wird sich am Montag zeigen. Vier Punkte aus den drei Nachholspielen sind laut Pál Dárdai das Minimalziel – mehr dürften es aber gerne sein. “Den Druck muss die Mannschaft überleben, das ist eine machbare Aufgabe. Danach müssen wir über den nächsten Druck reden“, sagte der Hertha-Trainer in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Mainz. Damit beginnt für die Berliner am Montag der entscheiden Fußball-Marathon, mit sechs Spielen innerhalb von nur 20 Tagen.

[Foto: xUwexKoch/xEibner-Pressefotox/IMAGO]

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Steve Reutter

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