Vorschau: SC Freiburg – Hertha BSC: Von wegen Favorit

von Dez 18, 2020

Und plötzlich war es dann eigentlich doch gar nicht mehr so schlimm, dass man aktuell nicht ins Stadion darf. Waren auch schon, mit Ausnahme des Derbysieges, die vorangegangenen Heimspiele nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig, unterbot Hertha das bisher Dargebotene am Dienstagabend nochmal um einiges. Statt mit breiter Brust gegen ein Mainz 05, das mitten im Abstiegskampf steckt, aufzutreten, war die Alte Dame trotz der Rückkehr von Matheus Cunha komplett ideenlos, sodass das Ergebnis tatsächlich noch das mit Abstand beste am Spiel war. Dass es auch anders geht, hat die Mannschaft in dieser Spielzeit bereits des Öfteren bewiesen. Umso unerklärlicher ist es, wie eine derartige Leistung zustande kommen kann. Konnte man die dürftige Punkteausbeute bisher noch mit der Stärke der Gegner erklären, zählt diese Ausrede nun nicht mehr. Hertha muss jetzt anfangen, Siege einzufahren. Der nächste Versuch startet am Sonntagnachmittag gegen den SC Freiburg.

Im Vorfeld der Partie gegen den SC haben wir mit Freiburg-Experte Mischa, unter anderem bekannt durch seinen Blog zerstreuung-fussball.de, gesprochen, der uns unter anderem erklärt, wie die Breisgauer nach schwachem Saisonstart wieder in die Spur fanden.

Der ewige Fluch der guten Tat

Mit Robin Koch und Luca Waldschmidt hat der SC Freiburg im Sommer zwei Nationalspieler verloren. (Quelle: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images)

Papiss Demba Cissé, Maximilian Philipp, Caglar Söyüncü, Matthias Ginter… Die Liste der Spieler, die in Freiburg aus-oder auf hohem Niveau weitergebildet wurden, um dann von finanziell potenteren Vereinen abgeworben zu werden, könnte noch eine Weile fortgesetzt werden. Im zurückliegenden Transferfenster kamen die beiden Nationalspieler Robin Koch und Luca Waldschmidt hinzu. Gerade der Abgang des Defensivspezialisten fällt laut Mischa ins Gewicht: „Koch war sicher der schwierigste Abgang. Das sah man insbesondere zu Saisonbeginn. Es fehlt körperliche Präsenz in der Defensive.“

Doch wie auch schon in den vergangenen Jahren scheint es Freiburg wieder gelungen zu sein, die Abgänge durch Spieler aus den eigenen Reihen sowie Neuverpflichtungen aufzufangen. So ist der im Vorjahr an Union Berlin ausgeliehene Keven Schlotterbeck ein Stabilisator in der Abwehrkette: „Seit er zentral in der Dreierkette spielt, steht man wieder etwas besser.“ Im Gegensatz zu Schlotterbeck, legte man für einen anderen Akteur eine nicht gerade unbeachtliche Summe von rund 10 Millionen Euro auf den Tisch. Der Franzose Baptiste Santamaria wurde ins Breisgau gelotst. Zu ihm macht Mischa den Vergleich mit einem Freiburger aus, der vor einigen Jahren den Weg an die Spree gefunden hat: „Santamaria erinnert manchmal an Darida: Immer der laufstärkste Spieler, gut in den Zweikämpfen, ist aber kein Abräumer, sondern auch technisch stark.“  

Ein Spieler, der es Darida in diesem Sommer gleichtat und ebenfalls von Freiburg nach Berlin wechselte, ist Alexander Schwolow, dessen Abgang aus Freiburg einige unglückliche Umstände nach sich zog: „Hier sollte eigentlich Flekken der Ersatz sein, doch der zog sich vor dem ersten Pokalspiel eine größere Verletzung zu. Man konnte kurzfristig noch Müller aus Mainz ausleihen. Er fiel weniger auf. Aber es gibt doch einen sehr großen Kontrast zu Schwolow. Immer wieder lässt Müller den Ball nach vorne prallen. In dieser Disziplin war Schwolow herausragend. Er fing Bälle oder wehrte sie sauber zur Seite ab.“, ordnet Mischa ein.

Nach Holperstart wieder in der Spur

Streichs Umstellungen brachten den SC wieder in die Erfolgsspur. (Photo by INA FASSBENDER/POOL/AFP via Getty Images)

Für den schlechten Saisonstart (sechs Punkte nach acht Spieltagen) sieht Mischa jedoch auch andere Gründe als die genannten Abgänge: „Das Auftaktprogramm war gar nicht so leicht, wie man es vielleicht gedacht hat. Bremen war zu dem Zeitpunkt recht gut drauf.

Niederlagen gegen Leverkusen, Dortmund und Leipzig, Unentschieden gegen Union, Wolfsburg und Bremen und ein Sieg gegen Stuttgart schienen okay. Auch weil die Leistungen alle in Ordnung gingen. Dann kam aber die erste Halbzeit gegen Mainz 05 und da war die Konterabsicherung katastrophal. Man lag früh 0:3 zurück, hätte aber auch mehr Tore kassieren können.“

Nach der Niederlage gegen den FSV berappelten sich die Freiburger jedoch eindrucksvoll und holten aus den vergangenen vier Partien acht Zähler. Gerade die Umstellungen von Christian Streich sieht Mischa hierfür als Hauptgrund: „Nach dem Spiel gegen Mainz stellte Streich auf ein 3-4-3 um und legte wieder einen größeren Fokus auf das Spiel gegen den Ball und den Umschaltmoment. Das hat gut funktioniert. Gegen Augsburg war es immerhin stabil. Gegen Gladbach war es auch offensiv herausragend. Freiburg hat gegen die Borussia mit 4,02 den zweithöchsten xG-Wert in dieser Saison überhaupt erspielt. Nur die Bayern gegen Schalke waren da noch besser. Die Chancenverwertung war in einigen Partien ein Problem. Erst gegen Schalke wurde das wieder etwas besser.“

Hertha zum Siegen verdammt

Während man vor dem Spiel gegen Mainz noch davon sprach, dass die kommenden Spiele allesamt welche seien, in denen Hertha qua der Favoritenstellung und der Tatsache, dass es nur noch gegen Teams ginge, die unter Hertha stünden, unbedingt gewinnen müsse, sehen die Vorzeichen jetzt anders aus. Der SC befindet sich gerade in aufsteigender Form und konnte insbesondere gegen Gladbach spielerisch auf ganzer Linie überzeugen. Hertha vor diesem Hintergrund die klare Favoritenrolle zuzuschieben, wäre daher vermessen. Dass das Team von Bruno Labbadia dennoch ohne Wenn und Aber gewinnen muss, das hat es sich aufgrund der katastrophalen Darbietung gegen Mainz selbst zuzuschreiben. Wie Hertha mit diesem Druck umgehen kann, wird sich am Sonntag zeigen.

Titelbild: TOM WELLER/POOL/AFP via Getty Images

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Alexander Jung

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